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22.10.2010 · IWW-Abrufnummer 102626

Sozialgericht Aachen: Urteil vom 13.07.2010 – S 13 KR 136/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Beitragspflicht zur Krankenversicherung (KV) und Pflegeversicherung (PV) einer Kapitalleistung aus einer im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung geschlossenen Lebensversicherung.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist seit dem 11.04.2006 bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert. Am 20.12.1979 schlossen die damalige Arbeitgeberin des Klägers, die Kaufhof AG, als Versicherungsnehmerin und die Agrippina Lebensversicherung AG als Versicherer eine Kapitallebensversicherung (Versicherungsschein-Nr. 5401712) zu Gunsten des Klägers als versicherter Person ab. Versicherungsbeginn war der 01.01.1980. In einer am 29.12.1979 zwischen dem Kläger und der Kaufhof AG getroffenen Vereinbarung heißt es, dass der Arbeitgeber für den Kläger diese Lebensversicherung als Direktversicherung auf der Grundlage des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) schließt. Der (damalige) Jahresbeitrag von 1.200,00 DM wurde vom Bruttolohn des Klägers einbehalten und vom Arbeitgeber direkt an den Versicherer gezahlt. Zum 01.01.1992 fand ein Arbeitgeberwechsel statt; der Kläger wechselte von der Kaufhof AG zur Kaufring AG; der Lebensversicherungsvertrag ging auf den Kläger als Versicherungsnehmer über, der nunmehr die Beiträge selbst zahlte.

Mit Schreiben vom 11.12.2009 zeigte die "Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung AG" als Rechtsnachfolgerin der Agrippina Lebensversicherung AG die Auszahlung einer Kapitalleistung aus dem Versicherungsvertrag zum 01.01.2010 in Höhe von 42.266,31 EUR an, verbunden mit dem Hinweis, es handele sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung.

Durch Bescheid vom 21.12.2009 stellte die Beklagte - zugleich im Namen der Pflegekasse - die Beitragspflicht der ausgezahlten Kapitalleistung fest. Für die Beitragsbemessung gelte 1/120 der Leistung (= 352,22 EUR) als monatlicher Zahlbetrag, d.h. die Kapitalleistung werde auf zehn Jahre umgelegt. Ab 01.02.2010 betrage der Beitrag zur KV 52,48 EUR, zur PV 6,87 EUR, insgesamt monatlich 59,35 EUR.

Den dagegen am 20.01.2010 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 20.04.2010 mit ausführlicher Begründung unter Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften sowie die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts zurück.

Dagegen hat der Kläger am 21.05.2010 Klage erhoben. Er trägt vor, er habe 1979 nicht wissen können, dass zum 01.01.2004 ein Gesetz eingeführt werde, mit dem seine Leistung aus der betrieblichen Altersversorgung der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unterworfen werde. Für vor dem 01.01.2004 geschlossene Verträge müsse Vertrauensschutz gelten, anderenfalls ein echte verfassungswidrige Rückwirkung vorläge. Des weiteren sei zu berücksichtigen, dass ab 01.01.1992 die Beiträge aus Einkünften bezahlt worden seien, die bereits der Sozialversicherungspflicht unterlägen hätten. Hätte er auf die Kapitalleistung Sozialversicherungsbeiträge zu leisten, würde es zu einer doppelten Sozialversicherungspflicht kommen; darin läge ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Artikel 14 Grundgesetz (GG). Der Kläger verweist im Übrigen auf ein beim BVerfG noch anhängiges Verfahren 1 BvR 739/08.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 21.12.2009 in der Fassung desWiderspruchsbe-scheides vom 20.04.2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die von der "Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung-AG" zum 01.01.2010 ausgezahlte einmalige Kapitalleistung in Höhe von 42.266,31 EUR unterliegt in voller Höhe der Beitragspflicht zur KV und PV.

Bei der ausgezahlten Kapitalleistung handelt es sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 1 des "Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Alters- versorgung" (BetrAVG). Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn eine so genannte Direktversicherung abgeschlossen wurde, das ist ein Lebensversicherungsvertrag, den der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer auf das Leben eines Arbeitnehmers (versicherte Person) bei einem zugelassenen Versicherer abgeschlossen hat; bezugsberechtigt sind der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen. So war es bei dem 1979 zwischen der Kaufhof AG als Arbeitgeberin und der Agrippina Lebensversicherung-AG als Versicherer mit dem Kläger als bezugsberechtigtem Arbeitnehmer geschlossenen Lebensversicherungsvertrag.

Die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen der betrieblichen Altersversorgung zur KV ergibt sich aus § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), zur PV aus § 57 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), der auf die vorgenannten Vorschriften des SGB V verweist.

Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung, sondern - wie im Fall des Klägers - eine einmalige Kapitalleistung, so gilt ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens für 120 Monate (§ 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits entschieden hat, ist die Heranziehung von Versorgungsbezügen (auch) in der Form der nicht wiederkehrenden Leistung - wie die einmalige Kapitalzahlung aus der betrieblichen Altersversorgung - zur Beitragspflicht mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 07.04.2008 - 1 BvR 1924/07). Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 13.09.2006 - B 12 KR 5/06 R; Urteil vom 25.04.2007 - B 12 KR 25/05 R; Urteil vom 12.12.2007 - B 12 KR 2/07 R; Urteile vom 12.11.2008 - B 12 KR 6/08 R und B 12 KR 9/08 R).

Dass sich - nach Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung - die Beitragspflicht aus Versorgungsbezügen auch darauf bezieht, ergibt sich aus § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI (LSG NRW, Urteil vom 14.02.2008 - L 5 KR 77/07). Ebenso ist bereits mehrfach entschieden worden, dass Leistungen aus einer Direktversicherung ihren Charakter als Versorgungsbezug nicht deshalb verlieren, weil sie zum Teil oder ganz auf Leistungen des Arbeitnehmers bzw. des Bezugsberechtigten beruhen. Sie bleiben auch dann in vollem Umfang Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, wenn nach einem Arbeitgeberwechsel oder nach Beendigung der Erwerbstätigkeit die Beiträge allein vom Beschäftigten als Versicherungsnehmer getragen werden. Bei der Begründung der Beitragspflicht ist nicht auf den nachweisbaren Zusammenhang mit dem früheren Erwerbsleben abzustellen, sondern typisierend anzuknüpfen. Das BSG hält damit an einer "institutionellen Abgrenzung" fest, die sich allein daran orientiert, ob die Rente von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt wird. Diese Abgrenzung - so das BSG - vermeide auch die praktische Schwierigkeit, Zahlungen in einen beitragsfreien und einen beitragspflichtigen Teil aufspalten zu müssen (vgl. z. B. BSG, Urteile vom 12.12.2007 - B 12 KR 2/07 R, vom 25.04.2007 - B 12 KR 25/05 R, vom 13.09.2006 - B 12 KR 5/06 R, vom 26.03.1996 - 12 RK 21/95 und vom 06.02.1992 - 12 RK 37/91).

Schließlich hat das BVerfG auch schon zu der Änderung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V ab 01.01.2004 durch Artikel 1 Nr. 143 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) entschieden. Aus dem Beschluss vom 07.04.2008 (1 BvR 1924/07) wird ersichtlich, dass auch in der Vergangenheit abgeschlossene Verträge rechtmäßig in die Beitragspflicht einbezogen worden sind, diese Änderung also mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Zur Frage, ob ein gemischt finanzierter Versicherungsvertrag, der betrieblich begonnen und nach Ausscheiden aus dem Unternehmen vom Arbeitnehmer privat weiter finanziert wurde, als betriebliche Altersversorgung anzusehen ist und eine umfassende Beitragspflicht begründet, ist unter dem Az. 1 BvR 739/08 eine Verfassungsbeschwerde anhängig. Dies allein reicht aber nicht aus, um ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beitragsbescheide zu begründen (vgl. LSG NRW, Beschlüsse vom 22.02.2010 - L 11 KR 4/10 B ER - und vom 03.05.2010 - L 11 KR 139/10 B ER).

Soweit die Kapitalleistung - wie von der "Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung- AG" mitgeteilt - zum 01.01.2010 in Höhe von 42.266,31 EUR ausgezahlt worden ist, hat die Beklagte den der Beitragspflicht unterliegenden monatlichen Zahlbetrag von 1/120 der Kapitalleistung auf 352,23 EUR bestimmt. Hiervon sind in der von der Beklagten - zugleich im Namen der Pflegekasse (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 4 SGB XI) - zutreffend festgestellten Höhe die Beiträge zur KV und PV zu entrichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

RechtsgebietKrankenversicherung

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