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18.01.2010 · IWW-Abrufnummer 100152

Oberlandesgericht Saarbrücken: Urteil vom 21.07.2009 – 4 U 649/07

Auswirkungen einer gesundheitlichen Prädisposition des Geschädigten auf die Berechnung des Schadensersatzes.


OLG Saarbrücken

Urteil vom 21.7.2009

4 U 649/07 - 216

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden die Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 8. November 2007 – 11 O 50/06 – als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 3.700 EUR nebst Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2002 zu zahlen. Die Beklagten werden weiterhin als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.930 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.7.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt 90 Prozent, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 10 Prozent von den Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Zwangsvollstreckung in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 97.223,44 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der im Jahr 1955 geborene Kläger die Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 1.12.2001 in S. ereignete, in Leistungs- Feststellungsantrag auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger war Insasse eines Taxis, welches mit dem vom Beklagten zu 1) gesteuerten, bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeug zusammenstieß. Der Beklagte zu 1) hatte zunächst in einer Bushaltestelleneinbuchtung angehalten und wollte auf der Fahrbahn wenden. Hierbei übersah er das Taxi.

Der Kläger begab sich am Unfalltag in ambulante ärztliche Behandlung in das ...-Krankenhaus in L.. In einem Arztbericht 26.1.2002 (GA II Bl. 184 ff.) lautete der erste Befund: HWS-Schleudertrauma, Prellungen linker Ellenbogen mit Bursitits OP, Prellungen rechte Schläfe, Prellungen rechtes Bein.

Ein von der Beklagten zu 2) beauftragtes Gutachten des Professors Dr. Z. vom 3.3.2003 fasst die Beschwerden des Klägers wie folgt zusammen:

1. Einschränkung der groben Kraft rechts beim gekreuzten Händedruck;

2. Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Schwindelgefühl sowie eingeschränkte Beweglichkeit der HWS nach Schleudertrauma Grad I und HWS-Distorsion;

3. Taubheitsgefühl rechter Handrücken und Daumen rechts sowie Taubheitsgefühl an der radialen Streckseite des Unterarmes;

4. Einschränkung der Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule;

5. Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit rechts für die Abduktion und Elevation rechts von jeweils 60°;

6. leichte Einschränkung für die Extension/Reflexion im rechten Handgelenk sowie für die Pro- und Supination im rechten Handgelenk;

7. reizlose Narbenverhältnisse linkes Ellenbogengelenk nach posttraumatischer Bursektomie;

8. eingeschränkte Ellenbogenbeweglichkeit mit Streckdefizit rechts von 20°; Muskelhypotrophie des rechten Oberarms im Seitenvergleich von 1 cm am Unterarm und am Handgelenk von jeweils ½ cm mit Verminderung des Mittelhandumfangs rechts von 2 cm;

9. rezidivierendes Einschlafgefühl der rechten Körperhälfte.

Außerprozessual zahlte die Beklagte zu 2) an den Kläger ein Schmerzensgeld von 1.800 EUR. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass zum Ausgleich der erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen ein Schmerzensgeld von 15.000 EUR angemessen sei.

Der Kläger hat behauptet, die vorbeschriebenen Beschwerden seien auf den Verkehrsunfall vom 1.12.2001 zurückzuführen. Der Unfall habe für die bezeichneten Beschwerden zumindest einen auslösenden Charakter gehabt. Der Kläger sei unfallbedingt zu 100% arbeitsunfähig. Auch liege ein Dauerschaden vor, da der nervus radialis noch heute eingeklemmt sei.

Darüber hinaus hat der Kläger Ausgleich eines Erwerbsschadens begehrt, den er auf den Zeitraum von 50,5 Monaten auf 79.284,04 EUR beziffert. Unstreitig war der Kläger vor dem Unfall bei der Firma C. P. GmbH in S2 beschäftigt, die ihn als Meister in dem Kraftwerk E. einsetzte. Sein Stundenlohn belief sich auf 11,07 EUR brutto. Im Monat November 2001 arbeitete der Kläger 195 Stunden und verdiente 2.160,28 EUR brutto. Nach dem Unfall war der Kläger wegen attestierter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr beruflich tätig und erhielt zunächst bis zum 14.1.2002 Lohnfortzahlung von seinem Arbeitgeber. Ab dem 15.2.2002 bezog er bis zum 15.7.2003 Krankengeld von der Bundesknappschaft in Höhe von monatlich 1.260 EUR netto. Hiernach nahm er über drei Monate Sozialhilfe von monatlich 900 EUR in Anspruch und hat ab April 2004 eine monatliche Rente der Bundesknappschaft in Höhe von 534,32 EUR netto erhalten.

Der Kläger hat behauptet, er habe regelmäßig im Kraftwerk Überstunden geleistet und sei dann 210 Stunden pro Monat tätig gewesen. Der ihm entstandene Erwerbsschaden belaufe sich auf 117.707,12 EUR abzüglich erhaltener 38.603,68 EUR. Im Einzelnen liegt dem folgende Berechnung zugrunde: Der Kläger hätte bei einer Weiterbeschäftigung bei der Fa. C. P. GmbH monatlich 2.326,45 EUR (brutto) zuzüglich 221,40 EUR Überstundenvergütung erhalten. Tatsächlich habe er lediglich 22.680 EUR Krankengeld, 2.700 EUR Sozialhilfe und 12.823,68 EUR Rentenzahlungen erhalten.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes restliches Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch restliche 13.200 EUR, nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2002 zu zahlen;

2. die Beklagten weiterhin als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 117.707,12 EUR brutto abzüglich 38.683,68 EUR netto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jedweden künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der aus dem Verkehrsunfall vom 1.12.2001 gegen 3:05 Uhr in S., 70 m hinter der Einmündung P. Weg, mit dem Beklagten zu 1) zum Nachteil des Klägers entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen wird.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben behauptet, die beim Kläger noch vorliegenden Beschwerden seien nicht kausal auf das Unfallgeschehen zurückzuführen, sondern beruhten auf degenerativen Vorschädigungen. Unfallursächlich sei es beim Kläger zu keinem Dauerschaden gekommen. Auch die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sei auf unfallunabhängig bestehende Beschwerden zurückzuführen.

Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger das erstinstanzliche Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

Er wendet sich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts und vertritt die Auffassung, das Landgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger bis zu dem Unfallereignis physisch und psychisch gesund gewesen sei. Er habe seiner damaligen Arbeit uneingeschränkt und problemlos nachgehen können und habe sich nicht in ärztlicher Behandlung, insbesondere nicht in der Behandlung eines Psychologen oder gar eines Psychiaters befunden. Auch habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass der Unfall zumindest als auslösender Faktor des Schadenseintritts in der jetzt gegebenen Form zu bewerten sei. Beim Kläger sei es unfallbedingt zu einem Dauerschaden gekommen, der auch durch eine Störung oder Schädigung des nervus radialis bedingt sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 8.11.2007 – 11 O 50/06 – die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1. an ihn ein angemessenes restliches Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch restliche 13.200 EUR, nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2002 zu zahlen;

2. an den Kläger 117.707,12 EUR brutto abzüglich 38.683,68 EUR netto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jedweden künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der aus dem Verkehrsunfall vom 1.12.2001 gegen 3:05 Uhr in S., 70 m hinter der Einmündung P. Weg, mit dem Beklagten zu 1) zum Nachteil des Klägers entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung. Sie vertreten die Auflassung vertreten, es treffe nicht zu, dass das Landgericht den Unfall nicht als auslösenden Faktor geprüft habe. Das Landgericht sei zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Schadensfolgen auszuschließen sei, so dass keine Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten bestünden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 30.1.2008 (GA II Bl. 365 ff.) sowie auf die Berufungserwiderung vom 13.3.2008 (GA II Bl. 383 ff.) und auf die Schriftsätze des Klägervertreters vom 25.8.2008 (GA III Bl. 400 ff.) und 4.2.2008 (GA III Bl. 485 ff.) Bezug genommen. Der Senat hat mit Beschluss vom 17.12.2008 (GA III Bl. 464 f.) durch Einholung eines Ergänzungsgutachtens Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Ergänzungsgutachten des Prof. Dr. N. vom 5.1.2009 (GA III Bl. 472 ff.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, in deren Rahmen der Sachverständige das Gutachten mündlich erläutert hat, Bezug genommen.

II.

A.

Der zulässigen Berufung ist im tenorierten Umfang teilweise Erfolg beschieden: Die Beklagten sind dem Kläger zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von 3.700 EUR sowie eines auf den Zeitraum vom Unfallereignis bis zum 30.11.2004 zu begrenzenden Verdienstausfallschadens von insgesamt 6.930 EUR verpflichtet. Die entgegenstehende Auffassung des Landgerichts, der Kläger habe nicht nachzuweisen vermocht, dass die von ihm behaupteten Beschwerden auf den Verkehrsunfall zurückzuführen seien, hält einer Rechtskontrolle (§ 513 Abs. 1 ZPO) nicht stand.

1. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit: Die materielle Rechtslage beurteilt sich gem. Art. 229 § 5 EGBGB nach dem vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltenden Recht. Dem Kläger steht aus dem Verkehrsunfallereignis vom 1.12.2001 gegen die Beklagten gem. § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 StVG, §§ 249, 252, 823 Abs. 1, § 847 BGB a.F., § 3 Nr. 1 S. 1, Nr. 2 PflVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung ein gesamtschuldnerischer Anspruch auf Ersatz der erlittenen Schäden zu.

2. Nach den bindenden (§ 529 Abs. 1 ZPO) und unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts steht fest, dass der Kläger durch den unfallbedingten Aufprall des vom Beklagten zu 1) gesteuerten Fahrzeugs gegen das Taxi, dessen Insasse der Kläger war, zumindest eine HWS-Distorsion ersten Grades, eine Verletzung eines Schleimbeutels im Ellenbogen sowie multiple Prellungen am Ellenbogen und am rechten Knie erlitt. Der Kläger wurde noch am Unfalltag in das ...-Krankenhaus in L. eingeliefert, wo der vorgenannte Befund erhoben wurde (ärztliche Berichte vom 1.12.2001 und 26.1.2002; GA III Bl. 417; 428 ff.). Auch die stationäre operative Entfernung des Schleimbeutels, die zwischen dem 17. und 19.12.2001 im St. Josef-Krankenhaus stattfand, ist eine unmittelbare Unfallfolge.

3. Mit Recht rügt die Berufung jedoch, dass auch die über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen über das Unfallereignis hinaus fortdauernden Beschwerden des Klägers adäquate, den Beklagten zuzurechnende Folgen des Unfalls sind.

a) Ein Schadensereignis ist dann für den Eintritt eines Erfolges kausal, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Darüber hinaus muss ein adäquater Zusammenhang bestehen, der die Verantwortlichkeit des Schädigers von solchen Folgen ausschließt, die nur unter ganz besonders eigenartigen, gänzlich unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des Erfolges geeignet sind.

b) Hinsichtlich des Beweismaßes hat die Rechtsprechung zugunsten des Geschädigten Beweiserleichterungen anerkannt: Steht nämlich fest, dass der Geschädigte eine Primärverletzung erlitten hat, so ist die Frage, ob der Unfall über diese Primärverletzung hinaus auch für die weiteren Beschwerden des Klägers ursächlich ist, eine Frage der am Maßstab des § 287 ZPO zu prüfenden haftungsausfüllenden Kausalität (st. Rspr. seit BGHZ 4, 192, 196, aus der neueren Rspr. vgl. nur BGH, Urt. v. 16.3.2004 - VI ZR 138/03, NJW 2004, 1945; Urt. v. 4.11.2003 – VI ZR 28/03, VersR 2004, 118; Urt. v. 28.1.2003 - VI ZR 139/02, VersR 2003, 474, 476; vgl. auch Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 287 Rdnr. 3; Musielak/Foerste, ZPO, 6. Aufl., § 287 Rdnr. 4 f.).

Im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 287 ZPO werden geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichtes gestellt. Im Gegensatz zum Vollbeweis des § 286 ZPO kann der Beweis nach § 287 ZPO je nach Lage des Einzelfalles bereits dann erbracht sein, wenn eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der zu beweisenden Tatsache spricht. Hierbei begegnet es keinen Bedenken, den Beweis am Maßstab des § 287 ZPO als geführt anzusehen, wenn das Gericht im Wege des Ausschlusses anderer Ursachen zu der Überzeugung gelangt, dass der Unfall als einzige realistische Ursache für die Beschwerden in Betracht kommt (BGH, VersR 2003, 476). Ein solcher Rückschluss verbietet sich jedoch, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass sich die Krankheit schicksalhaft entwickelt hat. Allein die zeitliche Nähe zwischen dem Unfallereignis und der Entstehung der Beschwerden und die daran anknüpfende „gefühlsmäßige" Wertung, dass beide Ereignisse irgendwie miteinander in Zusammenhang stehen, reichen für den Beweis nicht aus (Senat, OLGR 2006, 186; 2005, 740; 489, 490 f.; Urt. v. 11.10.2005 – 4 U 566/04 -51/05; BGH, VersR 2004, 119; zu den Beweisanforderungen im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO vgl. auch Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 29. Aufl., § 287 Rdnr. 10 ff.; Musielak/Foerste, aaO., § 287 Rdnr. 7).

c) Wendet man diese Rechtsgrundsätze auf den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt an, so ist zunächst nach der Äquivalenztheorie eine Kausalität zwischen den persistierenden Beschwerden des Klägers und dem Unfallereignis zu bejahen:

aa) Der Sachverständige Prof. Dr. N. hat sich in seinem Sachverständigengutachten vom 19.2.2007 (GA II Bl. 251 ff.) mit dem Beschwerdebild des Klägers auseinandergesetzt. In der zusammenfassenden Bewertung gelangt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Unfall nicht geeignet sei, die diagnostizierten Beschwerden zu erklären. Das nachgewiesene Verletzungsmuster lasse allenfalls für zwei Wochen mit Beschwerden rechnen. Es sei davon auszugehen, dass beim Kläger zum Unfallzeitpunkt im psychisch-psychologischen Bereich bereits eine stark ausgeprägte Schadensanlage vorhanden gewesen sei und dass es nur noch eines geringfügigen Anlasses bedurft habe, um die Anlage in die jetzt sichtbare Störung umzuformen. Der Unfall habe der somatoformen Störung lediglich eine Möglichkeit zur Ausgestaltung gegeben, wobei davon auszugehen sei, dass ein anderes Ereignis als der Autounfall in ähnlicher Weise die Krankheitsdynamik mit psychosomatischer Erkrankung bewirkt hätte. Daher könne – so der Sachverständige weiter – der Unfall nicht als eine wesentliche Mitursache zur Entstehung der Störung beigetragen haben.

bb) Der Senat folgt der diagnostischen Einschätzung des Sachverständigen, wonach der Kläger unter einer somatoformen Schmerzstörung leidet: Nach einer eingehenden neurologischen Untersuchung hat der Sachverständige weder Anzeichen für eine Schädigung der zervikalen Nervenwurzeln noch des nervus radialis gefunden.

Angesichts der Eindeutigkeit des neurologischen Befundes war die ergänzende Einholung eines orthopädischen Gutachtens nicht veranlasst. Soweit die Neurologen B. mit Blick auf die vom Kläger anlässlich der Begutachtung geäußerten Beschwerden eine ergänzende Begutachtung auf orthopädischem Gebiet für sinnvoll erachteten (GA III Bl. 461), sollte die Begutachtung vor dem Hintergrund der im sozialgerichtlichen Verfahren maßgeblichen Beweisfrage eventuelle aktuelle Beschwerden des Klägers verifizieren. Demgegenüber diente der Vorschlag der Sachverständigen nicht dazu, der hier relevanten Frage nach einer unfallursächlichen Schädigung der zervikalen Nervenbahnen nachzugehen.

Die im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik stehenden Kopfschmerzen, Übelkeit, Schlafstörungen und weitere Befindlichkeitsstörungen lassen sich nicht objektivieren. Demgegenüber haben die testpsychologischen Untersuchungen in Zusammenhang mit der anamnestischen Befragung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kläger unter einer Somatisierungsstörung in Gestalt der Unterklassifikation einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung leidet. In der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens hat der Sachverständige vor dem Senat überzeugend dargelegt, dass der Kläger die von ihm geschilderten Beschwerden und Schmerzen tatsächlich subjektiv empfindet. Die Schilderung vielfältiger, in Intensität und Auftreten mitunter unklarer Beschwerden ist nach der Darstellung des Sachverständigen gerade ein Merkmal der somatoformen Störung. Das Untersuchungsergebnis wird weiterhin dadurch gestützt, dass der Kläger – entgegen seiner prozessualen Einlassung – bereits vor dem Unfallereignis in nervenärztlicher Behandlung war: So litt der Kläger bereits im Jahr 1999 unter einer psychophysischen Erschöpfung, die einer nervenärztlichen Behandlung bedurfte.

cc) Die Feststellungen des Sachverständigen tragen auf der rechtlichen Ebene die Wertung, dass der Unfall im Sinne der Äquivalenztheorie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass zugleich der Erfolg – die sichtbare Manifestation der somatoformen Störung – entfiele: Im Sinne der Äquivalenztheorie ist es unerheblich, ob der Unfall eine wesentliche medizinische Ursache für das Ausbrechen der somatoformen Grunderkrankung war. Auch der vom Sachverständigen in der Anhörung metaphorisch bemühte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, ist für den Eintritt des Erfolgs – das Überlaufen des Fasses – kausal.

Die Frage, inwieweit die äquivalente Kausalität dadurch beeinflusst wird, dass ein hypothetisches Zweitereignis in ähnlicher Weise zur Manifestation der Krankheit hätte führen können, kann unentschieden bleiben: Es steht keineswegs fest, dass der Kläger – denkt man sich den Unfall hinweg – durch den Eintritt einer vom Sachverständigen erwähnten „zufälligen Gelegenheitsursache“ heute unter vergleichbaren Schmerzempfindungen leiden würde. Vielmehr entzieht sich die Frage, wie das Leben des Klägers ohne Unfallereignis verlaufen wäre, der sicheren medizinischen Prognose. Schließlich kann dahinstehen, ob die Erschöpfungsphase im Jahr 1999 ebenfalls eine Emanation der bereits seit langem vorbestehenden Grunderkrankung war, weshalb es gerechtfertigt erscheinen mag, zu schlussfolgern, dass durch den Unfall ein Symptomwechsel vollzogen worden sei (so der Sachverständige Prof. N.; GA III Bl. 499).

All diese Erwägungen führen an der Erkenntnis nicht vorbei, dass der Kläger vor dem Unfallereignis nicht unter den vom Sachverständigen beschriebenen Schmerzen und Beschwerden litt und trotz der Grunderkrankung in der Lage war, regelmäßig einer Arbeit nachzugehen. Das Unfallereignis hat ausgereicht, um die gesundheitliche Situation des Klägers in tiefgreifender Weise zu verschlechtern. Es steht nach der Überzeugung des Senats mit hinreichender Gewissheit fest, dass die konkreten psychischen Beschwerden ohne den Unfall nicht aufgetreten wären. Damit wurde der Unfall für die Manifestation des Schmerzgeschehens äquivalent kausal.

d) Auch die Wertungen der Adäquanztheorie stehen einer Zurechnung der Unfallfolgen nicht entgegen:

Das Adäquanzkriterium kann nur gänzlich unwahrscheinliche Kausalverläufe ausschließen. Nach einer gängigen Formulierung ist ein Ereignis für den Eintritt einer Folge dann adäquat kausal, wenn es im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen. Die Adäquanz kann fehlen, wenn der Geschädigte in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt (BGHZ 57, 137, 141 ; BGH, Urt. v. 11.1.2005 – X ZR 163/02, NJW 2005, 1420, 1421; Urt. v. 9.10.1997 – III ZR 4/97, NJW 1998, 138, 140; Urt. v. 4.7.1995 – II ZR 126/93, NJW 1995, 126, 127 .; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., vor § 249 Rdnr. 59; Erman/Ebert, BGB, 12. Aufl., vor §§ 249 ff. Rdnr. 31; P W W/ Medicus, BGB, 4. Aufl., § 249 Rdnr. 44 ff.).

Diese Voraussetzungen liegen im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt nicht vor: Die forensische Erfahrung zeigt, dass Verkehrsunfälle keineswegs nur in empirisch zu vernachlässigenden Fällen, sondern bei gegebener Prädisposition des Betroffenen durchaus in einer relevanten Häufigkeit zu einer psychischen Fehlverarbeitung eines für den gesunden Menschen folgenlos bleibenden Unfallgeschehens führen. Da das Auftreten des Krankheitsbildes letztlich nicht willentlich gesteuert wird, kann dem Kläger auch nicht vorgeworfen werden, in ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den Geschehensablauf eingegriffen zu haben.

e) Bei der Beantwortung der Frage, inwieweit eine vor dem Schadensereignis vorhandene Schadensanlage aus normativen Erwägungen den Zurechnungszusammenhang unterbricht, werden differenzierte Lösungsansätze vertreten:

aa) Am Ausgangspunkt der Überlegungen steht die Erkenntnis, dass die zum Schaden neigende Konstitution des Geschädigten, die den Schaden ermöglicht oder wesentlich erhöht, den Zurechnungszusammenhang nicht ausschließt: Wer einen Kranken oder Geschwächten verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als habe er einen Gesunden verletzt. Auch für seelisch bedingte Folgeschäden, die auf einer neurotischen Fehlverarbeitung oder einer psychischen Prädisposition des Geschädigten beruhen, muss der Schädiger einstehen (aus der neueren Rechtsprechung BGH, Urt. v. 30.4.1996 – VI ZR 55/96, NJW 1996, 2425, 2426; Bamberger/Roth/Schubert, BGB, 2. Aufl., § 249 Rdnr. 54; Palandt/Heinrichs, aaO., vor § 249 Rdnr. 67; MünchKomm(BGB)/Oetker, 4. Aufl., § 249 Rdnr. 132; Erman/Ebert, aaO., vor § 249 ff. Rdnr. 47). Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos:

bb) So kann zum einen eine unangemessene Erlebnisverarbeitung in Extremfällen dann zu einem Haftungsausschluss führen, wenn das schädigende Ereignis ganz geringfügig – ein sog. Bagatellunfall – ist und die psychische Folgereaktion des Verletzten im konkreten Fall wegen ihres groben Missverhältnisses zum Anlass schlechterdings nicht mehr verständlich ist (BGH, NJW 1996, 2426). Unter Bagatellen sind solche Beeinträchtigungen gemeint, die sowohl von der Intensität als auch der Art der Primärverletzung her nur ganz geringfügig sind und üblicherweise den Verletzten nicht nachhaltig beeindrucken, weil der Verletzte schon auf Grund des Zusammenlebens mit anderen Menschen daran gewöhnt ist, vergleichbaren Störungen seiner Befindlichkeit ausgesetzt zu sein (BGH, NJW 2004, 1945, 1946).

Im vorliegenden Fall wird die Bagatellgrenze überschritten: Ein Unfallereignis, welches geeignet ist, die unstreitig unfallursächlichen Primärverletzungen (HWS-Schleudertrauma mit Prellungen und Läsion eines Schleimbeutels) hervorzurufen, beeinflusst die körperliche Integrität in einem stärkeren Maße als ein Ereignis, welches im sozialen Kontakt gewissermaßen unvermeidlich ist. Auch von einem Gewöhnungseffekt des durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers an ein vergleichbares Trauma kann keine Rede sein: Nicht wenigen Verkehrsteilnehmern gelingt es, jahrzehntelang unfallfrei am Straßenverkehr teilzunehmen. Keineswegs jeder Zusammenstoß zweier Fahrzeuge ist mit einer relevanten Einwirkung auf das körperliche Wohlbefinden der Insassen verbunden. Schließlich verfehlt die Einschätzung des Sachverständigen, anstelle des Verkehrsunfalls hätte jedwede Zufallsursache zur Manifestation des Schmerzsymptomatik führen können, den für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Aspekt: Es kommt nicht darauf an, ob ein hypothetisches Bagatellereignis geeignet gewesen wäre, die Schmerzsymptomatik zu initiieren. Entscheidend ist vielmehr, dass das vorliegende Unfallereignis keine Bagatelle war.

cc) Zum andern scheidet eine Haftung aus, wenn der Geschädigte eine Renten- oder Begehrensneurose entwickelt und den Unfall in einem neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit zum Anlass nimmt, den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen (BGH, NJW 2004, 1946; 1996, 2426; zur Abgrenzung zur Konversionsneurose, die den Zurechnungszusammenhang nicht unterbricht: BGH, Urt. v. 11.11.1997 – VI ZR 376/96, NJW 1998, 810, 812). Auch diese Grenze wird nicht überschritten:

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Sachverständige das Vorliegen einer Begehrensneurose in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten nicht mit der zum Beweis erforderlichen Eindeutigkeit bejaht. Der Sachverständige ist in seinem Ergänzungsgutachten – freilich ohne das Krankheitsbild der Begehrensneurose zu definieren oder die Begehrensneurose von der im Hauptgutachten gestellten Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung abzugrenzen – zu dem Schluss gelangt, dass der Wunsch des Klägers nach Erhalt einer Entschädigung zwangsläufig dazu führe, den Kläger in die schon fixierte Vorstellung zu treiben, ungerecht behandelt zu werden. Dies seien psychodynamische Vorgänge, die das Krankheitsverhalten des Klägers negativ beeinflussten. Als Folge der Nichterfüllung seines Schadensersatzbegehrens trete eine immer stärkere Chronifizierung des Krankheitsbildes auf, die insoweit als Verschlechterung anzusehen sei, als dadurch die Möglichkeiten einer positiven Einwirkung auf den Kläger durch eine zielgerichtete Therapie immer stärker limitiert und minimiert würden.

Auch die Anhörung des Sachverständigen hat kein klares Bild gezeichnet: Zwar hat der Sachverständige den Prozessbeteiligten die Erkenntnis vermittelt, dass sowohl die somatoforme Schmerzstörung als auch die Begehrensneurose zu den neurotischen Störungen gehören und unter dieser Kategorie diskutiert werden. Die Abgrenzung – so der Sachverständige weiter – sei eine schwierige Frage. Ob der Kläger den Unfall im Sinne der Definition der Begehrensneurose in einem neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit zum Anlass genommen habe, den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen, müsse das Gericht beantworten.

Die vom Sachverständigen eruierten Untersuchungsergebnisse reichen in der Zusammenschau der sachverständigerseits vermittelten Erkenntnisse über das Wesen einer Begehrensneurose nicht aus, um die volle Überzeugung zu gewinnen, dass der Kläger tatsächlich unter einer Begehrensneurose leidet. Dagegen spricht, dass nach der Einschätzung des Sachverständigen jede Gelegenheitsursache, nicht notwendigerweise ein (Haftpflicht-)Ansprüche auslösendes Ereignis, zur Manifestation der Schmerzstörung hätte führen können. Im vorliegenden Fall habe sich – so der Sachverständige – das akute Schmerzgeschehen perpetuiert und chronifiziert. Diese Einschätzung lässt es zweifelhaft erscheinen, dass der Wunsch nach finanzieller Absicherung von vornherein die Triebfeder für das Entstehen des Krankheitsbildes war. Letztlich bewertet auch der Sachverständige den Wunsch nach finanzieller Absicherung lediglich als Einzelfaktor, der die Heilung erschwert und zur Beschleunigung des psychodynamischen Vorgangs beigetragen hat. Dies konnotiert jedoch zugleich, dass es aufgrund der vorbestehenden psychischen Grunderkrankung des Klägers mit einiger Wahrscheinlichkeit auch ohne exponierte Rentenerwartung allein durch das im Trauma vermittelte Schmerzgeschehen zur Ausbildung einer Schmerzstörung gekommen wäre.

Dem Schädiger obliegt der Beweis für das tatsächliche Vorliegen von Umständen, die der Zurechnung einer kausalen Folge entgegenstehen (KG NZV 2002, 172; Erman/Ebert, aaO., vor § 249 Rdnr. 50: der Schädiger trägt die Beweislast dafür, dass sich der Geschädigte in die Neurose geflüchtet hat). Mithin tragen im vorliegenden Fall die Beklagten den prozessualen Nachteil aus der Nichterweislichkeit einer Begehrens- bzw. einer Rentenneurose.

f) Wenngleich die Vorerkrankung des Klägers einer Zurechnung der Gesundheitsfolgen nach § 249 BGB nicht entgegensteht, so verlangt die Prädisposition des Klägers auf der Ebene der Schadensberechnung nach § 847 Abs. 1 BGB a.F., § 252 BGB eine Korrektur des Schadensersatzbegehrens.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Dauer oder die Höhe des Ersatzanspruchs zu beschränken, wenn sich aus der psychischen Struktur des Geschädigten mit einer für § 287 ZPO ausreichenden Wahrscheinlichkeit ernsthafte und unfallunabhängige Risiken ergeben. So könne sich insbesondere eine psychische Prädisposition des Verletzten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes, welches nach billigem Ermessen festzusetzen sei, anspruchsmindernd auswirken (BGH, NJW 1996, 2425). Diese Einschränkung verlange auch bei Berechnung des Erwerbsschadens Anwendung: Ergäben sich ernsthafte Risiken, die wegen der Neigung des Geschädigten zu neurotischer Fehlverarbeitung der vielfältigen Wechselfälle des Lebens eine erhebliche Belastung seiner beruflichen Möglichkeiten auf längere Sicht auch unfallunabhängig befürchten ließen, so habe dies der Tatrichter bei der Prognose zu berücksichtigen (BGHZ 137, 142, 152). Dies könne sowohl für die Dauer als auch für die Höhe eines Verdienstausfallschadens von Bedeutung sein. Hier komme ebenso wie bei Prognoseschwierigkeiten wegen eines wenig strukturierten Erwerbslebens (hierzu BGH, Urt. v. 17.1.1995 – VI ZR 62/94, NJW 1995, 1023, 1024) ein prozentualer Abschlag von den ohne derartige Risiken zu wartenden Erwerbseinnahmen in Betracht.

Diese Rechtsprechung ist in der Kasuistik der Obergerichte auf Zustimmung gestoßen: So hat das OLG Schleswig bei einer auf einer Prädisposition beruhenden Fehlverarbeitung eines harmlosen Unfallgeschehens eine Haftungsbeschränkung auf 50% vorgenommen (OLGR Schleswig 2006, 5; 821; zustimmend ebenso: Palandt/Heinrichs, aaO., vor § 249 Rdnr. 70; MünchKomm(BGB)/Oetker, aaO., § 249 Rdnr. 133; Erman/Ebert, aaO., vor § 249 ff. Rdnr. 49; im Ergebnis ebenso Staudinger/Schiemann, BGB, 13. Aufl., der in Fällen der unangemessenen Schadensverarbeitung ein Mitverschulden des Geschädigten erwägt; aA Bamberger/Roth/Schubert, aaO., § 249 Rdnr. 59: eine Minderung der Ersatzpflicht komme nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte die psychischen Folgen durch einen Willensakt oder die Durchführung von Rehabilitationsmaßnahen überwinden könne).

bb) Im Ergebnis überzeugt der dargestellte Lösungsweg zumindest in Fällen einer psychischen Schadensanfälligkeit:

Zwar scheint die aus der Prädisposition des Geschädigten hergeleitete Einschränkung bei der Bemessung der Schadenshöhe nicht bruchlos mit der Wertung in Einklang zu stehen, dass der Schädiger die Person des Geschädigten so hinnehmen muss, wie sie ihm in ihrer konkreten körperlichen Befindlichkeit, mit allen Vorerkrankungen und Gebrechen, entgegentritt. Dennoch ist es interessengerecht, zumindest in Fällen einer auf psychischem Gebiet beruhenden Schadensanfälligkeit bei der Bemessung der Schadenshöhe zu differenzieren:

Nach anerkanntem Rechtsgrundsatz hat sich die Höhe des zuzuerkennenden Schadensersatzes an den objektiv vorhandenen Beschwerden, nicht aber an der subjektiven Erwartungshaltung des Geschädigten zu orientieren. In den vorliegend zu entscheidenden Sachverhalten zeigt sich jedoch, dass der Wunsch um Erhalt einer möglichst hohen Entschädigung zu einer Chronifizierung und Verstärkung der Erkrankung führt. Auch dort, wo diese voluntativen Einflüsse auf die Krankheitsdynamik die Grenze zur Renten- bzw. Begehrensneurose nicht übersteigen, ist es dennoch ein Gebot der Billigkeit, die Erwartungshaltung des Geschädigten als Faktor bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe zu eliminieren. Desweiteren würde die Zuerkennung eines uneingeschränkten Schadensersatzes geradezu einen Anreiz für die Entwicklung übersteigerter Ersatzverlangen setzen, weshalb es interessengerecht erscheint, einen Teil des in der Person des Geschädigten begründeten Risikos beim Geschädigten zu belassen.

Letztlich gebietet die Praktikabilität der Rechtsanwendung eine am Maßstab des § 287 ZPO zu vollziehende Korrektur: Nicht selten kann der Nachweis, ob der Wunsch nach einer möglichst hohen Entschädigung selbst Ausdruck einer pathologischen Erkrankung ist oder durch eine zumutbare Willensanstrengung überwunden werden kann, mit vertretbarem forensischen Aufwand nicht erbracht werden. Dieselben Schwierigkeiten stellen sich bei der Beantwortung der Frage, ob der Geschädigte sich aus pathogenen oder ihm vorwerfbaren Gründen einer Rehabilitationsmaßnahme verweigert. Angesichts der Grenzen der medizinischen Erkenntnis vermag es nicht zu überzeugen, die Anrechnung der subjektiven Schadensanfälligkeit nur dann anspruchsmindernd anzuerkennen, wenn der Geschädigte in subjektiv vorwerfbarer Weise keinen Beitrag zur Besserung seiner Erkrankung leistet. Auch unterhalb der Schwelle des Mitverschuldens muss eine Korrektur der Schadenshöhe möglich sein.

Schließlich bestätigt die Rechtsfolge der flexiblen Anpassung des Schmerzensgeldhöhe das hier vertretene Ergebnis: Anders als der strenge Maßstab des Zurechnungsnachweises, der nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip der Zuerkennung eines jeden Schadensersatzes bei Verneinung des Zurechnungszusammenhangs entgegensteht, eröffnet die in § 847 Abs. 1 BGB a.F. (jetzt: § 253 Abs. 2 BGB) normierte Schadensfestsetzung den Interessen der Parteien Rechnung tragende Lösungen, die der beschriebenen Gemengelage durch Abschläge in Zeit oder Höhe des Schadensersatzbegehrens in angemessener Weise Rechnung tragen. Hierbei wird ein prozentualer Abschlag vor allem bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes in Betracht zu ziehen sein, da das Schmerzensgeld in aller Regel auch die künftig entstehenden gesundheitlichen Beschwerden erfasst (statt aller: Palandt/Heinrichs, aaO., § 253 Rdnr. 24). Dieser Rechtsnatur des ganzheitlichen Anspruchs liefe es zuwider, die Schmerzensgeldhöhe zeitanteilig einer differenzierten Betrachtung zu unterziehen. Demgegenüber ist bei der Bestimmung des Verdienstausfallschadens eine zeitliche Anpassung vorzugswürdig, da sich der Anspruch auf Ausgleich eines Erwerbsschadens in jedem Zeitintervall aktualisiert.

cc) Für den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt ergeben sich folgende Konsequenzen:

aaa) Das zuzuerkennende Schmerzensgeld muss zunächst Ausgleich für die erlittenen Primärverletzungen sein: Für die HWS-Distorsion und die mit der operativen Entfernung des Schleimbeutels verbundenen immateriellen Einbußen erachtet der Senat ein Schmerzensgeld von 2.500 EUR für erforderlich, aber auch für ausreichend. Eine Korrektur hat nicht zu erfolgen, da die mit den Primärverletzungen verbundenen Beschwerden keine Verstärkung durch die Grunderkrankung erfahren haben.

Die mehr als vier Wochen nach dem Unfallereignis bestehenden Beschwerden sind demgegenüber Ausdruck der somatoformen Grunderkrankung des Klägers. Nach der Diagnose des gerichtlichen Sachverständigen stehen die Kopfschmerzen im Vordergrund. Hierzu hat der Kläger angegeben, dass er nahezu ständig unter Kopfschmerzen leide, wobei die Schmerzen schubweise verstärkt aufträten. Auch die vom Kläger beschriebene Schlaflosigkeit stellt eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung seines körperlichen Wohlbefindens dar. Demgegenüber treten die Seh- und Gehstörungen in der Intensität und Häufigkeit hinter das sonstige Schmerzempfinden zurück. Soweit der Kläger über ein Taubheitsgefühl im rechten Arm klagt, bestehen Zweifel, ob dieses Schmerzempfinden tatsächlich erst durch den Unfall hervorgerufen wurde. Denn der Kläger hat gegenüber dem Sachverständigen angegeben, dass ihm die rechte Körperseite während seines gesamten bisherigen Lebens immer Beschwerden bereitet habe. Dort habe er einen Trümmerbruch am rechten Unterschenkel erlitten. Auch seien die Endglieder der Finger 4 und 5 der rechten Hand traumatisch amputiert worden. So wundere es ihn nicht, dass er jetzt in der rechten Körperhälfte Taubheitsgefühle habe (GA II Bl. 258).

Bei der Bemessung des Schmerzengeldes für das somatoforme Schmerzgeschehen ist einerseits zu berücksichtigen, dass – so der Sachverständige Prof. N. – der Kläger bei der Schilderung der subjektiv empfundenen Beschwerden durchaus Aggravationstendenzen erkennen ließ. Dies zeigt sich insbesondere in dem Unvermögen, die Häufigkeit der Beschwerden nachvollziehbar zu beschreiben. Auch hat der Sachverständige in der Gesprächssituation mit dem Kläger keine Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Beweglichkeit des Kopfes gefunden, obwohl der Kläger bei der unmittelbaren Untersuchung der Kopfbeweglichkeit über starke Schmerzen klagte, weshalb der Sachverständige von einer Reklination des Kopfes Abstand nahm. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die Manifestation der Schmerzstörung mit dem Verlust des Arbeitsplatzes und der Lebensfreude in tiefgreifender Weise auf die gesamte Lebensplanung des Klägers einwirkte. Mit Blick auf das Alter des Klägers, der zum Zeitpunkt des Unfalls erst 46 Jahre alt war, erschiene – ohne Berücksichtigung der Vorerkrankung – ein Schmerzensgeld von 15.000 EUR angemessen (zur Kasuistik: BGH, Urt. v. 20.3.2007 – VI ZR 158/06, MDR 2007, 951; OLGR Hamm 2002, 13; OLG Frankfurt, Urt. v. 3.5.2000 – 9 U 97/99).

Aufgrund der Vorerkrankung des Klägers ist im vorliegenden Fall hingegen ein deutlicher Abschlag (80 Prozent) indiziert: Schon der Umstand, dass das erlittene Unfallgeschehen die Grenze einer Bagatellverletzung nicht deutlich überstieg, erfordert eine spürbare Korrektur der Schmerzenhöhe. Weiterhin war zu berücksichtigen, dass die Manifestation der Schmerzstörung nach der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen Prof. N. ganz wesentlich auf der Grunderkrankung beruht, die bereits vor dem Unfall im Jahr 1999 in Gestalt eines Erschöpfungssyndroms die körperliche Befindlichkeit des Klägers nicht nur latent beeinträchtigte. Demnach war dem Kläger wegen der somatoformen Schmerzstörung ein um 3.000 EUR erhöhtes Schmerzensgeld zuzuerkennen, weshalb sich der Schmerzensgeldanspruch bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller unfallbedingten Leiden auf 5.500 EUR summiert. Unter Abzug der bereits geleisteten 1.800 EUR verbleibt der tenorierte Betrag von 3.700 EUR.

bbb) Demgegenüber ist der gem. § 252 BGB zuzusprechende Verdienstausfallschaden mit Blick auf die Vorerkrankung auf einen Zeitintervall von drei Jahren nach dem Unfallereignis zu beschränken. Unter Berücksichtigung des in diesem Zeitintervall bezogenen Leistungen waren dem Kläger lediglich 6.930 EUR zuzusprechen.

aaaa) Zunächst ist es dem Kläger nicht gelungen, in der Ausgangsberechnung ein höheres regelmäßiges Arbeitseinkommen als 2.513,42 EUR schlüssig darzulegen: Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 30.5.2006 die erste Seite des Arbeitsvertrages mit der Fa. C. P. GmbH (GA I Bl. 144) vorgelegt, aus der zu ersehen ist, dass der Kläger bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 bis 40 Stunden (§ 6a) einen Bruttostundenlohn von 18,50 DM erhalten sollte. Diesen Sachvortrag haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 29.6.2006 aufgegriffen und dargelegt, dass sich unter Zugrundelegung dieser Parameter bei einer regelmäßigen Wochenarbeitsleistung von 40 Arbeitsstunden ein Bruttoarbeitslohn von 1.513,42 EUR ergebe. Diesem Sachvortrag ist der Kläger nicht mehr entgegengetreten. Insbesondere hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt, dass es ihm während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses mit der Zeitarbeitsfirma, das ausweislich des Arbeitsvertrages erst am 14.5.2001 begründet wurde, gelungen wäre, mit Regelmäßigkeit eine höhere als die im Vertrag vorgesehene Arbeitsleistung zu erbringen. Auch in der Klageschrift geht der Kläger auf den im Prozesskostenhilfeverfahren formulierten Einwand der Beklagten zur Höhe des erzielten regelmäßigen Monatslohns nicht mehr ein, sondern beschränkt sich darauf, den Sachvortrag der Antragsschrift vom 20.3.2006 zu wiederholen. Zwar hat der Kläger in der Klageschrift erstmals die Lohnabrechnung für den Monat November 2001 vorgelegt (GA II Bl. 203). Aus dieser Abrechnung ist zu ersehen, dass der Kläger im Monat November 2001 diverse Zuschläge für Überstunden und Sonn- und Feiertagsarbeit erhalten hat. Allerdings erlaubt diese Lohnaufstellung nicht den Schluss, dass der im Monat November 2001 erzielte Bruttoarbeitslohn mit Regelmäßigkeit verdient wurde.

bbbb) Hinsichtlich des Umfangs der aus der somatoformen Schmerzstörung resultierenden Minderung seiner Erwerbsfähigkeit hat sich der Kläger damit einverstanden erklärt, die Beweisfrage unter Vermeidung einer weiteren Begutachtung durch die Verwertung des im sozialgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachtens der Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie B. zu beantworten (GA III Bl. 440 ff.).

Auch diese Fachärzte gelangten unter ausführlicher Auswertung der Krankengeschichte des Klägers zu dem Ergebnis, dass der Kläger unter einer somatoformen Schmerzstörung auf der Basis einer narzisstischen Persönlichkeit leidet. Für diese neurologisch-psychiatrische Symptomatik errechneten die Fachärzte einen Grad der Behinderung von 30%. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an, nachdem auch die Beklagten im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 10.7.2009 keine substantiellen Einwendungen gegen die Feststellungen der sachverständigen Fachärzte B. erhoben haben.

Soweit die Gutachter in der Zusammenschau aller die körperliche Befindlichkeit des Klägers beeinflussenden Umstände die Auffassung vertreten, dass die auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet liegende Symptomatik „durch die Symptomatik mit dem HWS-Syndrom mit Wurzelreizung“ (GA III Bl. 461) überlagert werde, weshalb ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 gegeben sei, vermag der Senat dieser ärztlichen Einschätzung nicht zu folgen. Denn es steht auch unter dem abgesenkten Beweismaß des § 287 ZPO nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seiner Halswirbelsäule in der von ihm dargestellten Intensität tatsächlich besteht: Der Sachverständige Prof. N. hat in seiner eigenen gutachterlichen Untersuchung des Klägers keinen Hinweis auf eine relevante Schädigung zervikaler Nervenwurzeln gefunden. Auch der neurologische Untersuchungsbefund der Klinik P. (GA I Bl. 50), den der Sachverständige Prof. N. herangezogen und ausgewertet hat, erbrachte keine Hinweise für eine relevante Schädigung zervikaler Nervenwurzeln.

cccc) Ausgehend von einer nachgewiesenen unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers erachtet der Senat im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO unter Berücksichtigung der mit dem Verlust des Arbeitsplatzes ersparten Aufwendungen sowie unter Zugrundelegung eines monatlichen Bruttoverdienstes von 1.513,42 EUR einen Verdienstausfallschaden von monatlich 420 EUR für nachgewiesen. Allerdings war der Verdienstausfallschaden aus den unter Ziff. 3 f dargestellten Erwägungen bei wertender Betrachtung auf einen Zeitraum von längstens 3 Jahren nach dem Unfall zu beschränken. Diese zeitliche Differenzierung beruht auf der Erwägung, dass sich der Kläger im Jahr 1999 in eine nervenärztliche Behandlung wegen eines Erschöpfungssyndroms begab. Aufgrund dieser bereits vor dem Unfallereignis manifesten Somatisierungsstörung erscheint es nicht fernliegend, dass auch ohne das Unfallereignis zeitnah somatoforme Beschwerden aufgetreten wären, die – wenn auch nicht in Gestalt einer Schmerzstörung – die Arbeitsfähigkeit des Klägers eingeschränkt hätten. Dafür spricht insbesondere, dass es nach dem Bericht der Neurologischen Klinik P. vom 10.1.2002 zunächst nach Durchführung einer symptomatischen Therapie zu einer zwar langsamen, aber fortschreitenden Besserung der ausgeprägten Schmerzsymptomatik kam (Gutachten B.; GA III Bl. 455). Erst nach Entstehen des Ehekonflikts, der in einem unter Alkoholeinfluss ausgeführten Suizidversuch des Klägers eskalierte, wurde im Bericht der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in W. vom 31.3.2003 eine Anpassungsstörung in Verbindung mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur diagnostiziert und der Verdacht auf Bestehen einer Schmerzmittelabhängigkeit geäußert (Gutachten B. GA III Bl. 456). Diese Entwicklung zeigt, dass es sogar innerhalb des vom Senat geschätzten Zeitkorridors unfallunabhängige Faktoren gab, die die psychische Gesundheit des Klägers nachdrücklich beeinflussten.

dddd) Im Einzelnen setzt sich die Urteilssumme wie folgt zusammen:

Für den Zeitraum der Lohnfortzahlung ist kein Verdienstausfallschaden nachgewiesen. Im Zeitraum 15.2.2002 bis 15.7.2003 erhielt der Kläger Krankengeld von rund 1.260 EUR (netto). Auch für diesen Zeitraum steht dem Kläger kein Verdienstausfallschaden zu, da er nicht schlüssig vorgetragen hat, dass dieses Nettoeinkommen den als nachgewiesen zu betrachtenden Bruttoarbeitslohn von 1.513,42 EUR unterschritt. Erst für den dann folgenden Zeitraum (16.7.2003 bis 30.11.2004; 16 ½ Monate) waren dem Kläger 6.930 EUR zuzusprechen.

4. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt zugleich, dass der Feststellungsantrag nicht begründet ist. Zwar bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage: Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse setzt lediglich voraus, dass der Eintritt künftiger Schadensfolgen möglich, nicht notwendigerweise wahrscheinlich ist (BGH, Urt. v. 16.1.2001 – VI ZR 381/99, NJW 2001, 1432, vgl. BGHZ 116, 60, 75; Zöller/Greger, aaO., § 256 Rdnr. 8a). Unter dem kursorischen Prüfungsrahmen der Prozessstation bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags. Allerdings bleibt die Feststellungsklage in der Sache ohne Erfolg, da die Zurechnung fortdauernder gesundheitlicher Beschwerden aus den dargestellten normativen Erwägungen ausscheidet.

5. Schließlich ist die Klageforderung auf der Grundlage des unstreitig gebliebenen Sachvortrags des Klägers im Schriftsatz vom 25.8.2008 nicht verjährt:

a) Der Beginn der Verjährung richtet sich gem. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB für den Zeitraum vor dem 1.1.2002 nach dem bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltenden Recht. Mithin war zunächst die Vorschrift des § 852 Abs. 1 BGB a.F. zu beachten, wonach der Anspruch auf Ersatz des aus der unerlaubten Handlung entstandenen Schadens in drei Jahren von dem Zeitpunkt an verjährt, in dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt.

aa) Nach dem unstreitigen Vortrag war dem Kläger vor dem 31.12.2001 die Person des Schädigers unbekannt:

Der Kläger hat unbestritten vorgetragen, er habe den Namen des Unfallgegners nicht vor Ablauf des Jahres 2001 in Erfahrung bringen können. Der Kläger habe sich unmittelbar vor Weihnachten 2001 mit der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten in Verbindung gesetzt und darum gebeten, den Unfall aufzunehmen, den Fahrer des Unfallfahrzeugs und die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherungsgesellschaft zu ermitteln und die Ansprüche sodann geltend zu machen. Anlässlich eines Telefonats habe die Bürokraft des Prozessbevollmächtigten des Klägers das Kennzeichen des unfallverursachenden Fahrzeugs erfragt. Jedoch sei der Bürokraft fehlerhaft das Kennzeichen genannt worden. Erst auf Nachfrage am 2.1.2002 habe das Büro des Prozessbevollmächtigten des Klägers das richtige Kennzeichen erfahren.

bb) Hat der Kläger jedoch vor Schluss des Jahres 2001 keine Kenntnis von der Person des Schädigers gehabt, so hätte die dreijährige Verjährungsfrist nach dem vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts geltenden Recht allenfalls dann begonnen, wenn sich der Kläger einer sich aufdrängenden Kenntnis in rechtsmissbräuchlicher Weise verschlossen hätte (BGHZ 133, 192, 198; Urt. v. 18.1.2000 – VI ZR 375/98, NJW 2000, 953; Urt. v. 17.11.1998 – VI ZR 32/97, NJW 1999, 423, 425; Palandt/Thomas, BGB, 60. Auflage, § 852 Rdnr. 4). Dieser Vorwurf, der die Anforderungen für die Annahme einer nach neuem Recht (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. BGB) maßgeblichen grob fahrlässigen Unkenntnis übersteigt (OLGR Saarbrücken 2008, 817; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 12. Aufl., § 199 Rdnr. 19; Bamberger/Roth/Henrich, BGB, 2. Aufl., § 199 Rdnr. 19; P W W/Kesseler, aaO., § 199 Rdnr. 17), ist nicht gerechtfertigt:

Ein Zeitraum von nur knapp drei Wochen zwischen dem Unfallereignis und der Mandatierung des Rechtsanwalts erscheint vor allem in Hinblick auf den stationären Krankenhausaufenthalt des Klägers zwischen dem 16. und 18.12.2001, anlässlich dessen die Schleimbeuteloperation stattfand, nicht unangemessen lang. Hier ist die Wertung nicht indiziert, der Kläger habe in rechtsmissbräuchlicher Weise sich aufdrängende Erkenntnismöglichkeiten nicht ausgeschöpft.

b) Hat die Verjährung vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Schuldrechts Modernisierungsgesetzes nicht begonnen, so richtet sich die Verjährung ohne Einschränkungen nach dem nunmehr geltenden Recht: Wie vorstehend ausgeführt, lagen die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB für den Verjährungsbeginn erst im Januar des Jahres 2002 vor. Folglich hat die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB am 31.12.2002 begonnen. Allerdings war die Verjährung gemäß §§ 203, 209 BGB aus den im Senatsbeschluss vom 15.7.2008 genannten Gründen wegen schwebender Verhandlungen bis zum 27.3.2003 gehemmt, weshalb die Verjährung frühestens am 28.3.2006 eingetreten konnte. Zuvor hat der Kläger am 20.3.2006, eingegangen am 21.3.2006, einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt, der gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB bereits am 21.3.2006 zu einer erneuten Hemmung der Verjährung führte: Das PKH-Gesuch wurde dem Beklagten im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB demnächst bekannt gegeben (die Verfügung datiert vom 24.3.2006; bereits am 20.4.2006 haben die Beklagten eine Stellungnahme eingereicht).

6. Der Zinsanspruch folgt aus Verzugsgesichtspunkten (§ 286 Abs. 1; § 288 Abs. 1, § 291 BGB).

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

RechtsgebieteZPO, EGBGB, StVG, BGB, PflVG VorschriftenZPO § 256 Abs. 1 ZPO § 286 ZPO § 287 ZPO § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB Art. 229 § 5 EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 StVG § 7 Abs. 1 StVG § 18 Abs. 1 BGB § 195 BGB § 199 Abs. 1 BGB § 203 BGB § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB § 209 BGB § 249 BGB § 252 BGB § 823 Abs. 1 BGB § 847 a.F. BGB § 847 Abs. 1 a.F. BGB § 852 Abs. 1 a.F. PflVG § 3 Nr. 1 S. 1 PflVG § 3 Nr. 2

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