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13.10.2021 · IWW-Abrufnummer 225160

Finanzgericht Köln: Urteil vom 17.06.2021 – 14 K 997/20

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln

 
Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid 2018 vom 02.08.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.04.2020 wird dahingehend geändert, dass Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.785 € als weitere Werbungskosten des Klägers bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt werden.

Die Berechnung der festgesetzten Steuer wird dem Beklagten aufgegeben.Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger erzielt als Berufssoldat Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit.

2
Aufgrund eines auf der Plattform facebook veröffentlichten Kommentars wurde er durch rechtskräftiges Urteil des AG C vom xx.xx.2018 (Az. …) wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten schuldig gesprochen und verwarnt unter Vorbehalt einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je xxx,xx €.

3
Daneben war gegen ihn am xx.xx.2017 ein gerichtliches Wehrdisziplinarverfahren eröffnet worden, das noch nicht abgeschlossen ist. Dieses hatte neben dem Vorwurf, der i.R.d. Strafverfahrens vor dem AG C behandelt wurde, noch zahlreiche weitere mutmaßliche Disziplinarvergehen im Wesentlichen in Gestalt von Postings auf dem facebook-Account des Klägers zum Gegenstand; die disziplinarischen Ermittlungen resultierten aus Anschuldigungen eines oder mehrerer Kollegen des Klägers. Dem Kläger wurde ausweislich der Anschuldigungsschrift vom xx.xx.2019 vorgeworfen, insbesondere gegen folgende Dienstpflichten verstoßen zu haben:

4
- außerhalb des Dienstes bei Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzter zu erhalten,

5
- außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen, die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft zu beeinträchtigen,

6
- die dienstliche Stellung des Vorgesetzten in seiner Person auch außerhalb des Dienstes zu achten,

7
- der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert.

8
Für seine Vertretung in dem Disziplinarverfahren durch Rechtsanwalt B wandte der Kläger im Streitjahr Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.785 € auf.

9
In seiner Einkommensteuererklärung beantragte der Kläger den Abzug der Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen. Hierzu legte er ein Schreiben des Rechtsanwaltes B vom 21.05.2019 vor, nach dem in dem Wehrdisziplinarverfahren die Entfernung aus dem Dienstverhältnis gem. § 58 Abs. 1 Nr. 5 Wehrdisziplinarordnung im Raume gestanden habe und die daraus resultierenden Kosten unmittelbar mit den disziplinarrechtlichen Ermittlungen zusammenhängen würden. Es habe eine den Lebensunterhalt massiv bedrohende Belastung bestanden.

10
Die Einkommensteuerveranlagung 2018 erfolgte durch Bescheid vom 02.08.2019 ohne Berücksichtigung der Rechtsanwaltskosten.

11
Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch machte der Kläger geltend, dass es sich nicht um eine vorsätzlich begangene Straftat gehandelt habe, sondern letztlich nur um eine gerichtliche und disziplinare (Vor-)Untersuchung aufgrund einer Meldung eines ehemaligen Untergebenen. In seinem Fall handele es sich um bloße Behauptungen eines Einzelnen, er ‒ der Kläger ‒ habe irgendwelche Aussagen angeblich öffentlich getätigt, die es so aber nicht gegeben habe und daher zu widerlegen gewesen seien. Von Vorsatz könne nicht die Rede sein, maximal von unbewusster Fahrlässigkeit.

12
Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 21.04.2020 zurück mit der Auffassung, dass die Rechtsanwaltskosten weder als außergewöhnliche Belastungen noch als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen seien. Für Letzteres fehle es an dem notwendigen Veranlassungszusammenhang mit der Tätigkeit als Berufssoldat, da die dem Kläger vorgeworfene Tat nicht ausschließlich und unmittelbar aus seiner beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar und damit nicht beruflich veranlasst sei. Der Erwerbsbezug der Aufwendungen wegen der Streitigkeiten um den Fortbestand des Dienstverhältnisses werde überlagert durch das außerhalb der beruflichen Tätigkeit liegende, vorsätzliche strafbare Verhalten.

13
Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Berücksichtigung der Rechtsanwaltskosten weiter. Er habe sich der Hilfe eines Rechtsanwalts speziell für das Disziplinarverfahren zur Sicherung seiner Existenzgrundlage bedienen müssen, da bedingt durch das Strafverfahren nicht unerhebliche finanzielle Einbußen durch Gehaltskürzung bis hin zu einer Entlassung aus dem Dienstverhältnis als Beamter im Raum gestanden hätten. Im Gegensatz zu einem Strafverfahren müsse die Verursachung eines Disziplinarverfahrens nicht dienstlich sein. Das Disziplinarverfahren sei unabhängig von einer Verschuldung zu werten. Allein entscheidend sei, dass er die Aufwendungen zur Sicherung und Erhaltung seiner Einnahmen getätigt habe, unabhängig von einer Verursachung im privaten oder im dienstlichen Bereich. Er verweist auf die Urteile des BFH vom 25.08.1961 (VI 99/59 S, BStBl III 1961, 482) und vom 31.12.1994 (VIII R 34/93, BStBl II 1995, 457).

14
Der Kläger beantragt,

15
den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 02.08.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.04.2020 dahingehend zu ändern, dass Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.785 € als weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt werden.

16
Der Beklagte beantragt,

17
die Klage abzuweisen.

18
Der Tat, derentwegen der Kläger schuldig gesprochen worden sei, fehle es an dem notwendigen Veranlassungszusammenhang mit der Tätigkeit als Berufssoldat. Mithin seien auch die mit dem Disziplinarverfahren zusammenhängenden Aufwendungen durch das außerhalb der beruflichen Tätigkeit liegende, vorsätzliche strafbare Verhalten veranlasst.

19
Zwar werde nicht in Abrede gestellt, dass Aufwendungen für ein Disziplinarverfahren grundsätzlich Werbungskosten sein könnten, jedoch seien vorliegend die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt, weil die erwerbsbezogene Veranlassung fehle. Die vorgeworfene Tat müsse ausschließlich und unmittelbar aus der beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar sein und die schuldhafte Handlung i.R.d. beruflichen Aufgabenerfüllung liegen, wie sich auch aus dem klägerseits zitierten BFH-Urteil vom 31.12.1994 ergebe. Maßgeblich sei die Zuweisung des die Aufwendungen auslösenden Moments zu der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. So seien beispielsweise Strafverteidigungskosten nicht vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen, sofern der strafrechtliche Vorwurf durch das berufliche Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst sei. Hierfür müsse die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden sein. Dies gelte auch für arbeitsgerichtliche Streitigkeiten sowie Disziplinarverfahren. Hierzu beruft sich der Beklagte auf die Urteile des BFH vom 09.02.2012 (VI R 23/10, BStBl II 2012, 829) sowie des FG Münster vom 05.12.2012 (11 K 4517/10 E, EFG 2013, 425). Vorliegend sei das relevante Verhalten ein strafrechtlich und dienstrechtlich zu würdigender Post auf dem privaten facebook-Account gewesen und liege allein in der Privatsphäre des Klägers.

20
Entscheidungsgründe

21
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

22
I.

23
Die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

24
Der Beklagte hat zu Unrecht den Werbungskostenabzug der Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.785 € für die Vertretung des Klägers in dem gegen ihn geführten Wehrdisziplinarverfahren versagt.

25
1.

26
Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 S. 1, 2 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen und bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Hierzu gehören über den Wortlaut der Norm hinaus ‒ in Anlehnung an die Definition von Betriebsausgaben durch § 4 Abs. 4 EStG ‒ alle Aufwendungen, die durch die Erzielung von Einnahmen veranlasst sind. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn objektiv ein Zusammenhang mit der auf die Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit gemacht werden (st. Rspr., vgl. z.B. BFH-Urteil vom 09.02.2012 VI R 23/10, BStBl II 2012, 629; zuletzt Urteil vom 14.01.2021 VI R 15/19, BStBl II 2021, 453, Rn. 11, jeweils m. w. N.). Werbungskosten müssen von den Kosten der Lebenshaltung, die nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig sind, abgegrenzt werden. Ein bloßer abstrakter Kausalzusammenhang im Sinne einer conditio sine qua non rechtfertigt daher nicht eine einkommensteuerliche Zuordnung von Aufwendungen zur Erwerbssphäre. Aufwendungen sind vielmehr erst dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend dafür ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments, zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Besteuerungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (z.B. BFH-Urteile vom 06.05.2010 VI R 25/09, BStBl II 2010, 851; vom 17.09.2009 VI R 24/08, BStBl II 2010, 198).

27
Danach gilt für Kosten einer Rechtsverfolgung (Beratungs-, Vertretungs- und Prozesskosten), dass diese Werbungskosten sind, wenn der Gegenstand des Prozesses objektiv ‒ nicht lediglich nach den Vorstellungen des Steuerpflichtigen ‒ mit der Einkunftsart zusammenhängt, in deren Rahmen die Aufwendungen geltend gemacht werden (vgl. BFH-Urteile vom 14.04.2016 VI R 61/13, BFH/NV 2016, 1268, Rn. 8 ff.; vom 10.12.2019 IX R 19/19, BStBl II 2020, 452, Rn. 18).

28
Rechtsverfolgungskosten aus bürgerlich-rechtlichen oder arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, die ein Arbeitsverhältnis und die Ansprüche daraus betreffen, stehen im Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S.d. § 19 EStG (BFH-Urteil vom 06.12.1983 VIII R 102/79, BStBl II 1984, 314).

29
Ausnahmsweise können auch strafbare Handlungen, die in Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen. Aufwendungen, die durch strafbare Handlungen ausgelöst werden, sind nicht ohne Weiteres der privaten Lebensführung zuzuordnen. Dieses Ergebnis folgt nicht nur aus dem objektiven Nettoprinzip, sondern ergibt sich auch aus § 40 AO, wonach es für die Besteuerung unerheblich ist, ob ein steuerlich tatbestandsmäßiges Verhalten gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (vgl. BFH-Urteil vom 09.12.2003 VI R 35/96, BStBl II 2004, 641). Für Strafverteidigungskosten und die sich aus einer strafbaren Handlung ergebenden Schadensersatzzahlungen führt dies dazu, dass die Rechtsprechung sie einheitlich nur in solchen Fällen als Werbungskosten anerkennt, in denen der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, eindeutig durch sein berufliches Verhalten veranlasst ist. Die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat muss in Ausübung ‒ und nicht nur bei Gelegenheit ‒ der beruflichen Tätigkeit begangen worden und ausschließlich und unmittelbar aus der beruflichen Aufgabenerfüllung heraus erklärbar sein (vgl. z.B. BFH, Urteile vom 16.04.2013 IX R 5/12, BStBl II 2013, 806; vom 18.10.2007 VI R 42/04, BStBl II 2008, 223, jeweils m.w.N.).

30
2.

31
Die vorliegend streitbefangenen Rechtsanwaltskosten des Klägers für seine Vertretung in dem gegen ihn eröffneten Wehrdisziplinarverfahren erfüllen die Voraussetzung des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG für den Werbungskostenabzug auch unter Berücksichtigung der durch die Rechtsprechung herausgebildeten Einschränkungen.

32
Zwar sind die Kosten mittelbar zurückzuführen auf die Kommentare des Klägers unter seinem persönlichen facebook-Konto des Klägers, ohne die das Disziplinarverfahren nicht eröffnet worden wäre und die zweifelsfrei als privates Handeln des Klägers zu beurteilen sind. Unmittelbar ausgelöst wurden sie jedoch durch die Entscheidung des Klägers, sich gegen die i.R.d. Disziplinarverfahrens erhobenen Vorwürfe und die drohenden Konsequenzen zu verteidigen, um Schaden für sein Dienstverhältnis und dienstrechtliche Konsequenzen abzuwenden. Damit diente die kostenverursachende Vertretung durch Rechtsanwalt B der unbeeinträchtigten Erhaltung der beruflichen Stellung als Soldat mit dem jeweiligen Dienstgrad und damit der Einnahmen aus dem Dienstverhältnis.

33
Wenn auch der Anklageschrift nicht entnommen werden kann, welche Disziplinarmaßnahme dem Kläger konkret drohte, so hindert dies nicht die Feststellung eines wirtschaftlichen Zusammenhangs mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Aus § 58 Abs. 1 WDO ergeben sich als mögliche Disziplinarmaßnahmen gegen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit eine Kürzung der Dienstbezüge, ein Beförderungsverbot, eine Herabsetzung in der Besoldungsgruppe, eine Dienstgradherabsetzung sowie eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis. Mithin sind in jedem Fall die berufliche Stellung oder auch direkt die Einnahmen des Klägers i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG betroffen. Deren Bestand zu sichern und unmittelbare nachteilige Folgen abzuwenden, war Zweck der von dem Kläger unternommenen Maßnahmen.

34
Diese erwerbsbezogene Veranlassung der Einschaltung des Rechtsanwaltes wird auch nicht durch private Umstände überlagert, wie der Beklagte meint. Der Senat vermag sich dessen Auffassung, dass die schuldhafte Handlung vorliegend nicht i.R.d. beruflichen Aufgabenerfüllung stattgefunden habe und deshalb jegliche dadurch veranlassten Kosten durch § 12 Nr. 1 EStG von einer steuerlichen Berücksichtigung ausgeschlossen seien, nicht anzuschließen. Der Beklagte bemüht hierbei insbesondere die Rechtsprechung des BFH zu Strafverteidigungskosten, die für eine steuerliche Berücksichtigung der unmittelbar aus einem rechtlich missbilligten Verhalten resultierenden Kosten ‒ Strafprozess und Schadensersatz ‒ verlangt, dass der Zusammenhang mit der Erwerbssphäre dadurch hergestellt wird, dass das Verhalten unmittelbar der betrieblichen oder beruflichen Tätigkeitsausübung entspringt. Dieses Erfordernis ist jedoch für ein arbeitsrechtliches oder dienstrechtliches Verfahren wie das vorliegende nicht erkennbar, weil die Aufwendungen bereits durch ihren Zweck ‒ die Abwendung drohenden Schadens und künftige unveränderte Erhaltung der Alimentation ‒ untrennbar dem Dienstverhältnis zugewiesen sind, während die vorwerfbare Handlung nur eine entferntere Ursache i.S.e. conditio sine qua non für die Rechtsanwaltskosten bildet. Hingegen sind Aufwendungen für und aus einem Straf- oder Schadensersatzprozesses zunächst unmittelbar veranlasst durch die nachträgliche Sanktionierung oder Regulierung eines i.d.R. willkürlichen Handelns, das allenfalls zufällige Berührungspunkte mit der Erwerbssphäre aufweist und bei dem weitere Umstände dazwischentreten müssen, um eine unmittelbare und ausschließliche Verursachung durch ein nicht mehr nur privat motiviertes, sondern zwingend betrieblich oder beruflich erscheinendes Handeln feststellen zu können. Im Streitfall ist der Erwerbsbezug der Aufwendungen nicht Folge eines freien Willensentschlusses des Steuerpflichtigen, eine Tat zu begehen und in einen beruflichen Kontext zu setzen, wie in den Fällen, in denen eine Straftat bei Gelegenheit der Erwerbstätigkeit oder zur Schädigung des Arbeitgebers begangen wird und dies der einzige Anknüpfungspunkt zu steuerbaren Einkünften ist. Vielmehr sind die Aufwendungen unmittelbare Folge eines dienstlichen Anlasses und haben als solche naturgemäß dienstlichen Bezug, ohne dass sich die Frage nach einer Überlagerung durch fernere, private Motive stellen müsste.

35
Hinzu kommt, dass aufgrund der Tätigkeit des Klägers im öffentlichen Dienst sein privates Verhalten durch beamtenrechtliche Vorschriften, etwa der Wehrdienstordnung, eine berufliche Relevanz erlangt. Das außerdienstliche Auftreten des Klägers wird zu einer dienstlichen Pflicht erhoben, weswegen das konkret auslösende Element ‒ ein privates Verhalten ‒ vorliegend zugleich ein dienstliches und nicht nur ein strafrechtlich relevantes war.

36
Nicht ankommen kann es dabei auf die persönliche Vorwerfbarkeit des die Kosten ursprünglich auslösenden Moments, des facebook-Posts. Würde man hierauf ‒ wie wohl der Beklagte‒ abstellen, würde vorsätzliches oder fahrlässiges regelwidriges Verhalten, das stets eine persönliche Komponente in sich trägt, durchweg als privat veranlasst nach § 12 Nr. 1 EStG einer steuerlichen Berücksichtigung entgegenstehen. Steuerliche Folgen eines tatbestandmäßigen Handelns sind jedoch nicht an eine zusätzliche moralische Wertung geknüpft. Dies ergibt sich aus den gesetzlichen Vorschriften, die Ausfluss des objektiven Nettoprinzipes sind und regelkonformes Verhalten grundsätzlich nicht als Tatbestandsvoraussetzung für den Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug nach §§ 4, 9 EStG beinhalten, und kommt klarstellend auch in § 40 AO zum Ausdruck. Dementsprechend verbietet auch nicht die Einheit der Rechtsordnung die steuerliche Berücksichtigung jeglicher Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit einem nach außersteuerlichen Normen missbilligten Verhalten, wenn nicht der Steuergesetzgeber ein solches Verbot positiv regelt (vgl. BFH, Urteil vom 19.02.1982 VI R 31/78, BStBl II 1982, 462, zu Strafverteidigungskosten). Eine solche positive Regelung gibt es in Form des Abzugsverbotes in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 ggf. i.V.m § 9 Abs. 5 S. 1 EStG für Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder und ab 2019 auch für damit zusammenhängende Aufwendungen sowie in § 12 Nr. 4 EStG für Geldstrafen, strafähnliche vermögensrechtliche Rechtsfolgen und aber 2019 auch für damit zusammenhängende Aufwendungen. Der Gesetzgeber hat also erkannt, dass Sanktionen für nicht regelkonformes Handeln und mit ihnen zusammenhängende Aufwendungen durchaus tatbestandsmäßig Betriebsausgaben oder Werbungskosten sein können. Er lässt sie jedoch nicht zum Abzug zu, weil sie sich nach seiner Wertung nicht steuermindernd auswirken und ihren eigenen Effekt dadurch mittelbar mildern sollen (vgl. dazu sogleich unter 3.). Es ergibt sich auch kein Widerspruch zu den in anderen Gebieten der Rechtsordnung, insbesondere den Strafgesetzen, zum Ausdruck kommenden Werten, da sich vorliegend nicht die unmittelbare Sanktion des rechtlich missbilligten Tuns zugunsten des Klägers auswirken soll, sondern nur mittelbare Folgekosten ohne bestrafenden Charakter.

37
Dadurch, dass die in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 EStG genannten Aufwendungen als Betriebsausgaben bzw. i.V.m. § 9 Abs. 5 S. 1 EStG als Werbungskosten qualifiziert sind, sieht der Senat sich in seiner Rechtsauffassung bestätigt, nach der Kosten aus berufsrechtlichen Verfahren infolge von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auch oder vielmehr erst Recht Werbungskosten bei den Einkünften aus § 19 EStG darstellen (so auch für arbeitsrechtliche Streitigkeiten: BFH, Urteil vom 09.02.2012 VI R 23/10, BStBl II 2012, 829, unter Hinweis auf BFH, Urteil vom 06.12.1983 VIII R 102/79, BStBl II 1984, 314; Eisgruber in: Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 19 EStG, Rn. 79, Stichwort „Prozesskosten“ für Kündigung und Disziplinarstrafverfahren). Diesen Erst-Recht-Schluss zieht der BFH auch in der von dem Beklagten herangezogenen Entscheidung vom 09.02.2012. Wenn er darin weiter ausführt, dass regelmäßig eine Vermutung für eine berufliche Veranlassung von Aufwendungen spricht, falls diese dadurch entstanden sind, dass allein Zivil- und Arbeitsgerichte mit einer Angelegenheit befasst waren und es nicht nur zu keinem strafgerichtlichen Verfahren, sondern nicht einmal zu strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kam, versteht der erkennende Senat dies nicht dahingehend, dass in allen anderen Konstellationen die Verfahrenskosten der Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 S. 2 EStG zuzurechnen sind. Der BFH weist selbst darauf hin, dass nicht allein schon ein subjektiver Handlungsvorwurf den objektiven Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Berufstätigkeit ausschließt, insbesondere wenn der Steuerpflichtige sich gegen unberechtigte Anschuldigungen und Vorwürfe seines Arbeitgebers zur Wehr setzt und die Vorwürfe, die einen beruflichen Veranlassungszusammenhang ausschließen könnten, nicht positiv festgestellt sind. Hieraus zieht der Senat nicht den Umkehrschluss, dass es für einen Zusammenhang mit der Erwerbssphäre darauf ankommt, wie berechtigt der strafrechtliche Vorwurf ist, und für die steuerliche Würdigung der Grad der Wahrscheinlichkeit einer strafrechtlichen Verurteilung geprüft werden muss.

38
Soweit das FG Münster in seinem Urteil vom 05.12.2012 (11 K 4517/10 E, EFG 2013, 425), auf das der Beklagte sich stützt, eine andere Auffassung vertreten und Kosten eines Disziplinarverfahrens nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen hat, weil der Steuerpflichtige mit einem solchen Verfahren rechnen muss, wenn er vorsätzlich eine Straftat begeht, teilt der erkennende Senat diese Rechtsauffassung nicht.

39
3.

40
Die danach vorliegenden Werbungskosten werden auch nicht durch § 9 Abs. 5 S. 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 oder § 12 Nr. 4 EStG vom Abzug ausgeschlossen.

41
Die Kosten des Klägers für den Rechtsanwalt gehören weder zu den dort aufgezählten Geldbußen, Ordnungsgeldern, Verwarnungsgeldern und Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen noch handelt es sich um Geldstrafen oder strafähnliche vermögensrechtliche Rechtsfolgen.

42
Es könnte sich allenfalls um „damit zusammenhängende Aufwendungen“ handeln, die jedoch erst mit Wirkung ab 01.01.2019 in die Abzugsverbote nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 und § 12 Nr. 4 EStG aufgenommen wurden. Bis dahin sind auch Verfahrenskosten (Gerichts- und Rechtsanwaltskosten) im Zusammenhang mit den vom Abzug ausgeschlossenen Aufwendungen steuermindernd zu berücksichtigen (vgl. BFH, Urteile vom 14.05.2014 X R 23/12, BStBl II 2014, 684, und vom 23.03.2011 X R 59/09, BFH/NV 2011, 2047). Das Gericht braucht der Frage, wie Verfahrenskosten behandelt und ggf. aufgeteilt werden, wenn sie nicht nur mit den vom Abzug ausgeschlossenen Aufwendungen zusammenhängen, sondern auch mit ihrer Abwehr sowie anderen Folgen einer Tat und deren Abwehr (z.B. wie hier Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, Kündigung, Kürzung von Bezügen, Degradierung), deshalb im Streitfall nicht nachzugehen.

43
II.

44
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

45
III.

46
Die Revision war zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), insbesondere im Hinblick auf das anderslautende Urteil des FG Münster (vom 05.12.2012 11 K 4517/10 E, EFG 2013, 425).

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