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18.11.2010 · IWW-Abrufnummer 103770

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen: Urteil vom 18.10.2010 – L 16 KR 329/10 B, ER

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


L 16 KR 329/10 B ER

Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 25.5.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe
I. Der Beschwerdeführer (Bf), dessen seit 1997 bestehendes privates Krankenversicherungsverhältnis zum 30.09.2007 wegen Beitragsrückständen beendet worden ist und der sich seitdem nicht mehr versichert hat, begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin (Bg), ihn vorläufig als gesetzlich versichertes Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung zu führen.

Der 1971 geborene Bf war von 2000 - 2007 als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH selbständig tätig, die im Jahre 2007 Insolvenz anmeldete. Nach seinen Angaben meldete er nach Beantragung der Privatinsolvenz im Jahr 2008 alle seine Gewerbe ab; nach Darstellung seiner Mutter gegenüber der Bg war er noch bis Mai 2009 "freiberuflich" tätig. Im Handelsregister ist er noch als Kaufmann (e.K.) mit einem Gewerbe eingetragen, das er nach seinen Angaben jedoch bereits zum 31.12.2007 aufgegeben hat. Mit Beschluss vom 16.06.2009 wurde über sein Privatvermögen wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 10.08.2009 beantragte er beim JobCenter der Stadt I Arbeitslosengeld II (Alg-II), welches ihm mit Bescheid vom 22.09.2009 bewilligt wurde. Weil er zu diesem Zeitpunkt nicht krankenversichert war, wurde er weder bei einer gesetzlichen Krankenkasse angemeldet noch wurde ihm ein Zuschuss zu einer privaten Krankenversicherung bewilligt. Anfang 2010 erkrankte der Bf schwer (Multiorganversagen) und wurde anschließend bis 05.05.2010 in Krankenhäusern bzw. Reha-Einrichtungen stationär behandelt.

Im März 2010 beantragte er bei der Bg die Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Die Bg lehnte dies mit Bescheid vom 22.03.2010 ab: Grundsätzlich seien Personen, die Alg-II beziehen, versicherungspflichtig in der GKV (§ 5 Abs.1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)). Wenn jedoch derjenige, der Alg-II beziehe, unmittelbar vor dem Bezug von Alg-II privat krankenversichert oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert gewesen sei und eine hauptberuflich selbstständige oder freiberufliche Tätigkeit ausgeübt habe, trete diese Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 5a SGB V nicht ein. Als privat krankenversichert seien in diesem Zusammenhang auch die Personen mit Wohnsitz in Deutschland anzusehen, die ihrer ab 01.01.2009 nach § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) bestehenden Verpflichtung, sich in der privaten KV zu versichern, (noch) nicht nachgekommen sind. Weil der Bf zuletzt (2007) privat krankenversichert gewesen sei, sei er ab 01.01.2009 gesetzlich verpflichtet gewesen, sich in der privaten KV zu versichern (Basistarif). Deshalb gehöre der Bf jetzt zum Personenkreis, der der privaten KV zuzuordnen sei. Der Bf solle sich an ein privates KV-Unternehmen wenden und bei dem JobCenter einen Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen beantragen.

Am 10.05.2010 hat der Bf beim Sozialgericht Dortmund (SG) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und ausgeführt: Als Bezieher von Alg-II-Leistungen sehe er sich nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V als Mitglied der GKV. Seine frühere private Krankenversicherung wie auch andere private Krankenversicherungen hätten seine Aufnahme unter Hinweis auf diese Vorschrift beziehungsweise auf seine Vorerkrankungen abgelehnt. Das Sozialgericht hat den Antrag (sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH)) mit Beschluss vom 20.05.2010 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Es bestehe keine Versicherungspflicht des Bf in der GKV nach § 5 Abs.1 Nr. 2a SGB V. Denn nach § 5 Abs. 5a SGB V sei nach § 5 Abs.1 Nr. 2a SGB V nicht versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor dem Bezug von Alg-II privat versichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und hauptberuflich selbstständig erwerbstätig ist. Vor dem Bezug des Alg-II sei der Antragsteller selbstständig erwerbstätig gewesen. Ob diese Erwerbstätigkeit aufgrund der Erkrankung ruhe aber grundsätzlich fortbestehe, oder ob diese vollständig aufgegeben worden sei, sei aus dem Vortrag des Antragstellers nicht zu entnehmen. Jedenfalls sei er vor Bezug des Alg-II verpflichtet gewesen, sich privat zu versichern. Nach § 193 Abs. 3 VVG sei der Bf verpflichtet gewesen, seit 01.01.2009 eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Eine private KV sei nach § 12 Abs. 1b Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) verpflichtet, eine Versicherung im Basistarif zu gewähren. Wenn der Antragsteller dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, so könne er daraus nicht Ansprüche auf eine gesetzliche Versicherung herleiten. Hinsichtlich seines Anspruchs gegen die gesetzliche Krankenversicherung sei er so zu behandeln, als wäre er seiner Verpflichtung nach § 193 Abs. 3 VVG nachgekommen. Damit sei er aber unmittelbar vor Bezug des Alg-II privat und nicht gesetzlich versichert gewesen.

Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde. Der Bf ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5a SGB V nicht erfüllt seien, weil er unmittelbar vor dem Bezug von Alg-II nicht privat krankenversichert gewesen sei. Er gehöre auch nicht zu den in § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen. Seine Pflicht aus § 193 Abs. 3 VVG habe er nicht erfüllen können, weil er aufgrund seines Vermögensverfalls nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Prämien für die private KV zu zahlen und die privaten KV-Unternehmen sich wegen der Beitragsrückstände weigerten, ihn im Basistarif zu versichern. Seine Neuaufnahme in die private KV werde davon abhängig gemacht, dass er alle rückständigen Beiträge entrichte und - weil er in Privatinsolvenz sei - einen Jahresbeitrag im Voraus zahle. Über die Mittel dafür verfüge er jedoch nicht, deshalb könne er keinen privaten Krankenversicherungsschutz erlangen. Teilweise sei die Versicherung in der privaten KV auch wegen seiner Vorerkrankungen verwehrt worden. Wegen seiner schweren Erkrankung sei er dringend auf Krankenversicherungsschutz angewiesen. Dazu legt er Kopien des vorläufigen Entlassungsberichts vom 04.05.2010, Klinikrechnungen sowie die Bescheinigung der Zahnärzte Drs. Hordt/Kirchberg vom 10.08.2010 vor, wonach er an craniomandulärer Dysfunktion bei ausgeprägtem Bruxismus leidet, was dringend therapiert werden müsse.

Die Bg hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt, denn die beantragte einstweilige Anordnung ist zur Abwendung unzumutbarer Nachteile nicht erforderlich.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Abs. 2 Satz 2 der Norm auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann erlassen werden, wenn glaubhaft gemacht wird (§ 86b Abs. 2 Satz 4 iVm § 920 der Zivilprozessordnung), dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und dass der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung, insbesondere bei Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache, wesentliche Nachteile iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erleiden würde. Die in tatsächlicher (Glaubhaftmachung) wie in rechtlicher Hinsicht (summarische Prüfung) herabgesetzten Anforderungen für die Annahme eines Anordnungsanspruchs korrespondieren dabei mit dem Gewicht der glaubhaft zu machenden wesentlichen Nachteile. Drohen im Einzelfall ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (st. Rspr, vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05). 1. Der Antrag ist nicht schon deshalb begründet, weil unzweifelhaft mit dem Bezug von Alg-II Versicherungspflicht in der GKV nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V begründet worden ist und daher dem Bf angesichts eines offensichtlich bestehenden Anordnungsanspruchs das Abwarten des Hauptsacheentscheidung nicht zugemutet werden könnte. Der Bf ist nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V versicherungspflichtig in der GKV, weil er nach dem durch das GKV-WSG mWv 01.01.2009 eingefügten § 5 Abs.5 a SGB V vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausgenommen ist.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a 1.HS SGB V sind versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie Alg-II nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB II bezogen werden. Nach dieser durch Gesetz vom 24.12.2003 (BGBl I S 2954) - für Bezieher von Alg-II ab 1.1.2005 - eingeführten Regelung sollte dieser Personenkreis unabhängig davon, ob er zuletzt privat oder gesetzllich krankversichert war, während des Bezugs von Alg-II gesetzlich krankenversichert sein. Wegen der Neuordnung des Verhältnisses von gesetzlicher und privater Krankenversicherung durch das GKV-WSG und der Verpflichtung der privaten KV, künftig einen bezahlbaren Basistarif im Umfang des Leistungsangebots der gesetzlichen KV für Personen anzubieten, die privat krankenversichert sind oder sein können, erschien es dem Gesetzgeber nicht länger erforderlich, Alg-II-Bezieher auch dann in die Versicherungspflicht in der GKV einzubeziehen, wenn sie unmittelbar vor dem Leistungsbezug privat krankenversichert waren. Gleiches galt für die Personen, die unmittelbar vor dem Leistungsbezug weder gesetzlich noch privat krankenversichert waren und als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige oder als versicherungsfreie Person zu dem Personenkreis gehören, der grundsätzlich der privaten Krankenversicherung zuzuordnen ist (vgl. BT-Drucksache 16/3100 S. 94 f.).

Nach dem mWv 1.1.2009 eingefügten § 5 Abs. 5a SGB V ist deshalb nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor dem Bezug von Alg-II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Abs. 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Ausgenommen sind für die Dauer ihrer Hilfebedürftigkeit die Personen, die am 31.12.2008 wegen des Bezugs von Alg-II nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versichert waren.

Der Bf gehört nach Auffassung des Senats zu diesem nach § 5 Abs. 5a SGB V der privaten KV zugewiesenen Personenkreis. Er war seit 1997 bis zum Verlust des Versicherungsschutzes wegen Beitragsrückständen in der privaten KV krankenversichert. Da ein neuer Versicherungspflichttatbestand in der GKV zwischenzeitlich nicht begründet worden war - namentlich ordnete ihn der am 01.04.2007 in Kraft getretene § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB V nicht der gesetzlichen KV zu - , war er ab dem 01.01.2009 gemäß § 193 Abs. 3 VVG verpflichtet, für sich bei einem privaten Versicherungsunternehmen eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen. Unberührt war diese Verpflichtung davon, ob und in welchem Umfang der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch seiner selbständigen Erwerbstätigkeit in der eigenen GmbH oder als eingetragener Kaufmann nachging. Seiner Verpflichtung, der ein Kontrahierungszwang des Versicherers im Basistarif gegenüber stand und steht, ist der Bf allerdings bis zu dem Zeitpunkt der Beantragung von Alg-II nicht nachgekommen. Das hat indes nicht zur Folge, dass der Bf ab dem Beginn des Bezugs dieser Leistung gesetzlich krankenversichert geworden wäre.

Die Sanktionen des nicht rechtzeitigen Abschlusses einer privaten KV regelt das VVG in seinem § 193 Abs. 4 (vgl. dazu Marlow/Spuhl, Die Neuregelung der privaten Krankenversicherung durch das VVG, VersR 2009,593,598). Danach ist ein Prämienzuschlag zu entrichten, wenn der Vertragsabschluss später als einen Monat nach Entstehen der Pflicht nach Abs. 3 S. 1 beantragt wird. Eine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass jemand es (hier: bis zum Bezug von Alg-II) gänzlich unterlässt, sich entsprechend der Verpflichtung aus § 193 VVG zu versichern, enthalten weder VVG noch SGB V. Der Gesetzgeber ist ersichtlich davon ausgegangen, dass jeder der ohne KV- Schutz ist, von der neuen gesetzlichen Möglichkeit, sich im Basistarif günstig in der privaten KV zu versichern, wegen der Sanktion durch den Zuschlag zeitnah Gebrauch machen wird und damit seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommen wird. Keinesfalls kann angenommen werden, dass ein nach § 193 Abs. 3 VVG in der privaten KV Versicherungspflichtiger dieser Verpflichtung sowie jener zur Entrichtung von Zuschlägen nach § 193 Abs. 4 VVG dadurch ledig werden sollte, dass er ihnen nicht nachkommt und später Alg-II-Bezieher wird. Dagegen spricht neben dem Fehlen jeglicher Hinweise auf eine Beendigung einer einmal eingetretenen Versicherungspflicht nach § 193 Abs.3 VVG durch einen späteren Alg-II-Bezug im Gesetz vor allem die gesetzgeberische Wertentscheidung des GKV-WSG, wonach alle Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die zuletzt privat krankenversichert waren, sich bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichern müssen und dass dann, wenn eine frühere Krankenversicherung fehlt, sie in dem System versichert werden, dem sie zuzuordnen sind (vgl. BT-Drucksache 16/4247 S. 67). Diese Wertentscheidung, die insbesondere in § 5 Abs.1 Nr. 13 SGB V deutlich wird, bestimmt auch den § 5 Abs. 5a SGB V.

Es kann dahinstehen, ob - wie das SG und die Ag meinen - ein Anspruchsteller sich bei Nichterfüllung der Versicherungspflicht so behandeln lassen muss, als sei er tatsächlich versichert oder ob das tatsächliche Bestehen einer privaten Versicherung am letzten Tag vor dem Bezug des Alg-II ("unmittelbar") erforderlich ist (so SG Berlin, Beschluss vom 01.10.2010 - S 36 KR 182/10 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.05.2010 - L 9 KR 33/10 B ER). Gegen die Ansicht des SG spricht allerdings, dass in der PKV, anders als in der GKV, die Versicherungspflicht nicht automatisch zur Begründung eines Versicherungsverhältnisses führt, sondern nur die Verpflichtung zum Abschluss eines Versicherungsvertrages begründet. Als einzige Sanktion bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung hat der Gesetzgeber den Prämienzuschlag (§ 193 Abs. 4 VVG) vorgesehen. Der Gesetzgeber geht jedoch ausweislich der 2. Alternative des § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V davon aus, dass ungeachtet der bestehenden Versicherungspflicht Personen weiter ohne Versicherungsschutz sein können.

Jedoch ist die Versicherungspflicht nach der 2. Alternative ausgeschlossen. Zwar übte der Bf zum Zeitpunkt des Eintritts des Alg-II-Bezugs keine selbständige Tätigkeit mehr aus. Anders als das SG Berlin (a.a.O.) und das LSG Berlin (a.a.O.) hält der Senat es aber nicht für erforderlich, dass die selbständige Tätigkeit bis zum Beginn des Alg-II-Bezugs ausgeübt worden ist. Der Wortlaut der Bestimmung fordert dies nicht. Das Wort "unmittelbar" bezieht sich nur auf den Status als Versicherter: Wer - aus welchen Gründen auch immer - bis zum Beginn des Alg-II-Bezugs privat versichert war, bleibt in diesem System, während Personen, die zu diesem Zeitpunkt ohne Versicherungsschutz sind, nur dann nicht gesetzlich versichert sind, wenn sie dem Personenkreis angehören, der nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung dem System der PKV zuzuordnen ist. Auch die Formulierung "gehört" zwingt nicht zur Auslegung, dass die selbständige Tätigkeit noch bis zum Beginn des Alg-II-Bezugs ausgeübt worden sein muss. Für die Frage der Zugehörigkeit zum Kreis der oben bezeichneten Personen kommt es, wie durch den Wechsel vom Imperfekt ("versichert war") ins Präsens ("gehört") deutlich wird, nicht auf den Zeitpunkt unmittelbar vor dem Bezug von Alg-II an. Entscheidend ist vielmehr die Zugehörigkeit des betreffenden Alg-II-Beziehers zum Kreis der maßgeblichen Personen. Für diese Zugehörigkeit kann es aber nicht darauf ankommen, ob die selbstständige Tätigkeit aktuell - auch während des Leistungsbezugs - noch ausgeübt wird. Sonst würde die Zuordnung in der Hand des Betroffenen liegen und davon abhängen, ob erst die Tätigkeit eingestellt wird und dann der Alg-II-Antrag gestellt wird oder umgekehrt. Maßgeblich ist vielmehr der Status des Alg-II-Beziehers, wie er ihn durch die letzte berufliche Tätigkeit erworben hatte, ob er also grundsätzlich zu dem Personenkreis gehört, der nach § 5 Abs. 5 SGB V oder nach § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V der privaten KV zugewiesenen war und ist (so wohl auch Marlow/Spuhl, a.a.O., S. 594), unabhängig davon, welche Aktivitäten er während des Leistungsbezugs als Selbständiger noch verrichtet. An diesen Status knüpft das SGB V in der Fassung durch GKV-WSG für die Zuordnung zu einem der KV-Systeme stets an (vgl. z.B. BT-Drucksache 16/3100 S. 94)

Eine andere Auslegung würde dem Grundsatz widersprechen, die Risiken dem System zuzuordnen, dem sie aufgrund ihrer zuvor verrichteten Tätigkeit zuzuordnen sind. Die Regelung des § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V soll auch einer regelmäßigeren Lastenverteilung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung dienen (vgl. BT-Drucks. 16/3100 S. 95). Da wohl in den seltensten Fällen die Ausübung einer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit bis unmittelbar an den Leistungsbezug heranreicht, sondern Alg-II erst nach einer gewissen "Karenzzeit" beantragt wird, bliebe für die 2. Alternative kaum ein Anwendungsbereich, wenn man ihr Eingreifen davon abhängig machen würde, dass der Betroffene bis zum Beginn des Alg-II-Bezug "aktiv" selbständig tätig war. Damit würde das gesetzgeberische Ziel verfehlt, auch die wirtschaftlich schlechten Risiken in die PKV zu zwingen, soweit sie diesem Bereich zuzuordnen sind. Zudem ist zu bedenken, dass angesichts der Tatsache, dass der private Krankenversicherungsschutz das Zustandekommen eines Vertrages voraussetzt, die privaten Versicherungsunternehmen es in gewisser Weise in der Hand hätten, die Erlangung des privaten Krankenversicherungsschutzes bis zum Bezug von Alg-II zu verzögern. Da Versicherungspflicht (§ 193 Abs. 3 VVG) und Kontrahierungszwang (§ 193 Abs. 5 VVG) nicht deckungsgleich sind, weil der Versicherungspflicht auch anders als mit dem Basistarif genügt werden kann, während nur für den Basistarif Kontrahierungszwang besteht (vgl. Marlow/Spuhl a.a.O. S. 600), können Versicherer Anträge, die nicht ausdrücklich auf den Basistarif gerichtet sind, ablehnen, so dass ein uninformierter Anspruchsteller keinen Versicherungsschutz erlangt. Dass diese Annahme nicht fern liegt, zeigt der Vortrag des Bf: Sein (allerdings erst nach Beantragung von Alg-II begonnenes) Bemühen um "Rückkehr in die private KV war erfolglos, denn - sofern man nicht annehmen will, dass sich die privaten Versicherer offensichtlich rechtswidrig verhalten - er hat offenbar keine auf den Basistarif gerichteten Anträge gestellt, wenn diese nach seinem Vortrag wegen seiner wirtschaftlichen Situation bzw. (später) wegen Vorerkrankungen abgelehnt worden sind. Wenn in einer solchen Situation ein Selbständiger ohne Versicherungsschutz bleibt, seine Erwerbstätigkeit schließlich aufgibt und nach - kurzer - "Zwischenzeit" Alg-II bezieht, müsste bei "enger" Auslegung der 2. Alternative wieder die Versichertengemeinschaft der GKV für ihn aufkommen, obwohl er eindeutig dem System der PKV zuzuordnen war. Ein solches Ergebnis entspräche nach Auffassung des Senats nicht der gesetzgeberischen Grundentscheidung. Er hält es daher für sachgerecht, insoweit an den auf Grund der vorherigen Erwerbstätigkeit erlangten Status anzuknüpfen. An diesen Status knüpft das SGB V in der Fassung durch GKV-WSG für die Zuordnung zu einem der KV-Systeme stets an (vgl. BT-Drucksache 16/3100 S. 94). Die Alternative in § 5 Abs. 5 a SGB V "oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte" spricht ebenfalls für diese Auslegung. Denn bei dem dort angesprochenen Personenkreis dürfte es sich um jetzt (notwendig) im Inland aufhaltende Alg-II-Bezieher handeln, bei denen ebenfalls nicht an die aktuelle Tätigkeit, sondern an den auf Grund der zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit im Ausland erworbenen Status angeknüpft wird (vgl. auch BT-Drucksache 16/3100 S. 94). Für den Bf verbleibt es deshalb bei der Zuordnung zu dem Kreis der hauptberuflich Selbständigen, da sich an diesem Status vor dem Alg-II-Bezug - zum Beispiel durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung - nichts geändert hat. Der Bf bleibt damit der Sphäre der PKV zugewiesen.

2. Obwohl über die streitige Auslegung des § 5 Abs. 5 a SGB V höchstrichterlich noch nicht entschieden ist und der Kläger nach der Auslegung der genannten Vorschrift durch den Senat gegenwärtig nicht nur nicht gesetzlich, sondern auch noch nicht privat krankenversichert ist, bestand derzeit für den Senat im Rahmen der vorzunehmenden Folgenabwägung keine Veranlassung, zur Sicherung eines aktuellen Behandlungsbedarfs - gegebenenfalls befristet - die Bg antragsgemäß zu verpflichten. Zwar hat die Erlangung von Krankenversicherungsschutz erhebliche Bedeutung. Der Senat verkennt auch nicht, dass der Bf lebensbedrohlich erkrankt war und längere Zeit stationär behandelt werden musste. Allerdings besteht offensichtlich wegen dieser Erkrankung gegenwärtig kein akuter Behandlungsbedarf. Ausweislich des von ihm vorgelegten vorläufigen Entlassungsberichts vom 04.05.2010 war zwar die Symptomatik damals noch nicht komplett abgeklungen, es ist aber nicht ersichtlich, dass insoweit aktuell ärztliche Behandlungsmaßnahmen unabweisbar wären. Der Bf hat (erstinstanzlich) nur pauschal angegeben, er sei "auf ärztliche und medikamentöse Behandlung angewiesen" ohne konkret vorzutragen (geschweige denn glaubhaft zu machen), welche ärztlichen Behandlungsmaßnahmen oder Verordnungen (z.B. von Arzneimitteln) anfallen. Im Beschwerdeverfahren hat er auf ausdrücklichen Hinweis, er möge zum akuten Behandlungsbedarf vortragen, lediglich die Bescheinigung der Zahnärzte Dres. Hordt/Kirchberg vom 10.08.2010 übersandt. Nach dieser zahnärztlichen Bescheinigung besteht dringendste Therapiebedürftigkeit wegen Beschwerden im Kausystem bei ausgeprägtem Zahnknirschen. Insoweit hält es der Senat im Rahmen der Folgeabwägung für zumutbar, die fragliche Behandlung zunächst zurückzustellen, da dem Bf unzumutbare Folgen nicht erkennbar sind. Konkrete unabweisbar erscheinende Behandlungen wegen der von den Zahnärzten mitgeteilten sonstigen Gesundheitsstörungen gehen aus der Bescheinigung ebenfalls nicht hervor.

Der Bf ist darauf zu verweisen, sich um - endgültigen - Versicherungsschutz zu bemühen und entsprechend seiner seit 01.01.2009 bestehenden Verpflichtung eine private Krankenversicherung zumindest im Basistarif abzuschließen und ggf. ein Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid der Bg vom 22.03.2010 durchzuführen. Entsprechend seiner Zuordnung (s.o.) ist er trotz des inzwischen bezogenen Alg-II weiterhin nach § 193 Abs. 3 VVG berechtigt und verpflichtet, sich in der privaten KV zu versichern. Für die Versicherungsunternehmen der privaten KV besteht gemäß § 193 Abs. 5 VVG Kontrahierungszwang für eine Versicherung im Basistarif. Die Versicherung im Basistarif kann nicht wegen Vorerkrankungen abgelehnt werden (Umkehrschluss aus § 203 Abs. 1 Satz 3 VVG, vgl. Marlow/Spuhl, a.a.O., S. 600). Ebenso wenig dürfen private Versicherungsunternehmen den Vertragsschluss wegen der Insolvenz des Bf ablehnen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.06.2010, L 10 AS 817/10 B ER). Erst recht wäre es unzulässig, wenn sie - wie der Bf behauptet - das Zustandekommen eines Vertrages von der Zahlung der ausstehenden Prämien für die bis 2007 bestehende private Versicherung oder des Prämienzuschlages (§ 193 Abs. 4 VVG) abhängig machen würden, zumal hinsichtlich des Zuschlags nach § 193 Abs. 4 Satz 5 VVG eine Stundung in Betracht kommt. Sie sind auch nicht berechtigt, einen Jahresbeitrag im Voraus zu verlangen. Vielmehr sind die Beiträge zum Basistarif monatlich laufend zu entrichten (§ 8 Abs. 1 MB/BT 2009), wobei der erste Beitrag innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins zu leisten ist (§ 8 Abs. 2 MB/BT 2009). Der Bf hat nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II Anspruch gegen den Träger der Grundsicherung auf einen Beitragszuschuss. Dieser erreicht zwar nach der gesetzlichen Regelung nicht die Höhe des tatsächlich zur privaten Versicherung zu leistenden Beitrags, da nur ein Zuschuss in Höhe des in der gesetzlichen Versicherung zu leistenden Beitrags übernommen wird (§ 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II iVm § 12 Abs. 1c Satz 6 2. Halbsatz VAG). Ob insoweit im Wege verfassungskonformer Auslegung ein Anspruch auf den vollen in der PKV zu leistenden Beitrag besteht (so LSG für Saarland, Urteil vom 13.04.2010 - L 9 AS 15/09) oder - so die wohl herrschende Meinung - die Deckungslücke hinzunehmen ist (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 22.03.2010 - L 9 AS 570/09 B ER; Bayrisches LSG, Beschluss vom 21.04.2010 - L 7 AS 701/10 B ER) kann dahinstehen. Der Bf müsste allein den ersten Beitrag, der wegen seiner Bedürftigkeit nach § 12 Abs. 1c Satz 6 i.V.m. Satz 4 VAG die Hälfte des Beitrags für den Basistarif beträgt, in voller Höhe zahlen, um auf jeden Fall die mögliche Folge des Rücktritts wegen Zahlungsverzugs bei der Erstprämie nach § 37 VVG auszuschließen. Ohnehin dürfte diese Vorschrift im Rahmen des § 193 Abs. 3 VVG nicht anwendbar sein (vgl. Voit in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. § 193 Rdn. 40), da der Gesetzgeber für Prämienrückstände in § 193 Abs. 6 VVG eine eigenständige Regelung getroffen hat und das Rücktrittsrecht nach § 37 VVG dazu führen könnte, dass die Versicherungspflicht nicht erfüllt werden kann. Der Bf könnte aber die Differenz zwischen dem Zuschuss und der tatsächlichen Prämie aus der Regelleistung nach § 20 SGB II aufbringen oder - was wohl näher liegt - gegenüber dem Grundsicherungsträger - ggfls. im Wege einer einstweiligen Anordnung - darauf hinwirken, dass dieser darlehensweise einen Zuschuss bis zur Hälfte des halben Basistarifs erbringt (vgl. zu dieser Problematik auch LSG Berlin-Brandenburg a.a.O.). Nach Zustandekommen des Vertrages ist ein Ruhen von Leistungsansprüchen gemäß § 193 Abs. 6 VVG aufgrund eines Beitragsrückstandes in Höhe von Prämienanteilen für zwei Monate nicht zu befürchten, denn gemäß § 193 Abs. 6 S. 5 VVG endet das Ruhen, wenn der Versicherungsnehmer bedürftig im Sinne des SGB II wird. Nach ihrem Sinn und Zweck, den Ausschluss Hilfebedürftiger vom Versicherungsschutz zu vermeiden, ist diese Vorschrift so auszulegen, dass ein Ruhen gar nicht erst eintritt, wenn der Versicherungsnehmer bereits Leistungen nach dem SGB II bezieht (vgl. z.B. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.; wegen des Kündigungsschutzes s. § 206 und Marlow/Spuhl, a.a.O., S. 603). Auf dieses Vorgehen ist der Bf zu verweisen, weil derzeit ein dringender aktueller Behandlungsbedarf nicht glaubhaft gemacht ist.

Der Senat sieht sich angesichts der komplexen Rechtslage zu folgenden Hinweisen veranlasst: Kann der Bf kurzfristig - auch nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung - keinen privaten KV-Schutz erlangen, wird es sich anbieten, hier im Widerspruchsverfahren und ggfls. anschließenden Klageverfahren eine Klärung des Versicherungsschutzes unter Beteiligung des gewählten privaten Krankenversicherungsunternehmens zu betreiben. Letzteres wäre im Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 1 SGB X zu beteiligen und in einem evtl. anschließenden Klageverfahren nach § 75 Abs. 2 SGG beizuladen. Damit wäre gewährleistet, dass in einem Verfahren eine Klärung erreicht wird, ob der Bf der gesetzlichen oder der privaten Krankenversicherung zuzuordnen ist, weil der private Versicherungsträger nach Beiladung nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG an eine rechtskräftige Entscheidung gebunden wäre.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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