Language of document : ECLI:EU:C:2021:620

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 15. Juli 2021(1)

Rechtssache C261/20

Thelen Technopark Berlin GmbH

gegen

MN

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2006/123/EG – Art. 15 – Honorare für Architekten und Ingenieure für Planungsleistungen – Mindest- und Höchstsätze – Urteil des Gerichtshofs, in dem eine Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats festgestellt wird – Unvereinbarkeit mit einer Richtlinie – Möglichkeit der Geltendmachung in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen – Niederlassungsfreiheit – Art. 49 AEUV – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 16 – Vertragsfreiheit“






I.      Einleitung

1.        Im Ausgangsverfahren begehrt der Kläger von der Beklagten die Bezahlung eines Honorars für eine erbrachte Leistung und verlangt einen höheren Betrag als den, der von den Parteien vertraglich vereinbart wurde. Er leitet seine Forderung aus einer Bestimmung des nationalen Rechts ab, die vorsieht, dass der Dienstleistungserbringer für die betreffende Dienstleistung Anspruch auf ein Honorar hat, das mindestens dem im nationalen Recht festgelegten Mindestsatz entspricht. Diese Bestimmung des nationalen Rechts widerspricht jedoch einer Richtlinie. Ist der Klage stattzugeben?

2.        Diese Frage stellte sich dem vorlegenden Gericht in der gegenständlichen Sache. Seine Entscheidung hängt von der Entscheidung des Gerichtshofs ab, ob das nationale Gericht bei der Beurteilung der Begründetheit der Klage eines Einzelnen gegen einen anderen Einzelnen die einer Richtlinie, hier der Richtlinie 2006/123/EG(2), widersprechende Bestimmung des nationalen Rechts, auf die die Klage gestützt wird, unangewendet lassen kann.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

3.        In den Erwägungsgründen 5, 6 und 64 der Richtlinie 2006/123 heißt es:

„5      Es ist … erforderlich, die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit von Dienstleistungserbringern in den Mitgliedstaaten und des freien Dienstleistungsverkehrs zwischen Mitgliedstaaten zu beseitigen und den Dienstleistungsempfängern und ‑erbringern die Rechtssicherheit zu garantieren, die sie für die wirksame Wahrnehmung dieser beiden Grundfreiheiten des Vertrags benötigen. …

6      Diese Beschränkungen können nicht allein durch die direkte Anwendung der Artikel 43 und 49 des Vertrags [jetzt Art. 49 und 56 AEUV] beseitigt werden, weil – insbesondere nach der Erweiterung – die Handhabung von Fall zu Fall im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren sowohl für die nationalen als auch für die gemeinschaftlichen Organe äußerst kompliziert wäre; außerdem können zahlreiche Beschränkungen nur im Wege der vorherigen Koordinierung der nationalen Regelungen beseitigt werden, einschließlich der Einführung einer Verwaltungszusammenarbeit. Wie vom Europäischen Parlament und vom Rat anerkannt wurde, ermöglicht ein gemeinschaftliches Rechtsinstrument die Schaffung eines wirklichen Binnenmarktes für Dienstleistungen.

64      Wenn ein wirklicher Binnenmarkt für Dienstleistungen geschaffen werden soll, müssen die in den Rechtsvorschriften bestimmter Mitgliedstaaten noch enthaltenen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, die mit Artikel 43 bzw. 49 des Vertrags [jetzt Art. 49 bzw. 56 AEUV] unvereinbar sind, beseitigt werden. Die unzulässigen Beschränkungen beeinträchtigen den Binnenmarkt für Dienstleistungen und sollten unverzüglich systematisch abgebaut werden.“

4.        Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt für Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden.“

5.        Art. 15 der Richtlinie sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnungen die in Absatz 2 aufgeführten Anforderungen vorsehen, und stellen sicher, dass diese Anforderungen die Bedingungen des Absatzes 3 erfüllen. Die Mitgliedstaaten ändern ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um sie diesen Bedingungen anzupassen.

(2)      Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnung die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von folgenden nicht diskriminierenden Anforderungen abhängig macht:

g)      der Beachtung von festgesetzten Mindest- und/oder Höchstpreisen durch den Dienstleistungserbringer;

(3)      Die Mitgliedstaaten prüfen, ob die in Absatz 2 genannten Anforderungen folgende Bedingungen erfüllen:

a)      Nicht-Diskriminierung: Die Anforderungen dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder – bei Gesellschaften – aufgrund des Orts des satzungsmäßigen Sitzes darstellen;

b)      Erforderlichkeit: die Anforderungen müssen durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein;

c)      Verhältnismäßigkeit: die Anforderungen müssen zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels geeignet sein; sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist; diese Anforderungen können nicht durch andere weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden, die zum selben Ergebnis führen.

(5)      In dem in Artikel 39 Absatz 1 genannten Bericht für die gegenseitige Evaluierung geben die Mitgliedstaaten an:

a)      welche Anforderungen sie beabsichtigen beizubehalten und warum sie der Auffassung sind, dass diese die Bedingungen des Absatzes 3 erfüllen;

b)      welche Anforderungen sie aufgehoben oder gelockert haben.

(6)      Ab dem 28. Dezember 2006 dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen Anforderungen der in Absatz 2 genannten Art einführen, es sei denn, diese neuen Anforderungen erfüllen die in Absatz 3 aufgeführten Bedingungen.

…“

B.      Deutsches Recht

6.        Zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt regelte die Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen in der Fassung vom 10. Juli 2013(3) (im Folgenden: HOAI) die Vergütung von Architekten und Ingenieuren.

7.        In § 1 HOAI heißt es:

„Diese Verordnung regelt die Berechnung der Entgelte für die Grundleistungen der Architekten und Architektinnen und der Ingenieure und Ingenieurinnen (Auftragnehmer oder Auftragnehmerinnen) mit Sitz im Inland, soweit die Grundleistungen durch diese Verordnung erfasst und vom Inland aus erbracht werden.“

8.        § 7 HOAI bestimmt:

„(1)      Das Honorar richtet sich nach der schriftlichen Vereinbarung, die die Vertragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen der durch diese Verordnung festgesetzten Mindest- und Höchstsätze treffen.

(2)      …

(3)      Die in dieser Verordnung festgesetzten Mindestsätze können durch schriftliche Vereinbarung in Ausnahmefällen unterschritten werden.

(4)      …

(5)      Sofern nicht bei der Auftragserteilung etwas anderes schriftlich vereinbart worden ist, wird unwiderleglich vermutet, dass die jeweiligen Mindestsätze gemäß Absatz 1 vereinbart sind.“

9.        § 7 HOAI wurde mit der Ersten Verordnung zur Änderung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure vom 2. Dezember 2020(4) geändert. Die Änderung trat am 1. Januar 2021 in Kraft. Seitdem lautet Abs. 1 des genannten Paragrafen:

„Das Honorar richtet sich nach der Vereinbarung, die die Vertragsparteien in Textform treffen. Sofern keine Vereinbarung über die Höhe des Honorars in Textform getroffen wurde, gilt für Grundleistungen der jeweilige Basishonorarsatz als vereinbart, der sich bei der Anwendung der Honorargrundlagen des § 6 ergibt.“

III. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10.      MN (der Kläger), der ein Ingenieurbüro betreibt, und die Thelen Technopark Berlin GmbH (die Beklagte) schlossen am 2. Juni 2016 einen Vertrag, in dem sich der Kläger verpflichtete, für die Beklagte Ingenieursleistungen für ein Bauvorhaben in Berlin zu erbringen. Die Parteien vereinbarten, dass der Kläger für die erbrachten Leistungen ein Pauschalhonorar in Höhe von 55 025 Euro erhalten sollte. Auf der Grundlage der Abschlagsrechnungen des Klägers zahlte ihm die Beklagte insgesamt einen Bruttobetrag von 55 395,92 Euro.

11.      Nach der Kündigung des Vertrags über die Erbringung von Ingenieurdienstleistungen mit Schreiben vom 2. Juni 2017 rechnete der Kläger im Juli 2017 seine erbrachten Leistungen in einer Honorarschlussrechnung auf Grundlage der Mindestsätze gemäß HOAI ab. Daraufhin verklagte er unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Überweisungen und des als Sicherheit einbehaltenen Betrages die Beklagte auf den Restbetrag des geschuldeten Honorars in Höhe von 102 934,59 Euro brutto zuzüglich Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

12.      Der Klage wurde von den Gerichten der ersten und zweiten Instanz weitgehend stattgegeben. Mit der Revision an den Bundesgerichtshof (Deutschland) beantragt die Beklagte, die Klage abzuweisen.

13.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts hängt die Entscheidung über die Revision von der Antwort auf die Frage ab, ob die Bestimmungen von Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 auf einen Rechtsstreit zwischen Privatpersonen so anwendbar ist, dass die Regelung der HOAI, die die Grundlage für die Klage bildet, unangewendet zu lassen ist. Sollte dies bejaht werden, ist der Revision stattzugeben. Zweifel ergeben sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs.

14.      Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 4. Juli 2019, Kommission/Deutschland(5), nämlich entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 verstoßen hat, dass sie verbindliche Honorarsätze für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren nach der HOAI beibehalten hat.

15.      Daraufhin hat der Gerichtshof mit Beschluss vom 6. Februar 2020, hapeg dresden(6), entschieden, dass Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 so auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der es verboten ist, in Verträgen mit Architekten oder Ingenieuren Honorare zu vereinbaren, die die Mindestsätze der HOAI unterschreiten.

16.      Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof (Deutschland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Folgt aus dem Unionsrecht, insbesondere aus Art. 4 Abs. 3 EUV, Art. 288 Abs. 3 AEUV und Art. 260 Abs. 1 AEUV, dass Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 im Rahmen eines laufenden Gerichtsverfahrens zwischen Privatpersonen in der Weise unmittelbare Wirkung entfaltet, dass die dieser Richtlinie entgegenstehenden nationalen Regelungen in § 7 HOAI, wonach die in dieser Honorarordnung statuierten Mindestsätze für Planungs- und Überwachungsleistungen der Architekten und Ingenieure – abgesehen von bestimmten Ausnahmefällen – verbindlich sind und eine die Mindestsätze unterschreitende Honorarvereinbarung in Verträgen mit Architekten oder Ingenieuren unwirksam ist, nicht mehr anzuwenden sind?

2.      Sofern Frage 1 verneint wird:

a)      Liegt in der Regelung verbindlicher Mindestsätze für Planungs- und Überwachungsleistungen von Architekten und Ingenieuren in § 7 HOAI durch die Bundesrepublik Deutschland ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV oder gegen sonstige allgemeine Grundsätze des Unionsrechts?

b)      Sofern Frage 2 a bejaht wird: Folgt aus einem solchen Verstoß, dass in einem laufenden Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen die nationalen Regelungen über verbindliche Mindestsätze (hier: § 7 HOAI) nicht mehr anzuwenden sind?

17.      Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben die Parteien des Ausgangsverfahrens, das Königreich der Niederlande und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen. Mit Ausnahme der Beklagten des Ausgangsverfahrens haben diese Parteien durch ihre Vertreter an der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2021 teilgenommen.

IV.    Würdigung

18.      Das vorlegende Gericht möchte vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob sich aus dem Unionsrecht ergibt, dass ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit zwischen Privatpersonen anhängig ist, verpflichtet ist, eine Bestimmung des nationalen Rechts, aus der der Kläger seinen Klageanspruch ableitet, hier die Bestimmung des § 7 HOAI (im Folgenden: streitige Bestimmung), unangewendet zu lassen, wenn diese Bestimmung der Richtlinie 2006/123 widerspricht. Den Zweifeln des vorlegenden Gerichts liegt ein klassisches Problem des Unionsrechts zugrunde: nämlich die Anwendung der Bestimmungen einer nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinie nach Ablauf der Umsetzungsfrist durch die nationalen Gerichte in einem Horizontalverhältnis.

19.      In meiner Würdigung werde ich kurz an den Standpunkt des Gerichtshofs in der Frage der Wirksamkeit von Richtlinien im Verhältnis zwischen Privatpersonen erinnern (Abschnitt A). Anschließend führe ich die Sachverhaltselemente des Ausgangsverfahrens an, die ich für den Fall als relevant erachte (Abschnitt B). Danach werde ich den Vorschlag der Kommission hinsichtlich der Möglichkeit einer unionsrechtskonformen Auslegung (Abschnitt C) prüfen. Schließlich analysiere ich die Gründe für eine mögliche Nichtanwendung einer der Richtlinie entgegenstehenden Bestimmung des nationalen Rechts (Abschnitt D).

A.      Wirksamkeit einer Richtlinie in Horizontalverhältnissen

20.      Aus Art. 288 Abs. 3 AEUV ergibt sich, dass eine Richtlinie, anders als eine Verordnung, für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, verbindlich ist. Daher kann sie nicht selbst Verpflichtungen für Einzelne begründen, so dass sie andererseits grundsätzlich nicht gegen diese geltend gemacht werden kann(7).

21.      Dies wird als das Fehlen einer unmittelbaren horizontalen Wirkung der Richtlinie bezeichnet. Mit diesem Begriff soll sowohl zum Ausdruck gebracht werden, dass die Richtlinie keine Rechte und Pflichten von Privatpersonen begründet, als auch, dass die Anwendbarkeit der Richtlinie in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen von vornherein ausgeschlossen ist.

22.      In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass die Frage der horizontalen Wirkung von Richtlinien von der Frage der unmittelbaren horizontalen Wirkung der Bestimmungen des Primärrechts und der Verordnungen zu unterscheiden ist. Im letzteren Fall spricht man dann von horizontaler Wirkung von Bestimmungen, wenn sich ihr Anwendungsbereich auf das Verhalten von Einzelnen (Privatpersonen) erstreckt. Es geht mit anderen Worten darum, ob Einzelne unmittelbare Adressaten der sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Verpflichtungen oder Verbote sind. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass sich Privatpersonen, auch wenn sie nicht die Adressaten dieser Bestimmungen sind, in einem Rechtsstreit mit anderen Privatpersonen auf diese Bestimmungen berufen können. Dies gilt vor allem, wenn solche Bestimmungen angeführt werden, um festzustellen, ob die auf den betreffenden Rechtsstreit anwendbaren nationalen Bestimmungen mit dem Unionsrecht vereinbar ist (sogenannte Rechtmäßigkeitskontrolle).

23.      Im Fall des Ausschlusses der unmittelbaren horizontalen Wirkung der Richtlinien handelt es sich um ein anderes Problem. In einem Rechtsstreit gegen eine Privatperson kann eine Bestimmung einer Richtlinie eben nicht geltend gemacht werden, unabhängig davon, ob die Berufung unmittelbar auf die Feststellung von Rechten oder Pflichten aus der betreffenden Richtlinie abzielt oder auf die Prüfung der Vereinbarkeit nationaler Bestimmungen mit dem Unionsrecht (sogenannte Rechtmäßigkeitskontrolle). In diesem Sinne ist die Frage, ob gewisse Bestimmungen einer Richtlinie an Einzelne gerichtet sind, zweitrangig.

24.      Der Ausschluss der unmittelbaren horizontalen Wirkung einer Richtlinie bedeutet jedoch nicht, dass eine Richtlinie in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen nicht in einer Weise berücksichtigt werden kann, dass sich das auf die Rechtsposition einer anderen Person auswirkt. Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung eine Reihe von Situationen genannt, in denen eine solche Berücksichtigung erfolgen kann. In Anbetracht des Verfahrensgegenstands und der von den Beteiligten vertretenen Standpunkte beschränke ich mich darauf, vier von ihnen in Erinnerung zu rufen.

25.      Erstens weist der Gerichtshof darauf hin, dass die nationalen Gerichte verpflichtet sind, das nationale Recht richtlinienkonform auszulegen (sogenannte konforme Auslegung). Bei dessen Anwendung sind sie verpflichtet, die Bestimmungen des nationalen Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der in Frage stehenden Richtlinie auszurichten, damit das von ihr festgelegte Ergebnis erreicht wird(8). Die Berufung auf eine Richtlinie vor einem Gericht zum Zweck der konformen Auslegung kann daher dazu führen, dass sie bei der Anwendung des Gesetzes berücksichtigt wird.

26.      Zweitens kann die Berufung auf die Richtlinie über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften(9), wenn nationale technische Vorschriften unter Verstoß gegen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten durch diese Richtlinie erlassen worden sind, die Nichtanwendung dieser nationalen technischen Vorschriften zur Folge haben. Denn die Verletzung durch den Mitgliedstaat hat zur Folge, dass die unter Verstoß gegen diese Verpflichtungen erlassenen nationalen technischen Vorschriften in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen unanwendbar sind, da dies einen „wesentlichen Verfahrensfehler“ darstellt(10).

27.      Drittens muss ein nationales Gericht, das mit einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen befasst ist, in Fällen, in denen eine richtlinienkonforme Auslegung nicht möglich ist, eine der Richtlinie entgegenstehende nationale Bestimmung unangewendet lassen, wenn dies zur Wahrung eines allgemeinen Grundsatzes des Unionsrechts, einschließlich eines in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(11) konkretisierten Grundsatzes, erforderlich ist. Die Rechtfertigung für den Verzicht auf die Anwendung nationaler Bestimmungen in solchen Fällen ist jedoch nicht eine Bestimmung der Richtlinie, sondern ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der durch diese Bestimmung der Richtlinie konkretisiert wird(12).

28.      Viertens ist es nicht ausgeschlossen, dass eine Richtlinie in einer sogenannten Dreieckssituation geltend gemacht werden kann, d. h. wenn die Folgen eines Rechtsstreits, der eine Richtlinie betrifft und auf vertikaler Ebene zwischen einer Privatperson und einem Staat geführt wird, sich auf die Rechtslage eines Dritten auswirken(13).

B.      Wesen des Ausgangsverfahrens

29.      Die folgenden Elemente des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens sind für das vorliegende Verfahren von Bedeutung:

–        Der Ausgangsrechtsstreit ist ein Rechtsstreit zwischen Einzelnen (Privatpersonen), und das streitige Rechtsverhältnis basiert auf einem Dienstleistungsvertrag. Die Beziehung zwischen den Parteien hat somit horizontalen Charakter.

–        Alle Sachverhaltselemente des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren treten innerhalb nur eines Staates auf.

–        Die Klage stützt sich auf eine Bestimmung des nationalen Rechts, die bewirkt, dass anstelle einer vertraglichen Vereinbarung, nach der die Vergütung für einen Dienstleistungserbringer unter dem Mindestsatz festgesetzt wird, der Mindestsatz gilt.

–        Diese Bestimmung des nationalen Rechts steht Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 entgegen(14).

–        Diese Unvereinbarkeit wurde in einem Urteil des Gerichtshofs in einem Verfahren nach Art. 258 AEUV festgestellt.

–        Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist es nicht möglich, die streitige Bestimmung so auszulegen, dass sie mit Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 vereinbar ist.

–        Der Vertrag zwischen den Parteien wurde nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht, aber vor Einleitung des Gerichtsverfahrens in der Rechtssache Kommission/Deutschland(15) geschlossen.

C.      Möglichkeit einer unionsrechtskonformen Auslegung

30.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt sich die Frage, ob eine nationale Bestimmung in einem horizontalen Verhältnis wegen ihrer Unvereinbarkeit mit einer Richtlinie nicht angewendet wird, erst, wenn eine richtlinienkonforme Auslegung nicht möglich ist(16).

31.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist es nicht möglich, die Bestimmungen des nationalen Rechts so auszulegen, dass ihre Vereinbarkeit mit der Richtlinie 2006/123 gewährleistet wäre, da es sich um eine Auslegung contra legem handeln würde. In ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission dem Standpunkt des vorlegenden Gerichts widersprochen.

32.      Zwar hat der Gerichtshof in der Vergangenheit mehrfach auf die Verpflichtung der nationalen Gerichte hingewiesen, Rechtsakte wie eine Richtlinie oder einen Rahmenbeschluss unionsrechtskonform auszulegen, er hat aber gleichzeitig konsequent den Standpunkt vertreten, dass der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen kann(17). Da der Gerichtshof, wie er selbst ausführt, nicht für die Entscheidung über die Auslegung des nationalen Rechts eines Mitgliedstaats zuständig ist(18), ist es letztlich Sache des nationalen Gerichts, zu entscheiden, ob eine richtlinienkonforme Auslegung eine Auslegung contra legem darstellen würde(19).

33.      Einerseits kann ich in diesem Zusammenhang der Kommission zustimmen, dass die Grenzen für die Auslegung im deutschen Recht so, wie sie vom vorlegenden Gericht im Vorabentscheidungsersuchen dargelegt wurden, übertrieben eng erscheinen. Das gilt insbesondere im Lichte der im Vorabentscheidungsersuchen dargelegten Rechtsprechung der deutschen Gerichte, aus der hervorgeht, dass die Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben, wie er im Bürgerlichen Gesetzbuch zum Ausdruck kommt, es in der Vergangenheit in einer Reihe ähnlicher Fälle ermöglicht hat, eine streitige Bestimmung des deutschen Rechts nicht zu beachten. Andererseits sehe ich in Anbetracht des kategorischen Standpunkts des vorlegenden Gerichts, wonach die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden könne, keine Grundlage dafür, dass sich der Gerichtshof bei der Beurteilung der Grenzen einer zulässigen unionsrechtskonformen Auslegung im deutschen Recht an die Stelle des vorlegenden Gerichts setzt.

D.      Mögliche Gründe für das nationale Gericht, die streitige Bestimmung nicht anzuwenden

1.      Wesen der Richtlinie 2006/123 als Instrument zur Konkretisierung der Grundfreiheit des Binnenmarkts

34.      Meines Erachtens muss die Analyse der vorliegenden Rechtssache mit einer näheren Betrachtung des Wesens der Richtlinie 2006/123 als Instrument zur Konkretisierung u. a. der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV beginnen. Auch wenn diese Frage von den Parteien in ihren Stellungnahmen nicht ausdrücklich aufgeworfen wurde, erscheint es nicht weniger wünschenswert, dass der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache das Verhältnis zwischen Art. 49 AEUV und der Richtlinie 2006/123 näher betrachtet.

35.      Was den ersten Teil der zweiten Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts angeht, so hat die Kommission ausgeschlossen, dass aus Art. 49 AEUV selbst ein Gebot für das nationale Gericht abgeleitet werden kann, die ihm widersprechende Bestimmung des nationalen Rechts nicht anzuwenden. Sie ist der Ansicht, dass Art. 49 AEUV in der vorliegenden Rechtssache nicht berücksichtigt werden kann, weil die Anwendung der streitigen Vorschrift des deutschen Rechts auf innerstaatliche Angelegenheiten beschränkt sei. Diese Argumentation beruht auf der Annahme, dass, wenn es irgendein grenzüberschreitendes Sachverhaltselement in der Sache gäbe und die streitige Bestimmung des deutschen Rechts anzuwenden wäre, Art. 49 AEUV geltend gemacht werden könnte. Dies würde auch bedeuten, dass ein Sachverhalt, der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 fällt, auch auf seine Vereinbarkeit mit Art. 49 AEUV geprüft werden könnte. Ich habe diesbezüglich erhebliche Zweifel, die ich an dieser Stelle mit dem Gericht teilen möchte. Meines Erachtens rechtfertigen diese Zweifel im vorliegenden Verfahren die unmittelbare Anwendung der Richtlinie 2006/123.

36.      Sehen wir uns daher das Wesen des Kapitels III der Richtlinie 2006/123 näher an, das die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV in Bezug auf fast alle Dienstleistungstätigkeiten konkretisiert. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Richtlinie 2006/123 von anderen sekundärrechtlichen Vorschriften, die ausgewählte und in der Regel enge Aspekte der Niederlassungsfreiheit in einem bestimmten Sektor harmonisieren(20). Dies bedeutet, dass die in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, die das Verhältnis zwischen den Vertragsfreiheiten und den Maßnahmen zur Harmonisierung bestimmter Aspekte dieser Freiheiten definieren, nicht automatisch auf die Richtlinie 2006/123 übertragen werden können.

37.      Ich möchte zunächst an zwei äußerst wichtige Entscheidungen des Gerichtshofs erinnern. Erstens hat der Gerichtshof im Urteil Rina Services entschieden, dass eine Frage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 fällt, nicht zusätzlich anhand der Bestimmungen des Vertrags zu prüfen ist(21). Zweitens hat der Gerichtshof im Urteil X und Visser festgestellt, dass die Bestimmungen des Kapitels III der Richtlinie 2006/123 über die Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer auch in einer Situation gelten, in der alle relevanten Sachverhaltselemente in nur einem Mitgliedstaat auftreten(22).

38.      Danach ist auf die Faktoren hinzuweisen, aus denen eindeutig hervorgeht, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Richtlinie 2006/123 zwei Grundfreiheiten des Binnenmarkts, darunter die Niederlassungsfreiheit, umsetzen oder auch konkretisieren wollte(23). Die Richtlinie 2006/123 dient nicht dazu, ausgewählte Aspekte der Dienstleistungstätigkeit zu harmonisieren, sondern den Vertrag selbst zu präzisieren. Zu diesem Zweck trägt die Richtlinie der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sehr weitgehend Rechnung, indem sie u. a. das Verbot bestimmter Beschränkungen konkretisiert und die Ausnahmen präzisiert. Bezieht man sich direkt auf Art. 15 der Richtlinie, wird deutlich, dass sein Ziel darin besteht, die Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Anforderungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Tätigkeit mit der tatsächlichen Ausübung der – durch den Vertrag garantierten – Niederlassungsfreiheit in Einklang zu bringen.

39.      Aus der vorstehenden Analyse ergeben sich zwei Erkenntnisse: Erstens braucht, wenn die geprüfte nationale Regelung in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 fällt und mit dieser unvereinbar ist, die Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit dem Vertrag nicht geprüft zu werden. Dies scheint eine offensichtliche Schlussfolgerung zu sein, und der Gerichtshof hat keinen Zweifel daran(24). Zweitens jedoch, und das ist meines Erachtens eine natürliche Folge des Urteils Rina Services(25), kann die fragliche nationale Regelung, wenn sie in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 fällt und mit ihr vereinbar ist, nicht nach den Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit in Frage gestellt werden(26).

40.      Diese Logik lässt meines Erachtens Zweifel an der Stichhaltigkeit des Arguments der Kommission aufkommen, dass man sich auf Art. 49 AEUV berufen könnte, wenn es in der Rechtssache ein grenzüberschreitendes Sachverhaltselement gäbe und die streitige Bestimmung des deutschen Rechts anwendbar wäre. Denn dies würde bedeuten, dass derselbe Sachverhalt im Hinblick auf die Vereinbarkeit sowohl mit der Richtlinie 2006/123 als auch mit Art. 49 AEUV beurteilt werden könne. Dies widerspräche meines Erachtens der Absicht des Unionsgesetzgebers, der mit dem Erlass dieser Richtlinie die Niederlassungsfreiheit in Bezug auf Dienstleistungstätigkeiten umfassend regeln wollte. Mit anderen Worten können alle diejenigen Arten und Aspekte der Niederlassungsfreiheit, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, nicht mehr anhand von Art. 49 AEUV beurteilt werden.

41.      Gleichzeitig gelten, wie sich aus dem Urteil X und Visser(27) ergibt, die Bestimmungen des Kapitels III der Richtlinie 2006/123 auch in einer Situation, in der alle relevanten Sachverhaltselemente in nur einem Mitgliedstaat auftreten. Dieses Urteil bestätigt meines Erachtens die Absicht des Unionsgesetzgebers, mit der Richtlinie 2006/123 – im Rahmen ihres Anwendungsbereichs – den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit auch auf rein innerstaatliche Angelegenheiten auszudehnen(28).

42.      Die Annahme, dass Kapitel III der Richtlinie 2006/123 die in Art. 49 AEUV verankerte Niederlassungsfreiheit konkretisiert, bedeutet meines Erachtens, dass die Problematik der horizontalen Anwendung dieser Richtlinie in besonderer Weise angegangen werden muss.

43.      Ich bin überzeugt, dass, wenn ein gegebener Sachverhalt in den Anwendungsbereich von Kapitel III der Richtlinie 2006/123 fällt, die Möglichkeit, sich auf die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV zu berufen, um eine Regelung eines Mitgliedstaats in einem Rechtsstreit gegen eine andere Privatperson in Frage zu stellen, ausgeschlossen sein muss. Das widerspräche nicht nur dem Gedanken, die Niederlassungsfreiheit durch die Verabschiedung der Richtlinie 2006/123 zu konkretisieren. Es würde auch zu komplexen Analysen in Bezug auf den sachlichen Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit führen. Es wäre dann zu prüfen, ob die streitige nationale Regelung, die der Richtlinie widerspricht, auch Art. 49 AEUV widerspräche, und zwar unter der hypothetischen Annahme, dass die Richtlinie nicht erlassen worden wäre. Ich habe keinen Zweifel, dass eine solche Lösung gegen die Wirksamkeit (effet utile) der Richtlinie 2006/123 verstieße.

44.      Hypothetisch ist es möglich, sich auf die traditionell ausgeschlossene, unmittelbare horizontale Wirkung zu berufen und festzustellen, dass unabhängig davon, ob ein grenzüberschreitendes Sachverhaltselement in der Rechtssache vorliegt oder nicht, eine Berufung auf die Bestimmungen von Kapitel III dieser Richtlinie gegenüber einer Privatperson ausgeschlossen ist. Eine solche Lösung wäre meines Erachtens aus dem einfachen Grund offensichtlich unzulässig, dass ein Akt des abgeleiteten Rechts wie die Richtlinie 2006/123 den Anwendungsbereich der Vertragsfreiheit in keiner Weise einschränken kann, auch nicht in Bezug auf die Geltendmachung dieser Freiheit in einem Rechtsstreit mit einer Privatperson.

45.      Es bleibt also die einzige und meines Erachtens richtige Lösung, die sich aus der Erkenntnis ergibt, dass Kapitel III der Richtlinie 2006/123 nicht nur die im Vertrag verankerte Niederlassungsfreiheit konkretisiert, sondern auch die Grenzen ihrer Anwendung auf rein innerstaatliche Angelegenheiten ausdehnt. Es sollte genau so zulässig sein, sich in einem Rechtsstreit gegen eine Privatperson auf die Bestimmungen dieses Kapitels zu berufen, wie es zulässig ist, sich in ähnlichen Situationen unmittelbar auf die Niederlassungsfreiheit des Vertrags zu berufen.

46.      Über die Unvereinbarkeit der streitigen Bestimmung des nationalen Rechts mit Art. 15 Abs. 2 Buchst. g der Richtlinie 2006/123 ist daher vom nationalen Gericht – ungeachtet der Rechtsprechung, die eine unmittelbare horizontale Wirkung von Richtlinien ausschließt – gesondert zu entscheiden.

47.      Folglich bin ich der Ansicht, dass ein nationales Gericht eine nationale Regelung, die Mindestsätze für Dienstleistungserbringer in einer Weise festlegt, die gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 verstößt, unangewendet lassen muss, wenn es mit einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen über einen Anspruch befasst ist, der auf diese Regelung gestützt ist, und eine unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist. Diese Verpflichtung obliegt dem nationalen Gericht gemäß Art. 15 Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG, bei denen es sich um Bestimmungen zur Konkretisierung der in Art. 49 AEUV verankerten Niederlassungsfreiheit handelt.

2.      Entsprechende Anwendung der Rechtsprechung zu technischen Vorschriften

48.      Die niederländische Regierung hat dem Gerichtshof u. a. vorgeschlagen, in der vorliegenden Rechtssache seine Rechtsprechung zu nicht mitgeteilten technischen Vorschriften entsprechend anzuwenden.

49.      Wie der Gerichtshof selbst ausführt, ist seine Rechtsprechung zu technischen Vorschriften eine Ausnahme, und es gibt keinen Grund, sie auf andere Sachverhalte auszuweiten. Die Fälle, in denen der Gerichtshof sie angewendet hat(29), zeichneten sich dadurch aus, dass die angesprochene Richtlinie weder Rechte noch Pflichten für den Einzelnen begründete und den materiellen Inhalt der Bestimmung nicht definierte, auf deren Grundlage das nationale Gericht den bei ihm anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden hatte. Die Rechtsprechung, wonach es unmöglich ist, sich in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen auf eine nicht umgesetzte Richtlinie zu berufen, war daher in diesen Fällen nicht einschlägig(30).

50.      Der vorliegende Fall ist nicht vergleichbar mit Fällen, die nicht mitgeteilte technische Vorschriften betreffen. Art. 15 Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie sind keine mitteilungspflichtigen Bestimmungen. Für eine entsprechende Anwendung der Rechtsprechung zu nicht mitgeteilten technischen Vorschriften besteht daher kein Grund.

3.      Einsatz der Richtlinie als „Schild“ und nicht als „Schwert“

51.      Nach Ansicht der niederländischen Regierung ergibt sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs(31), dass sich eine Privatperson nicht auf eine Richtlinienbestimmung berufen könne, um eine sich daraus ergebende Verpflichtung für eine andere Privatperson in einer Situation herbeizuführen, in der sich eine solche Verpflichtung nicht aus nationalem Recht ergebe (er kann sie nicht als „Schwert“ benutzen). Andererseits folge daraus nicht, dass sich eine Privatperson nicht auf eine Richtlinienbestimmung berufen könne, wenn die Gegenpartei eine der Richtlinie widersprechende Verpflichtung des nationalen Rechts gegen sie durchsetzen wolle. In der letztgenannten Situation (in der die Richtlinie als „Schild“ verwendet wird) sei der nationale Richter verpflichtet, die Bestimmung des nationalen Rechts nicht anzuwenden.

52.      Die Kommission sieht die Notwendigkeit, eine solche Unterscheidung zu treffen. Sie weist darauf hin, dass der Gerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung festgestellt habe, dass eine Richtlinie nicht von sich aus Verpflichtungen für den Einzelnen begründen könne und daher auch nicht als solche gegenüber dem Einzelnen geltend gemacht werden könne. Im vorliegenden Fall sei der Kläger indes verpflichtet, sich an die vertraglich vereinbarte Vergütung zu halten. Die Verteidigung der Beklagten gegen einen weiter gehenden Anspruch des Klägers stütze sich also nicht auf die Richtlinie allein, sondern auf die Richtlinie in Verbindung mit dem Vertrag. Es handle sich also nicht um eine Situation, in der eine Richtlinie von sich aus oder als solche bestimmte Rechte für eine Privatperson schaffen würde.

53.      Die Kommission bezweifelt jedoch, dass dies in diesem Fall ausschlaggebend sei. Erstens habe der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung ausdrücklich entschieden, dass eine Richtlinie nicht in einem Rechtsstreit zwischen Privaten angeführt werden könne, um die Anwendung der Regelung eines Mitgliedstaats, die gegen die Richtlinie verstoße, auszuschließen(32). Zweitens verweist sie auf die Charakteristik von Verträgen des Privatrechts, die sich dadurch auszeichneten, dass die Parteien bei der Festlegung ihrer Rechte und Pflichten selbst ihre Interessen abwögen. Es liege in der Natur der Sache, dass die Berücksichtigung der Richtlinie eine Verschlechterung der Position einer der Parteien zur Folge haben müsse, so dass es nicht entscheidend sei, ob daraus ein Recht oder eine Pflicht entstehe. Denn es handle sich im Wesentlichen um zwei Seiten derselben Medaille.

54.      Ich teile die letztgenannte Schlussfolgerung der Kommission.

55.      In erster Linie wird der Gedanke, dass die Richtlinie als solche eine unterschiedliche Wirkung in Horizontalverhältnissen hätte, je nachdem, ob sie als „Schwert“ oder als „Schild“ eingesetzt wird, meines Erachtens durch den Wortlaut von Art. 288 Abs. 3 AEUV nicht gestützt. Er beinhaltet keine Befugnis, nationale Vorschriften, die im Widerspruch zu einer Richtlinie stehen, in einem horizontalen Verhältnis aufzuheben oder unwirksam zu machen.

56.      Wie die Kommission zu Recht bemerkt, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Wesentlichen, dass es verboten ist, aus Richtlinien Rechtsfolgen, sei es in Form von Rechten oder Pflichten, für Einzelpersonen in Horizontalverhältnissen abzuleiten. Die Feststellung, ob aus einer Richtlinie eine Verpflichtung hervorgeht, die eine Partei der Gegenpartei auferlegen will, oder nur das Verbot, eine Verpflichtung aufzuerlegen, die sich aus dem nationalen Recht ergibt, hängt im Wesentlichen von der Prozesskonstellation und der gewählten Perspektive ab, so dass diese Unterscheidung nicht auf einem objektiven Kriterium beruht.

57.      Wenn nämlich aus der Richtlinie hervorgeht, dass der Erlass von Regelungen, die eine für die Parteien verbindliche Mindestvergütung für eine bestimmte Dienstleistung festlegen, verboten ist, kann natürlich behauptet werden, dass es sich um eine Situation handelt, in der eine Regelung des nationalen Rechts eine Verpflichtung zur Zahlung eines höheren als des von den Parteien vereinbarten Betrags auferlegt, vor der die Richtlinie als „Schild“ schützt. Es kann aber auch behauptet werden, dass sich aus der Richtlinie indirekt ein Recht und eine konkrete Verpflichtung für Privatpersonen ableiten: das Recht des Dienstleistungsempfängers, durch die Zahlung des vertraglich vereinbarten Preises von seiner Verpflichtung befreit zu werden, und die Verpflichtung des Dienstleistungserbringers, die Zahlung des vertraglich vereinbarten Preises als Befreiung des Leistungsempfängers von seiner vertraglichen Verpflichtung anzusehen. So erhebt der Dienstleistungsempfänger bei der Abwehr gegen eine Klage mit der einen Hand seinen „Schild“, aber gleichzeitig sticht er mit der anderen Hand mit seinem „Schwert“ zu und versucht, dem Dienstleistungserbringer die Verpflichtung aufzuerlegen, die Zahlung eines Betrages, der unter dem Mindestsatz liegt, als Erlöschen der Verpflichtung zu betrachten.

58.      Angenommen ein Dienstleistungsempfänger hat zu Unrecht eine höhere Vergütung als vertraglich vereinbart gezahlt und verlangt dann vom Dienstleistungserbringer die Rückzahlung. Er würde damit versuchen, Letzterem eine Verpflichtung zur Rückzahlung einer nicht geschuldeten Leistung aufzuerlegen. Der Dienstleistungsempfänger würde sich zu diesem Zweck auf die Richtlinie als „Schwert“ berufen. Dasselbe wäre der Fall, wenn die Parteien eine Vergütung über den geltenden Höchstsätzen vereinbart hätten und der Dienstleistungserbringer, der nur den Höchstsatz erhalten hat, die Differenz zu dem im Vertrag vereinbarten Betrag einfordert. Im Wesentlichen würde er danach streben, dem Dienstleistungsempfänger die Verpflichtung aufzuerlegen, den sich aus der Richtlinie ergebenden Vertragspreis zu zahlen. Obwohl solche Situationen im vorliegenden Fall nicht auftreten, ist es logisch, dass die Lösung in allen Fällen identisch sein sollte: Wenn eine Regelung des nationalen Rechts nicht gelten sollte, sollte sie in keiner dieser Situationen gelten. Die Argumentation, die darauf abstellt, dass einer Privatperson eine Verpflichtung auferlegt wird, garantiert nicht, dass diese Wirkung in jeder Prozesskonstellation erreicht wird, und beruht auf einem ungenauen und fließenden Kriterium.

59.      Betrachtet man den Vorschlag der niederländischen Regierung aus einer etwas anderen Perspektive, könnte man sich auf die bloße Möglichkeit konzentrieren, sich gegenüber einer Privatperson auf die Richtlinie zu berufen. Die Wirkung einer Richtlinie als „Schild“ bestünde dann darin, eine der Richtlinie entgegenstehende Regelung des nationalen Rechts als Entscheidungsgrundlage auszuschließen. In diesem Sinne entspricht die Funktion einer Richtlinie als „Schild“ der sogenannten Berufung auf eine Richtlinie, um eine Regelung des nationalen Rechts auszuschließen (invocabilité d'exclusion), und steht im Gegensatz zur Berufung auf eine Richtlinie, um die Grundlage für eine Entscheidung durch eine Bestimmung der Richtlinie zu ersetzen (invocabilité de substitution)(33).

60.      Dieses Kriterium für die Unterscheidung der Wirkungsweise der Richtlinie als „Schild“ oder „Schwert“ (wenn man annimmt, dass es der Unterscheidung zwischen „Ausschluss“ und „Ersetzung“ entspricht) ist vielleicht präziser, aber man kann sich Situationen vorstellen, in denen sich eine solche Unterscheidung als schwierig erweist.

61.      Der Punkt ist, dass der Gerichtshof trotz der Ermunterung durch die Generalanwälte Saggio(34), Alber(35) und Ruiz-Jarabo Colomer(36) dieses Konzept im Urteil Pfeiffer(37) anscheinend endgültig verworfen hat.

62.      Im letztgenannten Fall ergab sich die der Richtlinie entgegenstehende Verpflichtung in Bezug auf die Arbeitszeit aus einem Tarifvertrag, auf den der Vertrag des Arbeitnehmers verwies, und nicht aus einem Gesetz. Der Unterschied zwischen diesen beiden Rechtssachen besteht darin, dass in der einen die richtlinienwidrige Verpflichtung gleichzeitig in direktem Widerspruch zu einer im Vertrag zwischen den Parteien enthaltenen Regelung über den Preis steht (vorliegender Fall) und in der anderen kein solcher offensichtlicher Widerspruch bestand, da der Vertrag selbst keine einschlägige Regelung über die Arbeitszeit enthielt, sondern auf den Tarifvertrag verwies, aus dem sich die Verpflichtung ergab (Rechtssache Pfeiffer(38)). Es kann jedoch argumentiert werden, dass das Fehlen einer entsprechenden vertraglichen Regelung bedeutet, dass die betreffende Verpflichtung durch eine gesetzliche Vorschrift bestimmt wurde, in der die Höchstarbeitszeit für die Arbeitnehmer festgelegt wurde. Daraus, dass sich die Unvereinbarkeit im vorliegenden Fall unmittelbar aus dem Inhalt des Vertrags ergibt, folgt meines Erachtens im vorliegenden Fall nicht zwingend, dass eine andere Schlussfolgerung hinsichtlich der unmittelbaren horizontalen Wirkung der Richtlinie gezogen werden muss.

63.      Um diesen Teil der Überlegungen zusammenzufassen, bin ich der Ansicht, dass die Bestimmung des Art. 288 Abs. 3 AEUV und die Rechtsprechung des Gerichtshofs keine Grundlage für die Annahme bieten, dass die Rechte und Pflichten von Privatpersonen durch die Berücksichtigung einer Richtlinienbestimmung „als solche“ bei der Bestimmung der Rechtsgrundlage einer Entscheidung zur Beilegung einer Streitigkeit zwischen Privatpersonen überhaupt verbindlich gestaltet werden können. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass es bei der Bestimmung der Rechtsgrundlage für diese Entscheidung nicht darauf ankommt, ob unterdessen eine Regelung des nationalen Rechts ausgeschlossen oder durch eine Richtlinienbestimmung ersetzt oder die Entscheidungsgrundlage um eine Richtlinienbestimmung ergänzt wird. Letztlich sind die Begriffe der „Ersetzung“ oder des „Ausschlusses“ einer Regelung des nationalen Rechts im horizontalen Verhältnis nur geeignet, die Wirkung der möglichen Einbeziehung einer Richtlinie in die Rechtsanwendung zu bestimmen. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass eine Richtlinie eine unmittelbare horizontale Wirkung hat, wenn ihre Einbeziehung nur bewirkt, dass die Anwendung einer nationalen Regelung ausgeschlossen wird.

4.      Berufung auf allgemeine Grundsätze des Unionsrechts, einschließlich der Vertragsfreiheit

64.      In ihrer schriftlichen Stellungnahme schlug die Kommission als Alternative vor, die streitige Bestimmung nicht anzuwenden, weil sie gegen die in Art. 16 der Charta garantierte Vertragsfreiheit verstoße. Diese Freiheit schließe die Freiheit der Parteien ein, den Preis einer Leistung festzusetzen. Sie werde durch eine Bestimmung des nationalen Rechts beschränkt, die verbindliche Mindestsätze für bestimmte Dienstleistungen vorsehe. In Anbetracht der Unverhältnismäßigkeit der gesetzlichen Beschränkung dieser Freiheit sollte die streitige Bestimmung des deutschen Rechts, die gegen Art. 16 der Charta verstoße, vom nationalen Gericht außer Acht gelassen werden.

65.      Ich werde zuerst erörtern, welche Voraussetzungen sich aus der bisherigen Rechtsprechung in Bezug auf die Möglichkeit ergeben, sich auf die Charta zu berufen, um eine der Richtlinie entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet zu lassen (unter a). Ich werde dann prüfen, ob sie in Bezug auf die Vertragsfreiheit und das Recht zur Preisfestsetzung (unter b) erfüllt sind. Schließlich werde ich die Anwendbarkeit der Bestimmung, die diese Freiheit gewährleistet, auf den vorliegenden Fall prüfen (unter c).

a)      Voraussetzungen für die Berufung auf allgemeine Grundsätze des Unionsrechts, einschließlich der in der Charta konkretisierten

66.      In seiner auf das Urteil Mangold(39) zurückgehenden Rechtsprechung hat der Gerichtshof die Möglichkeit anerkannt, einer Richtlinie entgegenstehende nationale Bestimmungen in einem horizontalen Verhältnis von der Anwendung auszuschließen, wenn dies nach den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, einschließlich der durch die Charta konkretisierten, erforderlich ist(40).

67.      So hat der Gerichtshof festgestellt, dass es Gründe gibt, die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften, die den Bestimmungen der Richtlinie 2000/78/EG des Rates(41) entgegenstehen, zu verweigern, soweit dies zur Wahrung allgemeiner Grundsätze des Unionsrechts wie des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung aus Gründen des Alters(42) oder des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Religion oder der Weltanschauung(43) und des Rechts auf effektiven Rechtsschutz(44) erforderlich ist. In den Rechtssachen, die die Richtlinie 2003/88/EG(45) betreffen, war er der Ansicht, dass es eine Grundlage für die Ablehnung der Anwendung einer nationalen Regelung gibt, die gegen das Recht eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub verstößt, wie es durch Art. 31 Abs. 2 der Charta garantiert wird(46).

68.      Andererseits war er gegen die Anwendung eines solchen Ansatzes auf die Verpflichtungen aus Art. 1 der Dritten Richtlinie 90/232/EWG des Rates(47), und zwar mit der Begründung, dass diese Bestimmung nicht als Konkretisierung eines allgemeinen Grundsatzes des Unionsrechts angesehen werden kann(48). Ähnlich verfuhr er auch in Bezug auf die Bestimmungen der Richtlinie 2002/14/EG(49) und stellte fest, dass sich das in deren Art. 3 Abs. 1 festgehaltene Verbot weder aus dem Wortlaut von Art. 27 der Charta noch aus den Erläuterungen zu diesem Artikel als unmittelbar anwendbarer Rechtsgrundsatz ableiten lässt(50).

69.      Die Rechtsprechung des Gerichtshofs wurde in der Lehre gelegentlich dafür kritisiert, dass sie dazu führe, dass die Charta in Angelegenheiten zwischen Privatpersonen zu eng(51) und nach vagen Kriterien(52) angewandt werde. Die erweiterte Anwendung der Charta bei Horizontalverhältnissen wurde in der Vergangenheit auch von Generalanwälten befürwortet(53). Ungeachtet dessen bleibt der Gerichtshof im Grunde seinem vorsichtigen und kasuistischen Ansatz treu(54).

70.      Das Paradoxe an der ganzen Situation ist, dass angesichts der Unanwendbarkeit von Richtlinien in Horizontalverhältnissen die Wirksamkeit der Charta, eines den Verträgen gleichwertigen Primärrechtsakts, in Horizontalverhältnissen im Laufe der Jahre „ratenweise“ anlässlich aufeinander folgender Vorabentscheidungsersuchen über die Möglichkeit der Unanwendbarkeit einer nationalen Rechtsvorschrift, die einer nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinie entgegensteht, festgestellt wurde. In diesem Bereich hat sich die Charta nämlich als von außerordentlicher praktischer Bedeutung erwiesen, da sie de facto – um die Sprache der Alchimisten zu gebrauchen – der Stein der Weisen des Unionsrechts für die Umwandlung unedler Normen (die nicht die horizontale Wirkung von Richtlinienbestimmungen haben) in edle Normen (die diese Wirkung haben) geworden ist. Das sind die bei dieser Gelegenheit entwickelten Grundsätze für die Berufung auf die Charta in Angelegenheiten zwischen Privatpersonen.

71.      Nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die grundsätzliche Voraussetzung dafür, dass eine Bestimmung der Charta eine eigenständige Entscheidungsgrundlage in einem Verfahren vor den nationalen Gerichten darstellen kann, dass sie „eigenständig“ ist(55). Die fragliche Bestimmung muss nämlich ausreichen, um Privatpersonen ein Recht zu verleihen, das sie in Rechtsstreitigkeiten mit anderen Privatpersonen als solches geltend machen können. Damit dies möglich ist, muss sich aus ihr ein Recht ergeben, das zugleich zwingend und nicht von Bedingungen abhängig ist. Die letztgenannte Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn es zur Bestimmung des Inhalts dieses Rechts erforderlich ist, zusätzliche Bestimmungen entweder im Unionsrecht oder im nationalen Recht zu erlassen(56).

72.      Darüber hinaus ist Voraussetzung für die Anwendung einer Bestimmung der Charta, um die horizontale Wirkung einer Richtlinienbestimmung herbeizuführen, dass ein Zusammenhang zwischen der spezifischen Bestimmung der Charta und der Bestimmung der Richtlinie bestehen muss. Dieser Zusammenhang sollte in Bezug auf bestimmte Rechte in der Konkretisierung einer Bestimmung der Charta durch eine Richtlinienbestimmung bestehen(57).

73.      Sind diese Voraussetzungen in Bezug auf Art. 16 der Charta erfüllt, soweit er die Vertragsfreiheit garantiert?

74.      Bevor ich diese Frage beantworte, möchte ich betonen, dass es im vorliegenden Fall im Wesentlichen nicht um die unmittelbare horizontale Wirkung einer Bestimmung der Charta im klassischen Sinne geht. Die Frage ist also nicht, ob eine Bestimmung der Charta einer der Vertragsparteien unmittelbar Verpflichtungen auferlegt, sondern ob in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen die Anwendung einer Bestimmung des nationalen Rechts mit der Begründung ausgeschlossen werden kann, dass sie mit einer Bestimmung der Charta, in diesem Fall ihrem Art. 16, unvereinbar ist. Es müssen jedoch auch in dieser Situation die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sein, da sie maßgeblich sind für die unmittelbare Wirkung der Bestimmung der Charta, d. h. ihre unmittelbare Anwendbarkeit auf den vorliegenden Rechtsstreit.

b)      Vertragsfreiheit

1)      Vorbemerkungen

75.      Die Vertragsfreiheit(58) ist eines der wichtigsten Prinzipien des Privatrechts, neben Prinzipien wie dem Grundsatz der Vertragstreue und dem Grundsatz von Treu und Glauben. Obwohl ihre Ursprünge bis in die Antike zurückverfolgt werden können, wird traditionell angenommen, dass ihr zum ersten Mal im Code Napoléon voller Ausdruck verliehen wurde(59).

76.      Man kann manchmal den Eindruck gewinnen, dass die Vertragsfreiheit, um die englische Terminologie zu verwenden, wie „the elephant in the room“ ist. Sie hat meiner Meinung nach den ihr gebührenden Platz im System des Unionsrechts noch nicht gefunden. Sie stellt aber sein Fundament dar, vor allem im Zusammenhang mit dem Funktionieren der Grundfreiheiten(60). Ohne sie sind ein Binnenmarkt und eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft im Sinne von Art. 3 Abs. 3 EUV sowie eine Wirtschaftspolitik, die den Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb im Sinne von Art. 119 AEUV beachtet, nicht denkbar. Und gleichzeitig bleibt sie hinter einem ganzen System von anderen Grundsätzen und Gesetzen der Union verborgen.

77.      Der vorliegende Fall könnte dem Gerichtshof Gelegenheit geben, sich näher mit der Vertragsfreiheit zu befassen und deren Platz im System des Unionsrechts genauer zu bestimmen.

2)      Anerkennung der Vertragsfreiheit im Gesetz und in der Rechtsprechung

78.      Beim gegenwärtigen Stand des Rechts ist die Vertragsfreiheit durch Art. 16 der Charta garantiert. Sie wird zwar nicht explizit in seinem Wortlaut erwähnt, nichtsdestoweniger geht aus den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte(61) hervor, dass sie Bestandteil der unternehmerischen Freiheit ist, um die es in diesem Artikel geht.

79.      Eine Bestimmung der Charta kann verschiedene Rechte und Freiheiten garantieren und verschiedene Grundsätze festlegen(62), von denen einige als Grundlage für Entscheidungen in nationalen Gerichtsverfahren in Frage kommen, andere nicht(63). Der Umstand, dass Art. 16 unter anderem die Vertragsfreiheit betrifft, bedeutet nicht, dass die Voraussetzungen für ihre Geltendmachung vor nationalen Gerichten auch für die anderen durch Art. 16 der Charta garantierten Rechte oder Freiheiten gelten. In Anbetracht des Gegenstands der vorliegenden Rechtssache werde ich mich bei meiner Prüfung auf die Vertragsfreiheit und anschließend auf den sich daraus ergebenden konkreten Anspruch beschränken.

80.      Aus den Erläuterungen zur Charta geht ausdrücklich hervor, dass Art. 16 der Charta lediglich die Rechtsprechung des Gerichtshofs kodifiziert, in der der Gerichtshof bereits festgestellt hat, dass die Vertragsfreiheit im Unionsrecht gilt(64). Der Status der Vertragsfreiheit als Grundsatz des Unionsrechts wurde später durch die nach Erlass der Charta ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt(65). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sie eine längst etablierte Freiheit darstellt, die durch das Unionsrecht gewährleistet wird. Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei ihr um ein Recht und nicht um einen Grundsatz im Sinne von Art. 52 Abs. 5 der Charta handelt(66).

3)      Inhalt der Vertragsfreiheit

81.      Die Vertragsfreiheit ist eine Unterart der Freiheit im Allgemeinen. Es handelt sich um die Freiheit im Bereich privatrechtlicher Schuldverhältnisse. Diese Freiheit wird oft mit der Willensautonomie des Einzelnen gleichgesetzt, ist aber enger gefasst, da sie sich nicht auf alle Rechtshandlungen, sondern nur auf Verträge bezieht(67).

82.      Es ist traditionell anerkannt, dass sich die Vertragsfreiheit mindestens aus folgenden Freiheiten zusammensetzt: die des Abschlusses des Vertrags, die der Wahl des Vertragspartners, die der Ausgestaltung des Vertragsinhalts und damit des Schuldverhältnisses sowie die der Vertragsform(68). Das Recht der Parteien, den Inhalt des Rechtsverhältnisses frei zu gestalten, schließt wiederum das Recht ein, die Höhe der gegenseitigen Leistungen, insbesondere auch den Preis bzw. die Vergütung für die Leistungen der anderen Partei zu bestimmen.

83.      Dieses Bild der Freiheit spiegelt sich in der Rechtsprechung des Gerichtshofs wider. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es einen wesentlichen Eingriff in die Vertragsfreiheit darstellt, wenn ein Mitgliedstaat einen Einzelnen zum Abschluss eines Vertrags verpflichtet(69), und dass die Vertragsfreiheit u. a. Folgendes umfasst: die freie Wahl des Geschäftspartners(70), das Recht der Parteien, ihre gegenseitigen Verpflichtungen frei zu gestalten(71), darin eingeschlossen die Bestimmung des Preises für die Leistung(72), und schließlich das Recht, den geschlossenen Vertrag zu ändern(73).

84.      In Anbetracht der obigen Ausführungen bin ich der Ansicht, dass die Vertragsfreiheit ein Recht ist, das sowohl in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten als auch im Unionsrecht anerkannt ist. Sie verleiht Privatpersonen bestimmte Rechte, die mit der Verpflichtung einhergehen, nicht in die Autonomie der Parteien einzugreifen, insbesondere nicht dadurch, dass ihnen der Abschluss oder die Kündigung von Verträgen oder ein bestimmter Inhalt vorgeschrieben wird.

4)      Bedeutung des Verweises in Art. 16 der Charta

85.      Der kategorische Charakter dieser Schlussfolgerung kann im Lichte von Art. 16 der Charta bezweifelt werden. Aus ihm ergibt sich nämlich, dass die unternehmerische Freiheit „gemäß dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten“ anerkannt wird. Im Urteil Association de médiation sociale(74) hat der Gerichtshof zugleich entschieden, dass aus dem Wortlaut von Art. 27 der Charta(75), der einen ähnlichen Verweis enthält, „klar hervor[geht], dass er, damit er seine volle Wirksamkeit entfaltet, durch Bestimmungen des Unionsrechts oder des nationalen Rechts konkretisiert werden muss“(76). Folglich kann das Verbot, das der Entscheidung in dieser Rechtssache vorgreift, weder aus dem Wortlaut des Art. 27 der Charta noch aus den Erläuterungen zu diesem Artikel als unmittelbar anwendbarer Rechtsgrundsatz hergeleitet werden(77).

86.      Anders als im Fall der in Art. 27 der Charta genannten Rechte wird die Vertragsfreiheit, auch wenn sie im Wortlaut von Art. 16 nicht ausdrücklich genannt wird, in den Erläuterungen zur Charta als durch diese Bestimmung geschützt erwähnt. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs hat das auch bestätigt. Es gibt daher keinen Grund für eine schlichte Anwendung der Rechtsprechung zu Art. 27 der Charta auf diese Freiheit.

87.      Ich bin auch der Ansicht, dass der Verweis auf das Unionsrecht und auf das nationale Recht in Art. 16 der Charta anders geartet ist als in Art. 27 der Charta. Während in letzterem Fall auf Bestimmungen verwiesen wird, durch die das betreffende Recht erst noch geschaffen werden muss, bezieht sich der Verweis in ersterem Fall auf Bestimmungen, die Regeln für die Ausübung eines Rechts festlegen, das bereits besteht und durch die Charta garantiert ist.

88.      Wie aus den Erläuterungen zur Charta hervorgeht, wird das in Art. 16 garantierte „Recht … natürlich unter Einhaltung des Unionsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften ausgeübt. Es kann nach Artikel 52 Absatz 1 der Charta beschränkt werden.“ Wie der Gerichtshof betont hat, gilt die unternehmerische Freiheit jedoch nicht schrankenlos, sondern ist im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen(78). Sie kann einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden, die im allgemeinen Interesse die Ausübung dieser Freiheit beschränken können(79). Das Gleiche gilt für die Vertragsfreiheit.

89.      In diesem Zusammenhang teile ich die in der Lehre zum Ausdruck gebrachte Auffassung, dass mit dem Verweis in Art. 16 der Charta nur hervorgehoben werden soll, dass in Bezug auf das durch diesen Artikel garantierte Recht ein größeres Maß an staatlichen Eingriffen zulässig ist als bei anderen Rechten. Der Verweis deutet hingegen weder auf eine Einschränkung des durch dieses Recht garantierten Schutzniveaus hin, noch darauf, dass es den Rang eines Grundsatzes hat oder ein Recht „zweiter Klasse“ ist(80).

90.      Das zuvor Gesagte ändert nichts an der Tatsache, dass es in der Praxis selten sein wird, Entscheidungen allein auf Art. 16 der Charta zu stützen(81). Im Vergleich zu anderen Grundrechten wird die unternehmerische Freiheit und damit auch die Vertragsfreiheit oft anderen durch Unionsrecht geschützten Werten weichen müssen(82). Die Notwendigkeit eines weitreichenden Eingriffs in die Vertragsfreiheit zeigt sich besonders deutlich in Bezug auf regulierte Märkte und Verbrauchergeschäfte.

5)      Eigenständigkeit von Art. 16 der Charta, soweit die Parteien danach das Preisbestimmungsrecht für eine Dienstleistung haben

91.      Von den vorgenannten Rechten, die den Inhalt dieser Freiheit ausmachen und die durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt wurden, ist im vorliegenden Fall das Recht der Vertragsparteien, den Inhalt des Rechtsverhältnisses durch die Festlegung des Preises für die Dienstleistung zu gestalten, von Bedeutung. Auf dieses Recht beschränke ich den Rest meiner Betrachtung.

92.      Meines Erachtens ist das Recht der Parteien, den Preis für die vertragsgegenständliche Dienstleistung festzulegen, so weit offensichtlich, klar und eindeutig, dass es keiner näheren Bestimmung im Unionsrecht oder im nationalen Recht bedarf, um seinen Inhalt zu definieren.

93.      Soweit er die Freiheit der Parteien bei der Festlegung des Preises für die Dienstleistung gewährleistet, handelt es sich bei Art. 16 der Charta daher um eine „eigenständige“ Bestimmung. Sie erfüllt daher die wesentliche Voraussetzung, um unmittelbare Wirkung zu entfalten.

6)      Zulässige Beschränkungen der Vertragsfreiheit in Bezug auf das Preisbestimmungsrecht

94.      Aus den in Nr. 88 der Schlussanträge dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass das Bestehen von Beschränkungen der Vertragsfreiheit dieser Freiheit inhärent ist. Ihr Inhalt ergibt sich nämlich im Wesentlichen als Negativ der im Unionsrecht und in den Gesetzen der Mitgliedstaaten festgelegten Beschränkungen dieser Freiheit. Die Zulässigkeit dieser Beschränkungen ist im Lichte von Art. 52 Abs. 1 der Charta zu beurteilen.

95.      Die betreffende Freiheitsbeschränkung kann ihren Ursprung entweder im nationalen Recht oder im Unionsrecht haben, möglicherweise auch in beiden(83).

7)      Muster für die Berufung auf Art. 16 der Charta in Horizontalverhältnissen

96.      Es stellt sich die Frage, wie das Recht der Parteien, den Preis für die Dienstleistung festzulegen, in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen geltend gemacht werden könnte. Zweifel ergeben sich daraus, dass die Berufung auf das betreffende Recht nicht vollständig dem aus der bisherigen Rechtsprechung bekannten Muster folgt.

97.      Die Rechtsprechung des Gerichtshofs, die eine unmittelbare Berufung auf allgemeine Grundsätze des Unionsrechts, einschließlich der durch die Charta konkretisierten, zugelassen hat, betraf die subjektiven Rechte von Privatpersonen, aus denen sich spezifische Rechte ergeben, mit denen die Pflichten der anderen Streitpartei korrelieren. Mit dem Recht auf Urlaub oder Nichtdiskriminierung war die Verpflichtung der anderen Partei des Rechtsstreits verknüpft: zur Gewährung von Urlaub, gegebenenfalls einer Urlaubsabgeltung, oder zur Gewährung von Ansprüchen, die anderen Personen gewährt werden, die sich in einer ähnlichen Lage befinden(84).

98.      Im Falle des Rechts, den Preis für die Dienstleistung festzulegen, kann diese Argumentation nicht gelten. Erstens folgt aus der Vertragsfreiheit, dass der Einzelne das Recht auf Freiheit von Eingriffen in die Willensautonomie der Parteien eines Rechtsverhältnisses hat, sei es ein potenzielles oder ein bestehendes Rechtsverhältnis. Es handelt sich nicht um einen Anspruch, der so messbar ist wie das Recht auf Urlaub oder auf Beschäftigung. Zweitens handelt es sich nicht um ein Recht, das gegenüber der gegnerischen Streitpartei zusteht. Im Wesentlichen tritt die Verletzung der Vertragsfreiheit nämlich durch die Festlegung von Beschränkungen ihrer Ausübung durch ein Subjekt außerhalb eines bestehenden oder potenziellen Rechtsverhältnisses auf. Zweifellos gehen diese vom Staat oder alternativ von jeder Einrichtung, die in der Lage ist, verbindliche Rechtsvorschriften zu erlassen, die vertragliche Regeln auf diesem Gebiet festlegen, aus. Schuldner der Vertragsfreiheit ist aber keine andere Privatperson, insbesondere nicht der Vertragspartner(85).

99.      Das Recht, die Zahlung des vereinbarten Preises zu verlangen, kann nämlich nicht mit dem Recht gleichgesetzt werden, den Inhalt des Rechtsverhältnisses, einschließlich des Preises, zu bestimmen. Es beruht nämlich nicht auf der Vertragsfreiheit, sondern auf dem konkreten, bereits abgeschlossenen Vertrag. Die Nichterfüllung oder nicht ordnungsgemäße Erfüllung eines Vertrags durch eine der Parteien ist kein Verstoß gegen die Vertragsfreiheit, sondern ein Verstoß gegen den Grundsatz der Vertragserfüllung(86).

100. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung zutreffend ausgeführt hat, schützt die Vertragsfreiheit beide Vertragsparteien vor äußeren Einmischungen und nicht eine von ihnen gegenüber der anderen. Das Recht der Preisbestimmung ist ein gemeinsames Recht dieser beiden Parteien und nicht eines einer von ihnen gegenüber der anderen.

101. Daraus folgt, dass die Beeinträchtigung der Rechte, die sich aus der Vertragsfreiheit ergeben, in erster Linie auf vertikaler Ebene erfolgt. Dies ist nicht untypisch, denn in praktisch allen Fällen, in denen der Gerichtshof eine unmittelbare horizontale Wirkung der Charta anerkannt hat, wurde das Grundrecht zunächst in einer vertikalen Beziehung verletzt, weil der Staat keinen angemessenen Schutz der Grundrechte des Einzelnen gewährte. Erst danach stellte sich die Frage, ob in Ermangelung einer Bestimmung, die einen solchen Schutz bietet, eine andere Person verpflichtet war, entsprechend positiv zu handeln(87).

102. Die Besonderheit im Fall einer Verletzung der Vertragsfreiheit besteht darin, dass sie in formaler Hinsicht gegenüber beiden Vertragsparteien erfolgt. Sie kann sich jedoch in unterschiedlicher Weise auf das rechtliche Interesse jeder von ihnen niederschlagen. Für die eine kann sie ein zusätzliches Recht, für die andere eine Verpflichtung bedeuten.

103. Da das wichtigste Mittel für Eingriffe in die Vertragsfreiheit darin besteht, dass der Staat diese Freiheit einschränkt, kann der Schutz gegen einen solchen Eingriff in einem Rechtsstreit mit einer Vertragspartei, die ihr Recht aus einer solchen Einschränkung ableitet, nur durch die Einrede der Rechtswidrigkeit der Freiheitseinschränkung erfolgen. Ihre Rechtmäßigkeit hängt wiederum davon ab, ob sie die Bedingungen erfüllt, die die in Art. 52 Abs. 1 der Charta genannten Einschränkungen der Rechte und Freiheiten erfüllen müssen. Die Feststellung, dass die Einschränkung rechtswidrig ist, impliziert einen Verstoß gegen das in Art. 16 der Charta garantierte Grundrecht.

104. In Anbetracht der obigen Ausführungen ist offensichtlich, dass ein Fall wie der vorliegende nicht die horizontale unmittelbare Wirkung im klassischen Sinne betrifft, d. h. wenn eine Privatperson Adressat einer Rechtsvorschrift ist und folglich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet ist. Es geht darum, sich im Rechtsstreit auf die Charta als Maßstab zu berufen, um die Rechtswidrigkeit der Bestimmung, die der Klage zugrunde liegt, zu kontrollieren(88).

105. Ich sehe keinen Grund, warum die Bestimmung von Art. 16 der Charta nicht einen solchen Maßstab für die Rechtmäßigkeitskontrolle darstellen könnte. Sie ist hinreichend genau und unbedingt, soweit sie für die Entscheidung des vorliegenden Falles relevant ist, d. h., soweit sich aus ihr die Freiheit der Privatpersonen zur Preisbestimmung ergibt. Wird sie durch eine Bestimmung des nationalen Rechts verletzt, sollten für die Anwendung der Charta dieselben Grundsätze gelten wie bei einer Unvereinbarkeit von nationalem Recht mit den Bestimmungen der Verträge, die die Nichtanwendung einer Bestimmung des nationalen Rechts vorsehen(89).

106. Der obigen Schlussfolgerung steht Art. 51 Abs. 1 der Charta in keiner Weise entgegen. Der Gerichtshof hat nämlich bereits festgestellt, dass der Umstand, dass bestimmte Vorschriften des Primärrechts in erster Linie auf die Mitgliedstaaten Anwendung finden, nicht ausschließt, dass sie in den Beziehungen zwischen Privatpersonen angewandt werden können(90).

c)      Berufung auf die Vertragsfreiheit im Ausgangsverfahren

107. Die vorliegende Rechtssache fällt in den Anwendungsbereich von Art. 16 der Charta. Die streitige nationale Bestimmung stellt nämlich eine Einschränkung der durch diesen Artikel garantierten Vertragsfreiheit dar und fällt in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des Unionsrechts, nämlich von Art. 15 Abs. 1., Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123.

108. Die streitige Bestimmung des nationalen Rechts steht im Widerspruch zu den zitierten Bestimmungen der Richtlinie 2006/123, wie sich aus dem Urteil Kommission/Deutschland(91) und dem Beschluss in der Rechtssache hapeg dresden(92) ausdrücklich ergibt. Ein nach Art. 258 AEUV ergangenes Urteil bindet die nationalen Gerichte.

109. Art. 15 Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 enthält spezifische Anforderungen an die Mitgliedstaaten, wenn sie in ihrem nationalen Recht Bestimmungen erlassen, die eine Preisregulierung für Dienstleistungen vorsehen, die in den Anwendungsbereich von Kapitel III dieser Richtlinie fallen(93).

110. Mit dem Erlass dieser Vorschriften hat der Unionsgesetzgeber bereits eine Abwägung der verschiedenen konkurrierenden Grundrechte vorgenommen und die Verhältnismäßigkeit der Lösung beurteilt.

111. Im Anwendungsbereich von Art. 15 Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 müssen Einschränkungen der Vertragsfreiheit, die sich aus dem nationalen Recht ergeben, innerhalb der durch das Unionsrecht vorgegebenen Grenzen bleiben.

112. Im Licht des Vorstehenden bedeutet die Feststellung des Gerichtshofs im Urteil Kommission/Deutschland(94), dass die streitige Bestimmung des nationalen Rechts, die eine Einschränkung des Rechts zur freien Preisbestimmung vorsieht, mit der Bestimmung des Unionsrechts, die die Grenzen für den Erlass einer solchen Bestimmung festlegt, unvereinbar ist, dass die Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet bleiben muss. Im Fall einer solchen Unvereinbarkeit steht nämlich außer Zweifel, dass die im nationalen Recht vorgesehene Beschränkung des Rechts zur freien Bestimmung des Preises nicht den Voraussetzungen des Art. 52 Abs. 1 der Charta genügt. Wenn dies doch der Fall ist, verstößt sie gegen Art. 16 der Charta.

113. Folglich hat das nationale Gericht im Ausgangsverfahren die streitige nationale Bestimmung, die gegen die Richtlinie 2006/123 verstößt, mit der Begründung unangewendet zu lassen, dass das Grundrecht der Vertragsfreiheit in Bezug auf das Recht der Parteien, den Preis festzulegen, gewahrt werden muss.

114. Folglich bin ich ungeachtet des in Teil 1 des Abschnitts D meiner Würdigung vorgestellten Lösungsvorschlags der Ansicht, dass ein nationales Gericht eine nationale Regelung, die Mindestsätze für Dienstleistungserbringer in einer Weise festlegt, die gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 verstößt, unangewendet lassen muss, wenn es mit einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen über einen Anspruch befasst ist, der auf diese Regelung gestützt ist, und eine unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist. Diese Verpflichtung obliegt dem nationalen Gericht gemäß Art. 16 der Charta.

5.      Verpflichtung, ein Urteil, mit dem eine Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats festgestellt wird, zu erlassen

115. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob ein nationales Gericht verpflichtet ist, die streitige nationale Bestimmung wegen eines nach Art. 258 AEUV ergangenen Urteils, mit dem die Unvereinbarkeit dieser Bestimmung mit der Richtlinie festgestellt wird, unangewendet zu lassen.

116. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hat die Feststellung in einem Urteil nach Art. 258 AEUV, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag verstoßen hat, deklaratorischen Charakter(95). Aus dem Urteil ergeben sich jedoch Verpflichtungen für die staatlichen Behörden, die es umsetzen müssen. Diese Verpflichtung obliegt auch den Gerichten, die dafür sorgen müssen, dass sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben beachtet wird(96), einschließlich der Pflicht, unionsrechtswidrige Bestimmungen unangewendet zu lassen(97).

117. Stellt die letztgenannte Verpflichtung für sich genommen einen Grund für die Unanwendbarkeit einer richtlinienwidrigen nationalen Rechtsvorschrift im horizontalen Verhältnis dar?

118. Ich denke nicht.

119. Erstens ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass der Gerichtshof im Rahmen des Verfahrens nach Art. 258 AEUV nicht befugt ist, die Rechtsakte der Mitgliedstaaten aufzuheben(98). Die Annahme, dass eine nationale Rechtsvorschrift, deren Widerspruch zu einer Richtlinie sich aus einem nach Art. 258 AEUV ergangenen Urteil ergibt, aufgrund dieses Urteils von den Gerichten nicht angewandt werden kann, würde jedoch zu Wirkungen führen, die einer Aufhebung dieser Vorschrift gleichkämen.

120. Zweitens sind, wie der Gerichtshof in der Rechtssache Waterkeyn u. a.(99) selbst hervorgehoben hat, die Gerichte dieses Staates im Fall eines Urteils, in dem festgestellt wird, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag verstoßen hat, gemäß dem jetzigen Art. 260 Abs. 1 AEUV verpflichtet, aus dem Urteil entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Man muss jedoch verstehen, dass sich spezifische Rechte für Privatpersonen nicht aus diesem Urteil ergeben, sondern aus Bestimmungen des Unionsrechts, die unmittelbare Wirkung in der innerstaatlichen Rechtsordnung entfalten.

121. Im Einklang mit der obigen Argumentation steht auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Schadensersatzpflicht eines Mitgliedstaats bei Nichtumsetzung oder nicht ordnungsgemäßer Umsetzung einer Richtlinie, eingeleitet durch das Francovich-Urteil(100), aus dem hervorgeht, dass die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch in einer solchen Situation die Bestimmungen des Unionsrechts sind und nicht ein Urteil als solches, das eine Pflichtverletzung des Mitgliedstaats feststellt(101).

122. Daher bin ich der Ansicht, dass ein Urteil nach Art. 258 AEUV den Gerichten eines Mitgliedstaats zwar bestimmte Verpflichtungen auferlegt, ihnen aber nicht gleichzeitig neue Befugnisse über die bereits übertragenen hinaus verleiht. Wenn also im Falle einer Unvereinbarkeit einer Bestimmung des nationalen Rechts mit einer Unionsrechtsbestimmung unmittelbarer Wirkung das nationale Gericht nach dem Unionsrecht verpflichtet ist, die Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet zu lassen, wird diese Verpflichtung durch ein Urteil nach Art. 258 AEUV nur aktualisiert.

123. Art. 260 Abs. 1 AEUV kann nicht dahin ausgelegt werden, dass ein nach Art. 258 AEUV erlassenes Urteil dazu führen würde, Einzelnen neue Verpflichtungen aufzuerlegen, die ihnen gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV durch eine Richtlinie selbst nicht auferlegt werden können. Unter dieser Annahme hätte ein nach Art. 258 AEUV erlassenes Urteil die Wirkung, die Bindungswirkung der Bestimmungen einer Richtlinie als Quelle des Unionsrechts zu ändern.

124. Die verbindliche Auslegung einer Richtlinienbestimmung in einem Vorabentscheidungsurteil bindet das vorlegende Gericht, bewirkt aber nicht, dass die Grundsätze zur Anwendung der Richtlinie in Horizontalverhältnissen geändert werden. Meines Erachtens besteht ebenso kein Grund, dass eine solche Wirkung durch ein Urteil, das gemäß Art. 258 AEUV erlassen wird, hervorgerufen wird.

125. Aus einem solchen Urteil folgt zweifelsohne eine bestimmte Auslegung des Unionsrechts. Sie bindet die nationalen Gerichte bei der Rechtsanwendung. Das nationale Gericht hat diese Auslegung zu berücksichtigen. Dabei spielt es keine Rolle, dass diese Verpflichtung mit der Verpflichtung zusammenfällt, dem Urteil nachzukommen, das im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 258 AEUV ergangen ist.

126. Aus diesen Gründen bin ich der Ansicht, dass der Erlass eines Urteils nach Art. 258 AEUV für sich genommen keinen Grund darstellt, in einem Horizontalverhältnis eine Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet zu lassen, die gegen die Richtlinie verstößt, auf die sich das Urteil bezieht.

V.      Ergebnis

127. Zusammenfassend schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Bundesgerichtshof (Deutschland) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Ein nationales Gericht, das mit einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen über einen Anspruch befasst ist, der auf eine nationale Regelung gestützt ist, die Mindestsätze für Dienstleistungserbringer in einer Weise festlegt, die gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt verstößt, muss diese nationale Regelung unangewendet lassen. Diese Verpflichtung trifft das nationale Gericht gemäß

–        Art. 15 Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 als Bestimmungen zur Konkretisierung der sich aus Art. 49 AEUV ergebenden Niederlassungsfreiheit und

–        Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.


1      Originalsprache: Polnisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).


3      BGBl. 2013 I S. 2276.


4      BGBl. 2020 I S. 2636.


5      C‑377/17, EU:C:2019:562.


6      C‑137/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:84.


7      Vgl. u. a. Urteile vom 26. Februar 1986, Marshall (152/84, EU:C:1986:84, Rn. 48), vom 14. Juli 1994, Faccini Dori (C‑91/92, EU:C:1994:292, Rn. 20), vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 108), und vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 42).


8      Vgl. u. a. Urteile vom 10. April 1984, von Colson und Kamann (14/83, EU:C:1984:153, Rn. 26), vom 13. November 1990, Marleasing (C‑106/89, EU:C:1990:395, Rn. 8), und vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 113 und 114).


9      Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. 1983, L 109, S. 8), später Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. 1998, L 204, S. 37), schließlich die Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (kodifizierter Text) (ABl. 2015, L 241, S. 1). Diese Rechtsprechung gilt auch für die in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr) (ABl. 2000, L 178, S. 1) genannte Verpflichtung. Vgl. hierzu Urteil vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 100).


10      Vgl. Urteile vom 30. April 1996, CIA Security International (C‑194/94, EU:C:1996:172, Rn. 48), und vom 26. September 2000, Unilever (C‑443/98, EU:C:2000:496, Rn. 44, 50 und 51).


11      Im Folgenden: Charta.


12      Vgl. die in Nr. 67 dieser Schlussanträge angeführte Rechtsprechung.


13      Vgl. u. a. Urteile vom 24. Oktober 1996, Kraaijeveld u. a. (C‑72/95, EU:C:1996:404), und vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12).


14      Vgl. Nrn. 14 und 15 dieser Schlussanträge.


15      Urteil vom 4. Juli 2019, Kommission/Deutschland (C‑377/17, EU:C:2019:562).


16      Vgl. u. a. Urteile vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 71 bis 75, Nr. 3 des Tenors), und vom 6. November 2018, Bauer und Willmeroth (C‑569/16 und C‑570/16, EU:C:2018:871, Rn. 25 und Nr. 2 des Tenors).


17      Vgl. u. a. Urteile vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 100), und vom 29. Juni 2017, Popławski (C‑579/15, EU:C:2017:503, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).


18      Vgl. u. a. Urteil vom 16. Februar 2017, Agro Foreign Trade & Agency (C‑507/15, EU:C:2017:129, Rn. 23).


19      Vgl. u. a. Urteile vom 29. Juni 2017, Popławski (C‑579/15, EU:C:2017:503, Rn. 39), und vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 73 bis 75).


20      Zum Beispiel Richtlinie 77/249/EWG des Rates vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte (ABl. 1977, L 78, S. 17).


21      Urteil vom 16. Juni 2015, Rina Services u. a. (C‑593/13, EU:C:2015:399, Rn. 23 ff.).


22      Vgl. Urteil vom 30. Januar 2018, X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44, Rn. 99 bis 110 und Nr. 3 des Tenors).


23      Vgl. Erwägungsgründe 5, 6 und 64 der Richtlinie 2006/123. Vgl. auch Urteil vom 16. Juni 2015, Rina Services u. a. (C‑593/13, EU:C:2015:399, Rn. 40), in dem der Gerichtshof ausdrücklich festgestellt hat, dass die Richtlinie 2006/123 ein Rechtsakt des Sekundärrechts ist, der eine im AEU-Vertrag verankerte Grundfreiheit umsetzt.


24      Vgl. Urteile vom 23. Februar 2016, Kommission/Ungarn (C‑179/14, EU:C:2016:108, Rn. 118), und vom 30. Januar 2018, X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44, Rn. 137).


25      Urteil vom 16. Juni 2015 (C‑593/13, EU:C:2015:399).


26      Eine solche nationale Regelung könnte nur in Frage gestellt werden, wenn sich konkrete Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie als mit dem Vertrag unvereinbar erwiesen.


27      Urteil vom 30. Januar 2018, X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44, Nr. 3 des Tenors).


28      Es ist offensichtlich, dass eine solche Lösung viele Vorteile mit sich bringt. Es ist nämlich nicht notwendig, in jedem Sachverhalt nach einem grenzüberschreitenden Element zu suchen, dessen Vorhandensein oft schwer zu erkennen ist, um die Grundfreiheit unmittelbar anzuwenden.


29      Vgl. u. a. Urteile vom 30. April 1996, CIA Security International (C‑194/94, EU:C:1996:172, Rn. 48), vom 26. September 2000, Unilever (C‑443/98, EU:C:2000:496, Rn. 44, 50 und 51), und vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 100).


30      So Urteil vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 53).


31      Die niederländische Regierung verweist auf die Urteile vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631), und vom 24. Januar 2012, Dominguez (C‑282/10, EU:C:2012:33).


32      Urteil vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 44).


33      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache Linster (C‑287/98, EU:C:2000:3, Nrn. 57 ff.) und den dort zitierten Aufsatz von Galmot, Y., Bonichot, J-C., „La Cour de justice des Communautés européennes et la transposition des directives dans droit national“, Revue française de droit administratif, 4(1), Januar-Februar 1988, S. 16.


34      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Saggio in den verbundenen Rechtssachen Océano Grupo Editorial und Salvat Editores (C‑240/98 bis C‑244/98, EU:C:1999:620, Nr. 38).


35      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Alber in der Rechtssache Collino und Chiappero (C‑343/98, EU:C:2000:23, Nr. 30).


36      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in den verbundenen Rechtssachen Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2003:245, Nr. 58).


37      Urteil vom 5. Oktober 2004 (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584).


38      Urteil vom 5. Oktober 2004 (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584).


39      Urteil vom 22. November 2005 (C‑144/04, EU:C:2005:709, Rn. 76).


40      Das Verhältnis zwischen den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts und den durch die Charta garantierten Grundrechten geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht eindeutig hervor. Generalanwalt P. Cruz Villalón hat in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Prigge u. a. (C‑447/09, EU:C:2011:321) festgestellt, dass ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, nämlich das Diskriminierungsverbot, seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in der „Charta von Lissabon“ positiviert ist (Nr. 26 der Schlussanträge). In den Schlussanträgen werde ich der Einfachheit halber den Begriff „allgemeine Grundsätze des Unionsrechts, einschließlich der in der Charta konkretisierten“ verwenden.


41      Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303 S. 16).


42      Vgl. u. a. Urteile vom 22. November 2005, Mangold (C‑144/04, EU:C:2005:709, Rn. 76), vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci (C‑555/07, EU:C:2010:21, Rn. 46), und vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 35 bis 37).


43      Vgl. u. a. Urteile vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 76, 77 und 79), vom 11. September 2018, IR (C‑68/17, EU:C:2018:696, Rn. 69 bis 71), und vom 22. Januar 2019, Cresco Investigation (C‑193/17, EU:C:2019:43, Rn. 76 und 80).


44      Vgl. Urteil vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 78).


45      Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).


46      Vgl. u. a. Urteile vom 6. November 2018, Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (C‑684/16, EU:C:2018:874, Rn. 74, 80 und 81 sowie Nr. 2 des Tenors), vom 6. November 2018, Bauer und Willmeroth (C‑569/16 und C‑570/16, EU:C:2018:871, Rn. 80, 84 und 91).


47      Dritte Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug- Haftpflichtversicherung (ABl. 1990, L 129, S. 33).


48      Vgl. Urteil vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 48).


49      Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft (ABl. 2002, L 80, S. 29).


50      Vgl. Urteil vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale (C‑176/12, EU:C:2014:2, Rn. 46).


51      Vgl. z. B. Leczykiewicz, D., „Horizontal application of the Charter of Fundamental Rights“, European Law Review, 2013, 38(4), S. 479 bis 497.


52      Vgl. z. B. Frantziou, E., The horizontal effect of fundamental rights in the European Union: a constitutional analysis, Oxford, Oxford University Press, 2019, wo es heißt: „The judgments remain rooted in largely unpredictable, case-by-case assessments, which predominantly concern direct effect, but marginalise the overall significance of horizontality in the field of fundamental rights (as well as the risk of its over-extension)“ (S. 114).


53      Vgl. insbesondere Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache Association de médiation sociale (C‑176/12, EU:C:2013:491, Nrn. 34 bis 38).


54      Im Licht der jüngsten Rechtsprechung kann man sich jedoch fragen, ob Generalanwalt Bot heute an seiner in seinen Schlussanträgen in den verbundenen Rechtssachen Bauer und Broßonn (C‑569/16 und C‑570/16, EU:C:2018:337, Nr. 95) geäußerten Einschätzung festhalten würde, in der er die damalige Vorgehensweise des Gerichtshofs als „unangemessen restriktiv“ bezeichnete.


55      Vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Bot in den verbundenen Rechtssachen Bauer und Broßonn (C‑569/16 und C‑570/16, EU:C:2018:337, Nrn. 80 und 82 sowie die dort zitierte Literatur).


56      Lenaerts, K., „The Role of the EU Charter in the Member States“, in: The EU Charter of Fundamental Rights in the Member States, Oxford, Hart, 2020, S. 32 und 33, Prechal, S., „Horizontal direct effect of the Charter of Fundamental Rights of the EU“, Revista de Derecho Comunitario Europeo, Bd. 66 (2020), S. 420.


57      Diese Bedingung ist nicht absolut. In der älteren Rechtsprechung schien sie eine zentrale Rolle zu spielen (vgl. z. B. die Urteile vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci, C‑555/07, EU:C:2010:21, Rn. 21, vom 19. April 2016, DI, C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 22, 27, 35, 38, vom 7. August 2018., Smith, C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 48). Andererseits hat der Gerichtshof im Urteil vom 6. November 2018, Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (C‑684/16, EU:C:2018:874, Rn. 78 und 79), entschieden, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub keine Konkretisierung im abgeleiteten Recht erfordert. Ebenso hat er im Urteil vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 78), im Hinblick auf das Recht auf effektiven Rechtsschutz entschieden.


58      In der polnischen Wissenschaft wird häufig der Ausdruck „Grundsatz der Vertragsfreiheit“ verwendet. Um den Eindruck zu vermeiden, dass ich der Qualifizierung der Freiheit als „Grundsatz“ und nicht als „Recht“ im Sinne von Art. 52 der Charta vorgreife, werde ich in den Schlussanträgen den Begriff „Vertragsfreiheit“ verwenden.


59      Trzaskowski, R., Granice swobody kształtowania treści i celu umów obligacyjnych. Art. 353(1) k.c., Kraków, Zakamycze, 2005, S. 41; er verweist allerdings auf Ghestin, J., Traité de droit civil. La formation du contrat, Paris, 1993, S. 41, wonach Art. 1134 dieses Gesetzbuchs, der traditionell als Ausfluss dieser Freiheit angesehen wird, diese in Wirklichkeit nicht zum Ausdruck bringt.


60      So zuletzt J. Basedow, „[w]hile the freedom of contract was a necessary element in the overall scheme of the internal market from the very beginning, it has only much more recently been acknowledged as a principle of EU law.” (J. Basedow, EU Private Law. Anatomy of a Growing Legal Order, Intersentia, Cambridge – Antwerp – Chicago, 2021, S. 426, Nb 68.).


61      Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17, im Folgenden: Erläuterungen zur Charta).


62      Vgl. die Erläuterungen zur Charta zu Art. 52 Abs. 5 der Charta.


63      Lenaerts, K., a. a. O., S. 33, der darauf hinweist, dass im Fall von Art. 31 Abs. 2 der Charta nur sein Wesensgehalt („the essence“) direkte horizontale Wirkung hat.


64      An dieser Stelle werden in den Erläuterungen zur Charta die Urteile vom 16. Januar 1979, Sukkerfabriken Nykøbing (151/78, EU:C:1979:4, Rn. 19), und vom 5. Oktober 1999, Spanien/Kommission (C‑240/97, EU:C:1999:479, Rn. 99), zitiert.


65      Vgl. u. a. Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 42 f.), vom 18. Juli 2013, Alemo-Herron u. a. (C‑426/11, EU:C:2013:521, Rn. 32 bis 35), und vom 24. September 2020, YS (Betriebspensionen leitender Angestellter) (C‑223/19, EU:C:2020:753, Rn. 86).


66      Urteil vom 22. Januar 2013., Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 43 bis 48). Siehe auch Oliver, P., „What purpose does Article 16 of the Charter serve?“, in: General Principles of EU law and European Private Law, The Netherlands, Wolters Kluwer, 2013, § 12.06, S. 295 und 296, Jarass, H. D., „Art. 16 Unternehmerische Freiheit“, Charta der Grundrechte der Europaischen Union. Kommentar, 4. Aufl., München, C. H. Beck, 2021, Rn. 2.


67      Machnikowski, P., Swoboda umów według art. 353(1) k.c. Konstrukcja prawna., Warszawa, C.H. Beck, 2005, S. 2 und 3.


68      Ebd., S. 3 und 4. Diese Definition steht im Einklang mit der Formulierung von Art. 1102 des französischen Code civil, in dem es heißt: „Chacun est libre de contracter ou de ne pas contracter, de choisir son cocontractant et de déterminer le contenu et la forme du contrat dans les limites fixées par la loi.“ Vgl. auch von Bar, C., Clive, E., und Schulte-Nölke, H., (Hrsg.), Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law. Draft Common Frame of Reference (DCFR), Outline Edition, München, Sellier, 2009, Bd. II–I, S. 102: Party Autonomy (1): „Parties are free to make a contract or other juridical act and to determine its contents, subject to any applicable mandatory rules“; ebenso wie UNIDROIT Principles 2016, Art. 1.1 („Freedom of contract“): „The parties are free to enter into a contract and to determine its content“.


69      Vgl. u. a. Urteil vom 28. April 2009, Kommission/Italien (C‑518/06, EU:C:2009:270, Rn. 66 bis 71).


70      Vgl. u. a. Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 43), und vom 20. Dezember 2017, Polkomtel (C‑277/16, EU:C:2017:989, Rn. 50).


71      Vgl. u. a. Urteil vom 20. Mai 2010, Harms (C‑434/08, EU:C:2010:285, Rn. 36).


72      Vgl. u. a. Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 43), vom 20. Dezember 2017, Polkomtel (C‑277/16, EU:C:2017:989, Rn. 50), und vom 24. September 2020, YS (Betriebspensionen leitender Angestellter) (C‑223/19, EU:C:2020:753, Rn. 86).


73      Vgl. u. a. Urteil vom 5. Oktober 1999, Spanien/Kommission (C‑240/97, EU:C:1999:479, Rn. 99).


74      Urteil vom 15. Januar 2014 (C‑176/12, EU:C:2014:2).


75      Art. 27 der Charta lautet: „Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder ihre Vertreter muss auf den geeigneten Ebenen eine rechtzeitige Unterrichtung und Anhörung in den Fällen und unter den Voraussetzungen gewährleistet sein, die nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten vorgesehen sind.“


76      Urteil vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale (C‑176/12, EU:C:2014:2, Rn. 45).


77      Urteil vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale (C‑176/12, EU:C:2014:2, Rn. 46).


78      Vgl. u. a. Urteile vom 9. September 2004, Spanien und Finnland/Parlament und Rat (C‑184/02 und C‑223/02, EU:C:2004:497, Rn. 51 und 52), vom 6. September 2012, Deutsches Weintor (C‑544/10, EU:C:2012:526, Rn. 54), vom 22. Januar 2013, Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 45), und vom 24. September 2020, YS (Betriebspensionen leitender Angestellter) (C‑223/19, EU:C:2020:753, Rn. 88).


79      Urteil vom 22. Januar 2013, Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 46).


80      So z. B. Leonard, T., Salteur, J., „Article 16. Liberté d’entreprise“, in: Picod, F., Rizcallah, C., Van Drooghenbroeck, S., (Hrsg.), Charte des droits fondamentaux de l'Union européenne: Commentaire article par article. 2e éd., Bruxelles, Bruylant, 2020. S. 407, § 15, S. 415, § 24, Jarass, H. D., a. a. O., Rn. 20.


81      Oliver, P., a. a. O., § 12.08, S. 299. Der Autor stellt die These auf, dass diese Bestimmung extremen Fällen vorbehalten sei („extreme cases“).


82      Zum Beispiel in Bezug auf die Rechte des geistigen Eigentums – vgl. Urteil vom 24. November 2011, Scarlet Extended (C‑70/10, EU:C:2011:771, Rn. 50), oder das Recht der Öffentlichkeit auf Information – vgl. Urteil vom 22. Januar 2013, Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 66).


83      In Anbetracht des Grundsatzes des Vorrangs dürfen Beschränkungen nach nationalem Recht nicht Beschränkungen nach Unionsrecht entgegenstehen.


84      Auch wenn es der Gerichtshof selbst nicht ausdrücklich zugibt, ist die natürliche Folge der Anerkennung eines Rechts auf z. B. eine Abgeltung für nicht genommenen Urlaub die Verpflichtung des Arbeitgebers, diesen zu bezahlen.


85      Jarass, H. D., a. a. O., Rn. 2.


86      Siehe hierzu die klare Unterscheidung zwischen den Grundsätzen der UNIDROIT Principles 2016, Kommentar zu Art. 1.3 mit dem Titel „Binding character of contract“: „1. The principle pacta sunt servanda. This Article lays down another basic principle of contract law …“.


87      Vgl. hierzu Frantziou, E., a. a. O., S. 39, wo es heißt: „Indeed, it is not necessary to view vertical and horizontal obligations to protect fundamental rights as emphatically separate issues. Responsibility for violations of fundamental rights operates on a spectrum, which ranges from state obligations to the duties we owe to one another.“


88      Die Lehre weist auf die Ähnlichkeit dieser Situation mit den Dreieckssituationen hin, die ich in Nr. 28 dieser Schlussanträge erwähnt habe. Leczykiewicz, D., „Horizontal Effect of Fundamental Rights: In Search of Social Justice or Private Autonomy in EU Law“, in: General Principles of EU law and European Private Law, The Netherlands, Wolters Kluwer, 2013, § 6.06, S. 185.


89      Vgl. u. a. Urteil vom 9. März 1978, Simmenthal (106/77, EU:C:1978:49, Rn. 25).


90      Vgl. Urteil vom 6. November 2018, Bauer und Willmeroth (C‑569/16 und C‑570/16, EU:C:2018:871, Rn. 88).


91      Urteil vom 4. Juli 2019 (C‑377/17, EU:C:2019:562).


92      Beschluss vom 6. Februar 2020 (C‑137/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:84).


93      Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Bestimmung des Art. 15 Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 kein absolutes Verbot der Preisregulierung beinhaltet, sondern nur die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen zur Festlegung von Mindest- und Höchstsätzen für Dienstleistungen die in Art. 15 Abs. 3 genannten Voraussetzungen, nämlich Nichtdiskriminierung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit, erfüllen.


94      Urteil vom 4. Juli 2019 (C‑377/17, EU:C:2019:562).


95      Urteil vom 16. Dezember 1960, Humblet/Belgien (6/60‑IMM, EU:C:1960:48).


96      Vgl. u. a. Urteil vom 14. Dezember 1982, Waterkeyn u. a. (314/81 bis 316/81 und 83/82, EU:C:1982:430, Rn. 14).


97      Vgl. u. a. Urteile vom 13. Juli 1972, Kommission/Italien (48/71, EU:C:1972:65, Rn. 7), und vom 19. Januar 1993, Kommission/Italien (C‑101/91, EU:C:1993:16, Rn. 24).


98      Urteil vom 16. Dezember 1960, Humblet/Belgien (6/60‑IMM, EU:C:1960:48, S. 1184).


99      Urteil vom 14. Dezember 1982 (314/81 bis 316/81 und 83/82, EU:C:1982:430, Rn. 16).


100      Urteil vom 19. November 1991 (C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428).


101      Vgl. Rn. 40, 41 und 44 des Urteils.