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23.03.2010 · IWW-Abrufnummer 100926

Finanzgericht Münster: Urteil vom 04.02.2010 – 5 K 5046/07 E,U

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Münster

5 K 5046/07 E,U

Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Ordnungsmäßigkeit elektronisch geführter Fahrtenbücher.
Die Klägerin (Klin.), die mit dem Kläger (Kl.) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, betrieb in den Streitjahren einen Handel mit Türen und Toren und erzielte daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Beide Kl. nutzten zwei im Betriebsvermögen gehaltene PKW sowohl für betriebliche als auch für private Fahrten.
In beiden Fahrzeugen befand sich je ein Fahrdatenspeicher, der für jede durchgeführte Fahrt automatisch Datum, Uhrzeit, Fahrdauer, Tachostand und gefahrene Kilometer aufzeichnete. Nach dem Programm besteht für den Bediener die Möglichkeit, Art, Ziel und Zweck der Fahrt sowie Bemerkungen einzugeben. Hinsichtlich der Art der Fahrt stehen die drei Varianten dienstlich (D), privat (P) oder Fahrt zur Arbeit (A) zur Verfügung. Wird vom Bediener insoweit keine Eingabe gemacht, übernimmt das Programm Art, Ziel, Zweck und Bemerkungen von der vorhergehenden Fahrt. Sämtliche Daten werden zunächst in den Fahrdatenspeichern abgespeichert und können zu einem späteren Zeitpunkt mit Hilfe der zugehörigen Software "D" der Firma N gesammelt ausgelesen und auf einem externen Computer gespeichert werden. Da die Daten nach dem Auslesen nicht mehr im Fahrdatenspeicher gespeichert sind, kann ein Datensatz nur einmal ausgelesen werden. Nach dem Auslesen können die automatisch aufgezeichneten Daten (Datum, Uhrzeit, Tachostand, gefahrene Kilometer) vom Anwender nicht mehr verändert werden. Die übrigen Eingaben hinsichtlich Art, Ziel, Zweck der Fahrt und Bemerkungen sind dagegen frei änderbar.
Die Klin. legte ihren Gewinnermittlungen für die Streitjahre den mit Hilfe dieses Programms ermittelten Privatanteil zugrunde. In den Einkommensteuererklärungen gaben die Kl. Entnahmen aus der privaten PKW-Nutzung in Höhe von 4.620,87 € (2002), 7.923,40 € (2003) und 7.357,92 € (2004) an. In den erstmaligen Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre veranlagte der Beklagte (Bekl.) die Kl. erklärungsgemäß und setzte die Einkommensteuer für 2002 und 2004 jeweils mit 0,- € und für 2003 mit 246,- € fest. Die Festsetzungen ergingen gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Rahmen einer vom Bekl. bei der Klin. durchgeführten Betriebsprüfung kamen Zweifel an der Richtigkeit der Fahrtenbucheintragungen in den Streitjahren im Hinblick auf die Fahrten zur Bank und zur Post auf. Das elektronisch geführte Fahrtenbuch wurde nicht als ordnungsgemäß anerkannt und die Ermittlung der Nutzungsentnahmen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach der sog. "1-%-Methode" vorgenommen. Daraus ergaben sich Werte für beide Fahrzeuge in Höhe von insgesamt 19.609,- € für 2002 bzw. jeweils 20.640,- € für 2003 und 2004. Wegen der Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 23.10.2006 Bezug genommen. Weitere Feststellungen zur Einkommensteuer traf die Betriebsprüfung nicht.
Der Bekl. folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und setzte die Einkommensteuer mit Änderungsbescheiden nach § 164 Abs. 2 AO vom 11.12.2006 in Höhe von 497,- € (2002), 2.804,- € (2003) bzw. 1.036,- € (2004) fest. Die hiergegen am 10.1.2007 eingelegten Einsprüche wies der Bekl. mit Einspruchsentscheidung vom 19.11.2007 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß sei, da an dem bereits eingegebenen Datenbestand zu einem späteren Zeitpunkt noch Veränderungen vorgenommen werden könnten, ohne dass diese Änderungen in der Datei dokumentiert würden.
Die Kl. haben am 7.12.2007 Klage erhoben. Sie sind der Ansicht, aufgrund der Vielzahl der nicht veränderbaren Daten bestehe keine Manipulationsmöglichkeit. Das verwendete Programm biete eine wesentlich höhere Authentizität als ein ordnungsgemäß geführtes handschriftliches Fahrtenbuch oder eine mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogrammes wie Microsoft Excel erstellte Datei.
Die Kl. beantragen,
die Einkommensteueränderungsbescheide für 2002 bis 2004 vom 11.12.2006 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.11.2007 aufzuheben.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.
Am 14.9.2009 hat ein Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstands vor dem Berichterstatter stattgefunden. Vor dem Senat wurde am 4.2.2010 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsprotokolle wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Änderungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind nicht rechtswidrig und verletzen die Kl. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO).
Der Bekl. hat den Wert der Nutzungsentnahmen für die Streitjahre zutreffend nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ermittelt. Danach ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs für jeden Kalendermonat mit 1 vom Hundert des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Eine Ermittlung des Nutzungsanteils nach dem Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil dieses Verhältnis nicht durch ordnungsgemäße Fahrtenbücher nachgewiesen werden kann. Die für die beiden Fahrzeuge elektronisch erstellten Fahrtenbücher sind nicht ordnungsgemäß.
Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Aus dem Wortlaut und aus dem Sinn und Zweck der Regelung folgt allerdings, dass die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen (BFH-Urteil vom 16.3.2006 VI R 87/04, BStBl. II 2006, 625). Dazu gehört auch, dass das Fahrtenbuch zeitnah und in geschlossener Form geführt worden ist und dass es die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergibt (BFH-Urteile vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408; vom 16. März 2006 VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625; vom 14.12.2006 IV R 62/04, BFH/NV 2007, 691 und vom 21.4.2009 VIII R 66/06, BFH/NV 2009, 1422).
Eine mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugte Datei genügt diesen Anforderungen nur dann, wenn nachträgliche Veränderungen an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder zumindest in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert und offen gelegt werden. Das gilt auch dann, wenn die einzelnen Eintragungen in der Computerdatei unmittelbar im Anschluss an die jeweilige Fahrt vorgenommen werden. Eine solche Aufzeichnungsmethode ist nicht geeignet, den fortlaufenden und lückenlosen Charakter der Angaben und ihre zeitnahe Erfassung mit hinreichender Zuverlässigkeit zu belegen (BFH-Urteil vom 16.11.2005 VI R 64/04, BStBl. II 2006, 410).
Das von der Klin. im Streitfall mit Hilfe der Software "D" erstellte Fahrtenbuch genügt diesen Anforderungen nicht. Zwar sind die automatisch aufgezeichneten Daten zu Datum, Uhrzeit, Fahrdauer, Tachostand und gefahrenen Kilometern nicht mehr nachträglich änderbar. Dagegen können die Angaben zu Art, Zweck und Ziel der Fahrten sowie Bemerkungen nachträglich geändert werden. Damit besteht die Möglichkeit der jederzeitigen Änderung der für die Abgrenzung der privaten von der betrieblichen Veranlassung maßgeblichen Daten, ohne dass diese Änderungen sichtbar werden und nachverfolgt werden können. In diesem Punkt unterscheidet sich das Fahrtenbuch im Streitfall deutlich von einem handschriftlich geführten Fahrtenbuch, in dem nachträgliche Änderungen durch Durchstreichungen, Überklebungen oder herausgerissene Seiten sichtbar bleiben.
Auch der Umstand, dass bei fehlender Eingabe durch den Benutzer die Angaben hinsichtlich Art, Ziel und Zweck der Fahrt vom Programm automatisch von der vorherigen Fahrt übernommen werden, führt dazu, dass das Programm im Streitfall nicht geeignet ist, den fortlaufenden und lückenlosen Charakter der Angaben und ihre zeitnahe Erfassung mit hinreichender Zuverlässigkeit zu belegen. Dadurch besteht – anders als bei einem ordnungsgemäßen handschriftlich geführten Fahrtenbuch – sogar die Möglichkeit, diese Angaben für sämtliche Fahrten gesammelt nach dem Auslesen des Fahrdatenspeichers erstmalig vorzunehmen.
Aufgrund der fehlenden formellen Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuchs kann der Senat die im Rahmen der Betriebsprüfung aufgekommenen Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Eintragungen nicht überprüfen.
Der Ansatz der privaten Nutzung ist nicht auf eines der beiden Fahrzeuge zu beschränken, da die Fahrzeuge von zwei Personen, nämlich der Klin. und dem Kl., für Privatfahrten genutzt wurden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

RechtsgebietFinanz- und Abgabenrecht

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