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  • · Fachbeitrag · Sachverständigenhonorar

    Geschädigter muss nicht den nächstgelegenen Sachverständigen beauftragen

    | Der Geschädigte muss insbesondere im ländlichen Raum nicht zwingend den Schadengutachter auswählen, der den kürzesten Anfahrtsweg hat, um die Position der Fahrtkosten in der Gutachtenrechnung niedrig zu halten. So hat es das AG Dillingen an der Donau entschieden und dabei einen 30,8 km entfernt gelegenen Sachverständigen als zulässige Wahl angesehen, obwohl ein anderer Sachverständiger sein Büro nur 6 km vom Geschädigten entfernt hatte. |

     

    Der Geschädigte hatte einen von der IHK öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ausgewählt. Dessen Büro lag 30,8 km vom Besichtigungsort des Fahrzeugs entfernt. Dementsprechend rechnete der Sachverständige 60 km Fahrtkosten ab. Der Versicherer wandte ein, der Geschädigte hätte einen näher lokalisierten Gutachter beauftragen müssen und erstattete überhaupt keine Fahrtkosten. Das AG hat sich die Mühe gemacht zu recherchieren, welcher ebenfalls öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige in geringerer Entfernung tätig ist und fand nur einen, den allerdings in nur 6 km Entfernung. Die anderen beiden waren weiter entfernt.

     

    Einige gute Erwägungen zur Schadenminderungspflicht

    Das Gericht wörtlich: „Genauso wenig kann es dem Geschädigten als Auswahlverschulden oder Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht angelastet werden, wenn er im ländlichen Raum nicht den einzigen ortsnäheren öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen beauftragt, sondern ein größeres Einzugsgebiet dahingehend durchforstet, ob ihm ein Sachverständiger mit gutem Ruf empfohlen wird. … Aus diesem Grund sind Streitigkeiten bezüglich der Fahrtkosten auch grundsätzlich nicht geeignet für richtungsweisende Urteile und eine nähere Ausgestaltung der Schadensminderungspflicht. Vom Geschädigten kann in keinem Fall verlangt werden, dass er vorab die Komponenten der Gutachterrechnung abfrägt und verschiedene Angebote einholt. Auch kann ein Geschädigter im ländlichen Raum nicht gezwungen sein, den einzigen öffentlich bestellten Sachverständigen zu beauftragen ohne Rücksicht auf sonstige Auswahlkriterien. Gerade bei Verkehrsunfällen kommt es auch auf die Erreichbarkeit und die Qualität der Büroorganisation an und es muss dem Geschädigten erlaubt sein, einen Sachverständigen seines Vertrauens hinzuzuziehen.“ (AG Dillingen an der Donau, Urteil vom 23.3.2015, Az. 2 C 635/14, Abruf-Nr. 144506, eingesandt von Rechtsanwältin Birgit Schwarz, Weißenhorn)

     

    Es ging um nichts als die Fahrtkosten

    Das Urteil zeigt, mit welch haarsträubenden Argumenten die Versicherungswirtschaft das Gutachtenwesen attackiert. Was wäre denn, wenn der näher liegende Schadengutachter bei den Fotos höhere Preise aufruft oder beim Grundhonorar? Am Ende kann es nur auf die Gesamtkosten ankommen, denn alles andere ist für den Geschädigten nicht überblickbar.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2015 | Seite 9 | ID 43387902