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29.06.2009 · IWW-Abrufnummer 091864

Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 19.02.2009 – 9 U 176/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Rechtsmittel beim BGH - Az.: VIII ZR 61/09

9 U 176/08
2 O 263/07 Landgericht Konstanz
Verkündet am 19. Februar 2009

Oberlandesgericht Karlsruhe
9. Zivilsenat in Freiburg

Im Namen des Volkes

Urteil
In dem Rechtsstreit XXX

wegen Rücktritt vom Kaufvertrag
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2009 unter Mitwirkung von
XXX
für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 16. Juli 2008 abgeändert.
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Konstanz vom 21. August 2007 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der durch die Säumnis des Beklagten entstandenen Kosten. Diese trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

G r ü n d e

I.

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger wirksam vom Kauf eines Wohnmobils zurückgetreten ist.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 16. Juli 2008 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Hinsichtlich der rechtlichen Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Der Beklagte rügt, der Kläger habe gewusst, dass es sich bei dem Wohnmobil nicht um ein Modell der aktuellen Modellreihe gehandelt habe. Dies folge zum einen aus dem Vermerk „Ausstattungspaket 2005“, weil dies deutlich mache, dass es sich um ein älteres Modell mit einer aktuellen Ausstattung handele. Weiter müsse der enorme Preisnachlass von ca. 20% berücksichtigt werden. Dieser sei für ein aktuelles Modell vollkommen unüblich. Weiter habe der Beklagte den Kläger beim Verkauf anhand der aktuellen Preisliste darauf hingewiesen, welchen Preisvorteil der Kauf des alten Fahrzeugs biete.

Im übrigen stelle ein Zeitabstand von 1½ Jahren zwischen Herstellungsdatum und Erstzulassungsdatum keine erhebliche Pflichtverletzung dar und berechtige daher nicht zum Rücktritt. Die Rechtsprechung zum Erwerb von Neufahrzeugen und von Gebrauchtfahrzeugen sei auf den Streitfall nicht uneingeschränkt übertragbar. Diese Entscheidungen seien zu Pkw ergangen; ein Wohnmobil weise demgegenüber erhebliche Unterschiede auf. Dies gelte sowohl für den Gebrauchszweck wie für den Herstellungsprozess. Tatsächlich werde ein Wohnmobil hauptsächlich zum Wohnen genutzt und nur wenig gefahren. Die Innenausstattung unterliege keinem nennenswerten Alterungsprozess. Wohnmobile bestünden aus einem Basisfahrzeug, auf das der Vertreiber des Wohnmobils einen Aufbau errichte. Zwischen Herstellung des Basisfahrzeugs und dem anschließenden Aufbau könnten üblicherweise bis zu 1 ½ Jahre liegen. Vor diesem Hintergrund liege allenfalls ein nur unerheblicher Mangel vor, für den ein Rücktritt ausgeschlossen sei (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB).

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 16. Juli 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen und das Versäumnisurteil aufzuheben.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Aus dem Vermerk „Ausstattungspaket 2005“ und der beim Verkauf übergebenen Preisliste 2/2005 (Anlage K 5) folge, dass es sich bei dem verkauften Fahrzeug nicht um ein älteres Modelljahr handele. Die Angaben im Vertrag ergäben, dass dem Kläger ein zwar gebrauchtes, aber junges, sprich neuwertiges Fahrzeug verkauft worden sei. Angesichts eines Alters beim Verkauf von mindestens 1½ Jahren, tatsächlich aber rund zwei Jahren sei von einem Sachmangel auszugehen. Ein Unterschied zwischen Pkw und Wohnmobilen sei nicht gerechtfertigt. Insbesondere sei bei Wohnmobilen kein Unterschied hinsichtlich des Alterungsprozesses bei längeren Standzeiten zu machen. Der Beklagte wäre daher verpflichtet gewesen, den Kläger über die Standzeit des Vorführwagens aufzuklären.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.

1) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß § 346 Abs. 1 BGB. Der vom Kläger erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag ist unwirksam.

Ein Rücktrittsgrund liegt nicht vor. Es fehlt an einer (mehr als unerheblichen) Pflichtverletzung. Insbesondere weist das verkaufte Wohnmobil keinen Sachmangel auf (§ 434 BGB), der den Kläger zum Rücktritt berechtigen würde. Die Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB sind daher nicht erfüllt.

a) Darin, dass das Fahrzeug bereits zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2003 hergestellt worden ist, liegt kein Sachmangel.

aa) Maßgeblich für die Frage, ob ein Sachmangel vorliegt, ist zunächst die zwischen den Parteien vereinbarte Beschaffenheit der Sache (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB). Im Streitfall erwarb der Kläger das Wohnmobil ausdrücklich als „Vorführwagen“. Entscheidend ist, was vor dem Hintergrund der Umstände des Streitfalles nach objektivem Empfängerhorizont Vertragsinhalt ist, wenn am 20. Juni 2005 ein „Vorführwagen zum Sonderpreis mit Zulassung“ verkauft wird, dessen Gesamtfahrleistung 35 km beträgt, dessen Erstzulassung im Mai 2005 erfolgt ist (bzw. sein soll) und zu dessen „Zubehör“ u.a. ein „Ausstattungspaket 2005“ gehört (vgl. die verbindliche Bestellung vom 20. Juni 2005, Anlage K 1).

Unter diesen Umständen ist ein verkauftes Wohnmobil nicht schon dann mangelhaft, wenn zwischen dem (behaupteten) Datum der Erstzulassung und dem Zeitpunkt, zu dem das Wohnmobil fertiggestellt worden ist, ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren liegt. Unter dem Begriff „Vorführwagen“ werden im allgemeinen Fahrzeuge verstanden, die bislang gewerblich genutzt wurden. Ein Vorführwagen dient einem Neuwagenhändler im wesentlichen zum Zwecke der Vorführung (Besichtigung und Probefahrt). Ein bestimmtes Alter wird mit dem Begriff „Vorführwagen“ nicht zugesichert. Inhalt der Zusicherung ist lediglich die primäre Verwendung als Vorführwagen bei ein und demselben Händler (Reinking, Autokauf 10. Aufl., Rn. 1424). Hingegen kann ein Vorführwaren regelmäßig beliebig alt sein (Reinking, aaO.). Dies gilt in besonderem Maß für Wohnmobile. Zwar mag mit der Bezeichnung „Vorführwagen“ die Vorstellung einhergehen, dass es sich um ein (relativ) neues Fahrzeug handelt. Jedoch enthält weder die Bezeichnung „Vorführwagen“ noch die Verwendung eines Fahrzeugs als Vorführwagen eine Erklärung, dass eine Zeitspanne von weniger als 24 oder 18 Monaten zwischen Herstellungsdatum und Erstzulassung liegt. Vielmehr ist bei der Verwendung eines Fahrzeugs als „Vorführwagen“ regelmäßig in Rechnung zu stellen, dass der Händler das Fahrzeug gerade nicht zum allgemeinen Verkehr zugelassen hat (und hierzu auch nicht verpflichtet war), sondern die jeweiligen Vorführfahrten mit rotem Kennzeichen erfolgt sind. Schon deshalb lässt sich aus dem Datum der Erstzulassung – anders als bei Neufahrzeugen oder Gebrauchtfahrzeugen – regelmäßig nicht auf einen bestimmten Herstellungstermin schließen. Dies gilt in besonderer Weise für ein Wohnmobil. Hier kommt es – soweit es als Vorführfahrzeug genutzt wird – für einen Käufer weniger auf dessen Fahreigenschaften, als in erster Linie auf den gebotenen Wohnkomfort an. Demgemäß besteht für einen Händler noch weniger als bei einem Pkw ein Anlass, das Wohnmobil zum allgemeinen Verkehr zuzulassen. Es gibt daher anders als bei einem Pkw keinen festen Zusammenhang zwischen der Nutzung als Vorführwagen und einer entsprechenden Fahrleistung. Folglich genügt auch die im Streitfall geringe Laufleistung (laut Vertrag 35 km) und die behauptete Erstzulassung im letzten Monat vor der Bestellung nicht, um eine zeitliche Höchstspanne zwischen Herstellung und Erstzulassung als vertraglich geschuldete Beschaffenheit des Fahrzeugs zu begründen. Dem stehen die Besonderheiten bei einem Wohnmobil sowie die klare Bezeichnung des Fahrzeugs als „Vorführwagen“ und die Hervorhebung des „Sonderpreises“ entgegen. Der preisliche Abschlag im Verhältnis zum Listenpreis des Fahrzeugs für 2005 (laut SV in 1. Instanz 71.300 €, AS I, 183) betrug – ohne Berücksichtigung der Sonderausstattung – knapp 11%.

Die Bezeichnung „Ausstattungspaket 2005“ enthält keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass damit zugleich nach dem objektiven Empfängerhorizont ein bestimmtes Höchstalter des Fahrzeugs vereinbart worden ist. Allein die Bezeichnung eines bestimmten „Ausstattungspaktes“ ist ambivalent. Es kann sich sowohl darum handeln, dass die Aktualität des verkauften Modells hervorgehoben wird, als auch darum, dass ein (älteres) Modell mit einer besonders aktuellen Ausstattung versehen worden ist. Im Streitfall findet sich diese Bezeichnung gerade nicht im Zusammenhang mit der Beschreibung des verkauften Wohnmobils, sondern erst unter der Zusammenstellung der als „Zubehör“ mitverkauften Gegenstände (vgl. Anlage K 1). In der Rechnung vom 30. Juni 2005 (Anlage K 2) wird in gleicher Weise zwischen dem verkauften Wohnmobil und den einzelnen Zubehörteilen unterschieden. Mithin genügt die Bezeichnung „Ausstattungspaket 2005“ im Streitfall weder für sich genommen noch im Zusammenhang mit den übrigen Umständen des Kaufs nicht, um ein Herstellungsdatum des Fahrzeugs gegen Ende des Jahres 2003 oder sogar erst im Jahr 2004 als vertragliche Beschaffenheit des gekauften Wohnmobils ansehen zu können. Die Vereinbarung eines „Ausstattungspaktes 2005“ als besonderes Zubehör weckt vielmehr Zweifel daran, dass der Vorführwagen erst im Jahr 2005 hergestellt worden ist.

bb) Einer Beweiserhebung über den tatsächlichen Zeitpunkt, zu dem das Wohnmobil hergestellt worden ist, bedarf es nicht. Fest steht im Streitfall bislang nur, dass das Fahrzeug jedenfalls nicht nach Dezember 2003 hergestellt worden ist. Auch wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass das Fahrzeug rund zwei Jahre (also Anfang 2003) vor dem angeblichen Datum der Erstzulassung hergestellt worden ist, ändert dies nichts daran, dass dies keinen Sachmangel eines als Vorführwagen verkauften Wohnmobils begründet. Maßgeblich ist insoweit die Fertigstellung des gesamten Fahrzeugs, so dass es nicht darauf ankommt, ob einzelne Komponenten des Fahrzeugs noch vor dem Dezember 2003 hergestellt oder das Basisfahrzeug sogar schon im August 2002 fertiggestellt worden sind.

Zum Zeitpunkt des Verkaufs lagen daher zwischen Herstellung (d.h. Fertigstellung) des Fahrzeugs und Vertragsabschluss rund zwei Jahre. Die Rechtsprechung des BGH zum Verkauf von Neuwagen ist nicht einschlägig, weil es sich bei einem Vorführwagen immer um ein Gebrauchtfahrzeug handelt. Dass bei Gebrauchfahrzeugen eine Diskrepanz zwischen Produktionsdatum und Erstzulassungsdatum von 1 ½ Jahren als erheblich anzusehen ist, ist nicht richtig. Wenn schon bei Neufahrzeugen eine Diskrepanz von 1 Jahr noch zu tolerieren ist, muss die Zeitspanne bei Gebrauchtfahrzeugen dies deutlich überschreiten. Dies kann aber letztlich dahinstehen, weil für Wohnmobile nach Auffassung des Senats ohnehin andere Kriterien gelten. Hier kommt hinzu, dass Wohnmobile eine erheblich höhere Laufleistung als Pkw haben (laut SV in I. Instanz rund 300.000 km) und bei Wohnmobilen angesichts der Art ihrer Verwendung immer mit längeren Standzeiten zu rechnen ist. Dies gilt erst recht, wenn die Wohnmobile als Vorführfahrzeug verwendet worden sind. Vor diesem Hintergrund stellt eine Diskrepanz von rund zwei Jahren zwischen Fertigstellung des Wohnmobils und Erstzulassungsdatum keinen Sachmangel eines als Vorführwagen zum Sonderpreis verkauften Wohnmobils dar.

b) Soweit die Gesamtfahrleistung im Vertrag falsch angegeben war, handelt es sich um eine lediglich unerhebliche Pflichtverletzung (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB). Zugestanden hat der Beklagte lediglich eine tatsächliche Gesamtfahrleistung von 114 km. Ein Rücktritt kann hierauf nicht gestützt werden. Keine der Parteien beruft sich in II. Instanz noch auf diesen Gesichtspunkt.

2) Aus den entsprechenden Gründen bestand auch keine Aufklärungspflicht des Beklagten über die tatsächliche Herstellung des Wohnmobils im Jahr 2003. Der Käufer eines Wohnmobils ist sich darüber bewusst, dass der Zweck eines Wohnmobils nicht auf das Fahren beschränkt ist, sondern die Nutzung zum Wohnen mindestens gleichwertig ist. Dieses von der Nutzung eines Pkw stark abweichende Nutzungsverhalten rechtfertigt auch eine andere Beurteilung der Standzeiten. Es kommt die erhebliche Laufleistung eines Wohnmobils hinzu, die dazu führt, dass die gesamte Lebensdauer eines Wohnmobils nicht mit der eines Pkw vergleichbar ist. Demgemäß fallen längere Standzeiten bei Wohnmobilen weniger ins Gewicht als bei einem Pkw. Erst recht gilt dies, wenn ein Wohnmobil als Vorführfahrzeug verkauft wird.

3) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Kriterien, unter denen ein länger zurückliegender Herstellungszeitpunkt einen Sachmangel oder eine Aufklärungspflicht begründen können, hängen von der Verwendung und der Eigenart des verkauften Fahrzeugtyps ab. Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung Aussagen für gebrauchte Pkw getroffen worden sind, sind diese auf Wohnmobile nicht übertragbar.

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