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18.05.2010 · IWW-Abrufnummer 101513

Amtsgericht Köln: Urteil vom 22.12.2009 – 264 C 122/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Amtsgericht Köln
264 C 122/09
Tenor:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 910,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.8.2008 sowie weitere 155,30 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
II. Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 2 und die Beklagte jeweils zu 50%. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1 trägt die Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2 trägt diese selbst. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt 75% die Beklagte selbst und 25% die Klägerin zu 2.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zu 1 vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin zu 2 darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 7.8.2008 gegen 7:50 Uhr in O. ereignete und an dem die Klägerin zu 2 als Fahrerin mit dem Fahrzeug des Klägers zu 1, amtliches Kennzeichen XX 000, sowie der Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW beteiligt waren. Die volle Haftung der Beklagten für den Unfall ist dem Grunde nach unstreitig. Die Parteien streiten allein um die Höhe des bei der Schadensberechnung zu berücksichtigenden Restwertes des klägerischen Fahrzeugs.
Der Kläger zu 1 holte nach dem Unfall noch am 7.8.2008 ein Schadensgutachten der Sachverständigen I./S. ein. Diese ermittelten Reparaturkosten in Höhe von 21.129,97 € brutto, einen Wiederbeschaffungswert von 14.500 € und einen Restwert von 3.850 €. Am 14.8.2008 veräußerte der Kläger zu 1 das unfallbeschädigte Fahrzeug zu dem vom Sachverständigen ermittelten Restwert von 3.850 €. Am 18.8.2008 wurde das Gutachten an die Beklagte zu 2 übersandt, die dem Kläger zu 1 wiederum am 21.8.2008 ein verbindliches Restwertangebot für das Fahrzeug in Höhe von 4.760 € vorlegte, in dem außerdem Abholung beim Kläger und Barzahlung garantiert wurden. Da das klägerische Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt bereits veräußert war, konnte dies nicht realisiert werden. Den von der Beklagten nicht regulierten Differenzbetrag zwischen dem Restwertangebot der Beklagten (4.769 €) und dem tatsächlich vom Kläger erzielten Erlös (3.850 €) machen die Kläger mit der Klage geltend.
Der Kläger ist der Auffassung, er sei ohnehin nicht verpflichtet gewesen, auf das Restwertangebot der Beklagten einzugehen; zumal der Händler seine Niederlassung in Berlin und damit 600 km vom Wohnort des Klägers entfernt habe. Im Übrigen habe er durch die zügige Veräußerung des Fahrzeugs der Beklagten die Kosten eines Leihwagens erspart.
Die Klägerin zu 2 hat die Klage vor der Antragstellung im Termin vom 30.11.2009 zurückgenommen.
Der Kläger zu 1 beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 910,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.8.2008 sowie 155,30 € Verzugskosten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Kläger habe gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, da er das Unfallfahrzeug veräußert habe noch bevor der Beklagten das Gutachten des Sachverständigen zugänglich gemacht worden sei. Die Beklagte habe dadurch nicht einmal die Möglichkeit gehabt, ihrerseits noch vor der Veräußerung nach Restwertanbietern zu suchen. Der Kläger müsse sich daher so behandeln lassen, als habe er sein Fahrzeug für einen Restwert von 4.760 € veräußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf restlichen Schadensersatz gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG a.F. ( § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG n.F.) in Höhe der Differenz zwischen dem Restwertangebot der Beklagten (4.769 €) und dem tatsächlich vom Kläger durch die Veräußerung am 14.8.2008 erzielten Erlös (3.850 €).
Zwar muss sich ein Unfallgeschädigter bei Vorliegen besonderer Umstände unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf eine ihm ohne weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit verweisen lassen, wenn ihm der Haftpflichtversicherer des Schädigers eine solche nachweist. Derartige Ausnahmen sind jedoch nur in engen Grenzen zuzulassen, um die Ersetzungsbefugnis, die dem Geschädigten gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 ZP zukommt, nicht zu unterlaufen.
Im vorliegenden Fall ist eine solche Ausnahmesituation nicht gegeben. Der Kläger zu 1 hatte nämlich das Fahrzeug bereits veräußert noch bevor die Beklagte das Gutachten erhalten hat und dem Kläger zu 1 das hier in Rede stehende Restwertangebot von 4.760 € unterbreiten konnte. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dem Kläger in der hier zu entscheidenden Konstellation ein Verstoß gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht nicht vorzuwerfen. Das Interesse der Beklagten an einer bestmöglichen Verwertung des Unfallfahrzeugs musste vorliegend vielmehr hinter das Interesse des Klägers an einer beschleunigten Restwertrealisierung zurücktreten.
Der Geschädigte ist auch in den Fällen, in welchen er wie hier von seiner Ersetzungsbefugnis gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Gebrauch macht und zur Schadensbehebung ein Ersatzfahrzeug anschafft, grundsätzlich Herr des Restitutionsgeschehens. Dennoch muss er bei seiner Ersatzbeschaffung das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten. Die Frage, in welcher Höhe dem Geschädigten bei einer Ersatzbeschaffung unter einer ihm möglichen und zumutbaren Verwertung seines Unfallfahrzeugs ein Schaden entstanden ist, ist deshalb – wie auch bei der Abrechnung auf Reparaturkostenbasis – subjektbezogen, d.h. nach der besonderen Lage des Geschädigten in der konkreten Situation zu beurteilen (BGH, Urteil v. 6.4.1993 – VI ZR 181/92, NJW 1993, 1849). Im vorliegenden Fall hat der Kläger ein Sachverständigengutachten eingeholt, um den Wiederbschaffungs- und Restwert seines Fahrzeugs zu ermitteln. Auf die Sachkunde der von ihm beauftragten Sachverständigen und die zutreffende Ermittlung des Restwerts durfte der Kläger folglich vertrauen. Anhaltspunkte, die den Kläger hätten veranlassen müssen, dem Ergebnis des Gutachtens oder der Sachkunde der Sachverständigen zu misstrauen, waren nicht ersichtlich. Der Kläger hat sodann sein Fahrzeug zu dem von den Sachverständigen ermittelten Restwert veräußert. Mehr kann von einem Geschädigten, der seinen Schaden im Wege der Ersatzbeschaffung behebt, auch unter Berücksichtigung des für ihn geltenden Gebots der Wirtschaftlichkeit nicht erwartet werden. Andernfalls würde die ihm zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen (vgl. LG Köln, Urteil vom 15.1.2003 – 19 S 166/02, ZfSch 2003, 184 f).
Dem Kläger war insbesondere auch nicht vorzuwerfen, dass er das von ihm eingeholte Gutachten nicht vor, sondern erst nach der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs der Beklagten zugänglich gemacht hat. Die vorherige Übermittlung des Gutachtens an die Beklagten hätte nur den Zweck haben können, ihr die Möglichkeit zu geben, eine für sie günstigere Schadensberechnung auf der Grundlage eines höheren Restwertangebots zu ermöglichen. Hierzu war der Kläger, nachdem er bereits selbst ein Gutachten eingeholt hat, indes nicht verpflichtet (hierzu BGH, Urteil v. 6.4.1993 – VI ZR 181/92, NJW 1993, 1849 ff., ebenso LG Köln, Urteil vom 15.1.2003 – 19 S 166/02, ZfSch 2003, 184 f.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.10.1998 – 3 U 56/98, zit. nach juris). Der Kläger hat daher auch insofern nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Die Auffassung der Beklagten würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass den Geschädigten stets die Pflicht trifft, der Haftpflichtversicherung des Schädigers vor der Veräußerung seines Fahrzeugs zu dem durch einen Sachverständigen bereits ermittelten Restwert Gelegenheit zu geben, um ein höheres Restwertangebot – zur Schadensgeringhaltung – zu ermitteln. Dem kann nicht gefolgt werden, denn hierdurch würde die Stellung des Geschädigten als Herr des Restitutionsgeschehens nach Auffassung des Gerichts ausgehöhlt. Der Kläger durfte deshalb bei der Schadensberechnung den von seinem Sachverständigen ermittelten und bei der Veräußerung am 14.8.2008 erzielten (geringeren) Restwert von 3.850 € zugrunde legen.
Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286, 288 BGB begründet. Der Kläger kann ferner Zahlung der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nach einem Gegenstandswert bis 1200 € aufgrund einer 1,3-fachen Gebühr zuzüglich Pauschale (RVG VV Nr. 2300, 7002) und Mehrwertsteuer, d.h. in Höhe von 155,30 €, verlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Hinsichtlich der durch die Klägerin zu 2 erfolgten Klagerücknahme waren die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten anteilig der Klägerin zu 2 aufzuerlegen, da ihre Klage mangels Aktivlegitimation von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg hatte. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 910 €

RechtsgebieteVerkehrsrecht, Restwert Vorschriften115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG n.F., § 249 BGB

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