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23.07.2010 · IWW-Abrufnummer 102283

Oberlandesgericht Stuttgart: Beschluss vom 26.05.2010 – 2 Ss 269/10

Eine Verurteilung wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein in Deutschland für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis gesperrter Bürger eine tschechische EU-Fahrerlaubnis (mit eingetragenem tschechischen Wohnsitz) erwirbt, um ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehr in Deutschland zu führen.



Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts – 38. Kleine Strafkammer – Stuttgart vom 29. Januar 2010 wird als unbegründet
verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe:

I.
Der Angeklagte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Backnang vom 12.10.2009 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu der Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je € 40 verurteilt. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis von einem Jahr angeordnet. Auf die Berufung des Angeklagten änderte das Landgericht Stuttgart das Urteil des Amtsgerichts am 29.01.2010 insoweit ab, als dieser wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu der Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu € 10.- verurteilt wurde. Nach den Feststellungen des Landgerichts war dem Angeklagten, dem noch nie eine inländische Fahrerlaubnis erteilt wurde, mit Verfügung vom 02.04.2008, unanfechtbar seit 07.05.2008, die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis versagt worden. Die Versagung ist im Verkehrszentralregister eingetragen und mangels Tilgungsreife dort noch nicht getilgt. Der Angeklagte erwarb am 21.01.2009 eine tschechische Fahrerlaubnis der Klassen A und B. In dem ihm ausgestellten Führerschien war ein tschechischer Wohnort des Angeklagten eingetragen; nach eigenen Angaben war er jedoch tatsächlich in Deutschland wohnhaft. Obwohl er die Möglichkeit erkannte, aufgrund seiner tschechischen Fahrerlaubnis nicht zum Führen von führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeugen im inländischen öffentlichen Straßenverkehr berechtigt zu sein, lenkte er dort am 02.04.2009 einen Pkw. Er hatte gehofft, seine tschechische Fahrerlaubnis werde ihn in Deutschland zum Führen eines Pkw berechtigen, zumal er zuvor bereits folgenlos von der Polizei kontrolliert worden war.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.
Die zulässige Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Die rechtliche Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe sich des fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig gemacht, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Angeklagte war nicht berechtigt, mit seiner unter dem 21.01.2009 ausgestellten tschechischen EU-Fahrerlaubnis (mit eingetragenem tschechischen Wohnsitz) ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehr in Deutschland zu führen.

1. Nach § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Fahrerlaubnisverordnung in der hier anzuwendenden Fassung vom 07.01.2009, in Kraft getreten am 19.01.2009 (FeV), gilt eine Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland nicht für Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis, denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Mit Verfügung vom 02.04.2008, unanfechtbar seit 07.05.2008, wurde dem Angeklagten die Erteilung einer Fahrerlaubnis versagt, nachdem er kein Gutachten von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für seine Fahreignung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 3 StVG beibringen konnte. Da die Entscheidung über die Versagung der Fahrerlaubnis formell wirksam ist, ist deren sachliche Richtigkeit nicht mehr zu überprüfen (vgl. hierzu: OLG Hamm, Beschluss vom 14.04.2009, 3 Ss 105/09). Auch die übrigen Voraussetzungen liegen vor, da die Versagung im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht getilgt ist (vgl. § 28 Abs. 4 S. 3 FeV i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 S. 1 StVG).

2. Diese Auslegung nationalen Rechts ist mit Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit dem Anerkennungsgrundsatz nach der Richtlinie 2006/126/EG vom 20.12.2006 (sog. 3. Führerscheinrichtlinie) vereinbar (so auch mit jeweils ausführlicher Begründung: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10.11.2009, 11 CS 09.2082; und Beschluss vom 21.12.2009, 11 CS 09.1791; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.01.2010, 16 B 814/09; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.01.2010, 10 S 2391/09; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Auflage 2010, § 21 StVG, Rz 6a, S. 802, § 2 StVG, Rz 21/1 m.w.N. aus der Literatur; a.A.: Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 04.12.2009, 2 B 2138/09 zum kumulativen Vorliegen von § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 und 3 FeV; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.02.2010, 10 B 11351/09 zur Notwendigkeit des Laufens einer Sperrfrist bei Anwendung von § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FeV).

§ 28 Abs. 4 (S. 1 Nr. 3) FeV dient der Umsetzung von Art. 11 Abs. 4 Unterabsatz (künftig: UAbs. ) 2 der 3. Führerscheinrichtlinie, der gemäß Art. 18 Abs. 2 dieser Richtlinie seit dem 19.01.2009 in Kraft und hier anzuwenden ist (hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rz 3; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, a.a.O., Rz 8; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10.11.2009, a.a.O., Rz 19). Die FeV ist vom Wortlaut der Richtlinie gedeckt. Nach Ansicht des Senats sprechen auch historische oder systematische Gründe nicht dafür, Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 der 3. Führerscheinrichtlinie einschränkend auszulegen und die Versagung der Anerkennung danach (und darauf aufbauend nach § 28 Abs. 4 (S. 1 Nr. 3) FeV) von zusätzlichen, über den Wortlaut hinaus gehenden Voraussetzungen abhängig zu machen.

2.1. Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 der 3. Führerscheinrichtlinie gibt den Mitgliedsstaaten (lediglich) vor, einer ausländischen Fahrerlaubnis die Anerkennung zu versagen, wenn dem Inhaber zuvor im Inland ein früherer Führerschein „eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden ist“. Dieser Vorgabe entspricht der Verordnungsgeber mit § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FeV, indem er festlegt, dass die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis mit ordentlichem Wohnsitz in Deutschland gilt, denen „die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben“. Nach dem Sinn und Zweck der 3. Führerscheinrichtline, die dem Aspekt der Sicherheit des Straßenverkehrs gegenüber der Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der Fahrerlaubnisse eine gesteigerte Bedeutung beimisst (siehe hierzu unten, Gliederungspunkt 2.2.1), macht es dabei keinen Unterschied, ob die Nichtanerkennung auf einer eignungsmängelbedingten Entziehung als solcher oder – wie hier – auf der (in der Regel nachfolgenden) Versagung der Neuerteilung wegen fortbestehender oder ggf. neuer Eignungsmängel beruht (hierzu: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, a.a.O., Rz 23).

2.2. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Richtlinie 91/439/EWG (sog. 2. Führerscheinrichtlinie), insbesondere zur einschränkenden Auslegung von dessen Art. 8 Abs. 4 (vgl. etwa Urteil vom 29.4.2004, Az. C-476/01, „Kapper“; Beschluss vom 06.04.2006, C-227/05 „Halbritter“; Beschluss vom 28.09.2006, C-340/05, „Kremer“; Urteil vom 26.06.2008, C-329/06 u.a., „Wiedemann und Funk“; Beschluss vom 03.07.2008, C-225/07, „Möginger“) ist auf die hier allein anzuwendende 3. Führerscheinrichtlinie und dessen Art. 11 Abs. 4 nicht übertragbar, da diese nicht nur eine formell neue und teilweise neu formulierte Rechtsgrundlage bildet, sondern auch anders gewichtete Ziele verfolgt.

2.2.1. Der Europäische Gerichtshof hat Art. 8 Abs. 4 der 2. Führerscheinrichtlinie im Interesse der innergemeinschaftlichen Freizügigkeit und damit im Interesse einer der Grundfreiheiten in ständiger Rechtsprechung als eng auszulegenden Ausnahmetatbestand vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung verstanden. Diese Rechtsprechung konnte nicht aus dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 4 UAbs. 2 der 2. Führerscheinrichtlinie hergeleitet werden, sondern beruhte auf der Annahme eines Vorranges des Anerkennungsgrundsatzes vor dem ansonsten das Fahrerlaubnisrecht beherrschenden Gedanken der Sicherheit des Straßenverkehrs. Die 3. Führerscheinrichtlinie, die ebenfalls vom Grundsatz gegenseitiger Anerkennung ausgeht (vgl. dort Erwägungsgrund Nummer 6 und Art. 2 Nr. 1), behandelt die Nichtanerkennung systematisch zwar weiterhin als Ausnahme, enthält nunmehr aber im Vergleich zur 2. Führerscheinrichtlinie eine viel stärkere Akzentuierung der Sicherheit des Straßenverkehrs und des Nachwirkens vormaliger Fahrerlaubnisentziehungen. Der für die Entwicklung und das Verständnis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur 2. Führerscheinrichtlinie bestimmende Aspekt des Vorranges des Anerkennungsgrundsatzes hat vom Richtliniengeber und dem von ihm verfolgten Sinn und Zweck der 3. Führerscheinrichtlinie eine Einschränkung erfahren.

2.2.1.1. Die Bekämpfung des sog. „Führerscheintourismus“ und die Stärkung der Sicherheit des Straßenverkehrs war von Anfang an ausdrücklich erklärtes Ziel der Neuregelung der 3. Führerscheinrichtlinie. So ist bereits im Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Führerschein vom 21.10.2003 ausgeführt: „Heute lassen sich zu viele Bürger in einem anderen Mitgliedstaat nieder, um einen neuen Führerschein zu beantragen, wenn ihnen die Fahrerlaubnis in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren ordentlichen Wohnsitz haben, wegen eines schweren Verkehrsverstoßes entzogen wurde. Diese Lage ist im Hinblick auf die Verkehrssicherheit sehr unbefriedigend und läuft auf einen Verstoß gegen die Richtlinie 91/439/EWG hinaus. Dieser Vorschlag besagt ausdrücklich, dass die Mitgliedstaaten keinen neuen Führerschein ausstellen dürfen für eine Person, der der Führerschein entzogen wurde und die somit indirekt immer noch Inhaber eines anderen Führerscheins ist. Mit diesem Vorschlag dürfte daher der sogenannte „Führerscheintourismus“ beseitigt und das Übereinkommen über die gegenseitige Anerkennung des Entzugs der Fahrerlaubnis ergänzt werden…“. (Richtlinienvorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 21.10.2003, Dokument COM(2003)0621, S. 6).

Die verabschiedete Fassung des Art. 11 Abs. 4 der 3. Führerscheinrichtlinie mit ihrer nunmehr zwingenden Formulierung („lehnt … ab“ statt „kann“, siehe unten 2.2.1.2) beruht auf einem vom Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr des Europäischen Parlaments eingebrachten Änderungsantrag vom 03.02.2005, zu dessen Begründung es ebenfalls heißt: „Der Führerscheintourismus soll so weit wie möglich unterbunden werden. …. Es gibt bereits im Internet viele Angebote, in denen Personen, denen die Fahrerlaubnis in einem Mitgliedstaat entzogen wurde (z. B. wegen Fahren unter Einfluss von Alkohol/Drogen), nahe gelegt wird, einen Schein-Wohnsitz im Ausland zu begründen und dort eine Fahrerlaubnis zu erwerben, um damit die Voraussetzungen in Bezug auf die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis zu unterlaufen. Dies führt nicht nur zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit, sondern führt auch zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen auf dem Fahrschulsektor „ (Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Führerschein vom 03.02.2005, Dokument A6-0016/2005, S. 32).

In der Begründung des Gemeinsamen Standpunkts des Rates vom 18.09.2006 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europaischen Parlaments und des Rates über den Führerschein findet sich der Gedanke der Stärkung der Sicherheit des Straßenverkehrs und der damit verbundenen Einschränkung der Grundfreiheit der Freizügigkeit schließlich wie folgt wieder: „Führerscheinbetrug ist bei den Polizeibehörden der Mitgliedstaaten ein wohl bekanntes Phänomen. Die Betrügereien reichen vom Handel mit Führerscheinen über die unrechtmäßige Beschaffung von Führerscheinduplikaten bis hin zum Erwerb eines neuen Führerscheins in einem anderen Mitgliedstaat, um das Fahrverbot im eigenen Mitgliedstaat zu unterlaufen. …. Die Mitgliedstaaten werden ferner dazu verpflichtet, Personen, deren Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen wurde, die Ausstellung bzw. die Anerkennung der Gültigkeit von Führerscheinen zu verweigern“ (Dokument 9010/1/2006, REV 1, ADD 1, S. 5).

Auch in der Begründung der Empfehlungen des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr des Europäischen Parlaments für die Zweite Lesung im Parlament vom 27.11.2006 (Dokument A6-0414/2006, S. 9) wird der Grundgedanke der Bekämpfung des Führerscheintourismus weiter explizit betont: „Als Grundgedanke der Abänderungen bildet die Verkehrssicherheit durch korrekte Ausbildung und Erfahrung einen Schwerpunkt, genau wie die effiziente Bekämpfung des Führerscheintourismus.“

Die Begründung des Deutschen Bundesrats zur Dritten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung nimmt diese europäischen Gedanken auf und führt für die nationale Bestimmung des § 28 Abs. 4 FeV zusammenfassend aus: „Hintergrund der nunmehr verschärften Regelung ist, dass bereits im Nachgang zu den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes … Kapper…. Halbritter….Kremer immer mehr Personen mit Wohnsitz im Inland, denen die Fahrerlaubnis hier entzogen worden war, versucht haben, die nationalen Eignungsvorschriften für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis durch den rechtswidrigen Erwerb einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zu umgehen. Dies hat zu erheblichen Risiken für die Verkehrssicherheit geführt, die auch aus Sicht der Rechtsetzungsorgane der Europäischen Gemeinschaft nicht länger hinnehmbar waren“ (Begründung des Bundesrats vom 06.11.2008 zur Dritten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung, BR.-Drs. 851/08, S. 8).

2.2.1.2. Gegen eine einschränkende Auslegung von Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 der 3. Führerscheinrichtlinie im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs spricht, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung nunmehr auch im Wortlaut der Norm ausdrücklich eine Einschränkung erfahren hat. Während nach der früheren Fassung in Art. 8 Abs. 4 UAbs. 2 der 2. Führerscheinrichtlinie lediglich eine Ermächtigung für die Mitgliedstaaten bestand, die Anerkennung abzulehnen („Ein Mitgliedstaat kann es ablehnen…“), sind diese nunmehr nach Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 der 3. Führerscheinrichtlinie zur Ablehnung der Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis verpflichtet („Ein Mitgliedstaat lehnt … ab…“). In der Begründung des Deutschen Bundesrats zur Dritten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung heißt es hierzu zutreffend: „Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben nun kein Ermessen mehr, sondern sind verpflichtet, die Anerkennung der Gültigkeit eines EU-Führerscheins abzulehnen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden war. … Die Nichtanerkennung von Führerscheinen stellt im Vergleich zur sog. 2. Führerscheinrichtlinie nicht mehr einen angesichts des Anerkennungsgrundsatzes eng auszulegenden Ausnahmetatbestand dar. …. Für eine enge Auslegung des Artikels 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG im Sinne der oben zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes zu Artikel 8 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 91/439/EWG ist damit kein Raum (Begründung der Dritten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung, BR-Drs. 581/08, S. 7ff.). Das der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zugrunde liegende Problem, dass sich ein (Aufnahme-) Mitgliedstaat eine ihm nach dem Anerkennungsgrundsatz nicht zustehende Prüfungskompetenz anmaßt, stellt sich nicht mehr (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, a.a.O, Absatznummer 24).

2.2.1.3. Soweit in der früheren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 8 Abs. 4 der 2. Führerscheinrichtlinie zum Ausdruck kommt, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt ist, die Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis „auf unbestimmte Zeit“ zu verweigern (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 29.04.2004, C-476/01, „Kapper“, Absatznummer 76), trägt der Fahrerlaubnisverordnungsgeber diesen Vorgaben mit § 28 Abs. 4 S. 3 FeV Rechnung. Auf diese Weise wird „eine unbegrenzte Verweigerung der Anerkennung durch einen Verweis auf die Tilgungsfristen des Straßenverkehrsgesetzes ersetzt …. Damit wird deutlich gemacht, dass nach Eintritt der Tilgung die bisher im VZR eingetragenen Gründe der Anerkennung einer EU-/EWR-Fahrerlaubnis nicht mehr entgegenstehen“ (BR-Drs. 851/08, S. 12). Diese zeitliche Beschränkung der Nichtanerkennung bis zur Tilgung der die getroffene Maßnahme betreffenden Eintragung im Verkehrszentralregister stellt keine Nichtanerkennung „auf unbestimmte Zeit“ dar (a.A.: OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O., Absatznummer 18). Aus der Formulierung des Europäischen Gerichtshofs („auf unbestimmte Zeit“) kann nicht geschlossen werden, dass es der Festlegung eines absolut bestimmten Zeitrahmens für die Nichtanerkennung bedurft hätte.

2.2.2. Zusammenfassend gilt: Der uneingeschränkt Gesetz gewordene Wortlaut von Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 der 3. Führerscheinrichtlinie, der erkennbare Wille des Richtliniengebers und der am Normsetzungsverfahren beteiligten europäischen Gremien zur Stärkung der Sicherheit des Straßenverkehrs und Bekämpfung des Führerscheintourismus lassen keinen Raum mehr für eine einschränkende Auslegung über den Wortlaut der Richtlinie hinaus.

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