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25.03.2011 · IWW-Abrufnummer 111072

Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 26.08.2010 – 15 Wx 317/09

1. Das gemeinschaftliche Testament geschiedener Ehegatten lebt mit ihrer Wiederverheiratung nicht wieder auf.



2. Zur Beurteilung des hypothetischen Fortgeltungswillens der Ehegatten bei der Testamentserrichtung.


15 Wx 317/09

Tenor:
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) hat den Beteiligten zu 2) und 3) die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert für das Verfahren dritter Instanz wird auf 11.000 € festgesetzt.

Gründe
I.)

Der Erblasser und die Beteiligte zu 1) heirateten 1970. 1979 errichteten sie ein gemeinschaftliches Testament in notarieller Form, durch welches sie sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten. 1987 wurde die Ehe geschieden. 1994 nahmen der Erblasser und die Beteiligte zu 1) ihre Beziehung wieder auf. Am 18.02.2009, einen Tag vor dem Ableben des Erblassers, heirateten sie erneut. Der Erblasser hat keine Abkömmlinge. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind seine Eltern.

Die Beteiligte zu 1) hat beim Nachlassgericht im März 2009 einen Erbschein beantragt, der sie auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments aus dem Jahre 1979 als Alleinerbin ausweisen soll. Das Nachlassgericht hat die Beteiligten zu 1) und 2) sowie den Bruder des Erblassers und dessen Neffen zu den Vorstellungen des Erblassers hinsichtlich seiner Rechtsnachfolge gehört. Mit Beschluss vom 12.06.2009 hat es den Erbscheinsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass das gemeinschaftliche Testament durch die Ehescheidung unwirksam geworden sei. Ein übereinstimmender Wille der Eheleute, das Testament im Falle einer Scheidung und späteren Wiederheirat fortgelten zu lassen, könne nicht festgestellt werden. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das Landgericht zurückgewiesen, wogegen sie sich mit der weiteren Beschwerde wendet.

II.)

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG i.V.m. Art. 111 Abs.1 FGG-RG statthaft sowie formgerecht eingelegt.

Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) ergibt sich daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist die weitere Beschwerde unbegründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs.1 FGG.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde ausgegangen. Auch in der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung stand.

Nicht zu beanstanden ist zunächst der rechtliche Ansatzpunkt des Landgerichts, dass nämlich gemäß §§ 2268 Abs.1, 2077 BGB von der Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments auszugehen ist, wenn sich nicht im Wege der -ggf. ergänzenden- Auslegung feststellen lässt, dass die Testierenden die Wirksamkeit ihres Testaments auch für den Fall der Auflösung ihrer Ehe gewollt haben (§ 2268 Abs.2 BGB). Dem Landgericht ist auch darin zu folgen, dass für den Fall einer späteren Wiederverheiratung nichts anderes gilt. Dies entspricht der wohl vorherrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. etwa KG FamRZ 1968, 217f; BayObLG DNotZ 1996, 302ff; Beck-OK-BGB/Litzenburger, Stand 2010, § 2077 Rdn.6; MK-BGB/Musielak, 5.Aufl. § 2268 Rdn.14; Erman/Schmidt, BGB, 12.Aufl. § 2268 Rdn.6; juris-PK/Reymann, 3.Aufl. § 2268 BGB Rdn.20; Kuchinke DNotZ 1996, 306ff; nunmehr wohl auch Palandt/Edenhofer, BGB, 69. Aufl., § 2268 Rdn.5).

Soweit eine durchaus starke Literaturmeinung dahin geht, dass ein gemeinschaftliches Testament im Falle der Wiederverheiratung immer wirksam bleibt, da nach Sinn und Zweck des § 2268 BGB für die Beurteilung der Wirksamkeit auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen sei (so im Grundsatz etwa MK-BGB/Leipold, 5.Aufl. § 2077 Rdn.24-28; Damrau/ Seiler/Rudolf, Praxiskommentar ErbR, 2004, § 2077 BGB Rdn.20), kann sich der Senat dem nicht anschließen. Mit dem BayObLG (a.a.O.) ist der Senat der Auffassung, dass dieser Auslegung hinsichtlich eines gemeinschaftlichen Testamentes zwingende systematische Bedenken entgegenstehen, da dieses bereits vor dem ersten Erbfall Rechtswirkungen, insbes. in Form der Bindungswirkung nach § 2271 Abs.1 S.2 BGB, entfaltet. Da ein gemeinschaftliches Testament mit der Wiederverheiratung nicht "wieder wirksam" werden kann, sondern auch die Mindermeinung nur davon ausgehen kann, dass es stets wirksam war, würde ein unauflösbarer Widerspruch entstehen, wenn einer der (geschiedenen) Eheleute eine anderweitige, den gemeinsamen, wechselbezüglichen Verfügungen widersprechende letztwillige Verfügung treffen würde. Die in der Literatur erwogene Lösung, mit der Auflösung der Ehe die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen entfallen zu lassen (vgl. Kuchinke a.a.O.; Muscheler DNotZ 1994, 733ff), hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 07.07.2004 (NJW 2004, 3113 = ZEV 2004, 423 [BGH 07.07.2004 - IV ZR 187/03]) abgelehnt. Vor dem Hintergrund dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung kann eine interessengerechte Lösung des Problems der Wiederverheiratung nur im Rahmen des § 2268 Abs.2 BGB gesucht werden, will man nicht den o.g. Konflikt mit einer unüberschaubaren Gefährdung der Rechtssicherheit und der Testierfreiheit der (geschiedenen) Eheleute in Kauf nehmen.

Entgegen der Rüge der weiteren Beschwerde vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass der oben beschriebene Rechtsstandpunkt gegen Art.6 GG verstoßen könnte. § 2268 Abs.1 BGB regelt die Folgen der Auflösung einer Ehe. Hierin liegt ersichtlich keine Verletzung des Art.6 GG, da die Vorschrift als Auslegungsregel nur einen allgemeinen Erfahrungssatz hinsichtlich des Erwartungshorizonts gemeinsam testierender Eheleute nachvollzieht (vgl. im Einzelnen Senat NJW-RR 1992, 330ff [OLG Hamm 22.10.1991 - 15 W 261/91]). Die Wiederverheiratung ist für die vormals geschiedenen Eheleute mit keinen nachteiligen erbrechtlichen Rechtsfolgen verknüpft, insbesondere ist es ihnen unbenommen, ein neues gemeinsames Testament zu errichten.

Ausgehend von dem oben beschriebenen Rechtsstandpunkt hat sich das Landgericht nicht in der Lage gesehen, einen (mutmaßlichen) Willen beider Eheleute im Zeitpunkt der Testamentserrichtung festzustellen, dasselbe auch für den Fall der Scheidung (und späteren Wiederverheiratung) fortgelten zu lassen. Auch dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang konnte die Kammer die rechtliche Möglichkeit, dass die Ehegatten ihre letztwillige Verfügung als einseitig getroffene ohne Bindungswirkung durch ihre ursprünglich gewollte Wechselbezüglichkeit hätten fortbestehen lassen wollen (vgl. hierzu Kanzleiter ZEV 2005, 181, 182 [BGH 07.07.2004 - IV ZR 187/03]; Keim ZEV 2004, 425 [BGH 07.07.2004 - IV ZR 140/03]), unerörtert lassen. Denn aus dem gesamten Akteninhalt ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Möglichkeit in den Vorstellungen der Eheleute irgendeine Rolle gespielt hat.

Zutreffend ist weiter der Ansatz der Kammer, dass auf den Willen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung abzustellen ist (vgl. BGH FamRZ 1960, 28f). Die Kammer hat auch nicht verkannt, dass bei der Auslegung auch später liegende Tatsachen als Indizien heranzuziehen sind, wenn sie einen Rückschluss auf den Willen der Beteiligten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zulassen. Die Frage, ob sich in diesem rechtlichen Rahmen ein entsprechender Fortgeltungswille der testierenden Eheleute feststellen lässt, ist hingegen tatsächlicher Natur. Ihre Beurteilung obliegt allein dem Tatrichter. Die Tatsachenwürdigung des Beschwerdegerichts kann im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens daher nur darauf überprüft werden, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend ermittelt (§ 12 FGG), sich mit allen wesentlichen Umständen auseinandergesetzt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen Denkgesetzte und zwingende Erfahrungssätze oder den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat (Keidel/Meyer-Holz, FG, 15.Aufl. § 27 FGG Rdn.42 m.w.N.). Derartige Rechtsfehler sind hier nicht feststellbar.

Die nicht weiter ausgeführte Grundannahme des Landgerichts, dass sich tatsächliche Willensäußerungen in Richtung einer Fortgeltung für den Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht feststellen lassen, stellt die weitere Beschwerde nicht in Frage. Im Übrigen ist das Landgericht davon ausgegangen, dass zwar die Wie

derverheiratung ein Indiz für einen Fortgeltungswillen darstellen könne. Weiter hat die Kammer jedoch die Besonderheiten des vorliegenden Falles herausgestellt, nämlich den großen zeitlichen Abstand zwischen der Scheidung und der Versöhnung der Eheleute, die bis zuletzt keinen gemeinsamen Hausstand begründeten sowie die Wiederverheiratung nach Bekanntwerden der Erkrankung des Erblassers in dessen Versorgungsinteresse. Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat die Kammer sich nicht in der Lage gesehen aus der einmaligen Erklärung des Erblassers gegenüber der Beteiligten zu 1), das Testament sei wirksam, sowie der (späten) Wiederverheiratung den Schluss auf einen (hypothetischen) Fortgeltungswillen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu ziehen. Diese tatsächliche Würdigung mag nicht zwingend sein, sie ist jedoch rechtlich möglich und alleine deshalb für den Senat als Rechtsbeschwerdegericht bindend.

Die Kostenentscheidung beruht auf der zwingenden Vorschrift des § 13a Abs.1 S.2 FGG.

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131, 30 KostO.

RechtsgebietBGBVorschriften§ 2268 Abs. 2 BGB

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