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11.06.2010 · IWW-Abrufnummer 101592

Sozialgericht Berlin: Urteil vom 22.01.2010 – S 58 AL 4008/09

1. Der Freibetrag nach § 141 Abs 2 SGB 3 ist nach der vom Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 05.09.2006 -B 7a AL 88/05 R- aufgestellten Rechenformel (12 x Monatsverdienst : 12) zu ermitteln.



2. Auch aus § 134 SGB 3 ergibt sich keine andere Berechnungsweise: Diese Regelung und die allgemeine Rechenvorschrift in § 339 SGB 3 bestätigen im Gegenteil, dass der Monat mit 30 Tagen, d.h. Jahr mit 12 x 30 = 360 Tagen anzusetzen ist (so zutreffend Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 13.06.2008 -L 8 AL 3829/07-).



3. Die für die Bemessung des Arbeitslosengeldes maßgebliche Berechnungsweise (nach der das gesamte Jahr mit 365 statt 360 Tagen angesetzt wird) ist danach für die Berechnung Freibetrages nicht einschlägig.


S 58 AL 4008/09

Tenor
Die Bescheide vom 26.8.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7.9.2009 werden aufgehoben.

Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.

Tatbestand
Streitig ist die Berechnung des Freibetrags für privilegiertes Nebeneinkommen nach § 141 Abs. 2 SGB III.

Die Klägerin erwarb über eine Vollzeitbeschäftigung von September 2003 bis Juni 2009 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) im Umfang von 360 Tagen. Seit Januar 2006 übt sie eine kurzzeitige Nebentätigkeit mit einem festen Gehalt von 220 € monatlich aus.

Auf Ihre Arbeitslosmeldung zum 1.7.2009 erfolgte trotz Hinweis auf die Nebentätigkeit eine endgültige, ungekürzte Bewilligung.

Rückwirkend forderte die Beklagte dann einen Betrag von 3,01 € monatlich zurück (Aufhebungsbescheid vom 26.8.2009) und änderte die künftige Bewilligung dahingehend ab, dass täglich 0,10 € (3,01 € : 30 Tage) Nebeneinkommen auf das Alg angerechnet wird. Dieser Betrag ergibt sich aus der Differenz des Nebeneinkommens von 220 € und einem von der Beklagten errechneten Freibetrag von 216,99 €. Diesen Freibetrag gewinnt die Beklagte anhand der Rechenformel

2.460 € (= Summe der letzten 12 Monatsverdienste vor Beginn der Arbeitslosigkeit) x 30 Tage : 365 Tage

Die Beklagte beruft sich hierbei auf die Rechenregeln für das Bemessungsentgelt; aus dem Merkblatt hätte die Klägerin erkennen können, dass sie zuviel Leistungen erhalten habe (Bescheide vom 26.8.2009, bestätigt mit Widerspruchsbescheid vom 7.9.2009).

Mit der am 25. September 2009 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, nach der eindeutigen Regelung in § 141 Abs. 2 SGB III betrage der individuelle Freibetrag 220 € x 12 Monate : 12 = 220 €.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

die Bescheide vom 26.8.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7.9.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zum übrigen Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die beigezogene Leistungsakte verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer schriftlichen Entscheidung nach § 124 SGG einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Klägerin darf 220 € monatlich anrechnungsfrei dazu verdienen.

Nach einhelliger Auffassung der Kommentarliteratur ist der Freibetrag nach § 141 Abs. 2 SGB III der durchschnittlich auf den Monat entfallende Betrag der letzten 12 Monatsverdienste vor Entstehung des Alg-Anspruchs. Bei einem festen Einkommen ist daher dieser Betrag anrechnungsfrei, das sind hier 220 €.

Die Kammer entnimmt der Entscheidung des BSG vom 5.9.2006 – B 7a AL 88/05 R, dass der Freibetrag nach der Rechenformel [12 x Monatsverdienst : 12] zu ermitteln ist: Denn „Sinn der Regelungen sowohl des Abs. 2 als auch des Abs. 3 ist es, dem Arbeitslosen die Nebeneinkünfte zu belassen, die schon längere Zeit vor Eintritt der Arbeitslosigkeit seinen Lebensstandard mitbestimmt haben (BT-Drs. 14/873 S. 14 zu Nr. 21)“.

Aus der Regelung des § 134 SGB III ergibt sich keine andere Berechnungsweise. Im Gegenteil bestätigt diese Regelung und die allgemeine Rechenvorschrift in § 339 SGB III, dass der Monat mit 30 Tagen, d. h. das Jahr mit 12 x 30 = 360 Tagen anzusetzen ist (so zutreffend LSG Baden-Württemberg vom 13.6.2008 – L 8 AL 3829/07).

Nur wenn das gesamte Jahr mit 365 statt 360 Tagen angesetzt wird, gelangt man zu dem mit dem Zweck der Freibetragsregelung nicht zu vereinbarenden Resultat eines unter dem Durchschnittsverdienst liegenden Freibetrages. Diese für die Bemessung des Alg strittige Berechnungsweise ist daher nicht auf die Errechnung des Freibetrages zu erstrecken. Überdies kann eine Bezugnahme auf 365 Kalendertage – wenn überhaupt – nur mit der Regelung des § 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III („das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt“) begründet werden (so LSG NRW vom 16.4.2008 – L 12 AL 165/06 gegen LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Diese Regelung ist für die Berechnung des Freibetrages aber nicht einschlägig.

Es kann daher offen bleiben, ob eine Aufhebung für die Vergangenheit nach der anzuwendenden Vorschrift des § 45 SGB X rechtens ist (grobe Fahrlässigkeit der Klägerin bei Zugang des Ausgangsbewilligungsbescheides).

Die Bescheide waren aufzuheben mit der Folge, dass die ursprüngliche, richtige Bewilligung wieder auflebt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Das Gericht hält die Rechtsfrage für höchstrichterlich geklärt, so dass die Berufung nicht zuzulassen war.

RechtsgebietSGB 3Vorschriften§ 141 Abs 2 SGB 3, § 134 SGB 3, § 339 SGB 3, § 131 Abs 1 S 1 SGB 3

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