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11.03.2005 · IWW-Abrufnummer 050656

Kammergericht Berlin: Beschluss vom 11.01.2005 – 1 W 124/03

Eine Gestattung des Erblassers zu getrennter Annahme oder Ausschlagung eines Erbteils gemäß § 1951 Absatz 3 BGB ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Erblasser einen Erben teilweise zum Erben und teilweise zum Nacherben einsetzt und eine Ersatzerbenanordnung für den Fall trifft, dass der so Bedachte nicht Nacherbe wird.


Kammergericht
Beschluss

Geschäftsnummer:
1 W 124/03

In der Nachlaßsache

des am 12. Juni 1910 geborenen und am 28.6.1993 mit letztem Wohnsitz in 1nn Bnnnnnnnnn, Wnnnnnnnnnn, verstorbenen Hnnn Pnn Enn Snn

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 10. Januar 2003 in der Sitzung am 11. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking und die Richter am Kammergericht Dr. Wimmer und Dr. Müther beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1), 3) und 4) werden die Beschlüsse das Landgerichts Berlin vom 10. Januar 2003 und des Amtsgerichts Charlottenburg vom 19. Juli 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung nach Maßgabe der folgenden Gründe an das Amtsgericht Charlottenburg zurückverwiesen.

Gründe:

A.

Die Beteiligte zu 1), eine Tochter des am 28. Juni 1993 verstorbenen Erblassers, ist durch ein notarielles Testament des Erblassers vom 19. April 1991, das durch eine handschriftliche Verfügung vom 5. Juli 1991 ergänzt worden ist, neben ihrer Schwester, der Beteiligten zu 2), zu 1/3 als Erbin eingesetzt. Neben den beiden Töchtern war die zweite Ehefrau des Erblassers zur Vorerbin hinsichtlich des letzten Drittels der Erbschaft eingesetzt. Zu Nach-erben sind die Beteiligten zu 1) und 2) bestimmt. Als Ersatzerben und Ersatznacherben hat der Erblasser deren Abkömmlinge bestimmt. Nachdem die zweite Ehefrau des Erblassers am 15. Oktober 2000 verstorben ist, hat die Beteiligte zu 1) mit einer am 8. Dezember 2000 beim Nachlassgericht eingegangenen notariell beglaubigten Erklärung die "Nacherbschaft nach der Vorerbin Hnn Snn" ausgeschlagen. Mit notariell beurkundetem Antrag vom 13. November 2001 hat die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheins beantragt. Dieser Antrag ist durch Schreiben vom 15. März 2002 des zunächst die Beteiligten zu 3) und 4) vertretenden Rechtsanwalts ergänzt worden. Das Amtsgericht Charlottenburg hat den Antrag durch Beschluss vom 19. Juli 2002 zurückgewiesen und zugleich auf die Unzulänglichkeit des Antrags vom 15. März 2002 hingewiesen. Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1), 3) und 4) mit Schreiben vom 8. August 2002 Beschwerde mit dem sich aus einem Schreiben vom 22. August 2002 ergebenden Antrag eingelegt. Diese Beschwerde ist durch das Landgericht mit Beschluss vom 10. Januar 2003 zurückgewiesen worden (FamRZ 2003, 1134). Hiergegen richtet sich die mit Schreiben vom 5. März 2003 im Namen der Beteiligten zu 1), 3) und 4) eingelegte weitere Beschwerde, die im Wesentlichen die vom Landgericht vertretene Annahme angreift, die Ausschlagung der Beteiligten zu 1) sei als Teilausschlagung unwirksam.

B.

I. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch Erfolg.

1. Das Landgericht hat insoweit ausgeführt, der beantragte Erbschein, der die Beteiligten zu 3) und 4) nach dem Versterben der Vorerbin als Erben ausweisen soll, sei nicht zu erteilen. Die Ausschlagung der Beteiligten zu 1) sei als Teilausschlagung anzusehen. Diese sei aber unwirksam, weil sie lediglich aufgrund des Testaments vom 19. April 1991 zur Erbin berufen sei und damit nur ein Berufungsgrund vorliege. Für eine Gestattung der Teilausschlagung im Sinne des § 1951 Absatz 3 BGB fehle es an ausreichenden Anhaltspunkten. Allein vernünftige Gründe auf Seiten des Erben reichten nach der Gesetzeslage nicht aus, eine entsprechende Anwendung des § 1951 Absatz 3 BGB scheitere an der Tatsache, dass die Vorschrift eine Ausnahmeregelung darstelle.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht ist allerdings zutreffend von einer Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) ausgegangen. Es hat zwar im Rahmen der Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren ausgeführt, die Beteiligte zu 1) habe kein eigenes Interesse an der Erteilung des Erbscheins. Ob dies zutrifft und ob die Wertfestsetzung zutreffend ist, kann an dieser Stelle dahinstehen. Eine Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) ergibt sich schon daraus, dass der von ihr als Miterbin beantragte Erbschein nicht erteilt worden ist, § 20 Absatz 2 FGG. Unerheblich ist insoweit, dass das Nachlassgericht die Erbquote zugunsten der Beteiligten zu 1) höher annimmt als diese selbst (vgl. dazu BGHZ 30, 261 = NJW 1959, 1730). Denn eine Beschwer besteht bereits immer dann, wenn die Erteilung eines bestimmten Erbscheins von einem Erben beantragt wird und dieser gleichwohl nicht erteilt wird.

b) Das Landgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass die Berufung der Beteiligten zu 1) allein auf einem Grund, nämlich dem Testament vom 19. April 1991 beruht. Dann aber kommt die Wirksamkeit der ausdrücklich nur auf einen Teil der Erbschaft bezogenen Ausschlagung vom 8. Dezember 2000 nur unter den Voraussetzungen des § 1951 Absatz 3 BGB in Betracht.

c) Das Landgericht ist insoweit zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Einsetzung eines Bedachten zu einem Teil als Vollerbe und zu einem anderen als Nacherbe eine Berufung zu mehreren Erbteilen anzunehmen ist (ebenso RGZ 80, 377, 382; Leipold in Münchener Kommentar, aaO, § 1951 Rn. 2; Staudinger/Otte, aaO, § 1951 Rn. 7). Zu Unrecht hat das Landgericht aber angenommen, die Voraussetzungen des § 1951 Absatz 3 BGB lägen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist eine Teilausschlagung auch bei nur einem Berufungsgrunde dann möglich, wenn eine Einsetzung auf mehrere Erbteile vorliegt und der Erblasser zudem die Teilausschlagung in der letztwilligen Verfügung gestattet hat. Das Vorliegen einer derartigen Gestattung hat das Landgericht verneint, weil sich aus dem Testament vom 19. April 1991 auch durch Auslegung keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Gestattung im Sinne der Vorschrift ergäben. Die Auslegung eines Testaments liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und kann deshalb vom Gericht der weiteren Beschwerde nur darauf hin überprüft werden, ob sie nach den Denkgesetzen und der feststehenden Erfahrung möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut der Erklärung nicht widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt (vgl. Keidel/Meyer-Holz, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 27 Rn. 49). Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Entscheidung nicht gerecht.

Das sich aus § 1950 BGB ergebende grundsätzliche Verbot der Teilausschlagung dient Zweckmäßigkeitserwägungen. Es soll einer Zersplitterung des Nachlasses, auch aus Gläubigerschutzgründen, vorgebeugt werden (vgl. Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band 5, 1899, S. 270, 271; gleichlautend: Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Band 5, 1888; S. 506, 507). Teilweise werden aber auch eine Achtung des Erblasserwillens (Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 8 VI 1 a; a.A. Otte in Staudinger, BGB, 13. Bearbeitung, § 1950 Rn. 10) und die Vereinfachung der Klärung der Erbfolgeverhältnisse genannt (vgl. dazu Leipold in Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 1950 Rn. 2). Insoweit ist auch anerkannt, dass eine willkürliche Aufteilung des Nachlasses durch den Erben durch eine Teilausschlagung unwirksam ist (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 1950 Rn. 1; Leipold in Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 1950 Rn. 1). Zugelassen ist die Teilausschlagung vielmehr nur dann, wenn verschiedene Berufungsgründe im Sinne des § 1948 BGB oder verschiedene Erbteile, § 1951 Absatz 1 und 3 BGB, vorhanden sind. In den Fällen des § 1948 BGB, der den Fall der neben der Berufung von Todes wegen bestehenden gesetzliche Erbberufung betrifft, und des § 1951 Absatz 1 BGB, der den Fall der Berufung von Todes wegen neben einer Berufung aufgrund Erbvertrages erfasst, bedarf es für die Zulässigkeit der Teilausschlagung keiner weiteren Voraussetzungen. Lediglich für den Fall, dass die Berufung zum Erben nur auf einem Grund beruht, bedarf die Teilausschlagung der testamentarischen Gestattung durch den Erblasser, § 1951 Absatz 3 BGB. Hintergrund des Gestattungserfordernisses sind damit aber nicht bestimmte Interessen des Erblassers, die eine mehr oder minder deutliche positive Kundgabe der Gestattung verlangen. Denn für den testierenden Erblasser steht das Interesse der Gläubiger, mit möglichst wenig Erben konfrontiert zu werden, regelmäßig nicht im Vordergrund; die Teilbarkeit des Nachlasses und damit das Interesse an einer einfachen Klärung der Erbverhältnisse ist bereits durch das Erfordernis der Berufung zu mehreren Erbteilen gewahrt. Aus alldem ergibt sich, dass für eine Gestattung im Sinne des § 1951 Absatz 3 BGB bereits spricht, wenn sich keine Interessen des Erblassers erkennen lassen, die gegen eine Teilausschlagung sprechen.

Ob eine Gestattung regelmäßig bereits dann zu bejahen ist, wenn ein Erblasser einen Erben teilweise zum Erben und teilweise zum Nacherben eingesetzt hat (vgl. Leipold in Münchener Kommentar, aaO, § 1951 Rn. 2; Soergel/Stein, BGB, 12. Aufl., § 1951 Rn. 7), kann insoweit dahinstehen. Denn im vorliegenden Fall lassen sich ausreichende - vom Landgericht nicht gewürdigte - Anhaltspunkte finden, aus denen sich ergibt, dass der Erblasser mit einer auf die angefallene Nacherbschaft beschränkten Ausschlagung einverstanden war. Die vom Erblasser ausdrücklich angeordnete Trennung - je 1/3 an die Töchter unmittelbar, 1/3 erst als Nacherben - ist bei dieser Fallkonstellation bereits Indiz für eine Gestattung, weil die Frage der Annahme oder Ausschlagung nach Eintritt des Nacherbfalls etwa aus auch für den Erblasser bedeutsamen steuerlichen Gründen anders zu würdigen sein kann. Gerade hier hat der Erblasser aber auch Vorsorge für den Fall getroffen, dass die Nacherbschaft nicht an seine Töchter fallen sollte. Denn der Bestimmung unter III Ziffer 1 Absatz 4 des Testaments ist - wie das Amtsgericht zutreffend ausführt - zu entnehmen, dass das Vermögen im Falle des Wegfalls einer der Töchter, sei es durch Vorversterben oder durch Ausschlagung, in der Familie bleiben sollte und zwar zu gleichen Teilen der Stämme der Töchter. Der Erblasser hat entsprechend der Auslegungsregel des § 2069 BGB angeordnet, dass die Erbschaft auch im Falle der Ausschlagung bei den Abkömmlingen verbleibt und damit im Sinne des § 2142 Absatz 2 BGB "ein anderes bestimmt" (vgl. KG HRR 1929, 205). Diesem erkennbaren Willen des Erblassers widerspricht die auf die Nacherbschaft beschränkte Ausschlagung nicht, da der Erblasser für diesen Fall ausdrücklich Vorsorge getroffen hat. Dies reicht nach dem Vorstehenden für die Annahme einer Gestattung im Sinne des § 1951 Absatz 3 BGB aus. Die Bestimmung in V Ziffer 1 des Testaments spricht - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts - nicht gegen eine konkludente Gestattung. Durch sie werden nur die Pflichtteilsansprüche im Falle der Ausschlagung geregelt.

3. Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.

Die Ausschlagung der Beteiligten zu 1) ist wirksam. Sie hat die ihr durch den Tod der Vorerbin angefallene Erbschaft nicht durch Fristablauf gemäß § 1943 Halbsatz 2 BGB angenommen. Denn die Frist für die Ausschlagung begann gemäß § 1944 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit § 2139 BGB - unbeschadet der Möglichkeit einer früheren Ausschlagung gemäß § 2142 BGB - erst mit der Kenntnis der Beteiligten zu 1) vom Tode der Vorerbin; sie lag frühstens Ende Oktober/Anfang November 2000 vor, als die Beteiligte zu 1) sich im Ausland befand und durch einen Telefonanruf ihres Verfahrensbevollmächtigten unterrichtet wurde, sonst bei ihrer Rückkehr nach Deutschland am 15. November 2000 als sie den an sie weitergeleiteten Brief des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) an ihren Verfahrensbevollmächtigten vom 20. Oktober 2000 vorfand. Die Frist nach § 1944 Absatz 1, Absatz 3 BGB war durch den Eingang der notariell beglaubigten Erklärung vom 6. Dezember 2000 beim Nachlassgericht am 8. Dezember 2000 gewahrt. Die Frist hatte nicht schon begonnen als das Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) vom 20. Oktober 2000 am 23. Oktober 2000 bei ihrem Verfahrensbevollmächtigten einging. Zwar kommt es bei einer Bevollmächtigung für den Fristlauf auf die Kenntnis und den Aufenthalt auch des gewillkürten Vertreters an, so dass gegebenenfalls der frühere Fristablauf entscheidet (vgl. KG HRR 1935, 1664; Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 1944 Rn. 1, 8; siehe auch Senat, KG-Report 2004, 362 zu § 1954 Absatz 2 Satz 1 BGB). Ihr Verfahrensbevollmächtigter war nach dem Schreiben vom 20. Oktober 2000 zwar in der Angelegenheit Ansprüche Cnnnnn Snn und Dnnn Wnnn ./. Hnn Snn . Erb-unwürdigkeitsklage pp. beauftragt. Es ist aber nicht ersichtlich, dass er bereits bevollmächtigt war, in der Angelegenheit Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft nach Eintritt des Nacherbfalles für die Beteiligte zu 1) tätig zu werden. Dieser Auftrag wurde ihm erst in der dazu anberaumten Besprechung vom 24. November 2000 erteilt. Soweit die Beteiligte zu 1) die Erbschaft nach dem Tode ihres Vaters konkludent angenommen hat, bezog sich dies nicht auf den durch die Vorerbschaft belasteten Erbteil. § 1950 BGB, der die Teilannahme ausschließt, wird durch § 1951 Absatz 3 BGB eingeschränkt (vgl. Palandt/Eden-hofer, BGB, 64. Aufl., § 1950 Rn. 2; Leipold in Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 1950 Rn. 3); das Gleiche gilt für die Fiktion des § 1951 Absatz 2 Satz 1 BGB. Eine konkludente Annahme hinsichtlich des erst mit dem Tode der Vorerbin angefallenen Erbteils liegt nicht vor.

3. Nach alldem ist die Sache an das Amtsgericht zur weiteren Bearbeitung des Erbscheinsantrags vom 13. November 2001, insbesondere zur Prüfung, ob den Beanstandungen aus der Verfügung vom 2. Januar 2002 mittlerweile Genüge getan ist, zurückzugeben.

II. Eine Kostenentscheidung kommt auch aus Billigkeitsgründen nicht in Betracht, vgl. § 13a Absatz 1 Satz 1 FGG.

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 1951 Abs. 3

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