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19.07.2010 · IWW-Abrufnummer 101887

Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 18.05.2010 – 12 U 20/09

Zum Nachweis der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, wenn das Antragsformular vom Versicherungsvermittler ausgefüllt worden ist.


Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30. Dezember 2008 - 4 O 124/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien bestehende Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung nicht durch Rücktritt der Beklagten beendet wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe


I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung des Bestehens eines Versicherungsvertragsverhältnisses über eine Risikolebens- und Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.


Am 25.06.2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten den Abschluss einer verbundenen Risikolebens- und Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Ausweislich des Versicherungsscheins war unter anderem für den Leistungsfall der Berufsunfähigkeit eine monatliche Rente in Höhe von EUR 1.500,00 vereinbart sowie die Befreiung von der Beitragspflicht. Der Beitrag betrug zuletzt 95,20 EUR monatlich.


Im Antragsformular, das der Versicherungsvermittler H ausfüllte, ist die Frage 3


„Sind Sie in den letzten 5 Jahren wegen Krankheiten, Beschwerden oder Störungen untersucht, beraten oder behandelt worden hinsichtlich Herz, Kreislauf, innere Organe, Harnwege, Bluthochdruck, Atmungsorgane, Gefäße, Drüsen, Gehirn, Nerven, Psyche, Blut, Zucker, Stoffwechsel, Krebs, Tumore, Knochen, Gelenke, Wirbelsäule, Muskeln, Augen, Ohren, Haut, Allergien, Infektionen, Verletzungen, Alkohol- oder Drogenkonsum?


bejaht. Im Raum für Erläuterungen zu den Fragen 2-7 ist zur Frage 3 vermerkt

„Schwangerschaft im 5. Monat, bisher komplikationsloser Verlauf .... Dr. K...“


Im Herbst 2006 reichte die Beklagte einen Leistungsantrag bei der Klägerin wegen einer Berufsunfähigkeit ein. Mit Schreiben vom 28.09.2006 forderte die Beklagte die Klägerin zur Vervollständigung und Einreichung eines Ergänzungsfragebogens für Selbständige sowie zu einer Selbstauskunft zur Berufsunfähigkeit auf. Die Beklagte holte eine Auskunft bei dem Hausarzt der Klägerin Dr. P ein. Auf den Bericht vom 29.11.2006 wird Bezug genommen. Danach hat Dr. P im Jahr 2002 bei der Klägerin Rückenschmerzen diagnostiziert. Mit der ärztlichen Bescheinigung vom 01.02.2007 erklärte Dr. P, dass die Klägerin Ende Oktober 2002 unter einem Schulter-Arm-Syndrom gelitten habe und deshalb 16 Tage krank geschrieben gewesen sei. Mit Schreiben vom 04.01.2007, welches der Klägerin am 05.01.2007 zugegangenen ist, erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Versicherungsvertrag in Bezug auf die Berufunfähigkeits-Zusatzversicherung wegen nicht durch die Klägerin angezeigter „Rückenschmerzen“ im Jahr 2002. Mit Schreiben vom 19.04.2007 teilte die Beklagte mit, dass sie an dem von ihr erklärten Rücktritt festhalte. Mit Schriftsatz vom 28.05.2008 stützt die Beklagte ihre Rücktrittserklärung zudem darauf, dass die Klägerin im Oktober 2002 unter einem Schulter-Arm-Syndrom gelitten hat und deswegen 16 Tage krank geschrieben war.


Die Klägerin hat ausgeführt, der Rücktritt sei nicht wirksam durch die Beklagte erklärt worden. Die von Dr. P in seinem Bericht vom 28.11.2006 bezeichneten Rückenschmerzen stellten eine Bagatellerkrankung dar. Des weiteren fehle die für einen Rücktritt erforderliche Erheblichkeit der Erkrankung der Klägerin für den Abschluss des Vertrages. Soweit sich die Beklagte als Rücktrittsgrund auf das Schulter-Arm-Syndrom stütze, sei die Rücktrittsfrist gem. § 20 VVG nicht eingehalten worden. Das Nachschieben von Gründen sei unzulässig. Sie habe das Schulter-Arm-Syndrom nicht mehr erinnert und schon aus diesem Grund nicht angezeigt.


Die Klägerin hat beantragt:


Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien bestehende Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung nicht durch den Rücktritt der Beklagten vom 04.01.2007 beendet wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.


Die Beklagte hat beantragt:


Die Klage abzuweisen.


Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin habe die im Vertragsformular gestellten Fragen in Kenntnis des Vorliegens anzeigepflichtiger Umstände falsch beantwortet. Daher sei die Beklagte wirksam gem. §§ 16, 17 VVG vom Vertrag zurückgetreten. Die gem. § 20 VVG zu wahrende Frist von einem Monat ab Kenntnis des Versicherers von der Verletzung der Anzeigepflicht habe sie eingehalten, da der Beklagten der Arztbericht von Dr. P am 18.12.2006 zugegangen sei. Bei den Vorerkrankungen der Klägerin handele es sich um gefahrerhebliche Umstände im Sinne des § 16 VVG. Hätte die Klägerin angegeben, dass sie aufgrund eines Schulter-Arm-Syndroms für 16 Tage krankgeschrieben gewesen war sowie, dass sie unter Rückenschmerzen gelitten habe, hätte die Beklagte eine Erhöhung des Beitrages von 50% vorgenommen. Die Klägerin habe Kenntnis von den gefahrerheblichen Umständen gehabt und diese gegenüber der Beklagten verschwiegen. Die Beklagte meint, ein Nachschieben einer Begründung für den erklärten Rücktritt sei vorliegend möglich.


Das Landgericht hat mit Urteil vom 30.12.2008, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe bei Vertragsschluss einen anzeigepflichtigen Umstand verschwiegen. Sie sei im Oktober 2002 wegen eines Schulter-Arm-Syndroms 16 Tage krank geschrieben gewesen. Es sei ausdrücklich nach der Erkrankung von Gelenken und der Wirbelsäule gefragt worden. Die Beklagte habe auch substantiiert dargelegt, dass sie den Vertrag nicht zu den zustande gekommenen Bedingungen abgeschlossen hätte. Sie hätte bei Kenntnis der Erkrankung einen 50% Aufschlag gefordert. Der Rücktritt sei auch innerhalb der Frist des § 20 VVG erklärt worden. Dass sich die Beklagte für die Rücktrittserklärung in dem Schreiben vom 04.01.2007 nur auf Rückenschmerzen, aber nicht auf das Schulter-Arm-Syndrom berufen habe, sei unschädlich.


Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Durch die Auskunft des behandelnden Arztes Dr. P vom 01.02.2007 sei belegt, dass es sich bei dem Schulter-Arm-Syndrom um eine Bagatellerkrankung gehandelt habe, die die Klägerin naturgemäß nicht mehr erinnert habe. Auch sei bezüglich des Schulter-Arm-Syndroms die Frist des § 20 VVG nicht mehr gewahrt. Die Beklagte hätte spätestens bis 08.04.2007 einen Rücktritt erklären müssen. Soweit die Beklagte den Rücktritt nunmehr auch darauf stütze, dass bei der Klägerin ein Leberschaden und der Verdacht auf Gallenblasensteine sowie einer psychischen Erkrankung gegeben gewesen sei, habe es keine weitergehenden Diagnosen und Behandlungen gegeben, die verschwiegen worden seien. Aus der Stellungnahme des Dr. P vom 02.07.2009 gehe hervor, dass keine gefahrerheblichen Umstände verheimlicht worden seien. Die tatsächliche Krankschreibung in 2002 habe nur der Entlastung der Klägerin gedient und es sei auch keine medikamentöse oder sonstige Therapie durchgeführt worden. Zudem sei die Formularfrage 3 zutreffend bejaht worden. Der Versicherungsvermittler H habe ihre Antwort zutreffend aufgenommen, später aber sich nur nach ihrer Schwangerschaft erkundigt, hierzu ihre Erläuterungen aufgenommen, nach weiteren Einzelheiten aber nicht mehr gefragt.


Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die zunächst mit Schriftsatz erhobene Widerklage in Höhe von 65.341,80 EUR hat die Beklagte zurückgenommen. Ihren Rücktritt vom Versicherungsvertrag stützt die Beklagte auch darauf, dass die Klägerin einen Leberschaden und den Verdacht auf Gallenblasensteine sowie eine Blinddarmentzündung und die Behandlung einer psychosomatischen Störung nicht angegeben habe. Der Versicherungsvermittler H habe die Klägerin nach allen Vorerkrankungen gefragt, von ihr aber lediglich die Angaben zur Schwangerschaft erhalten.


Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst aller Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat die Klägerin angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. P und H.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist in der Sache auch begründet, denn die Beklagte hat nicht nachzuweisen vermocht, dass die Klägerin bei Antragstellung ihre Verpflichtung zur Anzeige gefahrerheblicher Umstände verletzt hat. Daher kann offen bleiben, ob die Rücktrittserklärungen der Beklagten rechtzeitig erfolgt sind.


Entgegen der Annahme des Landgerichts ist nicht beweisen, dass die Antragsfrage 3 durch die Klägerin falsch beantwortet worden ist. Die Frage ist - insoweit richtig - bejaht. Unzutreffend werden die Angaben zu den Gesundheitsfragen nur, wenn die Klägerin bei einer Nachfrage nach den Einzelheiten lediglich ihre Schwangerschaft angegeben hätte. Denn dann wären - die Kenntnis der Klägerin von weiteren, erst im Lauf des Prozesses von Seiten der Beklagten eingeführten, anzeigepflichtigen Umstände ist nach der Vernehmung des Zeugen Dr. P ohnehin nicht nachgewiesen - zumindest die anzuzeigenden Beschwerden verschwiegen worden, die innerhalb des nachgefragten Zeitraums zu einer bescheinigten Arbeitsunfähigkeit von 16 Tagen geführt hatten. Davon kann aber nach der Beweisaufnahme nicht mit hinreichender Sicherheit ausgegangen werden.


Der Nachweis einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht oder einer arglistigen Täuschung seitens des Antragstellers obliegt dem Versicherer. Der Nachweis falscher Angaben des Versicherungsnehmers lässt sich nach der Auge- und Ohr-Rechtsprechung, wenn - wie hier - der Agent das Formular ausgefüllt hat, allein mit dessen Inhalt nicht erbringen, sofern der Versicherungsnehmer substantiiert behauptet, die Fragen des Agenten mündlich richtig beantwortet zu haben. In diesem Fall muss der Versicherer beweisen, dass der Versicherungsnehmer diesen mündlich nicht zutreffend unterrichtet hat. Denn was dem Agenten in Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt worden (§§ 43 Nr. 1 VVG a.F., 166 Abs. 1 BGB), auch wenn der Versicherungsagent es nicht in das Formular aufgenommen hat (BGHZ 116, 387, 389). Dass gilt auch insoweit, als der Versicherungsnehmer ergänzende Angaben unterlässt, weil der Agent ihn über die in den schriftlichen Antrag aufzunehmenden Tatsachen falsch unterrichtet (vgl. BGH VersR 2001, 1541 unter II 1 a m. w. N.; Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. § 22 Rdn. 6). Beweisen muss der Versicherer auch, dass der Agent die angeblich falsch beantworteten Fragen überhaupt gestellt hat (BGH RuS 2005, 10).


Regelmäßig wird der Versicherer den ihm obliegenden Beweis durch die Vernehmung des Agenten zu führen versuchen. Das Ausfüllen von Antragsformularen gehört zu den Kernaufgaben des Versicherungsagenten, die im Hinblick auf die rechtliche Tragweite derartiger Angaben besonders wichtig sind. Wenn ein Zeuge hierzu glaubhaft aussagt, dass er sich diesbezüglich immer daran halte, alles Mitgeteilte festzuhalten, und dies nachvollziehbar damit begründet, dass die Gesundheitsprüfung nicht seine Sache sei, so kann dies nicht von vorneherein als denkgesetzlich ausgeschlossen betrachtet werden (OLG Saarbrücken, VersR 2006, 681). Allerdings verbietet sich auch eine unkritische Übernahme solcher Aussagen. Der Senat hat in seiner langjährigen Praxis kaum einen Versicherungsagenten vernommen, der einleitend nicht erklärt hätte, sämtliche Formularfragen im Wortlaut vorzulesen und im Antragsbogen alle Antworten ohne eigene Kommentierung einzutragen. Nicht selten ist bereits dem ausgefüllten Formular zu entnehmen, dass diese Praxis zumindest bei dem in Rede stehenden Antragsgespräch nicht befolgt wurde. Der Senat hat auch schon erleben müssen, dass ein Agent trotz mehrfachen Ansetzens sich unfähig erwiesen hat, die Gesundheitsfragen im Termin im Wortlaut bzw. zumindest nicht sinnentstellend vorzulesen. Vielfach hat sich bei näherem Befragen trotz der anfänglichen gegenteiligen Beteuerungen ergeben, dass doch Bewertungen und Belehrungen des Agenten das Ausfüllen des Formulars mitbestimmten. Der Senat hat allerdings auch seine Überzeugungsbildung auf die Aussage des Agenten stützen können, wenn sich aus den Umständen deutliche Hinweise darauf ergeben haben, dass beim Antragsgespräch die Gesundheitsfragen intensiv erörtert wurden. Letztlich verbieten sich hier Beweisregeln. Maßgebend kann nur die Beweiswürdigung im Einzelfall sein, die selten ohne eine Anhörung auch des Versicherungsnehmers vollständig sein dürfte.


Die Klägerin hat, offensichtlich erstmals hierzu befragt und ersichtlich unvorbereitet, im Senatstermin vom 03.02.2010 zum Antragsgespräch ausgeführt:


„Ich habe den Versicherungsantrag nicht selbst ausgefüllt. Das war ein Herr Hub.. oder Humb... Der war der Versicherungsagent der Beklagten. Ich möchte erläuternd hinzufügen, dass ich, nachdem ich krank geworden war, überrascht von Herrn Hub.. oder Humb... die Mitteilung bekam, dass ich gegen Berufsunfähigkeit versichert sei. Ich selbst hatte eigentlich nur eine Lebensversicherung abschließen wollen; dass da noch eine Zusatzversicherung dabei war, war mir unbekannt. Herr Humb... ist wohl der Cousin eines Ex-Freundes von mir.


Als er mir die Frage nach den Krankheiten, Beschwerden und Störungen in den letzten 5 Jahren vorlas, habe ich dies bejaht. Ich habe gedacht, dass ich so diese Frage richtig beantwortete. Nach einzelnen Erkrankungen bin ich dann nicht mehr gefragt worden. Dass ich schwanger war, war klar. Das konnte man sehen. Deshalb hat Herr Hubert mich wohl darauf angesprochen. In diesem Zusammenhang habe ich ihn dann auch meine Frauenärztin, Dr. K, genannt und erklärt, dass bislang ein komplikationsloser Verlauf der Schwangerschaft gegeben sei. Weitere Nachfrage nach einzelnen Beschwerden hat Herr Hub... nicht gehalten.


... Bei Ausfüllung des Antragsformulars wurden mir aus dem Antrag Fragen vorgelesen. Darunter war die Frage nach ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen. Ich habe gedacht, dass in den letzten 5 Jahren bei mir solche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt worden waren. Im Einzelnen hatte ich die nicht im Kopf. Deshalb habe ich diese Frage wahrheitsgemäß mit „Ja“ beantwortet. Damit wollte ich sicher gehen. Ich bin dann aber nicht mehr gefragt worden, welche für Untersuchungen oder um welche Krankheiten oder Beschwerden es sich gehandelt hatte. Hätte man mich damals gefragt, so hätte ich auf meine Krankenakte verwiesen.


Ich bin wohl auch nicht gefragt worden, wer der Arzt ist, der über meine gesundheitlichen Verhältnisse am besten informiert ist. Ich hätte auf eine solche damals Dr. P angegeben. Ich bin nicht zu den einzelnen Fragen noch mal nachgefragt worden, insbesondere hat mich der Agent nicht gefragt, welche Behandlungen durchgeführt worden waren. Dass ich schwanger war, hat er gesehen. Hier hat er wohl einen Eintrag vorgenommen und ich habe hierzu auf seine Frage die zusätzliche Erläuterung gegeben. Weitere Fragen habe ich nicht gestellt bekommen. Herr Dr. P hätte ich angegeben, weil das mein Hausarzt war.“ Daran hat sie auch nach der Vernehmung des Zeugen H festgehalten.


Dieser hat bekundet, er erinnere sich noch, wie das Antragsgespräch angebahnt und wo es durchgeführt worden sei. Ferner habe er noch im Gedächtnis, dass er am Tag des Gesprächs habe in Urlaub fahren wollen. Deshalb habe er sich mit dem für die Reise schon gepackten Wagen zur Klägerin begeben. Wegen der Urlaubsreise habe er das ausgefüllte Antragsformular nicht mitgenommen, sondern der Klägerin einen Freiumschlag zurückgelassen, damit sie es der Deutschen Vermögensberatung zur Weiterleitung an die Beklagte zusende. Bereits vorab habe er sich bei der Beklagten erkundigt, ob die ihm bekannte Schwangerschaft der Klägerin einem Vertragsschluss entgegen stehe. Ihm sei bedeutet worden, dies sei nicht grundsätzlich der Fall. Er solle die Schwangerschaft ins Formular aufnehmen und auch danach zu fragen, ob es im Laufe der Schwangerschaft bislang Komplikationen gegeben habe.


An das eigentliche Antragsgespräch habe er keine nähere Erinnerung mehr. Er könne allerdings angeben, wie er die Antragsfragen normalerweise stelle, nämlich so, dass er die Fragen allesamt im Wortlaut vorlese und die entsprechenden Eintragungen im Formular mache. Bei der Antragsfrage 3, die damals ziemlich lange gefasst gewesen sei, habe er es immer so gemacht, dass er nach den einzelnen Punkten eine Pause gemacht habe, um den Antragsteller nicht zu überfordern.


Da Gesundheitsfrage 3 ist mit „Ja“ beantwortet sei, gehe er davon aus, dass die Klägerin die Frage nach ärztlichen Untersuchungen, Beratungen oder Behandlungen im Hinblick auf ihre Schwangerschaft mit „Ja“ beantwortet habe. Wenn ihm vorgehalten werde, dass nicht jede Untersuchung, Beratung oder Behandlung nachgefragt sei, sondern nur solche ärztlichen Maßnahmen, die veranlasst seien durch Krankheiten, Beschwerden oder Störungen, so wisse er jetzt nicht mehr, zu welchem Einzelpunkt die Klägerin die Angabe „Ja“ gemacht hat. Das „Ja“ könne sich nur auf die Schwangerschaft beziehen, weil bei weiteren Angaben zur Frage 3 entsprechende Vermerke im Antrag aufgenommen worden wären.


Wenn er gefragt werde, warum der bei Frage Ziffer 8 nach einem Arzt, der über die gesundheitlichen Verhältnisse am besten informiert sei, keine Angabe aufgenommen sei, so wolle er erläutern, dass an dieser Stelle zumeist der Hausarzt angeführt werde, manchmal jedoch überhaupt kein Arzt zu benennen sei. Dann schreibe er auch nichts ins Formular. Auf Vorhalt, dass aus der nachfolgenden Erläuterung hervorgehe, dass mindestens ein Arzt die Klägerin kenne, könne er nun nicht erklären, warum bei Ziffer 8 dieser Arzt nicht aufgenommen worden ist.


Mit der Aussage des Zeugen H lässt sich der Beweis einer Anzeigepflichtverletzung hier nicht führen. Dabei soll nicht übersehen werden, dass der Zeuge durchaus den Eindruck eines seriösen Versicherungsvermittler hinterlässt. Der Senat neigt auch der Annahme zu, dass der Zeuge im Regelfall bemüht ist, die Antragsgespräche mit der von ihm geschilderten Sorgfalt zu führen. Dass das Antragsgespräch mit der Klägerin entsprechend dieser Übung verlaufen ist, hält der Senat zwar für möglich. Zweifel hieran lassen sich aber nicht mit der für eine Überzeugungsbildung notwendigen Sicherheit überwinden. Zum einen können schon die vom Zeugen geschilderten Umstände, insbesondere die anstehende Urlaubsreise und das vor der Tür stehende fertig gepackte Auto für eine gewisse, auch die übliche Sorgfalt in den Hintergrund treten lassende Eile sprechen. Zum anderen erscheint dem Senat die unvorbereitet wirkende Einlassung der Klägerin jedenfalls nicht weniger glaubwürdig als die Bekundung des Zeugen H. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin erklärt hat, sie habe erst nachträglich erfahren, dass sie statt der gewollten Lebensversicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen habe. Noch im letzten Senatstermin zeigt sie sich deutlich überrascht, dass im - von ihr vorgestellten und unzutreffend auf den Erlebensfall erstreckten - Versicherungsfall eine Leistung von lediglich 2.500 EUR zu erwarten ist. Derartige Irrtümer sind dem Senat in anderen Verfahren schon wiederholt berichtet worden. Zudem ist dem Zeuge H ein ähnlicher Irrtum unterlaufen, indem er bei seiner Vernehmung vorab von einer reinen Berufsunfähigkeitsversicherung spricht, die die Klägerin abgeschlossen habe.

III.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 91, 269 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.


Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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