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02.03.2011 · IWW-Abrufnummer 110753

Sozialgericht Düsseldorf: Beschluss vom 20.08.2010 – S 2 KA 379/10 ER; S 2 KA 386/10 ER

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Sozialgericht Düsseldorf
S 2 KA 379/10 ER
Tenor: Der Antrag, "1. Die aufschiebende Wirkung der von den Antragstellern am 15.04.2010 beim Sozialgericht Köln eingereichten und mit Ver- weisungsbeschluss vom 18.05.2010 an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesenen Klage (Az. S 2 KA 258/10) gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 09.11.2009 (Az.: 24.03.01 (54) und (55) 3-1-116b -) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2010 (Az.: 24.03.01) wird wiederhergestellt. 2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens." wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Gründe:
Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.
Mit ihrer Klage in der Hauptsache - S 2 KA 258/10 - wenden sich die Antragsteller gegen den Zulassungsbescheid der Antragsgegnerin vom 09.11.2009, mit welchem diese die Beigeladene zur Durchführung ambulanter Behandlung der nachfolgenden Erkrankungen mit besonderem Krankheitsverlauf gemäß § 116 b Abs. 3 Nr. 2 SGB V bestimmt hat:
Diagnostik und Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen mit dem nachfolgenden konkreten Leistungsumfang in den Tumorgruppen
K Krankenhaus C1:
- Gastrointestinale Tumore und Tumore der Bauchhöhle - Tumore der Lunge und des Thorax - Knochen- und Weichteil-Tumore - Kopf- und Halstumore - Gynäkologische Tumore - Tumore des lymphatischen, blutbild. Gewebes und schwere Erkrankungen der Blutbildung
F. Krankenhaus C2 H:
Urologische Tumore.
Nachdem die Antragsteller hiergegen zunächst erfolglos Widerspruch eingelegt (Widerspruchsbescheid vom 09.03.2010) und am 15.04.2010 Klage erhoben haben, hat die Antragsgegnerin unter dem 21.06.2010 die sofortige Vollziehung ihrer Zulassungsbescheide angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Klage sei mangels Drittschutzes unzulässig. Sie sei auch unbegründet, da der Zulassungsbescheid rechtmäßig sei. Es spreche nichts gegen die Eignung der Krankenhäuser zur Durchführung der o.a. Behandlungen. Auch lasse die von § 116 b SGB V geforderte Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation die Bestimmung eines Krankenhauses zur ambulanten Behandlung selbst bei einem ausreichenden vertragsärztlichen Versorgungsangebot zu.
Das zusätzliche besondere öffentlichen Interesses an der Anordnung der sofortigen Vollziehung sei hier darin zu sehen, dass in den Zulassungsbescheiden der in § 116 b SGB V zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille zur Versorgung von Patienten mit Krankheiten mit besonderen Krankheitsverläufen konkretisiert sei. Das öffentliche Interesse an der Eröffnung dieser Behandlungsmöglichkeiten schon bereits während des Klageverfahrens überwiege das Interesse der Kläger an der aufschiebenden Wirkung.
Darüber hinaus sei das Interesse der Antragsteller an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse der Kläger an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Beigeladene bereits organisatorische, finanzielle und personelle Aufwendungen erbracht und bis zur Anfechtung der Zulassungsbescheide einen Patientenkreis von ca. 32 pro Woche etabliert gehabt habe. Diese könnten bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nicht mehr auf der Grundlage der o.g. Zulassungsbescheide behandelt werden; ebenso wären die genannten Aufwendungen - zunächst - vergeblich getätigt. Dem gegenüber stehe das Interesse der Antragsteller, bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens von der von ihnen behaupteten- in den Widersprüchen näher begründeten - Konkurrenz- und Wettbewerbssituation verschont zu blei-
ben. Es handele sich also im wesentlichen um behauptete wirtschaftliche Nachteile, während im Falle der Beigeladenen bereits konkrete Patientenbehandlungen von der Entscheidung über die aufschiebende Wirkung betroffen seien. Gerade onkologische Patienten seien in besonderer Weise auf einen zeitlich wie organisatorisch reibungslosen Diagnostik- und Behandlungsablauf angewiesen und würden durch die Unterbrechung desselben besonders schwer betroffen. Danach sei weder den Antragstellern noch den Patienten zuzumuten, auf die im Zulassungsbescheid genannten Behandlungen während der Dauer des gesamten Klageverfahrens verzichten zu müssen. Die Antragsteller hingegen seien in ihrer Berechtigung, onkologische Patienten zu behandeln, unabhängig von der Vollziehbarkeit der Zulassungsbescheide nicht eingeschränkt. Somit überwiege das Interesse an der sofortigen Vollziehung.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist (ausnahmsweise) die für das Vertragsarztrecht zuständige Fachkammer zuständig. Dies ergibt sich daraus, dass ein Verweisungsbeschluss nach § 98 SGG i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG nicht nur hinsichtlich derjenigen Zuständigkeitsfrage bindend ist, derentwegen verwiesen worden ist, sondern auch hinsichtlich sonstiger Zuständigkeitsfragen, soweit das verweisende Gericht die Zuständigkeit auch in dieser Hinsicht geprüft und bejaht hat (BSG, Beschluss vom 07.12.2006 - B 12 SF 5/06 S m.w.N.). Hier hat das Sozialgericht Köln die Streitsache als vertragsärztliche Angelegenheit beurteilt, denn nur in diesem Fall kam die Verweisung auf der Grundlage der Sonderzuständigkeitsregelung des § 57 a Abs. 2 SGG in Betracht. Diese Verweisung durch Beschluss des SG Köln ist daher auch hinsichtlich der Fachkammerzuständigkeit bindend (LSG NRW, Beschluss vom 26.03.2010 - L 17 SF 37/10 ZG -). Das vorliegende Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes teilt als Annexverfahren das rechtliche Schicksal der Hauptsacheklage.
Der Antrag, die von der Antragsgegnerin angeordnete sofortige Vollziehung ihres Bescheides zu beseitigen, richtet sich nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG (st. Rspr., z.B. LSG NRW, Beschuss vom 24.11.2004 - L 10 B 14/04 KA -).
Dabei ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht deshalb unzulässig, weil die gegen den Bestimmungsbescheid erhobene Anfechtungsklage der Antragsteller offensichtlich unzulässig wäre. Die Auslegungsfrage, ob den einschlägigen Regelungen drittschützende Wirkung entnommen werden kann, ist nicht der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs zuzuordnen. Unzulässig ist ein Rechtsbehelf nur dann, wenn durch den angefochtenen Verwaltungsakt offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise Rechte des Klägers verletzt sein können. Das ist hier nicht der Fall. Ob und inwieweit Vertragsärzte berechtigt sind, die Bestimmung eines Krankenhauses zur ambulanten Behandlung nach § 116 b Abs. 2 SGB V anzufechten, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Dementsprechend ist die von den Antragstellern erhobene Anfechtungsklage zulässig. Die Überprüfung im Einzelnen, ob eine Rechtsnorm drittschützenden Charakter hat, erfolgt somit erst im Rahmen der Begründetheit (vgl. z.B. BSGE 98, 98, 103).
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist jedoch unbegründet.
Nach welchen Maßstäben das Gericht über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden hat, ist in § 86 b Abs. 1 SGG nicht ausdrücklich geregelt. Der gerichtlichen Entscheidung muss aber eine behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit vorausgegangen sein. Für diese behördliche Anordnung bestimmt § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG, dass sie nur im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten erfolgen darf und eine schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit erfordert. Hieraus ergibt sich, dass das Gericht bei seiner Entschei- dung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zunächst zu prüfen hat, ob die behördliche Vollziehbarkeitsanordnung formell rechtmäßig getroffen worden ist. Ist das nicht der Fall, ist die aufschiebende Wirkung schon deshalb wiederherzustellen. Ergibt die Prüfung dagegen keinen formellen Mangel der behördlichen Anordnung, hat das Gericht eine eigene umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Bei der demnach gebotenen umfassenden Abwägung des Vollzugsinteresses mit dem Aussetzungsinteresse kommt den Erfolgsaussichten in der Hauptsache wesentliche Bedeutung zu. Ist der im Hauptsacheverfahren angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Aussetzungsinteresse. Lässt sich dagegen ohne Weiteres und in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise erkennen, dass der im Hauptsacheverfahren angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist, ist ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit anzunehmen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, hat eine Abwägung der beteiligten Interessen unter Berücksichtigung des Grades der Erfolgsaussichten stattzufinden. Dabei gilt: Je wahrscheinlicher ein Erfolg in der Hauptsache ist, desto mehr Gewicht hat das Aussetzungsinteresse und umgekehrt. Die Vollziehbarkeitsanordnung ist gerechtfertigt, wenn eine umfassende Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange zum Ergebnis kommt, dass das Vollzugsinteresse überwiegt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, wie schwerwiegend die Beeinträchtigung durch den sofortigen Vollzug bzw. die aufschiebende Wirkung gerade im grundrechtsrelevanten Bereich ist. Bei Eingriffen in die Berufsfreiheit müssen die Gründe für den Sofortvollzug in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens ausschließen (LSG NRW, Beschluss vom 01.07.2009 - L 11 B 8/09 KA ER - m.w.N.).
Die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache sind derzeit als offen zu bewerten. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Frage, inwieweit niedergelassenen Vertragsärzten eine Anfechtungsbefugnis gegen einen Bestimmungsbescheid nach § 116 b Abs. 2 SGB V zusteht. Zwar wird insoweit vertreten, Vertragsärzte, die sich im regionalen Einzugsbereich eines nach § 116 b Abs. 2 SGB V zur ambulanten Leistungserbringung bestimmten Krankenhauses befinden und dieselben Leistungen anbieten, hätten die Befugnis, den Bestimmungsbescheid anzufechten (defensive Konkurrentenklage). Insofern entfalte die in § 116 b Abs. 2 SGB V angeordnete "Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation" schon einfachrechtlich zugunsten der Vertragsärzte drittschützende Wirkung (LSG Sachsen, Beschluss vom 03.06.2010 - L 1 KR 94/10 B ER -). Dem stehen jedoch beachtliche Stimmen in der Literatur gegenüber, die u.a. darauf hinweisen, dass mit der Bestimmung nach § 116 b Abs. 2 SGB V dem Krankenhaus weder die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet werde, sondern eine Zulassung außerhalb der vertragsärztlichen Zulassungs- und Vergütungssystematik begründet werde, noch der dem Krankenhaus vermittelte Status gegenüber dem des Vertragsarztes nachrangig sei, vielmehr ein eigener Rechtskreis begründet werde. Zudem ließen sich aus der im Gesetz gewählten Formulierung Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation keine Rückschlüsse auf vom Gesetzgeber intendierte subjektiv-öffentliche Rechte entnehmen (z.B. Stollmann, NZS 2009, 248, 250 f.; Möller, SGb 2009, 345, 349; Becker in: Becker/Kingreen, SGB V, § 116b Rn. 8; Köhler-Hohmann in: jurisPK-SGB V, § 116b Rn. 54; Walter in: Medizinrecht heute: Erfahrungen, Analysen, Entwicklungen, 2008, S. 657, 668 f.; Wagener/Weddehage, MedR 2007, 643, 648; Szabados, GesR 2007, 97, 102; Wenner, GesR 2007, 337, 343). Eine tiefere dogmatische Durchdringung dieser Rechtsfrage muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Ebenso wenig bedarf es einer abschließenden Entscheidung im vorliegenden Eilverfahren, ob die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung über die Bestimmung der Beigeladenen zur ambulanten Behandlung die vertragsärztliche Versorgungssituation hinreichend berücksichtigt hat. Mit dem Wort "berücksichti- gen" wird eine geringere Intensität der Gesetzesbindung zum Ausdruck gebracht als mit dem Wort "beachten". Während "beachten" im Sinne von "als verbindlich zugrunde legen" zu verstehen ist, bedeutet "berücksichtigen" nur, dass Gesichtspunkte in Betracht gezogen werden müssen und eine sachliche Auseinandersetzung mit ihnen zu erfolgen hat, aber nach pflichtgemäßer Abwägung davon abgewichen werden darf (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2000 - B 6 KA 20/99 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 37). Ist die vertragsärztliche Versorgungssituation nur ein in diesem Sinne bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigender Gesichtspunkt, hängt die Bestimmung des Krankenhauses zur ambulanten Behandlung nicht zwingend von einem von den Vertragsärzten nicht abgedeckten Versorgungsbedarf ab. Im Gegensatz zur Bedarfsplanung, die in der Regel lediglich die Fachgebiete nach den Weiterbildungsordnungen aufgreift, geht es bei der Entscheidung nach § 116 b Abs. 2 SGB V um die Zulassung zur ambulanten Behandlung einzelner Leistungen bzw. einzelner Erkrankungen. Die Frage, ob in einem Planungsbereich genügend Fachärzte zugelassen sind, trifft keine Aussage darüber, ob diese Fachärzte auch entsprechende hochspezialisierte Leistungen anbieten bzw. seltene Erkrankungen oder Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen fachgerecht versorgen. Hierzu geben die zahlreichen Stellungnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein - soweit diese den Anträgen der Beigeladenen auf Bestimmung nach § 116 b Abs. 2 SGB V nicht ohnehin zugestimmt hat bzw. die Anträge ohne eigene Wertung zur Kenntnis genommen hat - aber keinen Aufschluss. Sie beschränken sich durchgängig auf die Mitteilung, dass im Planungsbereich C1 jeweils eine ausreichende Anzahl entsprechender Fachärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei, ferner dass die grundsätzliche Versorgung derjenigen Patienten, die der Diagnostik und Versorgung bei onkologischen Erkrankungen bedürften, sichergestellt sei und die Anzahl der verschiedenen Leistungserbringer sowie deren langjährig erworbene Kompetenz in der Versorgung des Patientengutes belege, dass die vertragsärztliche Versorgung
ausreichend sei und es der Bestimmung des Krankenhauses nach § 116 b Abs. 2 SGB V nicht bedürfe. Wenn die Antragsgegnerin gleichwohl eine entsprechende Bestimmung der Beigeladenen vorgenommen hat, schließt dies jedenfalls nicht von vornherein aus, dass sie dem Gebot zur Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation hinreichend gerecht geworden ist und die Bedeutung dieses Berücksichtigungsgebotes zutreffend erkannt hat, auch wenn dies aus der Begründung des Bescheides nicht näher hervorgeht.
Rechtsfehlerfrei hat die Antragsgegnerin den Sofortvollzug ihrer Entscheidung angeordnet.
Die Voraussetzungen für die sofortige Vollziehung sind gegeben, wenn ein öffentliches Vollzugsinteresse und/oder ein überwiegendes Vollzugsinteresse eines Beteiligten (§ 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG) besteht. Dabei muss die Begründung erkennen lassen, warum im konkreten Fall das öffentliche Interesse oder das Individualinteresse eines Beteiligten am Sofortvollzug das gegenläufige Suspensivinteresse der Antragsteller überwiegt (LSG NRW, Beschluss vom 17.06.2009 - L 11 B 6/09 KA ER -). Das den Sofortvollzug tragende öffentliche oder individuelle Interesse ("besonderes Interesse") muss mehr als das den Erlass des Verwaltungsaktes selbst rechtfertigende Interesse sein, denn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsaktes reichen für die Begründung des Sofortvollzugs nicht aus (LSG NRW, Beschluss vom 24.11.2004 - L 10 B 14/04 KA -). Etwas anders mag nur dann gelten, wenn das besondere Vollzugsinteresse schon aus der Eigenart der Regelung folgt (LSG NRW, Beschluss vom 06.01.2004 - L 11 B 17/03 KA ER -).
Diesen Anforderungen genügt die Begründung für den Sofortvollzug in hinreichender Weise.
Der Antragsgegner hat das öffentliche Interesse mit der Eröffnung der mit dem Bestimmungsbescheid konkretisierten Versorgung von Patienten mit Krankheiten mit besonderen Krankheitsverläufen schon bereits während des Klageverfahrens begründet. Diese Begründung trägt die Anordnung des Sofortvollzuges, da angesichts einer zu erwartenden längeren Dauer des Rechtsstreits in der Hauptsache bis zum rechtskräftigen Abschluss ggf. erst in der Revisionsinstanz die vom Gesetzgeber erstrebte Verbesserung der Versorgungsqualität, Erfordernisse der Patientengerechtigkeit und die Erschließung von Effizienzreserven (BT-Drucks. 15/1525, S. 120) gefährdet sein könnten. In den Gesetzesmaterialien zum GMG ist dabei im Einzelnen von der besonderen Qualifikation der Krankenhausärzte und der hohen Patientenfrequenz (Erfahrung und Routine), der vorhandenen Struktur (Kompetenzbündelung), der Möglichkeit, Risiken der Behandlung besser beherrschen zu können (Sicherheit), und dem wirtschaftlichen Einsatz der im Krankenhaus vorhandenen kostspieligen Infrastruktur (Effizienz) die Rede (s. auch Wenner, GesR 2007, 337, 341).
Vor dem Hintergrund dieser letztgenannten Erwägung des Gesetzgebers ist der Sofortvollzug auch in Bezug auf das Individualinteresse der Beigeladenen rechtlich nicht zu beanstanden. Diese hat ausweislich der Begründung des Sofortvollzuges bereits organisatorische, finanzielle und personelle Aufwendungen erbracht und bis zur Anfechtung der Zulassungsbescheide einen Patientenkreis von ca. 32 pro Woche etabliert. Nach ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 17.08.2010 könnte die Beigeladene im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage für erbrachte Leistungen keine Vergütungen mehr realisieren, müsse aber das für die Leistungserbringung eigens eingestellte Personal (2 halbe Vollzeitstellen im ärztlichen Bereich sowie 2 1/2 Vollzeitstellen für Arzthelferinnen) weiter bezahlen. Zudem seien nicht öffentlich geförderte Eigenmittel in Höhe von ca. 500.000,- EUR in den Umbau bzw. die Neugestaltung von Räumlichkeiten investiert worden. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf die Liquidität beider Krankenhäuser. Die Erlöse für die Leistungen gemäß § 116 b Abs. 2 SGB V seien fest im Wirtschaftsplan und den Erlösprognosen berücksichtigt.
Insofern ist zwar grundsätzlich zu beachten, dass eigenverantwortliche Dispositionen regelmäßig dann nicht schützenswert sind, wenn sie im Hinblick auf ungesicherte künftige Rechtspositionen vorgenommen werden. So haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit durchgängig Anträge von Vertragsärzten auf Erlass einstweiliger Anordnungen zur Erteilung von Abrechnungsgenehmigungen und Standortgenehmigungen für medizinisch-technische Großgeräte (§§ 85 Abs. 2 a, 122 SGB V i.d.F. bis 30.06.1997) zurückgewiesen, weil ein Anordnungsgrund dann nicht bestehe, wenn die behaupteten "schweren und nicht anders abwendbaren Nachteile" erst als Folge eigenverantwortlicher Dispositionen der betroffenen Bürger einträten, die der Auffassung seien, ihre Beurteilung der Anspruchs- und Rechtslage werde sich trotz entgegenstehender gesetzlicher und vertraglicher Regelungen im Ergebnis durchsetzen. Das darin zum Ausdruck kommende Vertrauen auf eine nicht gesicherte (künftige) Rechtsposition sei nicht geschützt (z.B. LSG, Beschlüsse vom 30.05.1996 - L 11 SKa 34/96 - m.w.N.; vom 26.06.1996 - L 11 SKa 49/96 -). Für die Anordnung des Sofortvollzuges kann nichts anders gelten. Indes liegen Verhältnisse dieser Art nicht vor. Die Beigeladene setzt kein Vertrauen in eine ihrer Disposition entgegenstehende gesetzliche Regelung, sondern kann sich mit § 116 b Abs. 2 SGB V auf eine klare gesetzliche Bestimmung stützen, deren Tatbestandsvoraussetzungen - soweit es die Katalogleistungen und die Eignung der beiden Krankenhäuser betrifft - unstreitig erfüllt sind.
Die entgegenstehenden Interessen der Antragsteller überwiegen die öffentlichen Interessen und die Individualinteressen der Beigeladenen nicht. Dabei ist weniger von Bedeutung, dass die Antragsteller recht abstrakt die Gefahr von Umsatzeinbußen und einer Existenzgefährdung vortragen, ohne substantiiert Anhaltspunkte für deren Realisierung vorzubringen. Auch die Beigeladene ver- hält sich ähnlich abstrakt. Maßgeblich ist nach Auffassung der Kammer der Umstand, dass in der Region C1 derzeit 39 und im Rhein-Sieg-Kreis derzeit 27 Fachärzte niedergelassen sind, die an der Onkologie-Vereinbarung teilnehmen. Die Broschüre "Ansprechpartner in der Onkologie - Bonn, Rhein-Sieg, Euskirchen, Ahr, Altenkirchen, Rhein-Erft", Neuauflage 2010/2011 (www.tumorzentrum-bonn.de/broschueren/Ansprechpartner Onkologie.pdf), S. 34 ff. gibt insofern nähere Aufschlüsse. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Auswirkungen der Bestimmung der Beigeladenen zur Erbringung der Katalogleistungen des § 116 b Abs. 3 SGB V sich auf alle betroffenen niedergelassenen Fachärzte verteilen und nicht auf die Antragsteller konzentrieren. Von daher sieht die Kammer bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung keine unzumutbaren Eingriffe in die Grundrechte der Antragsteller aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1, 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Gericht hat die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus Gründen der Billigkeit den Antragstellern auferlegt, weil die Beigeladene erfolgreich einen abweisenden Antrag gestellt hat. Mit dieser Antragstellung hat sich die Beigeladene dem Risiko der Kostentragung nach § 154 Abs. 3 VwGO unterworfen. Die Billigkeit gebietet daher, dass ihre Kosten erstattet werden, wenn ihr Antrag zum Ziel führt (Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 162 Rn. 15 m.w.N.).
Sozialgericht Düsseldorf
S 2 KA 386/10 ER
Tenor: Der Antrag, "1. Die aufschiebende Wirkung der von den Antragstellern am 15.04.2010 beim Sozialgericht Köln eingereichten und mit Ver- weisungsbeschluss vom 18.05.2010 an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesenen Klage (Az. (nunmehr) S 2 KA 387/10) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.11.2009 (Az.: 24.03.01 (47) 3-1-116b -) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2010 (Az.: 24.03.01) wird wiederhergestellt. 2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens." wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Gründe:
Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.
Mit ihrer Klage in der Hauptsache - S 2 KA 387/10 - (nach Abtrennung aus S 2 KA 258/10) wenden sich die Antragsteller gegen den Zulassungsbescheid der Antragsgegnerin vom 09.11.2009, mit welchem diese die Beigeladene zur Durchführung ambulanter Behandlung der nachfolgenden Erkrankungen mit besonderem Krankheitsverlauf gemäß § 116 b Abs. 3 Nr. 2 SGB V bestimmt hat:
Diagnostik und Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen mit dem nachfolgenden konkreten Leistungsumfang in den Tumorgruppen
- Gastrointestinale Tumore und Tumore der Bauchhöhle - Tumore der Lunge und des Thorax - Knochen- und Weichteil-Tumore - Hauttumore - Tumore des Gehirns und der peripheren Nerven - Kopf- und Halstumore - Gynäkologische Tumore - Urologische Tumore - Tumore des lymphatischen, blutbild. Gewebes und schwere Erkrankungen der Blutbildung.
Nachdem die Antragsteller hiergegen zunächst erfolglos Widerspruch eingelegt (Widerspruchsbescheid vom 09.03.2010) und am 15.04.2010 Klage erhoben haben, hat die Antragsgegnerin unter dem 21.06.2010 die sofortige Vollziehung ihres Zulassungsbescheides angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Klage sei mangels Drittschutzes unzulässig. Sie sei auch unbegründet, da der Zulassungsbescheid rechtmäßig sei. Es spreche nichts gegen die Eignung des Universitätsklinikums C zur Durchführung der o.a. Behandlungen. Auch lasse die von § 116 b SGB V geforderte Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation die Bestimmung eines Krankenhauses zur ambulanten Behandlung selbst bei einem ausreichenden vertragsärztlichen Versorgungsangebot zu.
Das zusätzliche besondere öffentlichen Interesses an der Anordnung der sofortigen Vollziehung sei hier darin zu sehen, dass in den Zulassungsbescheiden der in § 116 b SGB V zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille zur Versorgung von Patienten mit Krankheiten mit besonderen Krankheitsverläufen konkretisiert sei. Das öffentliche Interesse an der Eröffnung dieser Behandlungsmöglichkeiten schon bereits während des Klageverfahrens überwiege das Interesse der Kläger an der aufschiebenden Wirkung.
Darüber hinaus sei das Interesse der Antragsteller an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse der Kläger an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Beigeladene bereits organisatorische, finanzielle und personelle Aufwendungen erbracht und bis zur Anfechtung der Zulassungsbescheide einen Patientenkreis von ca. 90 pro Monat etabliert gehabt habe. Diese könnten bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nicht mehr auf der Grundlage der o.g. Zulassungsbescheide behandelt werden; ebenso wären die genannten Aufwendungen - zunächst - vergeblich getätigt. Dem gegenüber stehe das Interesse der Antragsteller, bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens von der von ihnen behaupteten- in den Widersprüchen näher begründeten - Konkurrenz- und Wettbewerbssituation verschont zu blei- ben. Es handele sich also im wesentlichen um behauptete wirtschaftliche Nachteile, während im Falle der Beigeladenen bereits konkrete Patientenbehandlungen von der Entscheidung über die aufschiebende Wirkung betroffen seien. Ge- rade onkologische Patienten seien in besonderer Weise auf einen zeitlich wie organisatorisch reibungslosen Diagnostik- und Behandlungsablauf angewiesen und würden durch die Unterbrechung desselben besonders schwer betroffen. Danach sei weder den Antragstellern noch den Patienten zuzumuten, auf die im Zulassungsbescheid genannten Behandlungen während der Dauer des gesamten Klageverfahrens verzichten zu müssen. Die Antragsteller hingegen seien in ihrer Berechtigung, onkologische Patienten zu behandeln, unabhängig von der Vollziehbarkeit der Zulassungsbescheide nicht eingeschränkt. Somit überwiege das Interesse an der sofortigen Vollziehung.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist (ausnahmsweise) die für das Vertragsarztrecht zuständige Fachkammer zuständig. Dies ergibt sich daraus, dass ein Verweisungsbeschluss nach § 98 SGG i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG nicht nur hinsichtlich derjenigen Zuständigkeitsfrage bindend ist, derentwegen verwiesen worden ist, sondern auch hinsichtlich sonstiger Zuständigkeitsfragen, soweit das verweisende Gericht die Zuständigkeit auch in dieser Hinsicht geprüft und bejaht hat (BSG, Beschluss vom 07.12.2006 - B 12 SF 5/06 S m.w.N.). Hier hat das Sozialgericht Köln die Streitsache als vertragsärztliche Angelegenheit beurteilt, denn nur in diesem Fall kam die Verweisung auf der Grundlage der Sonderzuständigkeitsregelung des § 57 a Abs. 2 SGG in Betracht. Diese Verweisung durch Beschluss des SG Köln ist daher auch hinsichtlich der Fachkammerzuständigkeit bindend (LSG NRW, Beschluss vom 26.03.2010 - L 17 SF 37/10 ZG -). Das vorliegende Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes teilt als Annexverfahren das rechtliche Schicksal der Hauptsacheklage.
Der Antrag, die von der Antragsgegnerin angeordnete sofortige Vollziehung ihres Bescheides zu beseitigen, richtet sich nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG (st. Rspr., z.B. LSG NRW, Beschuss vom 24.11.2004 - L 10 B 14/04 KA -).
Dabei ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht deshalb unzulässig, weil die gegen den Bestimmungsbescheid erhobene Anfechtungsklage der Antragsteller offensichtlich unzulässig wäre. Die Auslegungsfrage, ob den einschlägigen Regelungen drittschützende Wirkung entnommen werden kann, ist nicht der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs zuzuordnen. Unzulässig ist ein Rechtsbehelf nur dann, wenn durch den angefochtenen Verwaltungsakt offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise Rechte des Klägers verletzt sein können. Das ist hier nicht der Fall. Ob und inwieweit Vertragsärzte berechtigt sind, die Bestimmung eines Krankenhauses zur ambulanten Behandlung nach § 116 b Abs. 2 SGB V anzufechten, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Dementsprechend ist die von den Antragstellern erhobene Anfechtungsklage zulässig. Die Überprüfung im Einzelnen, ob eine Rechtsnorm drittschützenden Charakter hat, erfolgt somit erst im Rahmen der Begründetheit (vgl. z.B. BSGE 98, 98, 103).
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist jedoch unbegründet.
Nach welchen Maßstäben das Gericht über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden hat, ist in § 86 b Abs. 1 SGG nicht ausdrücklich geregelt. Der gerichtlichen Entscheidung muss aber eine behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit vorausgegangen sein. Für diese behördliche Anordnung bestimmt § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG, dass sie nur im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten erfolgen darf und eine schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit erfordert. Hieraus ergibt sich, dass das Gericht bei seiner Entschei-
dung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zunächst zu prüfen hat, ob die behördliche Vollziehbarkeitsanordnung formell rechtmäßig getroffen worden ist. Ist das nicht der Fall, ist die aufschiebende Wirkung schon deshalb wiederherzustellen. Ergibt die Prüfung dagegen keinen formellen Man- gel der behördlichen Anordnung, hat das Gericht eine eigene umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Bei der demnach gebotenen umfassenden Abwägung des Vollzugsinteresses mit dem Aussetzungsinteresse kommt den Erfolgsaussichten in der Hauptsache wesentliche Bedeutung zu. Ist der im Hauptsacheverfahren angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Aussetzungsinteresse. Lässt sich dagegen ohne Weiteres und in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise erkennen, dass der im Hauptsacheverfahren angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist, ist ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit anzunehmen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, hat eine Abwägung der beteiligten Interessen unter Berücksichtigung des Grades der Erfolgsaussichten stattzufinden. Dabei gilt: Je wahrscheinlicher ein Erfolg in der Hauptsache ist, desto mehr Gewicht hat das Aussetzungsinteresse und umgekehrt. Die Vollziehbarkeitsanordnung ist gerechtfertigt, wenn eine umfassende Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange zum Ergebnis kommt, dass das Vollzugsinteresse überwiegt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, wie schwerwiegend die Beeinträchtigung durch den sofortigen Vollzug bzw. die aufschiebende Wirkung gerade im grundrechtsrelevanten Bereich ist. Bei Eingriffen in die Berufsfreiheit müssen die Gründe für den Sofortvollzug in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens ausschließen (LSG NRW, Beschluss vom 01.07.2009 - L 11 B 8/09 KA ER - m.w.N.).
Die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache sind derzeit als offen zu bewerten. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Frage, inwieweit niedergelassenen Vertragsärzten eine Anfechtungsbefugnis gegen einen Bestimmungsbescheid
nach § 116 b Abs. 2 SGB V zusteht. Zwar wird insoweit vertreten, Vertragsärzte, die sich im regionalen Einzugsbereich eines nach § 116 b Abs. 2 SGB V zur ambulanten Leistungserbringung bestimmten Krankenhauses befinden und dieselben Leistungen anbieten, hätten die Befugnis, den Bestimmungsbescheid anzufechten (defensive Konkurrentenklage). Insofern entfalte die in § 116 b Abs. 2 SGB V angeordnete "Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation" schon einfachrechtlich zugunsten der Vertragsärzte drittschützende Wirkung (LSG Sachsen, Beschluss vom 03.06.2010 - L 1 KR 94/10 B ER -). Dem stehen jedoch beachtliche Stimmen in der Literatur gegenüber, die u.a. darauf hinweisen, dass mit der Bestimmung nach § 116 b Abs. 2 SGB V dem Krankenhaus weder die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet werde, sondern eine Zulassung außerhalb der vertragsärztlichen Zulassungs- und Vergütungssystematik begründet werde, noch der dem Krankenhaus vermittelte Status gegenüber dem des Vertragsarztes nachrangig sei, vielmehr ein eigener Rechtskreis begründet werde. Zudem ließen sich aus der im Gesetz gewählten Formulierung Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation keine Rückschlüsse auf vom Gesetzgeber intendierte subjektiv-öffentliche Rechte entnehmen (z.B. Stollmann, NZS 2009, 248, 250 f.; Möller, SGb 2009, 345, 349; Becker in: Becker/Kingreen, SGB V, § 116b Rn. 8; Köhler-Hohmann in: jurisPK-SGB V, § 116b Rn. 54; Walter in: Medizinrecht heute: Erfahrungen, Analysen, Entwicklungen, 2008, S. 657, 668 f.; Wagener/Weddehage, MedR 2007, 643, 648; Szabados, GesR 2007, 97, 102; Wenner, GesR 2007, 337, 343). Eine tiefere dogmatische Durchdringung dieser Rechtsfrage muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Ebenso wenig bedarf es einer abschließenden Entscheidung im vorliegenden Eilverfahren, ob die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung über die Bestim- mung der Beigeladenen zur ambulanten Behandlung die vertragsärztliche Versorgungssituation hinreichend berücksichtigt hat. Mit dem Wort "berücksichtigen" wird eine geringere Intensität der Gesetzesbindung zum Ausdruck ge- bracht als mit dem Wort "beachten". Während "beachten" im Sinne von "als verbindlich zugrunde legen" zu verstehen ist, bedeutet "berücksichtigen" nur, dass Gesichtspunkte in Betracht gezogen werden müssen und eine sachliche Auseinandersetzung mit ihnen zu erfolgen hat, aber nach pflichtgemäßer Abwä- gung davon abgewichen werden darf (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2000 - B 6 KA 20/99 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 37). Ist die vertragsärztliche Versorgungssituation nur ein in diesem Sinne bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigender Gesichtspunkt, hängt die Bestimmung des Krankenhauses zur ambulanten Behandlung nicht zwingend von einem von den Vertragsärzten nicht abgedeckten Versorgungsbedarf ab. Im Gegensatz zur Bedarfsplanung, die in der Regel lediglich die Fachgebiete nach den Weiterbildungsordnungen aufgreift, geht es bei der Entscheidung nach § 116 b Abs. 2 SGB V um die Zulassung zur ambulanten Behandlung einzelner Leistungen bzw. einzelner Erkrankungen. Die Fra- ge, ob in einem Planungsbereich genügend Fachärzte zugelassen sind, trifft keine Aussage darüber, ob diese Fachärzte auch entsprechende hochspezialisierte Leistungen anbieten bzw. seltene Erkrankungen oder Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen fachgerecht versorgen. Hierzu geben die zahlreichen Stellungnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein - soweit diese den Anträgen der Beigeladenen auf Bestimmung nach § 116 b Abs. 2 SGB V nicht ohnehin zugestimmt hat bzw. die Anträge ohne eigene Wertung zur Kenntnis genommen hat - aber keinen Aufschluss. Sie beschränken sich durchgängig auf die Mitteilung, dass im Planungsbereich C jeweils eine ausreichende Anzahl entsprechender Fachärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei, ferner dass die grundsätzliche Versorgung derjenigen Patienten, die der Diagnostik und Versorgung bei onkologischen Er- krankungen bedürften, sichergestellt sei und die Anzahl der verschiedenen Leistungserbringer sowie deren langjährig erworbene Kompetenz in der Versor- gung des Patientengutes belege, dass die vertragsärztliche Versorgung ausreichend sei und es der Bestimmung des Krankenhauses nach § 116 b Abs. 2 SGB V nicht bedürfe. Wenn die Antragsgegnerin gleichwohl eine entsprechen- de Bestimmung der Beigeladenen vorgenommen hat, schließt dies jedenfalls nicht von vornherein aus, dass sie dem Gebot zur Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation hinreichend gerecht geworden ist und die Bedeutung dieses Berücksichtigungsgebotes zutreffend erkannt hat, auch wenn dies aus der Begründung des Bescheides nicht näher hervorgeht.
Rechtsfehlerfrei hat die Antragsgegnerin den Sofortvollzug ihrer Entscheidung angeordnet.
Die Voraussetzungen für die sofortige Vollziehung sind gegeben, wenn ein öffentliches Vollzugsinteresse und/oder ein überwiegendes Vollzugsinteresse eines Beteiligten (§ 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG) besteht. Dabei muss die Begründung erkennen lassen, warum im konkreten Fall das öffentliche Interesse oder das Individualinteresse eines Beteiligten am Sofortvollzug das gegenläufige Suspensivinteresse der Antragsteller überwiegt (LSG NRW, Beschluss vom 17.06.2009 - L 11 B 6/09 KA ER -). Das den Sofortvollzug tragende öffentliche oder individuelle Interesse ("besonderes Interesse") muss mehr als das den Erlass des Verwaltungsaktes selbst rechtfertigende Interesse sein, denn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsaktes reichen für die Begründung des Sofortvollzugs nicht aus (LSG NRW, Beschluss vom 24.11.2004 - L 10 B 14/04 KA -). Etwas anders mag nur dann gelten, wenn das besondere Vollzugsinteresse schon aus der Eigenart der Regelung folgt (LSG NRW, Beschluss vom 06.01.2004 - L 11 B 17/03 KA ER -).
Diesen Anforderungen genügt die Begründung für den Sofortvollzug in hinreichender Weise.
Der Antragsgegner hat das öffentliche Interesse mit der Eröffnung der mit dem Bestimmungsbescheid konkretisierten Versorgung von Patienten mit Krankheiten mit besonderen Krankheitsverläufen schon bereits während des Klagever- fahrens begründet. Diese Begründung trägt die Anordnung des Sofortvollzuges, da angesichts einer zu erwartenden längeren Dauer des Rechtsstreits in der Hauptsache bis zum rechtskräftigen Abschluss ggf. erst in der Revisionsinstanz die vom Gesetzgeber erstrebte Verbesserung der Versorgungsqualität, Erfor- dernisse der Patientengerechtigkeit und die Erschließung von Effizienzreserven (BT-Drucks. 15/1525, S. 120) gefährdet sein könnten. In den Gesetzesmaterialien zum GMG ist dabei im Einzelnen von der besonderen Qualifikation der Krankenhausärzte und der hohen Patientenfrequenz (Erfahrung und Routine), der vorhandenen Struktur (Kompetenzbündelung), der Möglichkeit, Risiken der Behandlung besser beherrschen zu können (Sicherheit), und dem wirtschaftlichen Einsatz der im Krankenhaus vorhandenen kostspieligen Infrastruktur (Effizienz) die Rede (s. auch Wenner, GesR 2007, 337, 341).
Vor dem Hintergrund dieser letztgenannten Erwägung des Gesetzgebers ist der Sofortvollzug auch in Bezug auf das Individualinteresse der Beigeladenen rechtlich nicht zu beanstanden. Diese hat ausweislich der Begründung des Sofortvollzuges bereits organisatorische, finanzielle und personelle Aufwendungen erbracht und bis zur Anfechtung der Zulassungsbescheide einen Patientenkreis von ca. 90 pro Monat etabliert. Nach ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 18.08.2010 könnte die Beigeladene im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage für erbrachte Leistungen keine Vergütungen mehr realisieren, müsse aber das für die Leistungserbringung eingebundene Personal weiter bezahlen. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf die Liquidität des Universitätsklinikums C. Die Erlöse für die Leistungen gemäß § 116 b Abs. 2 SGB V seien fest im Wirtschaftsplan und den Erlösprognosen berücksichtigt.
Insofern ist zwar grundsätzlich zu beachten, dass eigenverantwortliche Dispositionen regelmäßig dann nicht schützenswert sind, wenn sie im Hinblick auf ungesicherte künftige Rechtspositionen vorgenommen werden. So haben die Ge- richte der Sozialgerichtsbarkeit durchgängig Anträge von Vertragsärzten auf Erlass einstweiliger Anordnungen zur Erteilung von Abrechnungsgenehmigungen und Standortgenehmigungen für medizinisch-technische Großgeräte (§§ 85 Abs. 2 a, 122 SGB V i.d.F. bis 30.06.1997) zurückgewiesen, weil ein Anordnungsgrund dann nicht bestehe, wenn die behaupteten "schweren und nicht anders abwendbaren Nachteile" erst als Folge eigenverantwortlicher Dispositionen der betroffenen Bürger einträten, die der Auffassung seien, ihre Beurteilung der Anspruchs- und Rechtslage werde sich trotz entgegenstehender gesetzlicher und vertraglicher Regelungen im Ergebnis durchsetzen. Das darin zum Ausdruck kommende Vertrauen auf eine nicht gesicherte (künftige) Rechtsposition sei nicht geschützt (z.B. LSG, Beschlüsse vom 30.05.1996 - L 11 SKa 34/96 - m.w.N.; vom 26.06.1996 - L 11 SKa 49/96 -). Für die Anordnung des Sofortvollzuges kann nichts anders gelten. Indes liegen Verhältnisse dieser Art nicht vor. Die Beigeladene setzt kein Vertrauen in eine ihrer Disposition entgegenstehende gesetzliche Regelung, sondern kann sich mit § 116 b Abs. 2 SGB V auf eine klare gesetzliche Bestimmung stützen, deren Tatbestandsvoraussetzungen - soweit es die Katalogleistungen und die Eignung des Klinikums betrifft - unstreitig erfüllt sind.
Die entgegenstehenden Interessen der Antragsteller überwiegen die öffentlichen Interessen und die Individualinteressen der Beigeladenen nicht. Dabei ist weniger von Bedeutung, dass die Antragsteller recht abstrakt die Gefahr von Umsatzeinbußen und einer Existenzgefährdung vortragen, ohne substantiiert Anhaltspunkte für deren Realisierung vorzubringen. Auch die Beigeladene ver- hält sich ähnlich abstrakt. Maßgeblich ist nach Auffassung der Kammer der Umstand, dass in der Region C derzeit 39 und im Rhein-Sieg-Kreis derzeit 27 Fachärzte niedergelassen sind, die an der Onkologie-Vereinbarung teilnehmen.
Die Broschüre "Ansprechpartner in der Onkologie - Bonn, Rhein-Sieg, Euskirchen, Ahr, Altenkirchen, Rhein-Erft", Neuauflage 2010/2011 (www.tumorzen- trum-bonn.de/broschueren/Ansprechpartner Onkologie.pdf), S. 34 ff. gibt inso- fern nähere Aufschlüsse. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Auswirkungen der Bestimmung der Beigeladenen zur Erbringung der Katalogleistungen des § 116 b Abs. 3 SGB V sich auf alle betroffenen niedergelassenen Fachärzte verteilen und nicht auf die Antragsteller konzentrieren. Von daher sieht die Kammer bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung keine unzumutbaren Eingriffe in die Grundrechte der Antragsteller aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1, 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Gericht hat die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus Gründen der Billigkeit den Antragstellern auferlegt, weil die Beigeladene erfolgreich einen abweisenden Antrag gestellt hat. Mit dieser Antragstellung hat sich die Beigeladene dem Risiko der Kostentragung nach § 154 Abs. 3 VwGO unterworfen. Die Billigkeit gebietet daher, dass ihre Kosten erstattet werden, wenn ihr Antrag zum Ziel führt (Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 162 Rn. 15 m.w.N.).

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