Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

23.02.2011 · IWW-Abrufnummer 110637

Finanzgericht München: Urteil vom 24.09.2010 – 8 K 2633/08

1. Erhalten Arbeitnehmer als Ersatz für eine entgangene Verzehrmöglichkeit bei einer Betriebsveranstaltung, an der sie aus betrieblichen Gründen nicht teilnehmen konnten, einen Gutschein, der bei Vorlage eines beliebigen Bewirtungsbelegs zu einer Erstattung der tatsächlichen Bewirtungsaufwendungen bis zu einen Betrag von 70 EUR führt, scheidet eine Lohnsteuerpauschalierung nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG aus.



2. Anstelle statt aus Anlass der Betriebsveranstaltung gezahlter Arbeitslohn ist nicht begünstigt.


FG München v. 24.09.2010

8 K 2633/08

Tatbestand

Gründe
I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Pauschsteuersatzes nach § 40 Einkommensteuergesetz (EStG), der bei der Berechnung der Lohnsteuer auf vom Kläger ausgegebene „Gutscheine” anzusetzen ist.

Der Kläger veranstaltete im Streitjahr 2003 anlässlich seines 100-jährigen Firmenjubiläums ein Betriebsfest für seine Mitarbeiter. An den Feierlichkeiten konnten einige Mitarbeiter, die für Notdienste eingesetzt waren, nicht teilnehmen. Diese Arbeitnehmer erhielten vom Kläger „Gutscheine über 70 EUR”. Bei Vorlage dieser „Gutscheine” zusammen mit einem beliebigen Bewirtungsbeleg erstattete der Kläger die tatsächlichen Bewirtungsaufwendungen bis zu einem Betrag von 70 EUR. In der Lohnsteueranmeldung für Dezember 2003 ermittelte der Kläger die auf die „Gutscheine” entfallende Lohnsteuer (LSt) unter Anwendung eines Pauschsteuersatzes von 25 %.

In der Zeit vom 14. Dezember 2004 bis 07. Dezember 2005 fand beim Kläger eine Lohnsteueraußenprüfung u. a. für den Zeitraum 2003 statt. Die Prüferinnen waren der Auffassung, dass hinsichtlich der Bewirtungsaufwendungen die Voraussetzungen für die Anwendung des begünstigten Steuersatzes von 25 % nach § 40 Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht erfüllt seien. Vielmehr müsse die Versteuerung nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit einem pauschalen Nettosteuersatz von 46,80 % erfolgen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 13. Dezember 2005 verwiesen.

Der Beklagte (das Finanzamt – FA) folgte der Auffassung der Prüferinnen und setzte mit Bescheid vom 20. Dezember 2005 für diesen Sachverhalt folgende Nachforderungsbeträge für das Jahr 2003 fest:

LSt 13.689,19 EUR
Solidaritätszuschlag zur LSt 752,91 EUR
KiSt ev. 151,13 EUR
KiSt rk. 352,63 EUR
Gesamt 14.945,86 EUR

Weitere im Bescheid vom 20. Dezember 2005 enthaltene Nachforderungsbeträge sind nicht streitig.

Der gegen den Nachforderungsbescheid vom 20. Dezember 2005 eingelegte Einspruch vom 11. Januar 2006 blieb erfolglos. Auf die Einspruchsentscheidung vom 07. Juli 2008 wird verwiesen.

Mit seiner am 07. August 2008 beim Finanzgericht München eingegangenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Lohnsteuernachforderung. Die „Gutscheine” seien an die aus betrieblichen Belangen an dem Betriebsfest nicht teilnehmenden Mitarbeiter als Ersatz für die ihnen entgangene Verpflegung ausgegeben worden. Deshalb bestehe ein Anlasszusammenhang mit der Betriebsveranstaltung. Die Voraussetzungen für die Anwendung des Pauschsteuersatzes von 25 % nach § 40 Abs. 2 Nr. 2 EStG sei sowohl dem Wortlaut nach als auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift erfüllt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24. September 2010 wiesen die Vertreter des Klägers erstmals darauf hin, dass auch die zwischen den Beteiligten bislang unstreitige Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Lohnsteuer nochmals überprüft werden müsse. Ihrer Ansicht nach hänge die Höhe der Bemessungsgrundlage davon ab, ob eine Pauschalierung nach Abs. 1 oder nach Abs. 2 des § 40 EStG vorzunehmen sei.

Der Kläger beantragt deshalb vorab

durch Zwischenurteil gemäß § 99 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) festzustellen, dass die streitigen Beträge gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG zu besteuern sind,

hilfsweise: die Zulassung der Revision.

Der Beklagte beantragt vorab

durch Zwischenurteil gemäß § 99 Abs. 2 FGO festzustellen, dass die streitigen Beträge gemäß § 40 Abs. 1 EStG zu besteuern sind,

hilfsweise: die Zulassung der Revision.

Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung vom 07. Juli 2008 und trägt ergänzend Folgendes vor: Die ausschließlich den Dienst habenden Mitarbeitern überreichten „Gutscheine” stünden in keinem ausreichenden Zusammenhang mit der Betriebsveranstaltung. Sie beträfen nicht den Rahmen und das Programm der Veranstaltung. Weil die betroffenen Arbeitnehmer getrennt voneinander in ein Restaurant ihrer Wahl gehen konnten, sei das eigentliche Ziel einer Betriebsveranstaltung, nämlich die Kontaktpflege zwischen den Mitarbeitern zur Verbesserung des Betriebsklimas, nicht erreicht worden.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die vorgelegten Unterlagen und Akten, sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 24. September 2010 verwiesen.



Gründe

II.

1. Der Senat hält es im Einvernehmen mit den Beteiligten aus prozessökonomischen Gründen für sachdienlich, vorab durch Zwischenurteil über den im Streitfall anzuwendenden Pauschsteuersatz zu entscheiden.

2. Das FA hat die Lohnsteuernachforderung zu Recht unter Anwendung eines nach § 40 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i. V. mit § 38a EStG zu ermittelnden pauschalen Nettosteuersatzes berechnet. Die Voraussetzungen für die Anwendung des Pauschsteuersatzes von 25 % nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG liegen im Streitfall nicht vor.

Gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, soweit er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt. Das Fest anlässlich des 100-jährigen Firmenjubiläums des Klägers war zwar eine Betriebsveranstaltung i. S. des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG (dazu unten a.). Zudem handelt es sich bei den streitigen Bewirtungsaufwendungen um Arbeitlohn (dazu unten b.). Der Arbeitslohn wurde den Arbeitnehmern aber nicht aus Anlass der Betriebsveranstaltung, sondern anstelle der Teilnahme an den Feierlichkeiten gezahlt (dazu unten c.).

a. Die Feier anlässlich des 100-jährigen Firmenjubiläums des Klägers war eine Betriebsveranstaltung i. S. des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG. Betriebsveranstaltungen sind Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter, bei denen die Teilnahme grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offensteht (BFH-Urteil vom 30. April 2009 VI R 55/07, BFHE 225, 58, BStBl II 2009, 726). Diese Merkmale sind im Streitfall unstreitig erfüllt.

b. Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. mit § 8 Abs. 1 EStG alle Vorteile, die „für eine Beschäftigung” gewährt werden. Vorteile werden „für” eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und wenn die Einnahme als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, d.h. wenn sich der Vorteil im weitesten Sinne als Entlohnung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 20. Mai 2010 VI R 41/09 in juris; Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Aufl., § 19 Rz 24).

Erhält ein Arbeitnehmer – wie im Streitfall – von seinem Arbeitgeber als Ersatz für eine entgangene Verzehrmöglichkeit einen Wertgutschein, führt dies regelmäßig zu Arbeitslohn (Schmidt/Drenseck, aaO., § 19 Rz. 50 Stichwort „Betriebsveranstaltung”).

Der Qualifizierung als Arbeitslohn steht im Streitfall nicht entgegen, dass die betroffenen Arbeitnehmer der Betriebsveranstaltung aus betrieblichen Gründen ferngeblieben sind. Zwar bestand ein eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung des (…)dienstes während des Betriebsfestes; dieses Arbeitgeberinteresse verdrängt den Entlohnungscharakter der konkreten, hier zu beurteilenden Zuwendung durch Hingabe der Wertgutscheine aber nicht. Denn ein eigenbetriebliches Interesse des Klägers daran, dass er gegen Vorlage eines beliebigen Bewirtungsbelegs einen Betrag von bis zu 70 EUR erstattet, ist nicht erkennbar.

c. Eine Pauschalierung der Lohnsteuer mit einem Steuersatz von 25 % kommt aber dennoch nicht in Betracht, weil die „Gutscheine” den Arbeitnehmern nicht aus Anlass der Betriebsveranstaltung übergeben wurden.

Die Betriebsveranstaltung ist nach der Rechtsprechung des BFH nur dann Anlass für eine Zuwendung, wenn diese den Rahmen und das Programm der Veranstaltung betrifft. Neben dem Wert der Betriebsveranstaltung als solcher gehören hierzu auch Zuwendungen, die durch das Programm der Veranstaltung bedingt und für Betriebsveranstaltungen nicht untypisch sind, nicht aber lediglich „bei Gelegenheit” einer Betriebsveranstaltung gewährte Vorteile (BFH-Urteile vom 07. Februar 1997 VI R 3/96, BFHE 182, 559, BStBl II 1997, 365 und vom 07. November 2006 VI R 58/04, BFHE 215, 249, BStBl II 2007, 128).

Im Streitfall war nicht die Betriebsveranstaltung selbst, sondern die Nicht-Teilnahme an der Veranstaltung Anlass für die Ausgabe der „Gutscheine”. Die betroffenen Arbeitnehmer erhielten die „Gutscheine” nicht für die Veranstaltung, sondern anstelle der Teilnahme an den Feierlichkeiten. Solche (Ersatz-)Zuwendungen können grundsätzlich nicht nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG pauschaliert werden (so auch Schmidt/Drenseck, aaO., § 40 Rz. 13).

Die ausgegebenen Gutscheine dienten letztlich als Ausgleich für die entgangene Verzehrmöglichkeit auf dem Betriebsfest. Es handelte sich demnach um ein „Zehrgeld” i.w.S. Dieses wies aber nicht den erforderlichen Bezug zu der streitgegenständlichen Betriebsveranstaltung auf. Denn die Einlösung des „Gutscheins” war einzig an die Vorlage eines beliebigen Bewirtungsbelegs geknüpft. Der Kläger hat weder sichergestellt, dass der betreffende Arbeitnehmer selbst (ggf. zusammen mit seinen Arbeitskollegen) die Bewirtung in Anspruch nimmt, noch gab es Vorgaben z.B. für eine zeitliche oder räumliche Nähe zur eigentlichen Betriebsveranstaltung. Deren Ziel, nämlich den Kontakt der Arbeitnehmer untereinander und damit das Betriebsklima zu fördern, war auf diese Weise nicht zu erreichen.

Entgegen der Auffassung des Klägers gebieten auch Sinn und Zweck des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG keine Einbeziehung von Zuwendungen, die anstelle der Teilnahme an der Betriebsveranstaltung gewährt werden. Zweck der Regelung ist es, für solche Betriebsveranstaltungen, die zum Zufluss von Arbeitslohn führen, die Möglichkeit einer günstigeren Pauschalbesteuerung durch den Arbeitgeber zu eröffnen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Arbeitgeber in derartigen Fällen kaum die Möglichkeit hat, die von ihm zur Betriebsveranstaltung eingeladenen Arbeitnehmer im Wege des Lohnsteuerabzugs mit der auf die Betriebsveranstaltung entfallenden Lohnsteuer zu belasten (BFH-Urteile vom 07. Februar 1997 VI R 3/96, BFHE 182, 559, BStBl II 1997, 365 und vom 07. November 2006 VI R 58/04, BFHE 215, 249, BStBl II 2007, 128). Letzteres gilt für die nicht teilnehmenden Arbeitnehmer gerade nicht.

3. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG § 40 Abs. 1 S. 1 EStG § 40 Abs. 1 S. 2 EStG § 8 Abs. 1 EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG § 38a

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr