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02.12.2010 · IWW-Abrufnummer 103902

Finanzgericht Köln: Urteil vom 13.10.2010 – 9 K 3882/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FG Köln v. 13.10.2010

9 K 3882/09

Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen der Klägerin für ein sogenanntes Übezimmer bei den Einkünften der Klägerin aus selbständiger Arbeit als Musikerin im Streitjahr 2007 streitig.

Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 machte die Klägerin im Rahmen ihrer Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Musikerin Aufwendungen für einen innerhalb ihrer Wohnung gelegenen Raum geltend, der zum Proben, Einüben und Einstudieren der von ihr aufzuführenden Musikstücke genutzt wurde. Der Raum hatte mit einer Fläche von 45,12 qm einen Anteil von 21,49 % an der Gesamtwohnfläche in Höhe von 210 qm. In Anbetracht ihres Umzugs im September des Streitjahres machte die Klägerin für die Dauer von 8 Monaten hinsichtlich der in dieser Zeit für die Wohnung entstandenen Gesamtkosten in Höhe von 14.277,96 € einen Anteil von 21,49 % geltend, mithin einen Betrag von 3.068,33 €. Daneben setzte die Klägerin weitere unstreitige Betriebsausgaben in Höhe von 6.837,17 € von ihren Betriebseinnahmen in Höhe von insgesamt 14.803,74 € ab und ermittelte so einen Gewinn in Höhe von 4.898 € aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Musikerin, den sie im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung in Ansatz brachte.

Im Rahmen des Einkommensteuerbescheides für 2007 vom 11.08.2009 wurden diese Raumkosten in Höhe von 3.068,33 € nicht berücksichtigt. In den Erläuterungen des Bescheids wies der Beklagte darauf hin, dass das Übezimmer nicht berücksichtigt werden könne. Es zeige die Eigenschaft eines Arbeitszimmers auf (Bearbeiten von Notenmaterial; Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten) und bilde zudem nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit der Klägerin.

Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein.

Im Verlaufe des Einspruchsverfahrens wurde der angegriffene Bescheid wegen anderweitiger für das vorliegende Verfahren nicht relevanter Streitpunkte am 11.11.2009 zugunsten der Klägerin geändert. Dieser Änderungsbescheid wurde gemäß § 365 Abs. 3 AO Gegenstand des Einspruchsverfahrens.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12.11.2009 wurde der Einspruch der Klägerin im übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Dabei stellte der Beklagte im Wesentlichen darauf ab, dass als sonstiges Arbeitszimmer zwar ein Raum anzusehen sei, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre eingebunden sei und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder organisatorischer Arbeiten diene. Dabei müsse es sich jedoch nicht zwingend um Arbeiten büromäßiger Art handeln. Vielmehr könne ein häusliches Arbeitszimmer auch dann vorliegen, wenn es sich um eine geistige, künstlerische oder schriftstellerische Betätigung handele, wobei eine häusliche Einbindung regelmäßig zu bejahen sei, wenn der Raum zur privaten Wohnung oder zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen gehöre. Zudem habe der BMF in seinem Schreiben vom 03.04.2007 (BStBl I 2007, 442) ausdrücklich das häusliche Musikzimmer einer freiberuflich tätigen Musikerin als Arbeitszimmer definiert.

Darüberhinaus sei der angefochtene Bescheid auch insoweit nicht zu beanstanden, als davon auszugehen sei, dass das Übezimmer nicht als Mittelpunkt der gesamten beruflichen bzw. betrieblichen Tätigkeit anzusehen sei, da dieser Mittelpunkt dort anzunehmen sei, wo nach Würdigung des Gesamtbilds der Verhältnisse und der Tätigkeitsmerkmale diejenigen Handlungen vorgenommen und Leistungen erbracht würden, die für die ausgeübte Tätigkeit wesentlich und prägend seien. Dies sei bei einer Musikerin nicht der häusliche Übungsraum.

Im Rahmen ihrer hiergegen fristgerecht erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass sich in dem von ihr als Übezimmer genutzten Raum ausschließlich Musikinstrumente (Flügel, Klarinetten und Bratsche) sowie Regale zur Aufbewahrung von Noten befunden hätten. Den Flügel habe sie benötigt, um mit einer Zweitstimme die entsprechenden Stücke zu proben (sogenannte Korepitition).

Die Klägerin hat insoweit Fotografien eingereicht, auf dem zum einen die Platzierung des Flügels ersichtlich ist, zum anderen ein kleinerer Tisch im Sinne eines Sekretärs. Hierzu hat die Klägerin ausgeführt, dass sie diesen Tisch mit dem darauf liegenden Rohrblattbaugerät zur Erstellung der Klarinettenblätter (Abprobieren und Kopieren der Schachtelhahn-Rohrhölzer) benötige. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass für das Musizieren mit einer Klarinette jeweils erforderlich sei, Klarinettenmundstücke sowie das Klarinettenblatt zu erstellen und zu präparieren.

Das Übezimmer habe ausschließlich zum Üben, Vorbereiten und Ausarbeiten von Musikstücken gedient. Eine Tätigkeit, die in einem typischen Arbeitszimmer verrichtet werde, sei in diesem Zimmer nicht möglich gewesen. Es habe sich dort kein Schreibtisch, kein Computer, kein Telefon und dergleichen befunden. Es habe bereits an der Funktion eines Arbeitszimmers gefehlt.

Im Verlaufe des Klageverfahrens hat die Klägerin die Nutzung des Übezimmers wie folgt weitergehend präzisiert: Das Übezimmer sei danach der Raum in der Wohnung, der für die Beschäftigung mit Musik in unterschiedlicher Form zur Verfügung stehe. Hier seien die Instrumente (Steinway-Flügel, unterschiedliche Klarinetten, eine Viola) aufbewahrt worden. Ein kleiner Arbeitstisch habe der Bearbeitung von Klarinettenblättern gedient. Auf dem Tisch habe die Blattschleifmaschine gestanden, die Schubladen hätten der Aufbewahrung von Werkzeugen zur Blattbearbeitung sowie der Blattrohlinge gedient. Mehrere Regale hätten den Bestand an unterschiedlichen Medien geordnet, von denen alle mit Musik in unmittelbarem Zusammenhang gestanden hätten. Hierbei habe es sich um Bücher (musikwissenschaftliche Veröffentlichungen, Musikerbiographien, Werkanalysen und Repertoiresammlungen und dergleichen), CDs und DVDs mit klassischer Musik, d.h. mit inhaltlicher Relevanz für die Arbeit, Partituren (Sammelbände und Einzelbände) sowie Noten gehandelt. Eine Anlage zum Abspielen von CDs sei vorhanden gewesen. Darüberhinaus habe ein Sofa als Sitzgelegenheit gedient.

Der Dachgeschossraum sei nach außen zur angrenzenden Wohnung schallisoliert und nach innen raumakustisch durch Teppichboden und einen schweren Vorhang vor der Tür optimiert worden, um den Schallpegel im Raum zu begrenzen ohne ihn zu sehr abzustumpfen.

Das Üben bzw. das Einüben von Musikstücken beinhalte eine intensive Auseinandersetzung mit Musik und Instrument auf unterschiedlichen Ebenen. Zuerst setze es eine intensive Beschäftigung mit dem Hintergrund eines Musikwerks voraus, also der Biographie des Komponisten, der Entstehungsgeschichte, des kunsthistorischen Zusammenhangs, mit dem verwandten Repertoire etc. Dafür sei das Studium von Notenmaterial, Büchern, sowie das Hören von CDs notwendig. Aus den gewonnen Einsichten werde eine Interpretation erarbeitet und der Interpretationsansatz werde auf das Instrument übertragen und auf seine Praxistauglichkeit überprüft. Aus diesem Prozess kristallisiere sich die künstlerische Interpretation heraus, die nun auf dem Instrument einstudiert und verfestigt werde. Am Instrument sei darüberhinaus ein regelmäßiges Auseinandersetzen mit technischen Herausforderungen nötig, es seien immer wiederkehrende sowie im Repertoire neu auftauchende Anforderungen zu bewältigen. Dies erfordere ein routiniert-diszipliniertes Vertiefen der Instrumentaltechnik ebenso wie ein stetes kreatives Suchen nach neuen Ansätzen. Effizientes Üben beinhalte eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem zu erarbeitenden Stoff ebenso wie ein reflektiertes Wahrnehmen der individuellen Lernprozesse. Letzteres sei auch besonders wichtig, um variable Hilfestellungen beim Unterrichten für unterschiedlich gelagerte Probleme bei Studenten zu entwickeln. Das Übezimmer sei auch der Ort, das Einstudierte im Probelauf zu testen und ggf. mit Partnern am Klavier zu proben.

Der Zeitaufwand für die geschilderten Arbeiten sei variabel und betrage in der Regel täglich zwischen zwei und fünf Stunden pro Person.

Eine Klarinettistin betreibe einen erheblichen Aufwand zur Bearbeitung von Klarinettenblättern. Die Blattrohlinge würden mit Hilfe einer speziell hierfür entwickelten Schleifmaschine anhand eines Modellblattes abgeschliffen und extrem fein bearbeitet. Von der Schwere des Blattes im Zusammenhang mit der Schilfrohrdichte und der Feuchtigkeit hingen entscheidend die Klang- und Spielmöglichkeiten auf der Klarinette ab. Die Blätter müssten bearbeitet und sofort auf dem Instrument getestet werden. Der Zeitaufwand für ein optimal spielbares Klarinettenblatt liege bei ca. einer Stunde, ein Blatt sei in der Regel wenige Tage spielbar. Auch diese Arbeit sei im Übezimmer erfolgt.

Das Übezimmer sei der Raum, der für die beschriebenen Arbeiten ideal eingerichtet sei und in dem das benötigte Material bereit liege. Durch den täglichen Zeitaufwand zweier professioneller Musiker im selben Haushalt sei der Raum quasi ganztägig belegt, so dass der Raum für keine außermusikalischen Aktivitäten genutzt worden sei.

Die Klägerin betont noch einmal, dass es sich bei dem Raum, für den die entsprechenden Kosten geltend gemacht werden, ausschließlich um ein Zimmer zum Üben und Musizieren mit Musikinstrumenten handele und gerade nicht um ein Arbeitszimmer im Sinne des Gesetzes. Der Raum sei gleichzustellen mit Werkstatträumen, Lagerräumen bzw. Tonstudios.

Die Klägerin beantragt,

den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2007 vom 11.11.2009 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12.11.2009 dahingehend zu ändern, dass weitere Betriebsausgaben in Höhe von 3.068,33 € bei den Einkünften der Klägerin aus selbständiger Arbeit Berücksichtigung finden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er Bezug auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.



Gründe
Die Klage ist begründet.

Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für den von ihr als Übezimmer genutzten Raum als Betriebsausgaben der Klägerin bei ihren Einkünften aus selbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

Die Klägerin ist insoweit durch den angegriffenen Einkommensteuerbescheid in ihren Rechten gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 AO verletzt.

I. Die von der Klägerin für das sogenannte Übezimmer getätigten Aufwendungen stellen Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG dar. Danach sind Betriebsausgaben alle diejenigen Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.

1. Die Klägerin muss für ihr Auftreten als Berufsmusikerin die darzubietenden Musikstücke einüben und insbesondere ihr Musikinstrument, die Klarinette, ordnungsgemäß präparieren. Soweit die Klägerin dies unstreitig in dem betreffenden als Übezimmer bezeichneten Raum tut, tätigt sie Aufwendungen, die durch ihre Berufstätigkeit als Berufsmusikerin veranlasst sind.

2. Der Abzugsfähigkeit der betreffenden Raumaufwendungen steht auch nicht die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG entgegen. Danach sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten seiner Ausstattung nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Dies gilt allerdings nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet. Diese den Betriebsausgabenabzug hinsichtlich bestimmter Räume gänzlich ausschließende oder im Wesentlichen einschränkende Regelung greift im Streitfall nicht ein, da ihre Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich das Vorliegen eines Arbeitszimmers, im Streitfall schon begrifflich nicht gegeben sind.

Der von der Klägerin als Übezimmer genutzte Raum stellt kein Arbeitszimmer im Sinne des Gesetzes und der hierzu ergangenen ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dar.

a) Danach ist der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers im Gesetz nicht näher bestimmt. Der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zufolge erfasst die Bestimmung das häusliche Büro, d. h. einen Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, organisatorischer oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (vgl. z.B. Urteile vom 19. September 2002 VI R 70/01, BStBl II 2003, 139; vom 20. November 2003, IV R 30/03, BStBl II BStBl 2003 II S. 2004, BStBl 2003 II S. 775; vom 18. August 2005, VI R 39/04, BStBl II 2006, 428; vom 22. November 2006 X R 1/05, BStBl II 2007, 304). Der Nutzung entsprechend ist das häusliche Arbeitszimmer typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück darstellt (vgl. BFH-Urteile vom 16. Oktober 2002, XI R 89/00, BStBl II BStBl 2000 II S. 2003, BStBl 2000 II S. 185; vom 20. November 2003, IV R 3/02, BStBl II 2005, 203).

Räumlichkeiten, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen, sind auch dann nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers zuzurechnen, wenn sie ihrer Lage nach mit dem Wohnraum des Steuerpflichtigen verbunden und deswegen in dessen häusliche Sphäre eingebunden sind. Dies trifft nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs u.a. auf als Lager-, Werkstatt-, Arztpraxis- und Ausstellungsraum genutzte Räume zu. Im Einzelfall ist das häusliche Arbeitszimmer von anderen beruflich oder betrieblich genutzten Räumen im häuslichen Bereich abzugrenzen.

Ob ein Raum als häusliches Arbeitszimmer anzusehen ist, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles entscheiden. Ist eine Zuordnung zum Typus des häuslichen Arbeitszimmers nicht möglich, so sind die durch die berufliche Nutzung veranlassten Aufwendungen grundsätzlich unbeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar. Nach allgemeinen Grundsätzen ist aber zusätzlich erforderlich, dass die betreffenden Räumlichkeiten nahezu ausschließlich beruflich genutzt werden.

Aus dem Wesen des „häuslichen Arbeitszimmers” folgt, dass seine Grenzen fließend sind und dass es Übergangsformen gibt. Der jeweilige Sachverhalt muss dem Typus eines Arbeitszimmers wertend zugeordnet werden. Entscheidend ist dabei, das sich aus den konkreten Verhältnissen ergebende Gesamtbild. Ob ein Raum als häusliches Arbeitszimmer anzusehen ist, lässt sich daher nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles entscheiden. Ist eine Zuordnung zum Typus des häuslichen Arbeitszimmers im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG nicht möglich, so sind weiterhin die von der Rechtsprechung zu § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG entwickelten Kriterien zur Abgrenzung einer nahezu ausschließlich betrieblich veranlassten Nutzung gegenüber einer nicht unwesentlichen privaten Mitveranlassung zu berücksichtigen.

Das häusliche Arbeitszimmer ist typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist. Die Ausstattung mit einem Schreibtisch ist indessen nicht zwingend erforderlich. Ebenso wenig muss der Raum für die Verrichtung menschlicher Arbeit für eine gewisse Dauer hergerichtet sein. So kann etwa ein beruflich genutzter Archivraum, in dem Bücher, Akten und Unterlagen aufbewahrt, gesichtet und herausgesucht werden, der vorbereitenden und unterstützenden Erledigung gedanklicher schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dienen und dadurch Teilfunktionen erfüllen, die typischerweise einem häuslichen Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG zukommen.

Andererseits sind Räumlichkeiten, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen, auch dann nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers zuzuordnen, wenn sie ihrer Lage nach mit den Wohnräumen des Steuerpflichtigen verbunden und deswegen in dessen häuslicher Sphäre eingebunden sind. Aus diesem Grunde unterliegen etwa die Aufwendungen für ein Tonstudio im Wohnbereich des Steuerpflichtigen nicht der Abzugsbeschränkung, sofern der Raum zwar mit einem Schreibtisch zum Abfassen der Kompositionen möbliert, im Übrigen aber so eingerichtet und ausgestattet ist, dass ihm die technischen Einrichtungen sowie eventuelle Schallschutzmaßnahmen der Art und dem Umfang nach das Gepräge geben.

Die gleichen Maßstäbe gelten nach der Rechtsprechung auch für eine ärztliche Notfallpraxis, für einen Ausstellungsraum, für eine Werkstatt sowie für einen Lagerraum. (so grundsätzlich der BFH im Urteil vom 22. November 2006 X R 1/05, a.a.O.).

b) Im Streitfall ist der von der Klägerin als Übezimmer genutzte Raum nicht als Arbeitszimmer im Sinne der von der Rechtsprechung geprägten Definition des Arbeitszimmers anzusehen.

Der betreffende Raum ist zwar seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre der Klägerin eingebunden. Er wird jedoch nicht vorwiegend für die Erledigung gedanklicher, schriftlicher, organisatorischer oder verwaltungstechnischer Arbeiten genutzt. Vielmehr dient er ganz überwiegend dem Einstudieren von Musikstücken mittels Musikinstrumenten. Er ähnelt daher in vielfacher Hinsicht eher einem Tonstudio, als einem Arbeitszimmer im herkömmlichen Sinne.

Auch wenn die Klägerin dargestellt hat, dass sie sich vor dem Einstudieren, dem Proben und Üben von Musikstücken mit dem Komponisten, dem zeithistorischen und musikwissenschaftlichen Hintergrund des betreffenden Stücks gedanklich, anhand von Literatur und Musikaufnahmen beschäftigt, so tritt dieser gedankliche Arbeitsprozess hinter den Schwerpunkt ihrer Beschäftigung mit den Musikstücken, also hinter das Einstudieren, Proben und Üben der Stücke bei weitem zurück.

Auch die Erstellung und Präparierung der Mundstücke für die von ihr gespielte Klarinette stellt eine Arbeit dar, die eher zu einem Werkstattraum passt, als zu einem Arbeitszimmer im herkömmlich klassischen Sinne.

Darüberhinaus ist der von ihr genutzte Überaum auch nicht wie ein typisches häusliches Arbeitszimmer eingerichtet, also insbesondere nicht mit Büromöbeln, und insbesondere bildet auch kein Schreibtisch das zentrale Möbelstück dieses von ihr genutzten Raumes. Der auf den von ihr überreichten Fotos ersichtliche Tisch stellt nach Ansicht des Gerichts eine Art Sekretär dar, der nicht mit einem Schreibtisch in einem als Büroraum genutzten Arbeitszimmer gleichzustellen ist. Die Klägerin hat insoweit auch nachvollziehbar dargelegt, dass auf diesem Tisch die Klarinetten-Mundstücke präpariert werden und sich in den Schubladen dieses Tisches die erforderlichen Rohlinge, also das zu bearbeitende Material sowie die hierzu erforderlichen Werkzeuge befinden.

Ist damit der von der Klägerin als Übezimmer genutzte Raum weder seiner Ausstattung nach als Arbeitszimmer anzusehen und wird er auch seiner Funktion nach nicht als Arbeitszimmer genutzt, so kann er auch nicht als Arbeitszimmer im Sinne der von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs herausgearbeiteten Definition angesehen werden.

Die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Erarbeitung der Musikstücke dargestellte gedankliche Beschäftigung mit dem Musikstück als solchem, seinem Komponisten, seiner musikwissenschaftlichen und historischen Einordnung stellt eine gewisse Vorarbeit dar, die jedoch hinter dem eigentlichen Musizieren und dem Erstellen der Klarinetten-Mundstücke zurücktritt. Die von der Klägerin dargestellte Nutzung und die Funktion des betreffenden Raums als Übezimmer wird im Wesentlichen durch das Einüben der Stücke geprägt und nicht durch eine gedankliche oder geistige Arbeit bzw. Beschäftigung mit diesen.

Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, dass auch kulturelle und musikalische Betätigungen durchaus dem Begriff des Arbeitszimmers und seiner Nutzung bzw. seiner Funktion gerecht werden, so kann sich der erkennende Senat dieser Rechtsmeinung nicht anschließen. Denn die Nutzung eines Raumes zum Einüben von Musikstücken und zur Präparierung des dabei benutzten Musikinstrumentes kann schon allein deshalb nicht dem von der Rechtsprechung des BFH geprägten Begriff des Arbeitszimmers gerecht werden, weil dieser Raum weder die typische Ausstattung mit einem Schreibtisch aufweist, noch typischerweise wie ein Büroraum genutzt wird. Das Übezimmer ähnelt damit bei wertender Betrachtungsweise eher einem Tonstudio und nicht dem Typusbegriff des Arbeitszimmers. Dass auch das Einstudieren von Musikstücken eine gedankliche und geistige Beschäftigung darstellt, kann daher allein nicht ausreichend sein, um die Typusvoraussetzungen des Arbeitszimmerbegriffs zu erfüllen.

c) Ist der von der Klägerin als Übezimmer genutzte Raum nicht als Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG zu qualifizieren, kann auch nicht die dort vorgesehene Abzugsbeschränkung hinsichtlich der Betriebsausgaben für einen solchen Raum eingreifen.

Deshalb kann der erkennende Senat dahingestellt sein lassen, inwieweit der von der Klägerin als Übezimmer genutzte Raum letztendlich den Mittelpunkt ihrer gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit darstellt.

Da auch weder nach Aktenlage noch nach dem Sachvortrag der Beteiligten Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass das Übezimmer in nennenswertem Umfang zu privaten Zwecken genutzt wird, kann der Abzug der Aufwendungen für das Übezimmer als Betriebsausgaben auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer privaten Mitveranlassung im Sinne des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.

Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für das Übezimmer sind im Rahmen ihrer Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Betriebsausgaben zum Abzug zuzulassen.

II. Der Einkommensteuerbescheid für 2007 ist zu ändern. Bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit sind weitere Werbungskosten in Höhe von 3.068,33 € zu berücksichtigen, sodass die Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Streitjahr 2007 insgesamt 4.898 € betragen. Unter Berücksichtigung dieser Verminderung des Gesamtbetrags der Einkünfte und entsprechend des zu versteuernden Einkommens hat der Beklagte die Einkommensteuer neu zu berechnen, der Klägerin mitzuteilen und nach Rechtskraft des vorliegenden Urteils einen entsprechend geänderten Bescheid der Klägerin neu bekanntzugeben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10 und 711 Nr. 1 ZPO.

V. Der Senat lässt die Revision gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zu, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des BFH insoweit der Fortbildung des Rechts dient. Soweit ersichtlich liegt zu der Frage, inwieweit ein zum Einüben und Einstudieren von Musikstücken genutzter Raum eines Berufsmusikers als Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG anzusehen, bislang noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vor.

Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass diese Frage sich nicht ohne Weiteres auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Begriff des Arbeitszimmers entscheiden lässt und eine abschließende Klärung durch den Bundesfinanzhof selbst der Rechtssicherheit dienlich ist.

RechtsgebieteAO, EStGVorschriftenAO § 100 Abs. 1 Satz 1 EStG § 4 Abs. 4 EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG § 12 Nr. 1 Satz 2

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