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24.06.2011 · IWW-Abrufnummer 111356

Landgericht Dortmund: Urteil vom 19.01.2011 – 2 O 192/10

Zu den Anforderungen an eine formell und inhaltlich ordnungsgemäße
Belehrung gem. § 37 VVG n.F. (hier nicht erfüllt)


Datum:19.01.2011
Landgericht Dortmund
2. Zivilkammer
Urteil
Aktenzeichen:2 O 192/10

Tenor:
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichtes Uelzen vom 17.05.2010 (AZ: 10-8399156-0-5) wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Hiervon ausgenommen sind die durch den Erlass des Vollstreckungsbescheides bedingten Kosten, welche der Beklagte zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Beklagte darf seinerseits die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägern vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

T a t b e s t a n d
Der Beklagte nahm bei der Klägerin für seinen Pkw Opel Vectra (##-## ###) eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung.

Der dem Beklagten mit einem Anschreiben spätestens am 06.12.2008 zugegangene Versicherungsschein vom 02.12.2008 besteht aus drei Seiten und einem weiteren Blatt mit "Erläuterungen zur Vorderseite" Die dritte Seite des Versicherungsscheines enthält u.a. folgende Belehrung zur Zahlung des Erstbeitrages:

Aufgrund einer vorläufigen Deckungszusage haben Sie nur vorläufigen Versicherungsschutz. Die vorläufige Deckungszusage kann sich nur auf eine oder auch auf mehrere Versicherungssparten beziehen (Kraftfahrzeug-Haftpflicht-, MobilPlus-, Fahrerschutz-, Fahrzeug- und/oder Fahrer-UnfallPlus-Versicherung). Der vorläufige Versicherungsschutz erlischt rückwirkend und für künftige Schadenfälle für diejenige Versicherungssparte, für die Sie den Erstbeitrag nicht unverzüglich (d.h. spätestens innerhalb von 14 Tagen) nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheines bezahlen und Sie dies zu vertreten haben.

Sie müssen den Erstbeitrag auch dann unverzüglich (d.h. spätestens innerhalb von 14 Tagen) nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheines bezahlen, wenn inzwischen ein Schaden eingetreten ist, weil Sie sonst – wenn Sie die Zahlungsfrist schuldhaft versäumt haben – den Versicherungsschutz für die Versicherungssparte verlieren, für die der Erstbeitrag nicht gezahlt worden ist. In diesem Fall müssen Sie für diesen Schaden selbst aufkommen.

Sollten Sie die Zahlungsfrist für einen oder für alle Erstbeiträge schuldhaft versäumt haben, so empfehlen wir Ihnen dringend, den Erstbeitrag oder die Erstbeiträge sofort zu zahlen, damit Sie für die Zukunft Versicherungsschutz haben.

Auch wenn Sie die Zahlungsfrist unverschuldet versäumt haben, zahlen Sie bitte den Erstbeitrag oder die Erstbeiträge unverzüglich."

Linksbündig neben dieser Belehrung befindet sich vertikal ein knapp 1 mm dicker Strich. Die Überschrift "Zahlung des Erstbeitrages" ist – ebenso wie eine weitere Überschrift "Vertragsgrundlagen…" auf dieser Seite – im Fettdruck gehalten, bei allerdings geringer Buchstabengröße (Höhe max. 2 mm). Der unter der Belehrung befindliche Satz "Wir wünschen Ihnen allzeit gute Fahrt." sowie die folgenden abschließenden Vertragserklärungen sind in einem Schriftbild mit größeren Buchstaben gehalten.

Das Anschreiben vom 02.12.2008 hat folgenden Inhalt:

"… vielen Dank für den gestellten Antrag. Sie erhalten als Anlage den Versicherungsschein. Bitte überprüfen Sie den Inhalt und beachten Sie die Erläuterungen und Hinweise. Wir sind eine Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit. Mit Abschluss eines Versicherungsvertrages sind Sie entsprechend unserer Satzung Mitglied unserer Versichertengemeinschaft.

Sie haben Versicherungsschutz ab dem im Versicherungsschein angegebenen Beginn, wenn der Einlösungsbetrag (Erstbeitrag) sofort nach Abschluss des Vertrages gezahlt wird; wir bitten dann um Zahlung innerhalb von 14 Tagen.

Sofern Ihnen vorläufige Deckung erteilt wurde, erlischt diese rückwirkend, wenn Sie den Einlösungsbetrag nicht innerhalb dieser 14-Tages-Frist begleichen (ausführliche Hinweise hierzu s. Versicherungsschein).

Bitte bezahlen Sie den Einlösungsbetrag deshalb umgehend und verwenden Sie hierzu das vorbereitete Überweisungsformular. Sie erleichtern uns damit die Verarbeitung des Zahlungseinganges.

….".

Nachdem der Beklagte die Prämie nicht zahlte, trat die Klägerin mit Schreiben vom 13.01.2009 vom Vertrag zurück.

Bereits am 31.10.2008 – während des Bestehens vorläufiger Deckung – hatte sich ein Unfall mit dem Fahrzeug ereignet. Die Klägerin regulierte von Dritten geltend gemachte Schäden in Höhe von insgesamt 6.532,60 €.

Sie meint, die Hinweise in dem Versicherungsschein seien ausreichend deutlich hervorgehoben. Sie würden durch das Anschreiben ergänzt. In der Kombination dieser beiden Hinweisformulierungen liege eine ausreichende gesonderte Mitteilung in Textform.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Vollstreckungsbescheid über den Betrag in Höhe von 6.532,60 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.12.2009 erwirkt. Gegen den ihm am 19.05.2010 zugestellten Vollstreckungsbescheid hat der Beklagte am 28.05.2010 – rechtzeitig – Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Vollstreckungsbescheid vom 17.05.2010 aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte beantragt,
den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, er könne wegen einer Inhaftierung derzeit nicht überprüfen, ob eine Zahlung der Prämie erfolgt sei.

Ferner habe der Fahrer des Pkws ihm erklärt, den Unfall nicht verschuldet zu haben.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist unbegründet. Daher war die Klage abzuweisen und der Vollstreckungsbescheid aufzuheben.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Regressanspruch aus § 426 BGB i.V.m. § 116 Abs. 1 Satz 2 VVG n.F. gegen den Beklagten zu.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf eine Leistungsfreiheit gegenüber dem Beklagten berufen, auch wenn ein rückwirkendes Außerkrafttreten der vorläufigen Deckung für den Fall der Nichtzahlung der Erstprämie vereinbart worden sein sollte. Denn es fehlt jedenfalls an einer ordnungsgemäßen Belehrung gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 VVG n.F.. Nach dieser Vorschrift ist der Versicherer nur leistungsfrei, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf die Rechtsfolge des Entfalles der Leistungspflicht des Versicherers im Falle der Nichtzahlung der Prämie aufmerksam gemacht hat.

1.
§ 37 Abs. 2 VVG n.F. findet vorliegend Anwendung, weil die Klägerin hier die Erstprämie angefordert hat. Unter einer Erstprämie im Sinne dieser Vorschrift ist auch die Prämie für den endgültigen Vertrag nach vorläufiger Deckungszusage anzusehen, auch wenn diese die Prämie für die Deckungszusage mit einbezieht (Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 37 VVG, Rdnr. 3 m.w.N.).

2.
Es fehlt an einem ausreichend auffälligen Hinweis im Versicherungsschein. Die Belehrung muss – zur Erfüllung der Warnfunktion (vgl. BT-Drucks 16/3945, Seite 71) – drucktechnisch deutlich gestaltet sein. Erfolgt die Belehrung im Versicherungsschein, wird sie in der Regel auf dessen Vorderseite erfolgen müssen. Eine Belehrung auf der Rückseite reicht nur, wenn in Fett- oder Großdruck auf der Vorderseite auf die rückseitige Belehrung verwiesen wird (Karczewski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 1. Auflage 2008, § 37, Rdnr. 21; Münchener Kommentar, VVG, Band 1, 1. Auflage 2010, § 37, Rdnr. 31; Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Auflage, AKB C, Rdnr. 28; vgl. LG Bremen Versicherungsrecht 1995, 287 zu § 38 VVG a.F.).

Hieran gemessen ist der Hinweis erst auf Seite 3 des Versicherungsscheines unzureichend. Dessen erste Seite enthält vorliegend keinerlei Hinweise auf die Belehrung zur Zahlung der Erstprämie. Daneben ist die Gestaltung des Hinweises auf Seite 3 des Versicherungsscheines auch schon für sich genommen nicht hinreichend deutlich, um der Warnfunktion zu genügen. Allein die Kennzeichnung durch einen Längsstrich neben dem Belehrungstext vermag die Aufmerksamkeit des Lesers nicht ausreichend zu lenken. Das Gesamtbild der Seite 3 führt nicht zu einer Fokussierung auf die Belehrung. Denn im Übrigen wird – wie im Tatbestand dargelegt – teilweise ein größeres Schriftbild als bei der Belehrung verwandt. Zudem führt auch die mehrfache Verwendung des Fettdruckes dazu, dass die Belehrung nicht genügend hervorgehoben wird.

Soweit eingangs des Anschreibens vom 02.12.2008 darum gebeten wird, die Erläuterungen und Hinweise zu beachten, vermag dies den erforderlichen Verweis auf die Belehrung auf der Vorderseite des Versicherungsscheines nicht zu ersetzen. Selbst wenn man es für ausreichend erachtete, dass anstelle eines Verweises auf der Vorderseite des Versicherungsscheines ein solcher in dem beigefügten Anschreiben erfolgt (vgl. Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 37, Rdnr. 44), so ergäbe sich nichts Abweichendes, denn der farblose Hinweis auf die "Erläuterungen und Hinweise" stellt keinen konkreten Verweis auf die Belehrung gemäß § 37 Abs. 2 VVG n.F. dar. Es fehlt auch an einer optisch hinreichend auffälligen Gestaltung des Hinweises.

3.
Auch eine gesonderte Mitteilung in Textform im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 2 VVG n.F. ist nicht gegeben. Zwar wird man es als ausreichend ansehen können, wenn der erforderliche Hinweis durch einen in Schrifttyp und/oder Farbe hervorstechenden Hinweis erteilt wird, ohne dass dieser auf einem separaten Schriftstück enthalten sein muss (vgl. Landgericht Dortmund Versicherungsrecht 2010, 465 zu § 19 Abs. 5 VVG n.F. m.w.N.). Jedoch genügen die in dem Anschreiben vom 02.12.2008 erteilten Hinweise, die in dem Fließtext ohne optische Hervorhebung enthalten sind, diesen Anforderungen ersichtlich nicht.

4.
Der Annahme einer Leistungsfreiheit der Klägerin gegenüber dem Beklagten steht ferner entgegen, dass die Belehrung auch inhaltlich nicht ordnungsgemäß war. Denn die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten im Versicherungsschein und in dem Anschreiben vom 02.12.2008 unterschiedliche Angaben zu der Frist gemacht, innerhalb derer der Erstbeitrag bezahlt werden muss. Während in dem Anschreiben erklärt wird, der Erstbeitrag sei innerhalb einer 14-Tages-Frist zu begleichen, wird in der Belehrung im Versicherungsschein eine Zahlung spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Ablauf von 2 Wochen nach Zugang des Versicherungsscheines (insoweit § 8 VVG n.F. und C.1.1 AKB 2008 Rechnung tragend, vgl. dazu Stiefel/Maier, a.a.O., AKB C. 1, Rdnr. 6) gefordert . Damit vermag der Versicherungsnehmer den übersandten Unterlagen nicht mit der nötigen Sicherheit zu entnehmen, welche Frist für ihn maßgeblich ist.

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, der Beklagte habe jedenfalls auch die längere der beiden Fristen versäumt, so dass sich die widersprüchliche Fristsetzung nicht ausgewirkt habe. Denn bei einer unzutreffenden Belehrung kommt es nicht darauf an, ob diese im Einzelfall tatsächlich zu einer für die verspätete Prämienzahlung ursächlichen Fehlvorstellung des Versicherungsnehmers geführt hat; denn der Versicherer verliert die Möglichkeit sich auf die Verspätung zu berufen schon deshalb, weil er es seinerseits unterlässt, den Versicherungsnehmer ordnungsgemäß zu belehren (BGH NJW-RR 2006, 1101). Hieran ist auch unter der Geltung des VVG n.F. festzuhalten (Stiefel/Maier a.a.O., Rdnr. 31 Prölss/Martin, a.a.O., § 38, Rdnr. 25).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 344 ZPO i.V.m. § 700 Abs. 1 ZPO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

RechtsgebietVVG n.F.Vorschriften37 VVG n.F.

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