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01.09.2010 · IWW-Abrufnummer 102794

Amtsgericht Dortmund: Urteil vom 21.09.2008 – 421 C 9664/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


421 C 9664/07
Amtsgericht Dortmund
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.178,96 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2007 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten zu 88 % und dem Kläger zu 12 % auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet.
Die Berufung wird für den Kläger nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger unterhält zu den Bedingungen der MB/KK 94 bei der Beklagten eine Krankenversicherung, wonach die Kosten für zahnärztliche Heilbehandlung und Zahnersatz nach dem Tarif Z 5 zu 80 % erstattungsfähig sind.
In der Zeit vom 24.01. bis 21.07.2006 ließ der Kläger von dem Zahnarzt Dr. I eine umfangreiche Gebisssanierung durchführen, insbesondere in den Zahngebieten 47, 46, 35 und 37 Implantate einsetzen, wobei diese Behandlung computergestützt mit der sogenannten Implantatnavigation durchgeführt wurde.
Bezüglich der entsprechenden Arztrechnungen vom 24.05. und 09.08.2006 (Bl. 25 ff der Akte) nahm die Beklagte bei ihren Abrechnungen vom 12.06. und 28.08.2006 Kürzungen vor, die sie mit entsprechenden Informationsschreiben (Bl. 33, 36 d. Akte) erläuterte. Gegenstand der Klage sind die auf Blatt 4 der Klageschrift unter Nummern 1 bis 10 aufgelisteten Kürzungsbeträge von insgesamt 1.675,30 €, die entsprechend dem vereinbarten Tarif zu einer Quote von 80 % geltend gemacht werden.
Die Berechtigung der Positionen 7, 9 und 10 hat die Beklagte nach gerichtlicher Beweisaufnahme unstreitig gestellt.
Zu den Positionen 1 bis 5 streiten die Parteien darüber, ob die Mehrkosten, die in Folge der Implantatnavigation entstanden sind, Kosten einer medizinischen notwendigen Heilbehandlung im Sinne von § 1 MB / KK darstellen.
Zur Position 6 streiten die Parteien darüber, ob bzgl. der Operation zur Lagerbildung die Gebührenstelle Ä 2730 oder die Gebührenstelle Ä 2732 (Operation zur Lagerbildung für Knochen oder Knorpel bei ausgedehnten Kieferdefekten) zur Anwendung zu bringen ist.
Position 8 betrifft das Auswechseln von Sekundärteilen am 21.06.2006. An diesem Tag hat der behandelnde Zahnarzt 4 Gingivaformer ausgebaut, Prothetikpfosten eingesetzt, diese im Mund für den Abdruck zur Herstellung der Brücke nachpräpariert, dann wieder entnommen und die – unveränderten – Gingivaformer wieder eingesetzt.
Der Kläger behauptet mit Einzelausführungen, die Implantatnavigation sei im vorliegenden Fall medizinisch notwendig gewesen. Ohne eine solche Navigation hätte sein Gebiss nicht mit Implantaten versorgt werden können. Auch seien die Positionen 1 bis 5 der Klageschrift nicht durch die Gebührenstelle 900 abgegolten.
Die Abrechnung der Position Ä 2732 sei wegen des Umfangs der gebotenen Maßnahmen zutreffend. Des weiteren sei am 21.06.2006 die Position 905 zutreffend berechnet worden. Das Herausnehmen und anschließende Wiedereinsetzen der Gingivaformer erfülle den Gebührentatbestand (OLG Karlsruhe Versicherungsrecht 2002, 743).
Die Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.340,24 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 988,21 € seit dem 13.06.2006 und aus 352,03 € seit dem 24.08.2006 zu zahlen.
die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn weitere 186,24 € zu zahlen.
Die Beklagte erkennt die Klageforderung in Höhe von 265,82 € ohne Zinsen an und beantragt im übrigen,
die weitergehende Klage abzuweisen.
Sie bestreitet die medizinische Erforderlichkeit der Implantatnavigation, deren Kosten auch deshalb nicht versichert seien, weil sich diese Behandlungsmethode im Jahre 2006 noch im Experimentalstadion befunden habe. Außerdem seien die entsprechenden Leistungen bereits durch die Gebührenziffer 900, die zum Höchstbetrag abgerechnet worden sei, abgegolten. Mangels eines ausgedehnten Kieferdefektes sei des weiteren die Gebührenstelle Ä 2732 nicht gerechtfertigt. Darüber hinaus habe sie das Ein- und Ausbauen der Gingivaformer sowohl für den 22.05. als auch für den 18.07.2006 entgegenkommender Weise erstattet. Am 21.06.2006 seien die Voraussetzungen der Gebührenstelle 905 nicht erfüllt gewesen.
Das Gericht hat zum streitigen Sachverhalt ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen I2 eingeholt und diesen sowohl am 10.07. als auch 24.09.2008 persönlich angehört. Des weiteren ist der behandelnde Zahnarzt als Zeuge vernommen worden. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschriften der genannten Terminstage Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist aufgrund des Versicherungsvertrages überwiegend begründet.
1.
Die Kürzungen zu Positionen 1 bis 5 der Klageschrift hat die Beklagte zu Unrecht vorgenommen. Wie der Sachverständige eingehend und nachvollziehbar dargelegt hat, war es aufgrund anatomischer Besonderheiten im Kiefer des Klägers medizinisch nicht zu verantworten, die Implantate ohne Unterstützung durch Navigationstechnik in den Kiefer einzusetzen. In tatsächlicher Hinsicht sind die Ausführungen des Sachverständigen von dem vernommenen Zeugen eindrucksvoll bestätigt worden, der detailreich darlegen konnte, aus welchen Gründen (vergrößerte Zunge, Knochenschwund des Kiefers im Außenbereich sowie Schrägstellung des Kiefers) das Einbringen der Implantate im vorliegenden Fall ohne Navigationsunterstützung nicht möglich war. Die danach gegebene medizinische Notwendigkeit der Navigationstechnik kann nach Auffassung des Gerichts nicht deshalb verneint werden, weil der Patient, worüber Sachverständiger und behandelnder Zahnarzt allerdings unterschiedlicher Meinung waren, mit einem herausnehmbaren Zahnersatz hätte versorgt werden können. Denn nach dem heutigen Stand der medizinischen Technik ist es keinem Patienten zuzumuten, auf einen fest sitzenden Zahnersatz zu verzichten. Eine andere Argumentation würde darauf hinauslaufen, dass man die versicherten Patienten darauf verweisen könnte, auf jedweden künstlichen Zahnersatz zu verzichten.
Des weiteren hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass die zu Positionen 1 bis 5 der Klageschrift von der Beklagten gekürzten Leistungen nicht mit der Gebührenziffer 900 abgegolten sind, die auch bei einer herkömmlichen Behandlungsmethode anfällt.
Das Bedenken der Beklagten, die Navigationstechnik befinde sich noch in den Kinderschuhen und stelle aus diesem Grunde keine versicherte Leistung dar, überzeugt nicht. Vielmehr haben sich keine Zweifel an den Ausführungen des Sachverständigen ergeben, dass die Experimentierphase bzgl. der Navigation bereits seit langen Jahren abgeschlossen ist und diese neue Technik schon seit dem Jahre 2003, also lange vor der hier fraglichen Behandlung, Einzug in viele Praxen der Zahnärzte gefunden hat.
2.
Die Kürzung zu Position 6 der Klageschrift hat die Beklagte ebenfalls zu Unrecht vorgenommen. Aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen hat das Gericht keinerlei Zweifel daran, dass ausgedehnte Kieferdefekte im Sinne der Gebührenbestimmung vorgelegen haben. Insbesondere ist das Gericht davon überzeugt, dass der Zeuge in den Behandlungsunterlagen sowie in seiner Rechnung nur deshalb lediglich den Bereich 35 erwähnt hat, weil er befürchtete, der Computer würde bei einer Mehrangabe den Gebührenbetrag mehrfach ausweisen. Bei einem Gesamtvolumen von nahezu 10.000,00 € der Behandlungsmaßnahme kann auch ausgeschlossen werden, dass er lediglich aus finanziellem Eigennutz wahrheitswidrig behauptet, der entsprechende Bereich sei länger als 2 cm gewesen. Dies kann das Gericht auch aufgrund des positivem persönlichen Eindrucks, den es von der Person des Zeugen gewonnen hat, ausschließen. Nach den zutreffenden Ausführungen des Sachverständigen verbleibt auch kein Zweifel daran, dass bei einem Ausmass von mehr als 2 cm ein ausgedehnter Kieferdefekt im Sinne von Ä 2732 zu bejahen ist.
3.
Zu Position 8 konnte sich das Gericht der Auffassung des Klägers, die nicht nur von dem Sachverständigen, sondern auch von dem behandelnden Arzt geteilt wird, nicht anschließen, weshalb die Klage insoweit abzuweisen war. Zwar kann nach den Ausführungen des Sachverständigen davon ausgegangen werden, dass die Maßnahme am 21.06.2006 mit einem nicht unerheblichen Zeitaufwand verbunden war, weil sie in dem mühevollen Einschrauben und späteren Wiedereinschrauben der Gingivaformer besteht, wobei der Behandler auch noch darauf achten muss, dass er die einzelnen Gingivaformer nicht vertauscht. Gleichwohl ist dieser Arbeitsschritt nicht gesondert abrechnungsfähig, weil sich dies entgegen der Auffassung des OLG Karlsruhe aus dem Wortlaut der Gebührenvorschrift nicht herleiten lässt. Schon dem Wortsinn nach kann ein Auswechseln eines Sekundärteils nur dann angenommen werden, wenn das Teil entnommen und anschließend gegen ein anderes Teil ausgetauscht wird (so zutreffend LG Hagen Versicherungsrecht 2002, 744, ferner Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 17.09.2007 – 408 C 3266/07). Denn jede Auslegung muss ihre Grenze da finden, wo der Wortlaut der Bestimmung das gewünschte Ergebnis (hier Vergütung des Zeitaufwandes des Zahnarztes) nicht hergibt.
Nach alledem war die Beklagte unter Berücksichtigung des anerkannten Teilbetrages zur Zahlung von 1.178,96 € zu verurteilen und die Klage im übrigen abzuweisen. Die Zinsforderung ist aus Verzugsgesichtspunkten seit der endgültigen Leistungsverweigerung der Beklagten am 11.05.2007 begründet. Wegen der Zinsmehrforderung war die Klage abzuweisen, weil, worauf im Verhandlungstermin vom 10.07.2008 hingewiesen worden ist, die beiden Informationsschreiben der Beklagten vom 12.06. und 23.08.2006 nicht als endgültige Leistungsverweigerung verstanden werden können. Wegen der als Nebenforderung geltend gemachten Rechtsanwaltskosten war die Klage ebenfalls abzuweisen, weil aus den genannten Gründen nicht dargetan ist, dass die Beklagte zur Zeit der Beauftragung der Rechtsanwälte des Klägers bereits im Zahlungsverzug war.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Berufung war für den Kläger nicht zuzulassen, weil die entsprechenden Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen. Bezüglich der Erstattungsfähigkeit der Computernavigation beruht die Entscheidung auf konkreten Einzelfallumständen. Zur Frage der Auslegung der Gebührenstelle 905 gibt es – soweit ersichtlich für den Landgerichtsbezirk Dortmund keine Rechtsprechungsdivergenz.

RechtsgebieteGebührenrecht, Versicherungsrecht VorschriftenGOÄ, GOZ, ZPO

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