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11.02.2011 · IWW-Abrufnummer 110478

Landgericht Ellwangen: Beschluss vom 14.12.2009 – 1 Qs 166/09

Das Einsichtsrecht des Verteidigers in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes ergibt sich bereits aus seinem Recht, den Polizeibeamten, der die Messung vorgenommen hat, als Zeugen zu der ordnungsgemäßen Durchführung der Messung zu befragen, was ohne Kenntnis der Bedienungsanleitung des Gerätes nicht möglich ist.

Kann dem Verteidiger wegen der weiten Entfernung zwischen seinem Kanzleisitz und dem Ort der Aufbewahrung der Akten eine Reise an den Aufbewahrungsort nicht zugemutet werden, ist Akteneinsicht im Wege der Übersendung einer Kopie der Bedienungsanleitung zu gewähren. Urheberrechtliche Bestimmungen stehen dem nicht entgegen.


Tenor:
1.
Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Ellwangen vom 06. November 2009 aufgehoben.
2.
Dem Betroffenen wird durch seinen Verteidiger nach Beiziehung einer Kopie der Bedienungsanleitung des Geschwindigkeitsmessgeräts PoliScan speed der Firma VITRONIC Bildverarbeitungssysteme GmbH vom Autobahnpolizeirevier Heidenheim zu den Akten Einsicht durch deren Übersendung in dessen Kanzleiräume gewährt.
3.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
Gegen den Betroffenen ist beim Amtsgericht Ellwangen ein Bußgeldverfahren wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften anhängig, wobei die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeit mit einem Lasermessgerät PoliScan speed der Firma VITRONIC Bildverarbeitungssysteme gemessen wurde, das von einem Polizeibeamten bedient wurde.

Der Verteidiger des Betroffenen hat beantragt, ihm zur Vorbereitung der Hauptverhandlung eine Abschrift der Bedienungsanleitung für das in Rede stehende Messgerät zukommen zu lassen.

Mit Beschluss vom 06. November 2009 hat das Amtsgericht den Antrag auf Übersendung einer Kopie der Bedienungsanleitung abgelehnt und dem Verteidiger lediglich die Möglichkeit eingeräumt, diese nach vorherige Absprache in den Räumen des Autobahnpolizeireviers Heidenheim einzusehen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Betroffenen, die dieser durch seinen in Hamburg ansässigen Verteidiger eingelegt hat.

Die Beschwerde ist gemäß § 304 StPO zulässig, insbesondere steht ihr § 305 StPO nicht entgegen (KG JR 1965, 69).

Sie ist auch begründet.

Der Verteidiger des Betroffenen hat gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. mit § 147 StPO ein Recht auf Akteneinsicht, das alle Akten und Aktenteile, einschließlich Bild- und Tonbandaufnahmen umfasst, auf die der Schuldvorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird und die zur Begründung des Anspruchs über die Rechtsfolgen herangezogen werden (Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, § 60, Rd. Nr. 97). Aus dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit folgt, dass Schriftstücke, Unterlagen, Bild- und Tonaufnahmen, die für den Betroffenen als belastend oder entlastend von Bedeutung sein könnten, diesem nicht ferngehalten werden dürfen, da dies eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs bedeuten würde. Befinden sich solche Vorgänge nicht in den Ermittlungsakten, sondern in anderen Akten oder bei anderen Behörden, so müssen auch diese den Akten zugänglich gemacht werden. Das Einsichtsrecht des Verteidigers in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes ergibt sich bereits aus seinem Recht, den Polizeibeamten, der die Messung vorgenommen hat, als Zeugen zu der ordnungsgemäßen Durchführung der Messung zu befragen, was ohne Kenntnis der Bedienungsanleitung des Gerätes nicht möglich ist (so auch AG Neuruppin ZfSch 2009, 177-178).

Dabei erstreckt sich das Akteneinsichtsrecht jedoch nicht, wie das Amtsgericht meint, lediglich auf Einsicht in die Originalbedienungsanweisung in den Räumen der Dienststelle des Messbeamten. Eine Reise nach Heidenheim nur zu dem Zweck, das Original der Bedienungsanleitung des Messgeräts einzusehen, kann dem Verteidiger des Betroffenen nicht zugemutet werden, da die weite Reise von Hamburg mit Mühen und Kosten verbunden ist, die außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen (so auch BayObLG NJW 1991, 1070 ff [BayObLG 27.11.1990 - 2 ObOWi 279/90] zur Einsichtnahme einer polizeilichen Videoaufzeichnung; unter Bezugnahme darauf auch AG Kleve, VRR 2008, 357).

Um dem Verteidiger die beantragte gebotene Akteneinsicht zu ermöglichen, hätte das Amtsgericht die Polizeibehörde, die die Originalbedienungsanleitung in Verwahrung hat, ersuchen müssen, davon eine Kopie für die Akten zu fertige. Unter Übersendung der so vervollständigten Akten an die Kanzleiräume des Verteidigers hätte sodann seinem Akteneinsichtsrecht entsprochen werden können.

Dies ist nunmehr nachzuholen.

Urheberrechtliche Bestimmungen stehen dem nicht entgegen. Die Bedienungsanleitung für das Geschwindigkeitsmessgerät beschreibt lediglich vorgegebene technische Zusammenhänge auf eine handwerklich definierbare Weise und ist keine eigenständige geistige Schöpfung ihres Autors.

Vorschriften§ 147 StPO § 46 Abs. 1 OWiG

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