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25.11.2009 · IWW-Abrufnummer 093819

Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Beschluss vom 20.08.2009 – 8 U 107/09

Zur Abgrenzung Meinungsäußerung/Tatsachenbehauptung bei Äußerungen einer Krankenversicherung zum zahnärztlichen Honorarrahmen in einer Kostenübernahmeerklärung




Die Berufung wurde auf den Hinweis des Senats zurückgenommen.


8 U 107/09

Tenor
Der Senat weist den Verfügungskläger darauf hin, dass er beabsichtigt, seine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hanau vom 13. Mai 2009 (Az. 1 O 469/09) durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 18. September 2009.

Gründe

I.

Der Verfügungskläger ist Facharzt für Kieferorthopädie und betreibt seine Zahnarztpraxis in O1. Er verlangt von der Verfügungsbeklagten, einer privaten Krankenversicherung, die Unterlassung geschäftsschädigender Aussagen.

Der Verfügungskläger behandelte im Frühjahr eine bei der Verfügungsbeklagten versicherte Patientin, mit der er am 19.3.2009 eine Honorarvereinbarung abschloss. In dieser Vereinbarung werden einzelne Gebührenpositionen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) erhöht, teilweise um den 3,6 -, um den 5 – bzw. um den 7 – fachen, bei der Gebührenziffer 001 um den 9 – fachen Satz (Bl. 10 d.A.). Am selben Tag erstellte der Verfügungskläger einen Heil- und Kostenplan, den die Patientin bei der Verfügungsbeklagten einreichte. Mit dem streitbefangenen Schreiben vom 27. März 2009 sagte die Verfügungsbeklagte ihrer Patientin in eingeschränktem Umfang Versicherungsleistungen zu und erläuterte die Gründe u.a. mit folgendem Text:

"… Leistung 9,0-facher Satz (Gebührennummer 001 GOZ):
Bei der Gestaltung einer Honorarvereinbarung muss ihre Zahnärztin/ihr Zahnarzt auch Bindungen einhalten, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben. Neben dem Gebot der angemessenen Honorargestaltung nach zahnärztlichem Berufsrecht erfährt auch für den Zahnarzt das Verbot des Wuchers im Sinne des § 138 BGB Geltung. Die Vereinbarung der Gewährung von Vermögensleistungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen, ist danach unwirksam. Bei der Überschreitung des in der Gebührenordnung vorgesehenen Höchstsatzes um mehr als 100 % wird dies regelmäßig der Fall sein. Eine Abrechnung über dem 3,5-fachen Steigerungssatz bei der Leistung nach der Nummer 001 GOZ ist daher nicht verhältnismäßig….(Ablichtung Bl. 11 – 13 d. A.)“

Der Verfügungskläger wirft der Verfügungsbeklagten vor, durch dieses Schreiben seinen Patienten eindeutig zu erklären, dass er in einer Höhe abrechne, die nicht nur rechtswidrig und sittenwidrig sei, sondern auch den Tatbestand des Wuchers erfülle. Die Verfügungsbeklagte stelle damit falsche Behauptungen auf, denn die umfangreichen Behandlungsleistungen des mehrfach promovierten Verfügungsklägers würden einen 9-fachen Steigerungsfaktor der genannten Gebührenposition rechtfertigen. Es bestehe die Gefahr, dass sich Patienten von dem Verfügungskläger abwenden und sich einen anderen Behandler suchen. Er treffe die streitgegenständliche Vereinbarung nämlich mit allen Patienten, so dass das Schreiben der Verfügungsbeklagten eine erhebliche Beeinträchtigung seines Praxisbetriebes nach sich ziehen könne.

Der Verfügungskläger hat beantragt, der Verfügungsbeklagten bei Meidung gesetzlicher Zwangsmittel die Behauptung zu untersagen:

a) Bei Überschreitung des in der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) vorgesehenen Höchstsatzes für die Position 001 um mehr als 100 % besteht regelmäßig ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Honorar.
b) Die Überschreitung des in der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) vorgesehenen Höchstsatzes für die Position 001 um mehr als 100 % verstößt gegen das Verbot des Wuchers im Sinne des § 138 BGB.
c) Eine Abrechnung über dem 3,5-fachen Steigerungssatz bei der Leistung nach Nr. 001 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) ist nicht verhältnismäßig,
hilfsweise
der Verfügungsbeklagten bei Meidung gesetzlicher Zwangsmittel zu untersagen, die oben zitierte Äußerung zu wiederholen.

Das Landgericht hat den Eilantrag zurückgewiesen, weil dem Verfügungskläger kein Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte zustehe. Die in den Eilanträgen Ziffer b) und c) aufgenommenen Aussagen seien von der Verfügungsbeklagten überhaupt nicht abgegeben worden. Im Übrigen handele es sich bei den oben zitierten Äußerungen nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um rechtliche Wertungen, die der Verfügungsbeklagten zugestanden werden müssten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 105-110 d.A.) verwiesen.

Der Verfügungskläger hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Ziel weiter verfolgt. Er wirft dem Landgericht vor, den Tatsachenkern der umstrittenen Aussage verkannt zu haben. Es sei unzweifelhaft so, dass für die Gebührenposition 001 GOZ grundsätzlich eine Honorarvereinbarung getroffen werden könne, die den Höchstsatz von 3,5 um mehr als 100 % überschreite, ohne dass regelmäßig, immer oder meistens gegen das Verbot des Wuchers verstoßen werde. Für den Adressat des angegriffenen Schreibens seien die Ausführungen der Verfügungsbeklagten aber nicht anders zu verstehen, als dass sein Arzt gegen das Verbot des Wuchers verstoße und zwar genau in seinem Fall. Schon aus diesem Grund handele es sich um eine nachprüfbare Tatsachenbehauptung. Hinzu komme, dass Patienten die Ausführungen ihrer Krankenkasse zu detaillierten Abrechnungsfragen grundsätzlich nicht nur als Meinungsäußerungen bewerten würden, sondern regelmäßig von der Kompetenz der Versicherung und ihrer Mitteilungen ausgingen. Die Hauptanträge zu b) und c) würden den inhaltlichen Kern der inkriminierenden Äußerungen erfassen, so dass von einer Wiederholungsgefahr auszugehen sei.

II.

Das Rechtsmittel des Verfügungsklägers hat nach Ansicht des Senats keine Aussicht auf Erfolg. Der Instanzenzug endet im Eilverfahren beim Oberlandesgericht (§ 542 Abs. 2 ZPO). Der Senat beabsichtigt daher, die Berufung im Beschlussweg nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Dem Verfügungskläger steht gegen die Verfügungsbeklagte kein Anspruch auf Unterlassung der streitbefangenen Äußerungen zu. Der deliktische Rechtsschutz gegen unwahre Tatsachenbehauptungen, die die gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit des Anspruchstellers beeinträchtigen, richtet sich nach §§ 824 i. V. m. § 1004 BGB. Unter § 823 Abs. 1 BGB fallen demgegenüber abträgliche Werturteile und die Mitteilung schädigender wahrer Tatsachen (vgl. BGH v. 24.1.2006 - XI ZR 384/03 = BGHZ 166, 84, 100; Jauernig, BGB, 13. Aufl. Rdnr. 1 zu § 824 BGB). Beides liegt hier nicht vor:

1. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert und dementsprechend einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich. Meinungsäußerungen, wie beispielsweise Rechtsauffassungen, sind demgegenüber durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage gekennzeichnet (vgl. BGH a.a.O.). Bei der Ermittlung des Aussageinhaltes darf nicht isoliert auf einzelne Passagen des Textes abgestellt werden. Entscheidend ist vielmehr die Gesamtaussage, beurteilt aus der Sicht eines objektiven, verständigen Kommunikationspartners. Maßgeblich ist daher, wie die Versicherungsnehmerin der Verfügungsbeklagten den Inhalt des Schreibens vom 27. März 2009 verstehen konnte.

Bereits der Anlass und der Charakter des Schreibens sprechen für die Kundgabe einer Rechtsmeinung, denn es ging um die vorläufige Kostenübernahmezusage und damit um die Bewertung, welche Leistungen des Heil- und Kostenplanes die Versicherungsnehmerin auf Grund des Versicherungsverhältnisses von der Verfügungsbeklagten als Erstattung erwarten konnte. In dem Absatz unter der Überschrift " …Leistungen über 3,5-fach bis 7.0-fach: … " hatte die Verfügungsbeklagte bereits zum Ausdruck gebracht, dass der in der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) vorgesehene, angemessene Gebührenrahmen unter bestimmten Umständen innerhalb eines von ihr als akzeptabel bewerteten Rahmens mit einer entsprechenden Honorarvereinbarung überschritten werden kann.

Im ersten Teil des oben zitierten Absatzes, der sich auf die Gestaltung einer Honorarvereinbarung bezieht, wiederholt die Verfügungsbeklagte inhaltlich die amtliche Begründung des Gesetzgebers zu § 2 Abs. 1 GOZ (BR-Drs. 276/87). Jeder unbefangene Leser wird daher einer solchen, allgemein formulierten Stellungnahme den Charakter einer allgemeinen Rechtsauffassung beimessen. Dem steht auch nicht entgegen, dass ein Patient den Äußerungen seiner Krankenversicherung zu Abrechnungsfragen üblicherweise einen hohen "Stellenwert" beimisst, weil er um ihre fachliche Kompetenz in diesem Bereich weiß. Es ist allgemeinkundig und ergibt sich auch aus diesem Schreiben, dass sich die Verfügungsbeklagte als Krankenversicherung sowohl im eigenen als auch im wohlverstandenen Interesse des Patienten eine Rechtsauffassung über die Erstattungsfähigkeit ärztlicher oder zahnärztlicher Leistungen bilden muss. Mehr hat sie nicht kundgetan.

Nach der amtlichen Begründung des Gesetzgebers zu § 2 GOZ wird die Grenze der zulässigen Honorarvereinbarung im Fall des Wuchers, d.h. bei einem Rechtsgeschäft, bei dem die Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung steht, überschritten. Wenn die Verfügungsbeklagte dies aufgreift und ausführt, dass bei Überschreitung des in der Gebührenordnung vorgesehenen Höchstsatzes um mehr als 100 % regelmäßig ein solches Missverhältnis vorliegen wird, so kann ein unbefangener Leser dem nur entnehmen, dass die Verfügungsbeklagte damit eine rechtliche Interpretation der gesetzlichen Bestimmungen abgibt. Insbesondere mit dem Wort "regelmäßig" wird klargestellt, dass es sich um eine allgemeine Rechtssaussage handelt, die keinen Tatsachenkern und namentlich keinen unwahren Tatsachenvorwurf gegenüber dem Verfügungskläger beschreibt.

Zieht man den vorangegangenen Text hinzu, so kann auch der letzte Satz des o. g. Schreibens von einem verständigen Versicherungsnehmer nur als die Wiedergabe einer Rechtsauffassung verstanden werden. Der Senat vermag der Argumentation des Klägers nicht zu folgen. Die Frage, ob eine Abrechnung, die über den 3,5 – fachen Steigerungssatz der gesetzlichen Gebühr hinaus geht, verhältnismäßig ist, hängt nicht nur davon ab, ob besondere Gründe für eine Erhöhung des Gebührenrahmens vorliegen. Sie ist in erster Linie eine unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu beantwortende Rechtsfrage.

2. Ein Verfügungsanspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 823 Abs. 1 i. V. m. § 1004 BGB. Die Verfügungsbeklagte war in Wahrnehmung ihrer eigenen und der berechtigten Interessen ihrer Versicherungsnehmerin berechtigt, ihre Auffassung zur Wirksamkeit einer etwaigen vertraglichen Gebührenerhöhung auf den 9-fachen Satz der Gebührennummer 001 GOZ kundzutun. Die Äußerung ist anlassbezogen gegenüber einer Versicherungsnehmerin abgegeben worden. Schmähkritik oder ein herabsetzendes Werturteil in Bezug auf die Person des Verfügungsklägers lassen sich dem Schreiben nicht entnehmen. Das Landgericht hat bereits zutreffend klargestellt, dass die Richtigkeit der Rechtsauffassung der Verfügungsbeklagten nicht überprüft werden muss. Maßgeblich ist allein, dass es sich um ein Werturteil handelt, dass aus den bereits beschriebenen Gründen die Grenze der zulässigen Meinungsäußerung nicht überschreitet.

Da das Rechtsmittel des Verfügungsklägers keine Aussicht auf Erfolg verspricht, rät ihm der Senat - auch aus Kostengründen - die Berufung zurückzunehmen.

RechtsgebietBGBVorschriften§ 823 BGB, § 824 BGB, § 1004 BGB

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