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26.01.2010 · IWW-Abrufnummer 100297

Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 18.05.2009 – 1 K 1366/07; 1 K 1367/07

Ist der Grundbesitzwert eines bebauten Grundstücks gemäß § 12 Abs. 3 ErbStG in Verbindung mit §§ 146 Abs. 6, 145 Abs. 3 BewG mit dem Wert des Grund und Bodens als unbebautes Grundstück (Mindestwert) festgestellt worden, so ist dieser Wert bei der Erbschaftssteuerfestsetzung nicht deshalb zu ermäßigen, weil der Erbe in der begründeten Erwartung des Eigentumserwerbs durch Erbanfall Investitionen am Gebäude erbracht hatte (Ergänzung und Abgrenzung zum Urteil des BFH vom 01.07.2008 II R 38/07, BStBl 2008 II S. 146).


Hessisches Finanzgericht v. 18.05.2009

1 K 1366/07, 1 K 1367/07

Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung nach der am …2003 verstorbenen B (Erblasserin) streitig, ob ein von den Erben – dem Kläger und seiner am ...2007 verstorbenen Ehefrau – aufgrund von diesen vorgenommener Investitionen in das Einfamilienhausgrundstück der Erblasserin in … , entstandener und durch notarielles Schuldversprechen bestätigter Aufwendungsersatzanspruch als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 und/oder Nr. 3 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) in der bis einschließlich 2008 maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 27.02.1997 (Bundesgesetzblatt – BGBl – I S. 378), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.12.2000 ( BGBl 2000 I S. 1790), abzugsfähig ist.

Der Kläger und seine Ehefrau, deren Gesamtrechtsnachfolger der Kläger im Erbgang geworden ist, hatten zusammen mit der Erblasserin das o.g. Einfamilienhaus in … bewohnt. Der Kläger ist gerichtlich bestellter Betreuer der Erblasserin gewesen.

Der Kläger und dessen Ehefrau hatten seit 1995 werterhaltende und werterhöhende Investitionen in das Grundstück in … getätigt und hierfür Kosten von rund 200.000 DM aufgewandt. Dies geschah – zwischen den Beteiligten unstreitig – in der Erwartung, mit dem Ableben der Erblasserin das Eigentum an dem Grundstück zu erwerben.

Die Erblasserin hatte demgemäß den Kläger und dessen Ehefrau zunächst durch letztwillige Verfügung vom 15.02.1998 mit einem entsprechenden Vermächtnis bedacht.

Mit notarieller Vereinbarung vom 15.06.2000 (Urkundenrolle Nr. …/2000 des Notars … in … ) hat die Erblasserin gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau ein Schuldversprechen i.S.v. § 780 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über einen mit 6 % verzinslichen und jederzeit fälligen Betrag von 200.000 DM abgegeben und eine entsprechende Hypothek an dem Grundstück bestellt. Nach den einleitenden Erklärungen sollte dies im Hinblick auf die jederzeitige Widerrufbarkeit des Vermächtnisses zur Absicherung der getätigten Investitionen für den Fall, dass der Kläger und dessen Ehefrau nach dem Erbfall nicht als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen werden sollten, erfolgen. Nach § 5 der Vereinbarung haben der Kläger und seine Ehefrau ihren Verzicht auf die Rechte aus dem Schuldversprechen für den Fall, dass sie vor der Erblasserin versterben sollten, sowie weiterhin für den Fall, dass sie als Alleineigentümer an dem Grundstück eingetragen werden sollten, erklärt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die notarielle Vertragsurkunde vom 15.06.2000 Bezug genommen.

Die Erblasserin hat schließlich mit letztwilliger Verfügung vom 17.11.2001 den Kläger und dessen Ehefrau als ihre alleinigen Erben zu je ½ eingesetzt.

Zum Nachlass gehörte neben dem Grundstück in … u.a. auch das hälftige Miteigentum an einer Eigentumswohnung in … , … . Das Eigentum an dieser Wohnung war bereits zuvor zu je ¼ auf den Kläger und dessen Ehefrau im Wege der Schenkung übergegangen (Übergabevertrag vom 17.05.2001; Schenkungsteuerbescheide vom 09.12.2002).

Der Beklagte hat mit Bescheiden vom 23.01.2006 Erbschaftsteuer gegen den Kläger in Höhe von xx.xxx € und gegen die Ehefrau in Höhe von x.xxx € festgesetzt. Dabei hat er den vom Finanzamt … durch Bescheid vom 04.02.2005 für das Grundstück in … mit dem (abgerundeten) Mindestwert als unbebautes Grundstück gemäß §§ 146 Abs. 6, 145 Abs. 3 in der bis 2008 maßgeblichen Fassung (BewG) festgestellten Bedarfswert von … € (… qm x … DM Bodenrichtwert ./. 20 %) angesetzt. Die Verbindlichkeit der Erblasserin aus dem Schuldversprechen vom 15.06.2000 hat er unberücksichtigt gelassen, ebenso wie (versehentlich) den Wert der Miteigentumsanteile an der Eigentumswohnung in …. Wegen der Einzelheiten der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und der Steuerberechnung wird auf die Bescheide vom 23.01.2006 verwiesen.

Mit den Einsprüchen haben der Kläger und dessen Ehefrau geltend gemacht, dass ihnen durch die Investitionen in das Grundstück der Erblasserin in … gemäß §§ 994, 951 i.Vm. § 812 BGB ein Ersatzanspruch erwachsen sei. Demgemäß habe sich die Erblasserin durch das notarielle Schuldversprechen vom 15.06.2000 ihnen gegenüber zur Entschädigung für die im Zuge der Modernisierungsmaßnahmen angefallenen Kosten verpflichtet. Diese Zahlungsverpflichtung sei im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1967 BGB als Nachlassverbindlichkeit auf sie als Erben übergegangen und gemäß § 10 Abs. 5 ErbStG erwerbsmindernd zu berücksichtigen.

Der Beklagte hat die Einsprüche durch Einspruchsentscheidungen vom 04.04.2007 als unbegründet zurückgewiesen und darin u.a. ausgeführt:

Der Abzug einer Erblasserschuld nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setze voraus, dass eine Schuld rechtlich bestehe und den Erben belaste. Die notarielle Vereinbarung vom 15.06.2000 enthalte aber neben dem Schuldversprechen zugleich auch einen aufschiebend bedingten Verzicht auf den daraus resultierenden Anspruch für den Fall, dass der Kläger und dessen Ehefrau das Alleineigentum an dem Grundstück in … erlangen sollten. Diese Bedingung sei mit dem Erbfall eingetreten (§ 1922 BGB) mit der Folge, dass der Verzicht wirksam geworden sei und mithin keine Verbindlichkeit und keine wirtschaftliche Belastung mehr bestehe. Dieser Beurteilung stehe die Vorschrift des § 10 Abs. 3 ErbStG nicht entgegen. Denn die Schuld sei nicht infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit (Konfusion), sondern einzig durch den wirksamen Verzicht erloschen.

Die Aufwendungen des Klägers und seiner Ehefrau könnten auch nicht als solche zur Erlangung des Erwerbs i.S.v. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG bereicherungsmindernd berücksichtigt werden. Denn hierfür sei Voraussetzung, dass die Aufwendungen vertraglich geschuldet seien (Urteil des Finanzgerichts – FG – Rheinland-Pfalz vom 31.07.2003 4 K 1046/03, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst – DStRE – 2003, 1406). Zwar seien die Aufwendungen in Ansehung des künftigen Erwerbs erfolgt. Deshalb allein handele es sich aber noch nicht um eine vertraglich geschuldete Gegenleistung der künftigen Erwerber.

Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die Einspruchsentscheidungen des Beklagten vom 04.04.2007 Bezug genommen.

Der Kläger hat – zugleich als Rechtsnachfolger seiner Ehefrau – Klagen erhoben, die der Senat durch Beschluss vom 24.04.2009 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Zur Begründung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass der Beklagte verkenne, dass im Hinblick auf das Grundstück in … angesichts des selbst erbrachten Modernisierungsaufwands von 102.258,38 € (entsprechend 200.000 DM) überhaupt keine Bereicherung vorliege. Der Beklagte verkenne zudem, dass durch den notariellen Vertrag vom 15.06.2000 das Vermächtnis sehr wohl mit dem Modernisierungsaufwand i.S. einer Gegenleistung verknüpft worden sei. Schließlich müsse angesichts der Gesamtumstände davon ausgegangen werden, dass das wirtschaftliche Eigentum i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) bereits vor dem Erbanfall auf ihn und seine Ehefrau übergegangen sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung der Bescheide über Erbschaftsteuer vom 23.01.2006 – Steuernummern … und … – die Erbschaftsteuer jeweils auf den Betrag herabzusetzen, der sich bei Berücksichtigung einer vom Erwerb abzuziehenden weiteren Nachlassverbindlichkeit in Höhe von je 51.129 € ergibt,

hilfsweise für den Fall der Klageabweisung, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen,

hilfsweise für den Fall der auch teilweisen Stattgabe, die Revision zuzulassen.

Er hält an seiner bisher vertretenen Auffassung fest und sieht auch das wirtschaftliche Eigentum nicht als bereits vor dem Erbfall auf den Kläger und dessen Ehefrau übergegangen an, da die Vereinbarung vom 15.06.2000 für die Erblasserin keinerlei Verpflichtung auf Übertragung des Grundstücks und für den Kläger und seine Ehefrau keine gesicherte Rechtsposition begründet habe, zumal die Erblasserin auch jederzeit das Schuldversprechen durch Zahlung hätte erfüllen können. Im Übrigen komme es erbschaftsteuerrechtlich allein auf die bürgerlich-rechtlichen Eigentumsverhältnisse an (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 15.10.1997 II R 68/95, BStBl 1997 II S. 820). Nachdem der Senat im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ernstliche Zweifel daran, ob nicht eine durch Schuldversprechen bestätigte Aufwendungsersatzverpflichtung der Erblasserin als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG erwerbsmindernd zu berücksichtigen sei, bejaht und die Vollziehung teilweise ausgesetzt hatte (Beschluss vom 12.09.2007 1 V 1800/07 – 1 V 1801/07), macht der Beklagte nunmehr geltend, dass bei Anerkennung als Nachlassverbindlichkeit diese gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG nur mit dem Betrag abzugsfähig sein könne, der dem steuerpflichtigen Teil entspreche. Der angesetzte Grundbesitzwert in Höhe von … € betrage nur 41,62 % des im Erbscheinerteilungsverfahren mit … € bezifferten Verkehrswerts des Grundstücks, so dass die Unterbewertung unter Beachtung des obiter dictums in dem Urteil des BFH vom 02.07.2004 II R 9/02, BStBl 2004 II S. 1039, nur einen Abzug in Höhe von (41,62 % von 102.258,38 € =) 42.559,93 € zulasse.

Dem Senat liegen die bei dem Beklagten für den Erbfall geführte Erbschaftsteuerakte und die Einheitswertakte des Finanzamts … betreffend das Grundstück in … sowie die Gerichtsakten 1 V 1800/07 und 1 V 1801/07 vor und sind Gegenstand des Verfahrens.



Gründe
Die verbundenen Klagen sind nicht begründet. Die von dem Kläger und seiner verstorbenen Ehefrau zu Lebzeiten der Erblasserin in deren Grundstück in … vorgenommenen Investitionen führen weder zu einer abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeit noch sind sie in anderer Weise als die Bereicherung mindernd zu berücksichtigen.

Zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau sowie der Erblasserin hat sich ein Erwerb von Todes wegen in der Form des Erwerbs durch Erbanfall i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vollzogen. Dieser Vorgang unterliegt der Erbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Als Bereicherung wiederum gilt in den Fällen des § 3 ErbStG der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem Wert des gesamten Vermögensanfalls die nach den Abs. 3 bis 9 des § 10 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG).

1. Im Streitfall haben der Kläger und seine Ehefrau das Grundstück in … mit dem Tod der Erblasserin als testamentarische Erben durch Erbanfall erworben. Denn entgegen der Auffassung des Klägers waren sie nicht bereits vor dem Erbfall wirtschaftliche Eigentümer des Grundstücks i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO geworden. Dies würde voraussetzen, dass sie die Erblasserin als Eigentümerin für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut hätten ausschließen können. Dem steht entgegen, dass die Erblasserin selbst nach Abgabe des Schuldversprechens vom 15.06.2000 rechtlich in keiner Weise weder gehindert war, über das Grundstück anderweit zu verfügen, noch in ihrer Testierfreiheit beschränkt war (§ 2253 BGB). Auch wirtschaftlich betrachtet wäre die Veräußerung des Grundstücks, das nach den Angaben des Klägers und seiner Ehefrau im Erbscheinserteilungsverfahren einen Verkehrswert von rund … € hatte, durch die Erblasserin bei Ablösung der Verpflichtung aus dem Schuldversprechen eine ernsthaft in Betracht kommende Alternative gewesen. Im Übrigen ist, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, jedenfalls nach der Rechtsprechung im bürgerlich-rechtlich geprägten Erbschaftsteuerrecht eine wirtschaftliche Betrachtungsweise und damit die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ausgeschlossen (Urteil des BFH in BStBl 1997 II S. 820).

2. Entgegen der Auffassung des Klägers ergeben sich im Streitfall auch keine (weiteren) abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten:

a) Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind vom Erblasser herrührende Schulden – von im Streitfall nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Darunter fallen alle vertraglichen, außervertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen, die in der Person des Erblassers begründet wurden und mit seinem Tod nicht erloschen sind bzw. gemäß § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen gelten (Urteil des BFH vom 09.11.1994 II R 111/91, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1995, 598). Dies gilt auch für solche Schulden, die gegenüber dem Erben selbst bestehen und die zwar infolge des Erbanfalls durch Konfusion zivilrechtlich erloschen sind, die aber erbschaftsteuerrechtlich gemäß § 10 Abs. 3 ErbStG als fortbestehend fingiert werden. Diese gesetzliche Fiktion beruht auf der Überlegung, dass auch in diesen Fällen einerseits das Vermögen des Erblassers mit der Schuld wirtschaftlich belastet war und andererseits der Forderungsverlust den Erwerb des Erben schmälert (vgl. z.B. Urteil des BFH vom 13.07.1983 II R 105/82, BStBl 1984 II S. 37, sowie Meincke, ErbStG, 14. Aufl., § 10 Anm. 27).

Der Kläger und seine Ehefrau haben die Investitionen in das Grundstück der Erblasserin in 1995 ff. unstreitig in der Erwartung getätigt, mit dem Ableben der Erblasserin das Eigentum an dem Grundstück zu erwerben. Hierdurch allein ist indes zivilrechtlich noch kein Vergütungs- oder Aufwendungsersatzanspruch nach § 951 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 812 ff. BGB entstanden. Ein solcher entsteht vielmehr erst dann, wenn feststeht, dass der bezweckte Erfolg (die Eigentumsübertragung) nicht eintritt, bzw. in dem Zeitpunkt, in dem feststeht, dass die Bereicherung (mangels Eigentumsübertragung) ungerechtfertigt ist (Urteil des BFH vom 01.07.2008 II R 38/07, BStBl 2008 II S. 876). Im Streitfall ist der bezweckte Erfolg eingetreten. Der Anspruch konnte folglich erst und nur durch das Schuldversprechen vom 15.06.2000 begründet werden. Bei einer an den Gesamtumständen orientierten Auslegung der notariellen Vereinbarung vom 15.06.2000 war jedoch eine Verbindlichkeit der Erblasserin bis zu ihrem Tod mangels Bedingungseintritts nicht entstanden oder jedenfalls, wovon der Beklagte ausgeht, zu diesem Zeitpunkt durch Verzicht erloschen:

aa) Verträge sind nach § 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Bei der Auslegung von Willenserklärungen ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB). Vorliegend ergibt sich der wirkliche Wille der Beteiligten aus den einleitenden Erklärungen der Vereinbarung vom 15.06.2000 und aus der Interessenlage der Beteiligten. Der Kläger und seine Ehefrau lebten im Zeitpunkt der Vereinbarung gemeinschaftlich mit der Erblasserin, für die der Kläger als amtlicher Betreuer eingesetzt war, in deren Einfamilienhaus. Die Erblasserin hatte die Eheleute bereits durch letztwillige Verfügung vom 15.02.1998 als Vermächtnisnehmer hinsichtlich des Grundstücks eingesetzt, worauf in den einleitenden Erklärungen zur Vereinbarung vom 15.06.2000 unter 1. Bezug genommen worden ist. Alsdann erklären die Beteiligten unter 3., dass im Hinblick auf die Widerrufbarkeit des Vermächtnisses die von dem Kläger und seiner Ehefrau getätigten Investitionen „für den Fall abgesichert werden” sollten, dass die Eheleute „nach dem Erbfall nicht als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen werden sollten”. Unter 4. bittet die Erblasserin sodann „in diesem Zusammenhang” um die Beurkundung eines Schuldversprechens. Hieraus erhellt nach Auffassung des Senats hinlänglich, dass die Beteiligten nicht abweichend von der zivilrechtlichen Rechtslage ein unbedingtes Schuldversprechen gewollt haben. Vielmehr ergibt sich aus der Interessenlage, dem Gesamtzusammenhang und den einleitenden Erläuterungen, dass das Schuldversprechen trotz der Bestimmung in § 1, dass die Forderung „jederzeit fällig” sei, aufschiebend bedingt und nur für den Fall wirksam (und fällig) werden sollte, dass der Kläger und seine Ehefrau das Grundstück nicht aufgrund Vermächtnisses oder (sogar) Erbeinsetzung erwerben sollten. Damit war dem beabsichtigten Sicherungszweck vollauf genüge getan. Für diese Auslegung im Sinne eines nur aufschiebend bedingten Schuldversprechens spricht zusätzlich, dass die Erblasserin, die bei ihrem Ableben Geldvermögen in Höhe von knapp X.XXX € hinterlassen hat, zur Erfüllung eines unbedingten Schuldversprechens ohnehin schwerlich in der Lage gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund ist sodann auch die Regelung in § 1 der Vereinbarung dahingehend auszulegen, dass die Forderung aus dem Schuldversprechen (erst) nach Bedingungseintritt jederzeit fällig sein sollte. Schließlich kommt hinzu, dass sich die Beteiligten auch tatsächlich entsprechend der vorstehenden Auslegung der Vereinbarung verhalten haben.

Ist hiernach von einer aufschiebenden Bedingung in diesem Sinne auszugehen, so ist diese nicht eingetreten, die Forderung aus dem Schuldversprechen nicht entstanden und eine Nachlassverbindlichkeit i.S. von § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nicht gegeben.

bb) Dasselbe Ergebnis ergibt sich durch Auslegung von § 5 der Vereinbarung vom 15.06.2000. In § 5 haben der Kläger und seine Ehefrau auf die Rechte aus dem Schuldversprechen verzichtet für den Fall, dass sie vorversterben sollten, wie auch für den Fall, dass sie „als Alleineigentümer des …. Grundbesitzes eingetragen werden”. Diese Formulierung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sie im Zeitpunkt der Vereinbarung lediglich als Vermächtnisnehmer eingesetzt waren und auf die Erfüllung des Vermächtnisses durch die Erben angewiesen gewesen wären. Der Verzicht ist unter Berücksichtigung der veränderten Umstände (Erbeinsetzung) und der Interessenlage dahingehend ergänzend auszulegen, dass er erst recht gelten soll, wenn sie das Grundstück – wie geschehen – sogleich als Erben durch Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1 BGB) unmittelbar mit dem Tod der Erblasserin ohne Eintragung erwerben. Er ist damit mit dem Tod wirksam geworden mit der Folge, dass die Forderung zu diesem Zeitpunkt aufgrund des Verzichts und nicht durch die Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit (Konfusion) erloschen ist mit der weiteren Folge, dass die Fiktionswirkung des Nichterlöschens in § 10 Abs. 3 ErbStG nicht greift. Insoweit kann nichts anderes gelten als in dem Fall des Untergangs eines auflösend bedingten Anspruchs durch Bedingungseintritt zum Stichtag (vgl. dazu das Urteil des BFH vom 21.05.2001 II R 48/99, BFH/NV 2001, 1407).

cc) Es kommt hinzu, dass der Abzug der vom Erblasser herrührenden persönlichen Verbindlichkeiten, die gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergegangen sind, als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG voraussetzt, dass die Verbindlichkeiten nicht nur rechtlich bestehen, sondern den Erblasser im Todeszeitpunkt auch wirtschaftlich belasten (BFH-Urteile vom 05.03.1997 II R 24/94, BFH/NV 1997, 820, vom 24.03.1999 II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339, und vom 27.06.2007 II R 30/05, BStBl 2007 II S. 651). An dieser wirtschaftlichen Belastung fehlt es, wenn der Erblasser als Schuldner davon ausgehen konnte, die Verpflichtungen unter normalen Umständen nicht selbst erfüllen zu müssen (BFH-Urteil in BStBl 2007 II S. 651). Da die Erblasserin den Kläger und dessen Ehefrau testamentarisch als Erben eingesetzt und damit alle Voraussetzungen für die Erfüllung der von diesen bei der Investition gehegten Erwartung des Eigentumserwerbs geschaffen hatte, konnte sie davon ausgehen, die Verpflichtung aus dem Schuldversprechen nicht erfüllen zu müssen, so dass diese – selbst ohne den Verzicht gemäß § 5 der Vereinbarung vom 15.06.2000 – zum maßgeblichen Stichtag keine wirtschaftliche Belastung mehr dargestellt hat.

b) Als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig sind gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG auch die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Darunter fallen jedoch nur solche Kosten, die sich als Gegenleistung für eine vertraglich fest eingeräumte Erbeinsetzung darstellen (vgl. z.B. die Urteile des BFH in BStBl 1984 II S. 37, und des FG München vom 18.01.1995 4 K 3921/93 , Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1995, 116, und vom 15.02.1995 4 K 415/92, Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 752). Dagegen stellen Vorausleistungen, die nicht vertraglich geschuldet werden, sondern – wie die Investitionen des Klägers und seiner Ehefrau im Streitfall – lediglich in der Erwartung einer letztwilligen Zuwendung erbracht werden, keine in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs entstandenen Kosten dar (Urteil des FG Rheinland Pfalz in DStRE 2003, 1406). Auch ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG scheidet deshalb vorliegend aus.

3. Ist nach allem von einer mangels Bedingungseintritts nicht entstandenen oder jedenfalls einer infolge Bedingungseintritts mit dem Stichtag entfallenen und nicht aufgrund der Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG als fortbestehend geltenden Verbindlichkeit auszugehen, so ergibt sich eine Entscheidung zugunsten des Klägers auch nicht aus dem in § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG verankerten Bereicherungsprinzip, da sich die Investitionen des Klägers und seiner Ehefrau nicht in dem der Besteuerung zugrunde gelegten Wert der Bereicherung niedergeschlagen haben.

Der BFH hat inzwischen unter Berufung auf das Bereicherungsprinzip durch das Urteil in BStBl 2008 II S. 876, in einem Fall, in dem der Nacherbe bis zum Tod des Vorerben bereits umfangreiche Baumaßnahmen am Grundbesitz durchgeführt hatte (u.a. Schaffung zweier vermieteter Wohnungen), entschieden, dass zwar dadurch zivilrechtlich kein Vergütungs- oder Aufwendungsersatzanspruch entstanden sei, der zu einer nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeit hätte führen können, da der bezweckte Erfolg – der Eigentumserwerb – eingetreten sei, dass aber das Bereicherungsprinzip die steuerliche Erfassung von Vermögenswerten ausschließe, die der Nacherbe (Kläger) selbst durch Baumaßnahmen auf dem nachlasszugehörigen Grundstück in Erwartung der Nacherbfolge geschaffen habe. Maßstab für die Auslegung des § 10 ErbStG sei der Grundsatz, dass nur die als Nettobetrag ermittelte Bereicherung der Erbschaftsteuer unterliege. Die Nichtentstehung zivilrechtlicher Ansprüche werde erbschaftsteuerrechtlich durch den Erbanfall „kompensiert”. Die vom Lagefinanzamt auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung festgestellten Grundbesitzwerte entsprächen insoweit nicht der steuerrechtlichen Bereicherung des Klägers i.S.v. § 10 ErbStG, als in diese der Wertzuwachs aufgrund der vom Kläger durchgeführten Baumaßnahmen eingeflossen sei. Die festgestellten Grundbesitzwerte könnten deshalb nicht ohne Korrektur dem steuerpflichtigen Erwerb zugrunde gelegt werden. Vielmehr sei zum Ausgleich der vom Kläger bewirkten Werterhöhung durch das Festsetzungsfinanzamt ein Abzug in dem Umfang vorzunehmen, wie die Baumaßnahmen den Grundbesitzwert beeinflusst hätten. Dazu sei – ggf. mit Hilfe des Lagefinanzamts – „formlos” ein Grundbesitzwert zu ermitteln, bei dem die Baumaßnahmen hinweggedacht seien.

Was der BFH für den Erwerb durch Nacherbschaft entschieden hat, gilt nach der Herleitung aus dem Bereicherungsprinzip unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der wirtschaftlichen Belastung, der auch sonst abweichend vom Zivilrecht die Anerkennung von Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 5 ErbStG) zulassen oder aber ausschließen kann, auch für sonstige Erwerbe von Todes wegen und für Schenkungen (Pahlke, Neue Wirtschafts-Briefe 2009, 539).

Im Streitfall vermag indes diese neue Rechtsprechung der Klage auch nicht teilweise zum Erfolg zu verhelfen. Denn vorliegend ist – anders als offenkundig in dem vom BFH entschiedenen Fall – der Wertzuwachs durch die Investitionen des Klägers und seiner Ehefrau in das Gebäude gerade nicht in den zum Stichtag festgestellten Grundbesitzwert eingeflossen, da lediglich der Wert des Grund und Bodens als unbebautes Grundstück als Mindestwert angesetzt worden ist (§ 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. §§ 146 Abs. 6, 145 Abs. 3 BewG). Es sind mithin keine Vermögenswerte steuerlich erfasst worden, die der Kläger und seine Ehefrau selbst in der Erwartung des Eigentumserwerbs geschaffen haben. Deshalb ist der angesetzte Grundbesitzwert nicht zu reduzieren. Das Bereicherungsprinzip ist vorliegend nicht tangiert.

4. Nach allem sind die Klagen mit der Kostenfolge gemäß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.

Gründe, die die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO rechtfertigen würden, liegen nicht vor. Denn es handelt sich um die Entscheidung in einem Einzelfall ohne grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung beruht weder auf den (noch) umstrittenen Grundsätzen in dem BFH-Urteil in BStBl 2008 II S. 876 (vgl. dazu z.B. Krause/Grootens, BeraterBrief Vermögen 2008, 395, Thouet, Zeitschrift für die Notarpraxis 2008, 446) noch auf dem obiter dictum in dem BFH-Urteil in BStBl 2004 II S. 1039.

RechtsgebieteErbStG, BewGVorschriftenErbStG § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG § 12 Abs. 3 BewG § 146 Abs. 6 BewG § 165 Abs. 3

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