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30.10.2009 · IWW-Abrufnummer 092165

Landgericht München I: Urteil vom 29.01.2009 – 4 O 6504/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht München I

Az: 4 O 6504/07
Verkündet am 29.1.2009

Urteil

Erlässt das Landgericht München I, 4. Zivilkammer, durch XXX aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.1.2009 folgendes

ENDURTEIL:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 53.794,65 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.8.2006 Zug um Zug gegen Übergabe des von der Beklagten am 24.5.2006 gekauften PKW Mercedes-Benz Typ E 320 CDI 4-Matic T-Modell, Fahrzeug-Ident-Nummer: XXX zu bezahlen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 3.713,-- zu bezahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

TATBESTAND:

Die Parteien streiten um ein Auto.

Der Kläger kaufte das neue Auto am 24.5.2006 bei der Beklagten (Anlage K1), zahlte dafür € 60.506,30 und bekam es am 16.6.2006 ausgehändigt. Nachdem er der Beklagten am 20.7.2006 sowie im August 2008 Gelegenheit gegeben hatte, für Abhilfe zu sorgen, schrieb er am 12.8.2006 (Anlage K2) und 22.8.2006 an die Beklagte, dass er das Auto nicht mehr haben wolle, da, es erheblich vibriere und zuviel Sprit verbrauche. Insgesamt fuhr das Auto 34400 km umher, 860 km davon während der Begutachtung im hiesigen Verfahren zwischen 8.9.2008 und 24.10.2008.

Der Kläger behauptet, das Auto sei von Anfang an mangelhaft gewesen. Trotz eines Austauschs der Motoraufhängung träten bei dem Fahrzeug seit der Auslieferung bei kaltem Motor oder nach langem Stehen bei eingelegter Fahrstufe D im Leerlauf Vibrationen auf, wenn die Leerlaufdrehzahl auf 600 U/min abgefallen sei, die über eine nur geringfügige Komfortbeeinträchtigung hinausgingen. Diese niederfrequenten Vibrationen seien an den Kopfstützen beider Vordersitze sowie im Bereich der Rückensitzlehne zu spüren.

Das Fahrzeug verbrauche zudem seit der Auslieferung unter den Bedingungen des geltenden europäischen Messverfahrens anstatt der in der Betriebsanleitung angegebenen durchschnittlichen 8,3 bis 8,6 Liter pro 100 Kilometern tatsächlich 12,9 Liter pro 100 Kilometer. Der Stadtverkehrsverbrauch liege bei 15 Litern pro 100 Kilometern anstatt der in der Betriebsanleitung angegebenen 11,0 bis 11,6 Litern pro 100 Kilometern.

Der Kläger beantragt deshalb,

I. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger €:53.794,65 nebst Verzinsung mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.8.2006 Zug um Zug gegen Übergabe des von der Beklagten am 24.5.2006 gekauften PKW Mercedes-Benz Typ E 320 CDI 4-Matic, T-Modell, Fahrzeug-Ident Nummer: XXX zu bezahlen.

II. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 3.713,-:- zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte meint, bei den vermeintlichen Vibrationen handle es sich lediglich um geringfügige Komfortbeeinträchtigungen, über den durchgeführten Austausch der Motoraufhängung hinausgehende Maßnahmen seien nicht erforderlich. Auch von den angegebenen Verbrauchswerten seien keine Abweichungen festzustellen, die vom Kläger angegebenen Verbrauchswerte beruhten auf Fehlverhalten und anderen technischen Faktoren, die nicht von der Beklagten beeinflussbar seien. Ein von der Beklagten eingeholtes Gutachten habe einen zutreffenden Durchschnittsverbrauch von 9,2 Litern auf 100 Kilometern ergeben, was aufgrund der Fahrzeugausstattung bei einer Herstellerangabe von 8 bis 8,6 Litern nicht zu beanstanden sei.

Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 5.10.2007 Beweis erhoben durch schriftliches Gutachten des Sachverständigen XXX. Auf sein Gutachten vom 28.11.2008 (BI. 57/77) wird ebenso Bezug genommen wie auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 16.8.2007, 13.9.2007 und 29.1.2009 und den übrigen Akteninhalt.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger kann nach zunächst erfolgter bzw. unmöglicher Nachbesserung von der Beklagten nach §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1,326 Abs. 5, 275 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB den gezahlten Kaufpreis in Höhe von € 53.794,65 samt Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückverlangen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass das Fahrzeug tatsächlich von Anfang an in zweifacher Hinsicht mangelhaft war; da es einerseits in einem über bloß geringfügige Komfortbeeinträchtigungen hinausgehenden Maß Vibrationen erzeugte und zum anderen erheblich mehr Sprit verbraucht als vertraglich vorausgesetzt. Im Einzelnen:

1. Der Sachverständige XXX stellte auf den Seiten 15 ff. seines Gutachtens vom 28.11.2009 fest, dass bei der niedrigen Leerlaufdrehzahl von 600 Umdrehungen pro Minute im Rückenbereich des Fahrersitzes sowie an der Kopfstütze Vibrationen aufträten. Diese seien auch im Gesäß deutlich fühlbar und so auffällig, dass nicht mehr von einer geringfügigen Komfortbeeinträchtigung gesprochen werden könne. Sie seien vergleichbar mit den Vibrationen, welche in etwa bei einem Vier-Zylinder-Diesel des gleichen Herstellers bei einem Modell vor zwanzig Jahren aufgetreten seien. Die Vibrationen träten im Leerlauf sowohl bei eingelegter Fahrstufe D als auch bei Neutral auf.

2. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist das Fahrzeug auch aufgrund seines weit überhöhten Kraftstoffverbrauchs von vornherein mangelhaft gewesen. Ein verkauftes Neufahrzeug ist dann als mangelhaft anzusehen, wenn der Kraftstoffverbrauch um mehr als 10 % von den Herstellerangaben abweicht, da insoweit eine nicht nur unerhebliche Minderung des Fahrzeugwertes vorliegt (BGH NJW 1997, 2590; BGHZ 132,55 = BGH NJW 1996, 1337).

Nach dem Gutachten des Sachverständigen XXX (Seiten 10 ff.) hat sich durch die von ihm nach dem maßgeblichen Zyklus der europäischen Richtlinie RL 80/1268/EWG durchgeführten Fahrtests ergeben, dass das streitgegenständliche Fahrzeug tatsächlich im Durchschnitt 11,2 Liter auf 100 Kilometern und damit um 30 bis 35 % mehr als von der Beklagten angegeben verbraucht. Im Stadtverkehr betrug der Verbrauch nach den Feststellungen des Sachverständigen 13,45 Liter und lag damit ebenfalls knapp 16 bis gut 22 % über den Herstellerangaben.

Das Gericht hat - zumal nach der Anhörung des Sachverständigen im Termin vom 29.1.2009 - keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben oder am methodisch richtigen Vorgehen des Sachverständigen zu zweifeln. Der Sachverständige XXX hat insoweit die Vorgaben der für die Ermittlung der vertraglichen Sollbeschaffenheit maßgeblichen RL 80/1268/EWG auch für den Laien nachvollziehbar erläutert. Er hat insbesondere schlüssig erklärt, dass die auf der Straße durchgeführten Messungen die Messergebnisse nicht zu Lasten der Beklagten verfälscht haben können, obwohl deren Mitarbeiter mit unablässiger Vehemenz in der Sitzung die Auffassung vertreten haben, nur eine Messung auf einem Rollenprüfstand über den Umweg einer Erfassung von CO2-Werten führe zu verwertbaren Ergebnissen. Im Hinblick auf den Luftwiderstand führe die von der beklagten Partei angeführte Messung auf einem Prüfstand eher zu noch höherem Verbrauch, da sich bei einer Messung in fließendem Verkehr - wie vom Sachverständigen durchgeführt - die auf der Straße in Fahrtrichtung in Bewegung befindliche Luft eher unterstützend auf das Testfahrzeug auswirke. Ein Messung nach CO2-Ausstoß führe zum gleichen Ergebnis wie eine direkte Messung der Kraftstoffmenge. Da man anders als der Hersteller des Fahrzeugs nicht aufgrund gesetzlicher Vorgaben die CO2-Menge ermitteln musste, habe man gleich die tatsächlich verbrauchte Menge an Kraftstoff messen können. Aus dem gleichen. Grund habe es einer Einordnung des Fahrzeugs in eine bestimmte Fahrzeugklasse nicht bedurft. Auch die genaue Zusammensetzung des Kraftstoffes müsse man nur kennen, wenn man von CO2 auf Liter zurückrechne. Da jedoch der Literverbrauch volumetrisch erfasst worden sei, habe man sich diesen Umweg ersparen können. Der Kraftstoff habe jedenfalls den Vorgaben der Richtlinie entsprochen, da es sich um Markenkraftstoff gehandelt habe.

Insgesamt könne er ausschließen, dass sich gegenüber einem Test auf dem Rollenprüfstand eine signifikante, d.h. mehr als zehnprozentige, Verbrauchsänderung ergeben würde.

Selbst wenn man somit unterstellt, der Sachverständige habe sich aufgrund der Erprobung unter Straßenbedingungen um 10 % vermessen, ändert sich an der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs nichts, da dann noch immer von einem Zuvielverbrauch von im Durchschnitt 20, bis 25 % auszugehen ist. Die Beklagte muss sich bei ihrer Argumentation im übrigen fragen lassen, welches Verständnis von Transparenz und Kundenorientierung sie hat, wenn ihre Mitarbeiter im Streitfall auf die Erzielung von Messwerten pochen, die nicht nur im Alltagsbetrieb nicht zu erreichen, sondern überhaupt ausgeschlossen sind, sobald man das Fahrzeug auf eine echte Straße setzt.

3. Bei der Rückabwicklung des Kaufs waren dem Kläger die durch Benutzung auf insgesamt 33540 km erzielten Gebrauchsvorteile auf den Kaufpreis anzurechnen, die entsprechend der Darstellung des Klägervertreters auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 16.1.2009 (BI. 84) unstreitig. € 6.711 ,65 betragen. Zieht man diesen Betrag vom ursprünglichen Kaufpreis in Höhe von € 60.506,30 ab, ergibt sich der mit Ziffer 1. tenorierte Rückzahlungsbetrag von € 53.794,65. Gemäß §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB kann der Kläger daneben für den Gebrauchsentgang des Fahrzeugs während der Zeit der Begutachtung durch den Sachverständigen den der Höhe nach ebenfalls unstreitigen Ersatz von € 3.713,-- verlangen.

4. Über die Kosten wurde entschieden nach § 91 Abs. 1 ZPO, über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

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