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21.12.2010 · IWW-Abrufnummer 104109

Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 05.08.2010 – I-28 U 22/10

Bei der Rückabwicklung eines Autokaufs richtet sich der Anspruch des Käufers auf Nutzungsersatz für Kapitalnutzung durch den Verkäufer nach dem Netto-Kaufpreis.


Oberlandesgericht Hamm

I-28 U 22/10

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 8. Dezember 2009 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn teilweise abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 4.568,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. November 2009 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw T G 1,4 16 V Cool Edition mit 55 KW und der Fahrzeugidentifikationsnummer XXX.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger ab dem 8. Juli 2010 bis zur Rückzahlung des vorgenannten Betrages von 4.568,24 € täglich weitere 0,32 € zu zahlen.

Es bleibt festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorgenannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte bleibt verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte O in M in Höhe von 489,50 € und Kosten für die Einholung eines Handelsregisterauszugs in Höhe von 4,50 € freizustellen.

Die weitergehende Klage bleibt bzw. wird abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu ¾ und die Beklagte zu ¼.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird in dem unter Ziffer II 9 der Gründe beschränkten Umfang zugelassen.

G r ü n d e:

I.

Die Parteien streiten im Rahmen der Rückabwicklung eines finanzierten Neuwagenkaufs aufgrund eines Sachmangels, der nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, in zweiter Instanz um den Umfang des dem Käufer zustehenden Rückzahlungsanspruchs.

Aufgrund der "Verbindlichen Bestellung" vom 9. August 2006 erwarb der Kläger von der Beklagten, die mit Kraftfahrzeugen handelt, einen Neuwagen "T G 1,4". Als Kaufpreis waren 14.684,05 € brutto vereinbart. Im Kaufpreis war eine Umrüstung auf Gasbetrieb enthalten. Das Fahrzeug wurde am 29. November 2006 zugelassen und dem Kläger übergeben. Der Kläger zahlte der Beklagten 4.000 € an. Vermittelt durch die Beklagte, finanzierte der Kläger den Restkaufpreis über die T-Bank. Wegen der Einzelheiten des Darlehensvertrags wird auf Bl. 12 d.A. Bezug genommen. Die Beklagte nimmt bei der T-Bank einen Kontokorrentkredit zu einem Zinssatz von 8,35% in Anspruch.

Im Februar 2007 ließ der Kläger durch die Beklagte eine Zentralverriegelung einbauen; dafür entrichtete der Kläger der Beklagten 360 €.

Ebenfalls im Februar 2007 rüstete die Beklagte eine Funkfernbedienung nach; die Kosten trug sie überwiegend selbst.

Im Laufe des Jahres 2007 beanstandete der Kläger mehrfach - im Berufungsverfahren im Einzelnen nicht mehr interessierende - Mängel.

Ursache war der fehlerhafte Einbau der Gasanlage. Der Kläger forderte die Beklagte im Januar, März und Juli 2007 zur Nacherfüllung auf. Er suchte wiederholt die Werkstatt der Beklagten auf.

Vom 7. August bis 28. November 2007 meldete der Kläger nach seinen Angaben das Fahrzeug ab. Mit Anwaltsschreiben vom 21. November 2008 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag; ferner verlangte er Zahlung von 16.491,35 € bis zum 28. November 2008. Bis zum Rücktritt leistete der Kläger 23 Brutto-Raten zu je 162,75 € monatlich an die Darlehensgeberin.

Der Kläger hat mit der Klageschrift vom 8. Januar 2009 Rückzahlung des gesamten Kaufpreises verlangt und weitere Forderungen erhoben (im Wesentlichen Ersatz von Zinsvorteilen der Beklagten, Fahrtkosten des Klägers zur Werkstatt, Kostenersatz für die angebrachte Zentralverriegelung).

Das Landgericht hat Sachverständigenbeweis erhoben. Aufgrund des fehlerhaften Einbaus der Gasanlage hat es die Beklagte verurteilt, an den Kläger 14.194,27 € zu zahlen sowie weitere 3,34 € täglich ab dem 8. Januar 2009, ferner Verzugs- bzw. Rechtshängigkeitszinsen, Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten (961,28 €) sowie Kosten der Einholung eines Handelsregisterauszugs (4,50 €), und zwar Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs. Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet. Die Urteilssumme setzt sich wie folgt zusammen:

Rückzahlung des Kaufpreises 14.684,05 €
Kapitalnutzung durch die Beklagte bis zum 7. Januar 2009 2.483,37 €
Kosten des Klägers für sieben Werkstattbesuche [nicht Gegenstand der Berufung] 117,60 €
Einbau einer Zentralverriegelung 360,00 €
abzüglich Nutzungswertersatz (unter Zugrundelegung von 47.000 km Fahrstrecke und einer unstreitigen Gesamtlaufleistung von 200.000 km) - 3.450,75 t€
Zahlbetrag = 14.194,27 €
weitere Kapitalnutzung durch die Beklagte seit dem Datum der Klageschrift ab 8. Januar 2009 täglich je 3,34 €

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Mit der Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend: Der Kläger könne nur Rückzahlung der Anzahlung und der gezahlten Nettokreditraten verlangen. Bei der Berechnung der Kapitalnutzung dürfe nicht auf den gesamten Kaufpreis abgestellt werden. Sie habe Nutzungen nur aus 4.000 € gezogen, die der Kläger ihr gezahlt habe. Außerdem könne der Kläger Verzinsung dieses Betrages nur vom Zeitpunkt der Zahlung bis zum Rücktritt verlangen. Ferner sei die übliche Kapitalmarktverzinsung maßgeblich, nämlich 1,5%. Sie hat anfangs eine Kapitalnutzung von 119,03 € errechnet; zuletzt hat sie die Auffassung vertreten, dass der Kläger, je nach Zinssatz, nur 150,05 € bzw. nur 26,96 € verlangen könne. Bei den Kosten für die Zentralverriegelung sei nicht der Neupreis maßgeblich, sondern die tatsächliche Wertsteigerung des Fahrzeugs, die hier mit 200 € zu schätzen sei.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil dahingehend abzuändern, dass sie verurteilt bleibt,

an den Kläger 4.538,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei dem 29. November 2008 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw T G 1,4 16 V Cool Edition mit 55 KW und der Fahrzeugidentifikationsnummer ##################,
den Kläger von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 489,45 € nebst 4,50 € Gebühren für einen Handelsregisterauszug freizustellen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Mit der Anschlussberufung wiederholt er seinen erstinstanzlichen Klageantrag, auch soweit ihn das Landgericht zuerkannt hat. In der Sache verlangt der Kläger, wie im Senatstermin erörtert worden ist, weitere 2.450,75 €. Er macht - wie bereits in erster Instanz - geltend, dass ihm als Nutzungsvorteil für die mit dem Fahrzeug gefahrenen 47.703 km lediglich 1.000 € anzurechnen seien. Er meint, dass sein Nutzungsvorteil geringer zu bemessen sei als vom Landgericht angenommen, weil das Fahrzeug stark geruckelt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll zum Senatstermin Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat überwiegend Erfolg, die Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet.

1. Gemäß § 346 Abs. 1, § 348 BGB in Verbindung mit § 437 Nr. 2 Alt. 1, § 434 BGB kann der Kläger von der Beklagten aufgrund des fehlerhaften, in zweiter Instanz nicht mehr streitigen Einbaus der Gasanlage Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs beanspruchen.

a) Der Kläger hat eine Anzahlung von 4.000 € entrichtet, deren Rückzahlung er verlangen kann.

b) Ferner hat die Beklagte die vom Kläger gezahlten Nettokreditraten zu erstatten.

aa) Da der Kläger als Verbraucher den Kaufpreis durch ein von der Beklagen vermitteltes Darlehen (teil-) finanziert hat, richtet sich die Rückabwicklung nach den Grundsätzen über das finanzierte Geschäft (§ 358 Abs. 3, § 359 BGB). Bei einem wie hier - mit einem Kaufvertrag verbundenen Finanzierungsvertrag hat der Käufer grundsätzlich keinen Anspruch auf Rückzahlung des Zins- und Kostenanteils aus der Finanzierung, und zwar weder gegenüber dem Verkäufer noch gegenüber der Bank (Senatsurteil vom 8. September 2005 - 28 U 60/05, NZV 2006, 421, 423 ff.; OLG Naumburg, Urteil vom 12. Januar 2007 - 10 U 42/06, juris, Tz. 69, 77 f.; Reinking/ Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 1104; Bachmeier, Rechtshandbuch Autokauf, 2008, Rn. 197).

Ersatz gezahlter Darlehenszinsen kann der Kläger nur als Ersatz vergeblicher Aufwendungen gemäß § 437 Nr. 3, § 284 BGB verlangen, jedoch beschränkt auf den Zeitraum, in dem das Fahrzeug nicht genutzt werden konnte (Senatsurteil vom 8. September 2005 - 28 U 60/05, aaO; Andreae, NJW 2007, 3457, 3460). Die vom Kläger angeführten Fundstellen (Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 284 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Ernst, 5. Aufl., § 346 Rn. 16) enthalten nichts zu dieser Frage. Da die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs nicht weggefallen ist, waren die vom Kläger an die Bank gezahlten Zinsen mithin keine vergeblichen Aufwendungen.

(1) Soweit der Kläger das Fahrzeug im 7. August 2007 bis 28. November 2007 zeitweise abgemeldet hatte, beruht dies nicht darauf, dass es nicht genutzt werden konnte. Es mag sein, dass der Kläger wegen des von ihm beschriebenen Ruckelns "frustiert" war, wie er geltend macht.

Das bedeutet jedoch nicht, dass er den Wagen nicht nutzen konnte, zumal er ihn später wieder angemeldet und erneut genutzt hat.

(2) Soweit der Kläger geltend macht, dass er den Wagen während der erstinstanzlichen Begutachtung nicht habe nutzen können (7. Juli bis 12. August 2009), ist dies ebenfalls unerheblich, weil er zu dieser Zeit seine Ratenzahlungen schon eingestellt hatte.

bb) Im Darlehensvertrag ist das Bruttodarlehen mit 12.837,40 € angegeben, das Nettodarlehen mit 11.155,98 €. Als Brutto-Darlehensrate waren monatlich 162,75 € vereinbart. Daraus errechnet sich eine Nettodarlehensrate von 141,43 € im Monat. In 23 Monaten hat der Kläger mithin 3.252,89 € gezahlt.

c) Ein weitergehender Rückzahlungsanspruch steht dem Kläger im Hinblick auf den Kaufpreis nicht zu. Seine im Senatstermin geäußerte Auffassung, dass er bereit sei, der Darlehensgeberin den gesamten Restkaufpreis zu entrichten, bietet keine Handhabe für einen Zahlungsanspruch gegen die beklagte Fahrzeughändlerin, weil der Kläger als Verbraucher der Darlehensgeberin aufgrund des wirksamen Rücktritts nichts schuldet (§ 359 BGB). Daran ändert der Umstand nichts, dass der Kläger sich gegenüber der Bank bisher nicht auf die vorgenannte Einwendung berufen musste; dazu bestand kein Anlass, weil die Bank ihm gegenüber keine weiteren Forderungen erhoben hat.

2. Der Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für Fahrzeugzubehör (hier: die Zentralverriegelung) hat seine Grundlage in § 437 Nr. 3, § 284 BGB. Der Kläger kann nicht 360 € verlangen, sondern nur 274,14 €.

a) Der Käufer einer mangelhaften Sache hat auch dann gemäß § 284 BGB Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen, wenn er wegen des Mangels vom Kaufvertrag zurücktritt. Der Anspruch ist nicht gemäß § 347 Abs. 2 BGB auf den Ersatz notwendiger Verwendungen oder solcher Aufwendungen beschränkt, durch die der Verkäufer bereichert wird (BGHZ 163, 381). Aufwendungen des Käufers auf eine gekaufte Sache, die sich später als mangelhaft erweisen, sind in der Regel vergeblich, wenn der Käufer die Kaufsache wegen ihrer Mangelhaftigkeit zurückgibt oder sie jedenfalls nicht bestimmungsgemäß nutzen kann und deshalb auch die Aufwendungen nutzlos sind. So verhält es sich mit der Zentralverriegelung. Zwar setzt der Aufwendungsersatzanspruch voraus, dass der Verkäufer die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Das Vertretenmüssen wird aber vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB); der Verkäufer muss sich entlasten. Dem hat die Beklagte, die die mangelhafte Gasanlage eingebaut hat, nicht Rechnung getragen.

b) Die Beklagte macht zu Unrecht geltend, dass der Kläger nicht 360 €, sondern nur 200 € verlangen könne, weil sie nur insoweit bereichert sei (§ 347 Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Anspruch aus § 284 BGB ist nicht gemäß § 347 Abs. 2 BGB auf den Ersatz notwendiger Verwendungen oder solcher Aufwendungen beschränkt, durch die der Verkäufer bereichert wird (BGHZ 163, 381, 385). Aus dem von der Berufungsbegründung der Beklagten angeführten Senatsurteil vom 18. Dezember 2008 (28 U 17/08, NJW-RR 2009, 1505 = juris, Tz. 23) ergibt sich nichts anderes, weil dort aus einzelfallbezogenen Gründen Verschulden im Sinne von § 284 BGB verneint worden ist, so dass - anders als hier - in jenem Fall ein Anspruch aus § 347 Abs. 2 Satz 2 BGB zum Tragen kam.

c) Im Rahmen des hier anwendbaren § 284 BGB sind aber gleichwohl nicht die vollen Aufwendungen des Klägers für das Zubehör ersatzfähig.

Denn er hat das Fahrzeug und damit auch die Zentralverriegelung genutzt, so dass die Aufwendungen dafür ihren Zweck nicht insgesamt verfehlt haben. Vielmehr haben sie sich teilweise amortisiert. Wird der Kauf wegen Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs rückabgewickelt, nachdem der Käufer das Fahrzeug zeitweise genutzt hat, so mindert sich der Anspruch auf Ersatz auch dieser Aufwendungen entsprechend der Nutzungsdauer oder der Laufleistung des Fahrzeugs (BGHZ 163, 381, 388 ff.). § 287 ZPO räumt dem Gericht ein Schätzermessen ein (Reinking/Eggert, aaO, Rn. 1896). Der Abzugsbetrag ist grundsätzlich ebenso zu berechnen wie der Nutzungsersatz im Rahmen von § 346 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB, nämlich durch lineare Wertabschreibung (Faust, NJW 2009, 3696, 3699). Dabei kann sich die Frage stellen, ob als Gesamtnutzungsdauer diejenige des Fahrzeugs oder die Nutzungsdauer des Zubehörs anzusetzen ist, sofern diese erheblich kürzer sein sollte als die Lebensdauer des Fahrzeugs. Die vorgenannte Frage tritt hier jedoch nicht auf, denn die Nutzungsdauer einer Zentralverriegelung ist nicht bzw. nicht wesentlich kürzer als die des gesamten Fahrzeugs. Daher kann auf die mutmaßliche Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs abgestellt werden, hier unstreitig 200.000 km. Da das Fahrzeug 47.703 km zurückgelegt hat, ist der geforderte Aufwendungsersatz von 360 € im Verhältnis 47.703/200.000 bzw. um 23,85 % zu kürzen, also um 85,86 €. Es verbleiben 274,14 €.

3. Nutzungsersatz für die Kapitalnutzung des von der Beklagten empfangenen Kaufpreises kann der Kläger unter den hier gegebenen Umständen nur in geringem Umfang verlangen.

a) Der gezahlte Kaufpreis ist allerdings im Wege des Nutzungsersatzes zu verzinsen ist; vom Verkäufer erzielte Zinsen sind als Kapitalnutzung gemäß § 346 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 100 BGB herauszugeben bzw. zu ersetzen. Zu den gezogenen Nutzungen zählen auch ersparte Schuldzinsen (BGHZ 138, 160, 164 f., zu § 818 Abs. 1 BGB; zu § 346 BGB siehe OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1199, 1202 = juris, Tz. 51 f.; Staudinger/Kaiser, BGB [2004], § 346 Rn. 240). Für vom Verkäufer erzielbare, aber nicht erwirtschaftete Zinsen schuldet er dem Käufer gemäß § 347 Abs. 1 BGB ebenfalls einen Nutzungsvorteilsersatz.

Die Zinsen sind aus dem empfangenen Netto-Kaufpreis zu berechnen. Es kommt auf den tatsächlichen Wert an, der dem Verkäufer zugeflossen ist und aus dem er Nutzungen gezogen hat bzw. hätte ziehen können. Der Nettowert ist anzusetzen, weil die Mehrwertsteuer als Durchlaufposten alsbald an das Finanzamt abzuführen ist. Daraus kann der Verkäufer demgemäß keine Nutzungen ziehen (Reinking/Eggert, aaO, Rn. 606). Der Höhe nach richtet sich der Wert der Nutzungsmöglichkeit nach der marktüblichen Vergütung (Zinsen) bis zur Rückgabe des empfangenen Betrages (MünchKomm-BGB/Holch, aaO, § 100 Rn. 10; siehe auch jurisPK-BGB/Vieweg, 3. Aufl. § 100 Rn. 15).

Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass nicht für den gleichen Zeitraum Verzugszinsen auf die Hauptforderung und entgangene Anlagezinsen auf die Hauptforderung verlangt werden können, sofern der Anlagezins nicht darüber hinaus geht (BGH, Beschuss vom 24. Juni 2010 - III ZR 145/09, BeckRS 2010, 16575, Tz. 3). Das betrifft nur die entgangene eigene Anlagemöglichkeit des Gläubigers. Darum geht es hier nicht, sondern um die vom Verkäufer nach § 346 Abs. 1, § 347 Abs. 1 BGB geschuldeten Zinserträge bzw. ersparten Schuldzinsen.

b) Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass der Beklagten am 29. November 2006 die Anzahlung des Klägers von 4.000 € zugeflossen ist. Mit Wertstellung vom 30. November 2006 schrieb ihr die T-Bank zudem 10.483,17 € gut. Die Beklagte hatte ihrerseits bereits zuvor, nämlich am 29. November 2006, den Einkaufspreis von 10.657,95 € gezahlt, den sie dem Fahrzeughersteller schuldete. Auf die von der Beklagten vorgelegten Abrechnungsunterlagen (Bl. 294 bis 300 d.A.) wird Bezug genommen.

Dem ergänzenden Vorbringen der Beklagten in zweiter Instanz zu den näheren Einzelheiten des Kapitalzu- und -abflusses steht entgegen der im Senatstermin geäußerten Ansicht des Prozessbevollmächtigten des Klägers § 531 Abs. 2 ZPO nicht entgegen, weil die Beklagte bereits in erster Instanz geltend gemacht hat, dass sie den Kaufpreis weitergeleitet hat. Dies ist ausweislich des Sitzungsprotokolls im Kammertermin erörtert worden. Die Kammer hat den Vortrag der Beklagten jedoch für unerheblich gehalten, denn sie ist ihm nicht weiter nachgegangen, wie die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zeigen (unter II). Die Beklagte war daher in zweiter Instanz nicht gehindert, dazu weiter vorzutragen (§ 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 ZPO). Zudem ist eine Partei ohnehin nicht gehindert, erstinstanzliches Vorbringen in zweiter Instanz zu konkretisieren (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - VII ZR 279/05, NJW 2007, 1531).

c) Für Kapitalnutzung kamen im vorliegenden Fall somit allenfalls 3.825,22 € in Betracht (4.000 € + 10.483,17 € - 10.657,95 €). Auch diese Summe stand der Beklagten aber nicht in vollem Umfang für Zinserträge Verfügung. Wie ausgeführt, ist insoweit auf den Netto-Kaufpreis abstellen. Auf den vereinbarten Brutto-Kaufpreis von 14.684,05 € hatte die Beklagte vor dem 1. Januar 2007 Umsatzsteuer in Höhe von 16% abzuführen, mithin 2.025,39 €.

Es verblieben 1.799,83 €. Die Kosten des Einbaus der Gasanlage sind davon nicht abzuziehen, weil die Gasanlage bereits Bestandteil des Kaufpreises war. Am 22. Februar 2007 rüstete die Beklagte aber eine Funkfernbedienung nach, wodurch ihr eigene Kosten von 412,59 € netto entstanden; auf die Abrechnung Bl. 298 d.A. wird Bezug genommen. Danach standen der Beklagten noch 1.387,24 € zur Verfügung.

d) Die Beklagte hatte Schuldzinsen in Höhe von 8,35 % zu entrichten. Es kann daher dahinstehen, in welcher Höhe der maßgebliche Zinssatz andernfalls zu schätzen gewesen wäre (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22. März 2007 - 22 U 58/06, juris, Tz. 31; Reinking/Eggert, aaO, Rn. 609).

e) Für Kapitalnutzung durch die Beklagte kann der Kläger somit Zinsen in Höhe 8,35 % aus 1.799,83 € für den Zeitraum vom 29. November 2006 bis zum 21. Februar 2007 verlangen. Daraus errechnet sich ein Betrag von 35,00 €. Zinsen in Höhe von 8,35 % kann der Kläger ferner aus 1.387,24 € ab dem 22. Februar 2007 bis zur letzten mündlichen Verhandlung verlangen (8. Juli 2010). Auf diese Weise errechnet sich ein Betrag von weiteren 390,98 €. Insgesamt stehen dem Kläger 425,98 € zu.

f) Materiell-rechtlich reicht der Anspruch bis zur Rückgabe des empfangenen Betrages (MünchKomm-BGB/Holch, aaO). Einer Verurteilung der Verkäuferin für die Zukunft kann zwar entgegenstehen, dass auch der Käufer noch Nutzungen in Gestalt von Gebrauchsvorteilen zieht (OLG Koblenz, Urteil vom 18. Dezember 2008 - 6 U 564/08, BeckRS 2009, 06222, unter II 4). So ist es im vorliegenden Fall jedoch nicht, weil der Kläger das Fahrzeug stillgelegt hat.

Einer Verurteilung für die Zukunft stehen hier auch keine prozessualen Gründe entgegen. Eine Klage auf künftige Leistung gemäß § 257 ZPO kommt zwar nicht in Betracht, denn der Anspruch des Klägers ist von einer Gegenleistung abhängig, nämlich der Zug um Zug vorzunehmenden Rückübereignung des Fahrzeugs. Gleiches gilt für eine Klage auf wiederkehrende Leistungen gemäß § 258 ZPO. Diese Bestimmung betrifft zwar auch Kapitalzinsen (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 31. Aufl., § 258 Rn. 2). Sie setzt jedoch ihrerseits voraus, dass die Verpflichtung des Schuldners nicht von einer Gegenleistung abhängig ist (Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 258 Rn. 1; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., § 258 Rn. 9). Außer in den vorgenannten Fällen kann aber gemäß § 259 ZPO Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Schuldner den Anspruch ernsthaft bestreitet (BGH, Urteil vom 20. Juni 2005 - II ZR 366/03, NJW-RR 2005, 1518, unter II 2; Hk-ZPO/Saenger, 3. Aufl., § 259 Rn. 4). So ist es hier, da die Beklagte den Anspruch des Klägers jedenfalls der Höhe weitgehend in Abrede stellt. Zinsen in Höhe von 8,35 % kann der Kläger daher aus 1.387,24 € auch für die Zukunft bis zur Rückzahlung der Urteilssumme verlangen. Daraus errechnet sich ein Betrag von weiteren 0,32 € täglich.

4. Bei Rückabwicklung eines Kaufs steht dem Verkäufer ein Anspruch auf Nutzungswertersatz gemäß § 346 Abs. 1 BGB zu (BGHZ 182, 241). Dem hat das Landgericht Rechnung getragen.

a) Der Wert der Nutzung eines Neufahrzeugs durch den Käufer ist anhand des Bruttokaufpreises, der Fahrstrecke und der zu erwartenden Gesamtlaufleistung auf der Grundlage linearer Wertminderung nach folgender Formel zu errechnen (vgl. Reinking/Eggert, aaO, Rn. 633; MünchKomm-BGB/Gaier, aaO, § 346 Rn. 27):

Bruttokaufpreis x zurückgelegte Fahrstrecke
Gebrauchsvorteil = _________________________________________
voraussichtliche Gesamtlaufleistung

Als Bruttokaufpreis waren hier 14.684,04 € vereinbart. Die Fahrstrecke beträgt nach den - in zweiter Instanz präzisierten Angaben des Klägers - 47.703 km. Daraus errechnet sich ein Anspruch der Beklagten auf Nutzungswertersatz von 3.502,37 €. Davon geht auch die Beklagte aus.

b) Mit der Anschlussberufung vertritt der Kläger die Ansicht, dass aus besonderen Gründen im vorliegenden Fall ein mangelbedingter Abschlag vorzunehmen sei. Dem ist nicht beizupflichten.

aa) Zwar ist bei der Berechnung von Gebrauchsvorteilen ein Abschlag vorzunehmen, wenn die Gebrauchstauglichkeit der Sache durch einen Mangel eingeschränkt ist (OLG Köln, Urteil vom 30. Januar 2002 - 11 U 71/01, juris, Tz. 16; MünchKomm-BGB/Gaier, aaO, § 346 Rn. 26; Erman/Röthel, BGB, 10. Aufl., § 346 Rn. 36). Dies hat die Rechtsprechung in Ausnahmefällen wesentlich eingeschränkter Nutzung bejaht, z.B. bei starker Geruchsbelästigung im Innenraum eines Wagens, die zu starken Schleimhautreizungen führte (unveröffentlichtes Urteil des OLG Düsseldorf vom 16. Dezember 1994, zitiert bei Reinking/Eggert, aaO, Rn. 632), ebenso bei nachhaltiger Einbuße der Nutzungsmöglichkeit, weil nur eine Geschwindigkeit von 40 km/h möglich war (OLG Celle, NZV 1991, 230, 232). Ferner wird ein Fall angeführt, in dem Schaltstöße eines Automatikgetriebes den Fahrkomfort stark beeinträchtigten (OLG Köln, DAR 1986, 320, 321),

bb) Eine vergleichbare Fallgestaltung ist hier nicht gegeben. Der Kläger macht geltend, dass der Wagen "stark geruckelt" habe, und zwar beim Beschleunigen. Das führt jedoch nicht zu einer relevanten Herabsetzung des Gebrauchsvorteils. Gewisse Komforteinbußen sind hinzunehmen (Reinking/Eggert, aaO, Rn. 632). Eine wesentliche Beeinträchtigung des Fahrkomforts hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt. Bei seiner Anhörung im Senatstermin hat der Kläger zwar noch ergänzt, dass der Motor vor Ampeln ausgegangen sei, namentlich wenn es kalt gewesen sei. Dies führt aber ebenfalls nicht zu einer Verminderung des Gebrauchsvorteils, weil der Fahrer sich auf eine solche Situation einrichten kann und das Fahrzeug, nachdem er es ohnehin zum Stehen bringen musste, lediglich erneut anlassen muss. Soweit der Kläger anführt, dass ihm der Wagen einmal im Kreisverkehr ausgegangen ist, handelt es sich um ein Einzelvorkommnis.

5. Daraus ergibt sich folgende Berechnung des dem Kläger zustehenden Anspruchs:

Anzahlung 4.000,00 €
Nettodarlehensraten + 3.252,89 €
nicht amortisierte Kosten des Einbaus der Zentralverriegelung + 274,14 €
Kapitalnutzung + 425,98 €
Kosten für sieben Werkstattbesuche [nicht Gegenstand der Berufung] + 117,60 €
Nutzungswertersatz - 3.502,37 €
dem Kläger zustehende Forderung = 4.568,24 €

6. Der Zinsanspruch folgt aus dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs (§ 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB). Das gilt auch im Hinblick auf die Zentralverriegelung; gemäß § 256 BGB kann der Aufwendende zwar bereits Zinsen ab dem Zeitpunkt der Aufwendung verlangen (OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1199, 1202; Reinking/ Eggert, aaO, Rn. 605). Das hat der Kläger aber nicht beantragt.

7. Der Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten folgt aus § 280 Abs. 1 BGB aufgrund des mangelhaften Einbaus der Gasanlage durch die Beklagte. Kostenerstattung kann der Geschädigte vom Schädiger nur insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber objektiv berechtigt ist (BGH, Urteile vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04, NJW 2005, 1112, unter II 2; vom 7. November 2007 - VIII ZR 341/06, NZM 2008, 204, Tz. 13). Ein weitergehender Anspruch als die mit der Berufung der Beklagten nicht angegriffenen 489,50 € steht dem Kläger nicht zu. Trotz der geringfügigen Zurückweisung der Berufung der Beklagten ändert sich nichts an der Streitwertstufe bis zu 5.000 €.

Die vom Landgericht für den eingeholten Handelsregisterauszug zuerkannten 4,50 € sind nicht im Streit.

8. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 S. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

9. Die Revision wird nicht zugelassen im Hinblick auf die Kosten der Zentralverriegelung (II 2 der Gründe). Weder macht der Kläger dies geltend noch sind hier Revisionsgründe erkennbar (§ 543 ZPO). Insoweit handelt es sich um einen von mehreren teilbaren Gegenständen, der eine Zulassungsbeschränkung gestattet (siehe BGH, Urteil vom 14. April 2010 - VIII ZR 123/09, NJW 2010, 2122, Tz. 9, 12, m.w.N., für BGHZ bestimmt).

Im Hinblick auf den vom Kläger geschuldeten Nutzungswertersatz (3.502,37 €; II 4 der Gründe) wird die Revision ebenfalls nicht zulassen; insoweit handelt es sich ebenfalls um einen teilbaren Gegenstand, der lediglich nicht der Verallgemeinerung zugängliche Fragen der Tatsachenwürdigung im Einzelfall betrifft.

Im Hinblick auf die Nettodarlehensraten (3.252,89 €; II 1 der Gründe) und die Kapitalnutzung durch die Beklagte (434,87 €; II 3 der Gründe) ist die Revision hingegen zugelassen.

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 284, § 346, § 347, § 359, § 437

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