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29.10.2008 · IWW-Abrufnummer 082519

Landgericht Köln: Urteil vom 10.06.2008 – 22 O 276/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Köln

22 O 276/07

Urteil

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.900,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 12. Dezember 2006 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beteiligung des Klägers an der Beklagten beendet ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 1.419,19 € außergerichtliche Anwaltkosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 20. Mai 2008 zu zahlen.

Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

TATBESTAND

Am 9. März 2005 suchte der Anlagevermittler U den Kläger in seiner Wohnung auf, um mit diesem Vermögensanlagemöglichkeiten zu erörtern.

Der Kläger verfügte über eine Lebensversicherung, die er zum Zwecke der Altersvorsorge abgeschlossen hatte und deren Kündigung zum Zwecke einer anderen Vermögensanlage mit dem Anlageberater erörtert wurde.

Am selben Tag unterzeichnete der Kläger eine Beitrittserklärung als atypischer stiller Gesellschafter an der Beklagten (vergl. Blatt 51 GA). In der Folgezeit stockte er seine Beteiligung auf 39.400,00 € auf (vergl. BI. 53 GA). Die Beklagte nahm den Beitritt des Beklagten an und dieser zahlte nach Kündigung der Lebensversicherung und Auszahlung seines Guthabens dort in der Folge 21.900,O0 € an die Beklagte. Unter dem 20. November 2006 erklärte er den Widerruf seiner Beitrittserklärung sowie die Anfechtung der Beitrittserklärung und die außerordentliche Kündigung des Gesellschaftsbeitritts (vergl. Blatt 59 GA).

Der Kläger behauptet, durch Herrn U nicht ordnungsgemäß über die Anlageform aufgeklärt worden zu sein. Entgegen seiner Bestätigung in der Beitrittserklärung habe ein Prospekt nicht vorgelegen. Die Widerrufsbelehrung sei unrichtig. Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.900,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 12. Dezember 2006 zu zahlen.

2. festzustellen, dass die Beteiligung des Klägers an der Beklagten beendet ist;

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.761,08 € außergerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 20. Mai 2008 zu zahlen.

hilfsweise:
1. die Beklagte zu verurteilen, eine Auseinandersetzungsbilanz für die Beteiligung des Klägers zu Vertragsnummer XXX nach Maßgabe von § 13 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages zu 21 11 2006 zu erstellen,

2. nach Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den sich ergebenden Abfindungsbetrag nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.11.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie sich das Verhalten des Herrn U,.deren selbständiger Handelsvertreter er sei, nicht zurechnen lassen müsse. Sie ist der Auffassung, dass der Hinweis auf einen fehlenden 2. Markt für die Verwertung der Beteiligung nicht erforderlich gewesen sei, da der Kläger die Anlageform zum Zwecke der Altersvorsorge gewählt habe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsatze sowie auf die von ihnen eingereichten Unterlagen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

Gemäß Beweisbeschluss vom 11. März 2008 ist Beweis erhoben worden durch die Vernehmung der Zeugen T und U. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Vernehmungsniederschrift vom 20. Mai 2008 Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist bis auf einen Teil der erst im Schriftsatz vom 19. Mai 2008 geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten begründet.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Kläger bei seiner Anlageentscheidung nicht ausreichend aufgeklärt worden ist.

Dem Kläger steht deswegen gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 Abs. 3, § 282, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB n. F. zu.

Der Beklagten oblag es gegenüber dem Kläger als Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über dieses Beteiligungsobjekt zu vermitteln. Das heißt, ihn über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufzuklären. Dies konnte auch durch einen Anlageberater wie Herr U geschehen, dessen Verhalten sich die Beklagte jedoch gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muss.

Eine Zurechnung des Handeins oder Unterlassens eines Erfüllungsgehilfen erfolgte dann, wenn dieser nach den tatsächlichen Umständen mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als Hilfsperson tätig wird. Dies ist auch bei der Kundenwerbung durch selbständige Vermittlungsunternehmen der Fall (vergl. BGH NJW 2001, 358).

Entgegen der Ansicht der Beklagten erfolgte die Aufklärung des Klägers in unzutreffender Weise.

Nach der glaubhaften Aussage der Zeugin T2, erfolgte eine Aufklärung über den fehlenden 2. Markt gegenüber dem Kläger nicht. Auch der Zeuge U hat selbst eingeräumt hierüber mit dem Kläger nicht gesprochen zu haben.

Die Frage, ob die begrenzte Möglichkeit Beteiligungen weiterzuverkaufen, eine Eigenschaft ist, über die der Anlageberater auch ohne entsprechende Anfrage des Interessenten aufzuklären hat, wurde vom BGH für gebrauchte Kommanditanteile dahingehend bejaht, dass dieser Umstand für den durchschnittlichen Anleger für seine Anlageentscheidung von erheblicher Bedeutung ist. Die Bedingungen, zu denen ein Anleger auch auf langfristig festgelegtes Geld vorzeitig zugreifen kann, sind typischerweise ein wesentliches Element seiner Investitionsentscheidung. Dies gelte auch für Anlagen, die der Alterssicherung dienen sollen. Die Pflicht zur ungefragten Aufklärung über die eingeschränkte Fungibilität kann allenfalls dann entfallen, wenn unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles die Weiterveräußerung für den Anleger erkennbar ohne Belang ist. Dabei reicht nach der Rechtsprechung des BGH allein der Umstand des Altersvorsorgezweckes nicht aus, die Aufklärung entfallen zu lassen.

Diese Grundsätze gelten auch für die Anlageform einer stillen Beteiligung. Letztlich geht sogar die Beklagte ausweislich ihres Prospektinhaltes davon aus.

Aber auch unter Berücksichtigung des Prospektinhaltes ergibt sich kein andere Bewertung hinsichtlich des Aufklärungsverstoßes.

Der Hinweis in dem Prospekt ist vor der Anlageentscheidung nicht angesprochen worden. Da der Kläger vor seiner ersten Unterschrift keine Gelegenheit hatte den Prospekt durchzulesen, reicht auch der in diesem enthaltene Hinweis nicht aus. Nach der sehr anschaulichen Schilderung der Zeugin T erfolgte - entgegen der vom auch im Termin zur mündlichen Verhandlung sichtlich überforderten Kläger selbst unterzeichneten Erklärung - zur Überzeugung des Gerichts keine Übergabe des Prospektes im Anlagetermin. Dies deckt sich mit den Angaben des Klägers in seiner Anhörung.

Soweit der Zeuge U bekundet hat, eine Übergabe des Prospektes erfolge immer, folgt ihm das Gericht nicht. Seine Erklärung beinhaltet nur eine Schlussfolgerung, ohne dass der Zeuge eine konkrete Erinnerung hieran bekundet. Allein die allgemeine Behauptung, dies immer zu machen, schließt einen Ausnahmefall nicht in überzeugender Weise aus. Demgegenüber ist die Bekundung der Zeugin T, der Zeuge U habe nicht ein Blatt zurückgelassen und erklärt, dieses Prospekt bräuchte er noch und sie erhielten ein solches später zugeschickt, für das Gericht überzeugend.

Angesichts dieser Umstände, kommt es auf die vom Zeugen U selbst eingeräumte unzutreffende Belehrung über eine vor Ablauf der Vertragszeit von 19 Jahren bestehende Kündigungsmöglichkeit, die nach 12 Jahren sogar ohne Verlust möglich sein sollte - nach der Zeugen T waren es fünf Jahre - nicht an.

Da nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass die mangelhafte Aufklärung des Klägers ursächlich für seine Anlageentscheidung war, ist die Beklagte verpflichtet den Kläger so zu stellen, als wäre der Vertrag nicht zustande gekommen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind im Fall einer stillen Beteiligung nicht die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft anwendbar, so dass ein Schadenersatzanspruch in voller Höhe des eingezahlten Betrages gegeben ist (vgl. BGH ZIP 2004, 1707).

Dem Verzugszinsbegehren der Klägerseite ist in Höhe des zuerkannten Betrages gemäß §§ 288 Absatz 1 Satz 2, 286, 280 Absatz 1 und 2 BGB unter dem Gesichtspunkt des Verzuges stattzugeben.

Aus den obigen Gründen kann der Kläger im Wege des Schadenersatzes auch die Feststellung verlangen, dass das Vertragsverhältnis beendet ist (vgl. BGH ZIP 2005, 763).

Außergerichtliche Anwaltskosten kann der Kläger als weiteren Schaden wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung erstattet verlangen (vgl. BGH DB 1986, 1814) ohne dass es der Voraussetzungen eines Verzuges bedarf. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers ist auch - nach erklärtem Widerruf (vgl. BI. 59 GA)- hinsichtlich des gesamten Vertragsverhältnisses tätig geworden. Der Streitwert berechnet sich jedoch, da der Rückzahlungsanspruch in dem Feststellungsanspruch enthalten ist nicht mit 53.420,00 € sondern mit 35.900,00 € (s. u.). Bei einer 1,3 Gebühr ergibt sich somit eine Forderung von 1.419,19 €.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.
Streitwert:
Klageantrag zu 1.21.900,00 €
Klageantrag zu 2. 14.000,00 € (Differenz 39.400,00 € zu 21.900,00 € davon 80 %)

RechtsgebietBGBVorschriften§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB

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