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13.10.2010 · IWW-Abrufnummer 103297

Oberlandesgericht Saarbrücken – 6 WF 60/10

Wird einem Kind sowohl im Hauptsacheverfahren als auch im parallel geführten einstweiligen Anordnungsverfahren ein Verfahrensbeistand bestellt, so fällt in jedem dieser Verfahren die Vergütung nach Maßgabe von § 158 Abs. 7 FamFG an, ohne dass eine Anrechnung der einen Vergütung auf die andere in Betracht kommt.


OLG Saarbrücken
Beschluß vom 16.6.2010
6 WF 60/10
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Verfahrensbeistandes wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in Ottweiler vom 30. April 2010, 13 F 660/09 UB und 13 F 661/09 EAUB, dahin abgeändert, dass die dem Verfahrensbeistand aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung für beide Verfahren auf insgesamt 900 EUR festgesetzt wird.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Das Familiengericht hatte mit Beschluss vom 24. November 2009 im einstweiligen Anordnungsverfahren 13 F 661/09 EAUB und mit Beschluss vom 27. November 2009 im Hauptsacheverfahren 13 F 660/09 UB den Beschwerdeführer zum Verfahrensbeistand des betroffenen Kindes bestellt; in Letzterem hatte es den Verfahrensbeistand auch damit betraut, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen und am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken.
Der Verfahrensbeistand hat durch Schreiben vom 9. Dezember 2009 im Hauptsacheverfahren eine Vergütung von 550 EUR und mit Schreiben vom selben Tage im einstweiligen Anordnungsverfahren eine solche von 350 EUR in Rechnung gestellt.
Durch Festsetzung vom 11. März 2010 hat das Familiengericht – Rechtspflegerin – nach Anhörung der Landeskasse die dem Verfahrensbeistand aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung für beide Verfahren auf insgesamt 550 EUR festgesetzt.
Gegen diesen ihm am 1. April 2010 zugestellten Beschluss hat der Verfahrensbeistand mit am 6. April 2010 beim Familiengericht eingegangenem Schreiben – auf beide Verfahren bezogen – Beschwerde eingelegt.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 30. April 2010, auf den Bezug genommen wird, hat die Rechtspflegerin die in beiden Verfahren gestellten Vergütungsfestsetzungsanträge des Verfahrensbeistandes vom 9. Dezember 2009 teilweise – soweit sie über insgesamt 550 EUR hinausgehen – zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen.
Gegen diesen dem Verfahrensbeistand am 3. Mai 2010 zugestellten Beschluss richtet sich seine am 5. Mai 2010 beim Familiengericht eingegangene Beschwerde, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg und führt zur antragsgemäßen Festsetzung der Vergütung des Verfahrensbeistandes für beide Verfahren auf insgesamt 900 EUR.
Die Beschwerde ist zulässig.
Die – gemäß §§ 158 Abs. 7 Satz 6, 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG i.V.m. § 3 Nr. 2 a RPflG funktionell zuständige (vgl. auch OLG Stuttgart, ZKJ 2010, 163 m.w.N.; Völker/Clausius, Sorgerecht, 3. Aufl. 2010, § 5 Rz. 33) – Rechtspflegerin hat zu Recht die wegen des 600 EUR nicht übersteigenden Beschwerdewerts zunächst unzulässige „Beschwerde“ des Verfahrensbeistandes gegen den Festsetzungsbeschluss vom 11. März 2010 als – zulässige – Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG behandelt. Dieser konnte die Rechtspflegerin – wie geschehen – auch dahingehend abhelfen, dass sie nunmehr in der Erinnerungsentscheidung vom 30. April 2010 die Beschwerde gemäß § 61 Abs. 2 und 3 FamFG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen hat (OLG Stuttgart a.a.O. m.w.N.; Schulte-Bunert/Weinreich/Dodegge, FamFG, 2. Aufl., § 168, Rz. 75; vgl. auch BayObLG FamRZ 2004, 304 m.w.N. zur Rechtslage nach dem FGG).
Die mit dieser Maßgabe gegen den Beschluss vom 30. April 2010 statthafte und auch im Übrigen nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur Festsetzung der dem Verfahrensbeistand aus der Landeskasse zu zahlenden Vergütung für beide Verfahren auf insgesamt 900 EUR.
Dem Verfahrensbeistand ist aus der Landeskasse neben der ihm vom Familiengericht für das Hauptsacheverfahren zuerkannten erhöhten Vergütung nach § 158 Abs. 7 S. 3 i.V.m. Abs. 4 S. 3 FamFG auch die Regelvergütung nach § 158 Abs. 7 S. 2 FamFG für das einstweilige Anordnungsverfahren zu zahlen. Beide Pauschalen sind entstanden und können auch nicht aufeinander angerechnet werden (soweit ersichtlich bislang allg. M; siehe Johannsen/Henrich/ Büte, Familienrecht, 5. Aufl. 2010, § 158 FamFG, Rz. 29; Menne, ZKJ, 2009, 68, 74; Prenzlow, ZKJ 2010, 238, 239; dem zuneigend auch Völker/Clausius, a.a.O. Rz. 35).
Nach § 158 Abs. 7 S. 2 bis 5 FamFG erhält der die Verfahrensbeistandschaft berufsmäßig führende Verfahrensbeistand für die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach Absatz 4 in jedem Rechtszug jeweils eine einmalige Vergütung in Höhe von 350 EUR; im Falle des erweiterten Aufgabenkreises nach Absatz 4 Satz 3 erhöht sich die Vergütung auf 550 EUR. § 158 Abs. 4 FamFG zufolge hat der Verfahrensbeistand das Interesse des Kindes festzustellen und „im gerichtlichen Verfahren“ zur Geltung zu bringen.
Bereits dieser – verfahrensbezogene – Wortlaut spricht für einen Anfall der Vergütung in jedem einzelnen gerichtlichen Verfahren, das das Kind betrifft, zumal eine Anrechnung der Vergütungen im Hauptsacheverfahren und im einstweiligen Anordnungsverfahren gesetzlich nicht vorgesehen ist und – gesetzessystematisch betrachtet – § 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG ausdrücklich die Selbständigkeit des einstweiligen Anordnungsverfahrens vom Hauptsacheverfahren anordnet. Damit steht in Einklang, dass die Verfahren aktenmäßig getrennt geführt werden, der Maßstab der richterlichen Überzeugungsbildung – Beweis bzw. Glaubhaftmachung – verschieden ist und die Verfahren auch zeitlich völlig unabhängig voneinander betrieben werden können.
Auch die Gesetzesmaterialien geben keine Anhaltspunkte dafür her, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sein könnte, dass die Pauschale nur in einem der beiden Verfahren entstehen oder die Vergütungen aufeinander angerechnet werden sollten, nachdem die Pauschalierung der Vergütung für berufsmäßig geführte Verfahrensbeistandschaften in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens überraschend durchgesetzt wurde (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 8. März 2010, 10 UF 44/10, m.w.N.; Völker/Clausius in: Friederici/Kemper, HK-FamFG, 1. Aufl., § 158, Rz. 23; BT-Drucks. 16/9733, S. 294 und BT-Drucks. 16/12717, S. 61). Allerdings hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er sich bei der Vergütung der Tätigkeit berufsmäßig tätiger Verfahrensbeistände bewusst war, dass eine auskömmliche Vergütung des Verfahrensbeistands verfassungsrechtlich geboten ist (BT-Drucks. 16/9733, S. 294), weil es einem Verfahrensbeistand weder zumutbar ist, im Rahmen der ihm übertragenen Beistandschaft seine Tätigkeiten so einzuschränken, dass sie mangels ausreichender Wahrnehmung der Interessen des Kindes dessen Rechte verletzt, noch Tätigkeiten unentgeltlich zu erbringen, um einen den Grundrechten des Kindes gerecht werdenden verfassungsrechtlich gebotenen Standard der Kindesvertretung zu gewährleisten (siehe dazu BVerfG FamRZ 2004, 1267). Unter Bezugnahme hierauf hat der Gesetzgeber daher die vom Bundesrat vorgeschlagene Beibehaltung des aufwandsbezogenen Vergütungssystems mit einer festen Obergrenze abgelehnt, weil diese dem Verfahrensbeistand keine Mischkalkulation aus einfach und komplex gelagerten Fällen eröffne und die Fallpauschale zudem eine wünschenswerte Annäherung der Vergütung des Verfahrensbeistandes an die gebührenorientierte Vergütung der Rechtsanwälte bewirke, wobei sich der Gesetzgeber an den entsprechenden Gebührensätzen für einen in einer Kindschaftssache tätigen Rechtsanwalt unter Zugrundelegung des Regelverfahrenswerts von 3.000 EUR – indes mit einer Deckelung des Gebührensatzes auf 2,0 – orientiert hat (BT-Drucks. 16/9733, S. 294).
Zu berücksichtigen ist ferner, dass das Bundesverfassungsgericht jüngst im Rahmen einer Nichtannahmenentscheidung zu erkennen gegeben hat, dass es Aufgabe der Fachgerichte ist, durch die Klärung sich um § 158 Abs. 7 FamFG rankender Fragen dafür Sorge zu tragen, dass Verfahrensbeistände im Rahmen einer Mischkalkulation unzulängliche Einnahmen in manchen Fällen durch höhere Einnahmen in anderen Fälle ausgleichen können (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 185; siehe insoweit auch Beschluss des 9. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 13. April 2010, 9 WF 28/10).
Ein zu engherziges Verständnis der Fallpauschale begegnete also verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal bereits der im Gesetzgebungsverfahren angestellte Vergleich mit der Anwaltsvergütung bei näherer Betrachtung argumentativ nicht belastbar ist. Denn die in § 158 Abs. 7 FamFG gewährten Pauschalen bleiben bereits hinter der bei einem Verfahrenswert von 3.000 EUR in erster Instanz entstehenden Anwaltsvergütung von (2,5 * 189 EUR zzgl. 20 EUR Auslagenpauschale zzgl. 19 % Umsatzsteuer =) rund 586 EUR zurück, in der regelmäßig eine Terminsgebühr anfällt (insoweit zutreffend Menne, ZKJ 2009, 68, 73; dessen Aussagen zu den zweitinstanzlichen Gebühren nehmen allerdings nur die Situation in den Blick, in der erneut mündlich angehört und nicht nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG hiervon abgesehen wird). Hinzu kommt, dass im Rahmen der Mischkalkulation des Rechtsanwalts auch Mandate mit wesentlich höheren Verfahrenswerten Berücksichtigung finden, wenn auch die anwaltliche Bürokostenstruktur zumeist nicht dieselbe sein wird wie die eines – wie hier – nicht anwaltlichen Verfahrensbeistandes.
Dass der Verfahrensbeistand sowohl im einstweiligen Anordnungsverfahren als auch im – zumeist mindestens teilweise deckungsgleichen – Hauptsacheverfahren tätig ist, mag eine gewisse Zeit- und Kostenersparnis verursachen. Bei der vom Gesetzgeber angeordneten Pauschalierung der Verfahrensbeistandsvergütung ist jedoch kein Bezug zum tatsächlichen, im Einzelfall entstehenden Arbeitsaufwand des Verfahrensbeistandes gegeben, gerade dies wollte der Gesetzgeber, um die Abrechnung der Vergütung zu vereinfachen, so festlegen. Dem – und der vom Gesetzgeber gewollten Mischkalkulation – entspricht es auch, dass dieser festgelegt hat, dass die Pauschale für jede Instanz in gleicher Höhe zu zahlen ist, obwohl im Durchschnitt der Aufwand des Verfahrensbeistandes in der Beschwerdeinstanz regelmäßig geringer sein dürfte als in der ersten Instanz (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 8. März 2010, 10 UF 44/10).
Nach alledem ist der angefochtene Beschluss wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich abzuändern.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 70 FamFG).

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