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16.07.2010 · IWW-Abrufnummer 102204

Oberlandesgericht Karlsruhe – 16 WF 82/10

Zur Frage, ob Rechtsanwaltsgebühren auch aus dem Wert des Versorgungsausgleichs anfallen, wenn nach kurzer Ehedauer ein Versorgungsausgleich gem. § 3 Abs.3 VersAusglG nicht stattfindet.


Tenor:
1. Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 19.04.2010 - 35 F 139/09 - dahingehend abgeändert, dass die Verfahrenskostenhilfevergütung nicht auf 552,28 €, sondern auf 613,45 € festgesetzt wird.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe
I. Die Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin richtet sich gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Verfahrenskostenhilfevergütung allein aus dem Gegenstandswert für die Scheidung.

Mit Schriftsatz vom 30.09.2009 beantragte die Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe für die Anträge auf Scheidung der am ... 2008 geschlossenen Ehe der Parteien und auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für den am ... 2008 geborenen gemeinsamen Sohn der Parteien auf die Antragstellerin. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs angesichts der Kürze der Ehedauer entbehrlich sei. Entsprechend vermerkte die Abteilungsrichterin in der Eingangsverfügung vom 06.10.2009: "kein VA". Dessen ungeachtet forderte die Geschäftsstelle durch Verfügung vom 08.10.2009 beide Parteien zur Vorlage der ausgefüllten Fragebögen zum Versorgungsausgleich auf, die die Antragstellerin entsprechend einreichte. Durch Beschluss vom 13.11.2009 bewilligte das Amtsgericht der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe und ordnete ihr den Beschwerdeführer als Verfahrensbevollmächtigten bei. Der Antragsgegner stimmte dem Scheidungsantrag zu; ein Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs wurde nicht gestellt.

Im Termin vom 25.03.2010 trennte das Amtsgericht das Verfahren betreffend die elterliche Sorge ab. Die Ehe der Parteien wurde durch Beschluss vom 25.03.2010 geschieden, der in Ziffer 2 ausspricht, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. In den Gründen wird dazu ausgeführt, dass ein Versorgungsausgleich nach § 3 VersAusglG nicht stattfindet, da die Ehezeit nicht mehr als drei Jahre beträgt und keine Partei die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt hat. Durch weiteren Beschluss setzte das Amtsgericht den Verfahrenswert auf 2.400 € für die Scheidung und 1.000 € für den Versorgungsausgleich fest. Entsprechend beantragte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin, auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 3.400 € nach §§ 55, 45, 49 RVG Gebühren und Auslagen von insgesamt 613,45 € festzusetzen.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte durch Beschluss vom 19.04.2010, dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zugestellt am 22.04.2010, auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 2.400 € eine Vergütung von insgesamt 552,28 € fest und führte zur Begründung aus, eine Durchführung des Versorgungsausgleichs sei weder beantragt noch in der mündlichen Verhandlung erörtert worden, so dass Gebühren dafür nicht verlangt werden könnten. Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 22.04.2010.

Zur Begründung der Erinnerung wurde ausgeführt, durch Ziff. 2 des Scheidungsbeschlusses vom 25.03.2010 sei rechtsverbindlich festgestellt worden, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde. Damit sei der Versorgungsausgleich verfahrensgegenständlich.

Das Amtsgericht hat zu der Erinnerung eine Stellungnahme des Bezirksrevisors beim Landgericht Heidelberg eingeholt. Dieser hat ausgeführt, dass ein Verfahren über den Versorgungsausgleich nicht anhängig war und daher von der PKHBewilligung nicht erfasst werden konnte. Allein die Tatsache, dass in der Entscheidung über die Scheidung nochmals festgestellt wurde, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde, löse keine Gebühren zum Versorgungsausgleich aus.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat durch Beschluss vom 04.05.2010 der Erinnerung nicht abgeholfen und die Erinnerung der Abteilungsrichterin zur Entscheidung vorgelegt.

Die Abteilungsrichterin hat durch Beschluss vom 05.05.2010 die Akten dem OLG vorgelegt zur Entscheidung über die "Erinnerung/Beschwerde" vom 22.04.2010, der nicht abgeholfen werde, und gem. § 57 Abs. 2 FamGKG die Beschwerde zugelassen. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Gericht habe einen Verfahrenswert für den Versorgungsausgleich festgesetzt, da es überprüft habe, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 VersAusglG vorlagen und kein Antrag gestellt wurde.

II. Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist nach §§ 76 Abs. 1 FamFG, 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, 45, 55, 56 Abs. 1, Abs. 2 iVm 33 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 RVG zulässig. Dass das Amtsgericht die Zulassung der Beschwerde versehentlich auf § 57 FamGKG - statt §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 2 RVG - gestützt hat, ändert nichts daran, dass das Amtsgericht in der Sache - für den Senat bindend - die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen hat, ob in den Fällen des § 3 Abs. 3 VersAusglG Verfahrens- und Terminsgebühren auch aus dem Gegenstandswert des Versorgungsausgleichs anfallen.

Die Beschwerde ist in der Sache auch begründet. Die Verfahrenskostenhilfevergütung war daher auf insgesamt 613,45 € festzusetzen, da Verfahrens- und Terminsgebühren vorliegend auch für die Folgesache Versorgungsausgleich angefallen sind.

1. Nach dem unangegriffen gebliebenen Vorbringen des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin erhöht sich die Verfahrenskostenhilfevergütung bei einem Gegenstandswert von 3.400 € um 61,17 € auf insgesamt 613,45 €.

2. Verfahrens- und Terminsgebühren sind vorliegend auch für die Folgesache Versorgungsausgleich angefallen.

Versorgungsausgleichssachen (§ 111 Nr. 7 FamFG) sind nach § 137 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FamFG Folgesachen im Verbund, wenn eine Entscheidung für den Fall der Scheidung zu treffen ist und die Sache spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache von einem Ehegatten anhängig gemacht wird (§ 137 Abs. 2 S. 1 FamFG). In den Fällen der §§ 6 - 19 und 28 VersAusglG ist kein Antrag notwendig (§ 137 Abs. 2 S. 2 FamFG).

Ein Zwangsverbund nach § 137 Abs. 2 S. 2 FamFG liegt hier nach dem Wortlaut nicht vor, da zum Versorgungsausgleich eine Entscheidung nicht nach §§ 6 - 19, 28 VersAusglG, sondern nach § 3 Abs. 3 VersAusglG getroffen wurde. Ein Zwangsverbund nach § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG liegt indessen ebenfalls nicht vor, da die Entscheidung nach § 3 Abs. 3 VersAusglG ja gerade voraussetzt, dass ein Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs von keiner Partei gestellt wurde.

Ein Versorgungsausgleichsverfahren wurde vom Amtsgericht auch nicht dadurch eingeleitet, dass die Geschäftsstelle beiden Parteien aufgegeben hat, ausgefüllte Fragebögen zum Versorgungsausgleich vorzulegen, und die Antragstellerin dieser Auflage auch nachgekommen ist. Denn die Einleitung des Versorgungsausgleichsverfahrens liegt erst in der Aufnahme von Ermittlungen durch das Familiengericht zur Höhe der Anwartschaften, nicht aber bereits in der Anfrage, ob bzw. wo die Parteien Versorgungsanwartschaften erworben haben (vgl. BGH NJW 1992, 3293; Keidel/Weber, FamFG, § 137 Rdn. 23).

Indessen hat das Gericht nach § 224 Abs. 3 FamFG in den Fällen des § 3 Abs. 3 VersAusglG in der Beschlussformel festzustellen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Diese feststellende Entscheidung des Gerichts ist, weil auf einer - die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 VersAusglG umfassenden - Rechtsprüfung beruhend, nach § 58 FamFG mit der Beschwerde anfechtbar und erwächst ggf. in Rechtskraft (vgl. BT-Drs. 16/10144 S. 96 f.; BGH FamRZ 2009, 215 zu einer entsprechenden Feststellung zufolge einer Vereinbarung nach § 1408 Abs. 2 BGB a.F.; Zöller/Lorenz, ZPO 28. Aufl., § 224 FamFG Rdn. 4, 10 ff.; Keidel/Weber, FamFG, § 224 Rdn. 8). Das Amtsgericht hat in dem Nichtabhilfebeschluss vom 05.05.2010 auf die erforderliche materielle Prüfung ausdrücklich hingewiesen.

Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass das Gericht auch im Falle des § 3 Abs. 3 VersAusglG von Amts wegen ein Versorgungsausgleichsverfahren als Folgesache einzuleiten hat (vgl. Johannsen/Henrich - Hahne, Familienrecht 5. Aufl., § 3 VersAusglG Rdn. 13; aA: Kemper, Familienverfahrensrecht, § 137 FamFG Rdn. 20). Gegenstand dieses Verfahrens nach § 137 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FamFG ist die bindende Feststellung, dass kein Versorgungsausgleich stattfindet.

Der vom Amtsgericht nach § 50 FamFG bestimmte Gegenstandswert von 1.000 € für den Versorgungsausgleich, den die Parteien nicht angegriffen haben, ist daher für die Festsetzung der Verfahrenskostenhilfevergütung ebenfalls einzubeziehen (vgl. Borth FamRZ 2009, 562).

Da das Verfahren über den Versorgungsausgleich in den Fällen des § 3 Abs. 3 VersAusglG von Amts wegen einzuleiten ist, steht es entsprechend § 137 Abs. 2 S. 2 FamFG mit der Scheidung im Zwangsverbund, so dass die Verfahrenskostenhilfebewilligung des Amtsgerichts vom 13.11.2009 auch den Versorgungsausgleich umfasst.

Damit war die Verfahrenskostenhilfevergütung auf insgesamt 613,45 € festzusetzen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.

Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft (§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).

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