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01.10.2009 · IWW-Abrufnummer 093295

Bundesfinanzhof: Urteil vom 23.07.2009 – V R 20/08

1. Der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG für gemeinnützige Körperschaften ist nur zu gewähren, wenn die Vereinssatzung die formellen Anforderungen an die sog. Vermögensbindung nach § 61 AO erfüllt.



2. Hierzu ist erforderlich, dass die Vereinssatzung eine Regelung sowohl hinsichtlich der Auflösung und der Aufhebung als auch bei Zweckänderung enthält.


Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein eingetragener Verein. Vereinszweck ist die Reinzucht einer bestimmten Hunderasse. Er fördert alle Bestrebungen, die der Erfüllung dieses Zwecks dienen wie die Erhaltung und Festigung des Rassehundes, seines Wesens, seiner Konstitution und seines formvollendeten Erscheinungsbildes.

§ 63 der im Streitjahr 1997 geltenden Vereinssatzung enthielt keine Regelung für den Fall der Aufhebung und Zweckänderung des Vereins, sondern lautete:

"Auflösung:

1.

Wird die Auflösung des Vereins beschlossen, so hat der Vorstand die laufenden Geschäfte zu beendigen.

2.

Die Mitgliederversammlung beschließt zugleich mit einfacher Stimmenmehrheit über die Verwendung des Vereinsvermögens. Dieses muss entweder einem als gemeinnützig anerkannten Tierschutzverein oder einer anderen als gemeinnützig anerkannten kynologischen Organisation -die Zustimmung des zuständigen Finanzamtes vorausgesetzt- zufließen."

Nachdem der Kläger seine Umsätze mit dem begünstigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) erklärt hatte, besteuerte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Umsätze nach dem Regelsteuersatz. Zur Begründung führte das FA aus, die Vereinssatzung genüge nicht den gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen, weil entgegen § 61 der Abgabenordnung (AO) die Vermögensbindung zwar für den Fall der Auflösung, nicht aber für den Fall der Änderung oder bei Wegfall des Vereinszwecks bestimmt sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Der begünstigte Steuersatz sei nicht anwendbar, weil nach den Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts (§§ 55, 61 AO) "in der Satzung" geregelt sein müsse, dass bei Auflösung, Aufhebung und Zweckänderung des Vereins das Vermögen nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werde. Daran fehle es, weil § 63 der Satzung keine Regelung für den Fall der Zweckänderung enthalte. Auf der Grundlage der Satzung könne nicht geprüft werden, was in diesem Falle mit dem Vereinsvermögen geschehen solle. Da § 61 AO eindeutig sei und gerade die Beachtung der Form verlange, liege hierin auch keine unverhältnismäßige Überspannung der Anforderungen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Senat zugelassenen Revision. Die Begründung des FG sei widersprüchlich, weil es einerseits die Regelungen in der Vereinssatzung der Vermögensbindung nach § 61 AO (Auflösung, Aufhebung oder Zweckänderung) als "absolut eindeutige" formelle Voraussetzungen bezeichne, selbst aber nur das Fehlen der Satzungsregelung zur Zweckänderung (und nicht bei Aufhebung) beanstande. Auch in der Mustersatzung der Finanzverwaltung (Anwendungserlass zur Abgabenordnung vom 31. August 1987 --AEAO--, Anlage 1 zu § 60 AO, BStBl I 1987, 664, 678) seien zwar Auflösung und Zweckänderung, nicht dagegen die Aufhebung genannt. Im AEAO zu § 61 AO sei zudem bestimmt, dass die Vermögensbindung "vor allem" bei der Auflösung des Vereins aus der Satzung hervorgehen müsse. Dies lasse darauf schließen, dass der Bundesminister der Finanzen --BMF--) Ausnahmen zulasse. Die Notwendigkeit einer Satzungsregelung zu den beiden anderen Änderungsgründen (Aufhebung und Zweckänderung) werde auch in den AO-Kommentaren nicht erwähnt. Die Nichtnennung der beiden Alternativen sei ausnahmsweise dann unschädlich, wenn dies bei dem konkreten Verein "keiner praktischen Bedeutung" zukomme. Während das Niedersächsische FG (Urteile vom 31. Oktober 1991 VI 283/87 und vom 20. Oktober 1992 VI 247/88, beide veröffentlicht in [...]) die gesetzliche Vorgabe als eindeutig und nicht interpretationsfähig angesehen habe, habe das FG Hamburg (Urteil vom 12. November 2002 VII 122/01, Deutsches Steuerrecht Eildienst 2003, 634) entschieden, dass nur "die bei der Aufstellung der Satzung nahe liegenden Fälle" geregelt sein müssten. Nach dieser Entscheidung sei eine Zweckänderung bei einem nach der Satzung bestehenden Mehrheitserfordernis von 2/3 fernliegend. Umso mehr gelte dies für den Kläger, nach dessen Satzung (§ 25) die Zustimmung aller Mitglieder für eine Änderung des Vereinszwecks erforderlich sei. Bei Aufstellung der Satzung sei daher die Alternative "Wegfall ihres bisherigen Zwecks" als fernliegend nicht in Betracht gezogen worden und das Fehlen einer entsprechenden Regelung führe ausnahmsweise nicht zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 16. Dezember 2004 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2005 dahingehend zu ändern, dass die erklärten steuerpflichtigen Umsätze mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert werden.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Eine Zweckänderung des klagenden Vereins sei im Unterschied zu dem vom FG Hamburg entschiedenen Fall, in dem der weit gefasste Vereinszweck in der zeitlich unbegrenzten "Förderung der systematischen und vergleichbaren Musikwissenschaft" bestand, durchaus möglich. Hierauf hat der Kläger erwidert, der Wegfall der Förderung einer bestimmten Hunderasse als Vereinszweck sei "noch weitaus unwahrscheinlicher".

II.

Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht die Umsätze des Klägers nicht als steuerbegünstigt nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG angesehen, weil die Regelungen der Vereinssatzung über die Vermögensbindung nicht den Anforderungen des § 61 AO genügen.

1.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG unterliegen die Leistungen der gemeinnützigen Körperschaften (§ 51 bis § 68 AO) --hier wegen Förderung der Tierzucht (§ 52 Abs. 2 Nr. 23 AO)-- dem ermäßigten Steuersatz. Nach § 59 AO wird der ermäßigte Steuersatz u.a. gewährt, wenn sich "aus der Satzung" der Körperschaft ergibt, welchen Zweck sie verfolgt und dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht. In Ausfüllung dieser Anforderungen an die sog. formelle Satzungsmäßigkeit bestimmt § 61 Abs. 1 AO, dass eine Vermögensbindung i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO nur vorliegt,

"wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist".

Eine Ausnahme für die satzungsmäßige Vermögensbindung galt nach dem im Streitjahr geltenden § 62 AO nur für Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts, staatlich beaufsichtigte Stiftungen, für durch Körperschaften des öffentlichen Rechts verwaltete unselbständige Stiftungen und für geistliche Genossenschaften, zu denen der Kläger nicht gehört.

2.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hat die gesetzlich vorgeschriebene Festlegung der künftigen Vermögensverwendung die Funktion eines Buchnachweises (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 10. November 1998 I R 95/97, BFH/NV 1999, 739; vom 26. Februar 1992 I R 47/89, BFH/NV 1992, 695; vom 5. August 1992 X R 165/88, BFHE 169, 3, BStBl II 1992, 1048; vom 19. April 1989 I R 3/88, BFHE 156, 381, BStBl II 1989, 595; vom 13. Dezember 1978 I R 39/78, BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482). Fehlerhafte Satzungsbestimmungen können daher weder durch außerhalb der Satzung getroffene Vereinbarungen noch durch Regelungen in anderen Satzungen ergänzt werden. Ohne Bedeutung ist auch eine den steuerbegünstigten Zwecken tatsächlich entsprechende Geschäftsführung des Vereins (BFH-Urteil vom 21. Juli 1999 I R 2/98, BFH/NV 2000, 297), denn die Berücksichtigung außerhalb der Satzung liegender Begleitumstände oder des nicht in der Satzung manifestierten Willens der Mitglieder würde dem Gebot des Buchnachweises widersprechen (BFH-Beschluss vom 3. September 1999 I B 75/98, BFH/NV 2000, 301). Daher müssen Regelungen über die Vermögensbindung sowohl bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks in der Satzung selbst getroffen werden (ebenso Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 61 AO Rz 2).

3.

Ausnahmen können entgegen der Rechtsansicht des Klägers im Anschluss an das FG Hamburg (a.a.O.) auch nicht für den Fall zugelassen werden, dass der Wegfall des bisherigen Zwecks "so fern liegend ist, dass er gar nicht in den Gesichtskreis der Gründungsmitglieder getreten ist" oder für den Fall, dass eine Änderung des Vereinszwecks nur einstimmig oder mit 2/3 Mehrheit beschlossen werden kann. Denn derartige Ausnahmeregelungen genügen nicht dem Erfordernis der Satzung als Buchnachweis und sind wegen Unbestimmtheit mit dem Ziel einer einfachen und vorhersehbaren Steuerrechtsanwendung nicht zu vereinbaren. Dies gilt gerade im Streitfall, in dem nach § 63 der Vereinssatzung über die Verwendung des Vereinsvermögens bereits mit einfacher Stimmenmehrheit, nach § 25 der Vereinssatzung Satzungsänderungen mit 2/3 der Stimmen, die Auflösung mit 4/5 und eine Änderung des Vereinszwecks nur einstimmig beschlossen werden kann.

4.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Januar 2009 in § 60 Abs. 1 Satz 2 AO (eingefügt durch Art. 10 Nr. 5 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008, BGBl. I 2008, 2794) durch Bezug auf die Mustersatzung bestimmt hat, dass die Satzung Festlegungen für die "Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall der steuerbegünstigten Zwecke" enthalten muss. Daraus folgt nicht, dass vor dem 1. Januar 2009 die Regelungen des § 61 AO zur Vermögensbindung entgegen der Rechtsprechung des BFH unverbindlich waren. Vielmehr sollte durch die Gesetzesänderung (strenger als nach dem BFH-Urteil vom 14. Juli 2004 I R 94/02, BFHE 206, 350, BStBl II 2005, 721) klargestellt werden, dass die formelle Satzungsbindung auch die Begriffe "ausschließlich und unmittelbar" enthalten muss (von Wedelstädt, Der Betrieb 2009, 84, 85).

5.

Der Kläger kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass die Mustersatzung des BMF (BStBl I 1987, 678) bei Vereinen in § 5 des Mustertextes lediglich die Auflösung und die Zweckänderung, nicht aber die Aufhebung nennt ("Bei Auflösung des Vereins oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen des Vereins ..."). Denn der BFH ist bei der Gesetzesauslegung nicht an Verwaltungsvorschriften gebunden (BFH-Urteil vom 31. Juli 2008 V R 21/06, BFH/NV 2009, 95). Ob im Streitfall ein Erlass der Steuerschuld nach § 227 AO geboten ist, weil der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die Richtigkeit von Verwaltungsanweisungen Dispositionen getroffen hat, war im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Hierbei wäre allerdings auch zu berücksichtigen, dass der Kläger neben der fehlenden Regelung bei Aufhebung des Vereins auch keine Regelung zur Zweckänderung getroffen hat, die in der Mustersatzung ausdrücklich vorgesehen ist.

RechtsgebieteUStG, AOVorschriftenUStG § 12 Abs. 2 Nr. 8, AO § 55 Abs. 1 Nr. 4, AO § 61

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