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20.03.2008 · IWW-Abrufnummer 080893

Bundesfinanzhof: Beschluss vom 19.12.2007 – X B 34/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


X B 34/07

Gründe:

Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist unbegründet, weil die von ihnen geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (unten 1.) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (unten 2.) nicht vorliegen.

1. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn das Finanzgericht (FG) mit einem das angegriffene Urteil tragenden und für das Urteil entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene FG-Urteil und die (vorgebliche) Divergenzentscheidung müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 48 und 53, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Keine Abweichung in diesem Sinne liegt vor, wenn das FG erkennbar von den in der Rechtsprechung des BFH entwickelten und auch den (mutmaßlichen) Divergenzentscheidungen zugrunde liegenden Rechtsgrundsätzen ausgeht, diese aber (möglicherweise) fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalls angewendet hat (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung des BFH bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 55).

Nach diesen Maßstäben kommt im vorliegenden Fall eine Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht in Betracht.

Die Kläger entnehmen dem Urteil des BFH vom 7. November 2006 VIII R 81/04 (BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364) den abstrakten Rechtssatz, dass im Besteuerungs- und Finanzgerichtsverfahren der strafverfahrensrechtliche Grundsatz "in dubio pro reo" gelte, der aus der objektiven Beweislast der Finanzbehörde für anspruchsbegründende Tatsachen abgeleitet werde. Daraus ergebe sich wiederum, dass eine Steuerhinterziehung nur angenommen werden könne, wenn das Gericht vom Vorliegen dieser Straftat überzeugt sei. Dabei könne die Verletzung von Mitwirkungspflichten, auch der sog. erweiterten Mitwirkungspflicht, dem Steuerpflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden.

a) Zum einen liegt dem Urteil des BFH in BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364 ein mit dem Streitfall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Entscheidend war dort die Frage, ob das Finanzamt aufgrund des Vorliegens einer Steuerhinterziehung noch Steuerbescheide ändern durfte, bei denen ansonsten bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten wäre. Es handelte sich um einen Sachverhalt, in dem das Vorliegen einer Steuerhinterziehung notwendige Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides und damit zu prüfen war, ob der Steuerpflichtige eine Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hatte. Im Streitfall geht es weder um den Eintritt einer Verjährung noch um das Vorliegen einer Steuerstraftat, sondern um die Frage, wer die Beweislast für einen im Ausland verwirklichten Sachverhalt trägt.

b) Zum anderen ist --entgegen der Auffassung der Kläger-- die uneingeschränkte Anwendbarkeit des Grundsatzes "in dubio pro reo" im Besteuerungsverfahren dem zitierten Urteil nicht zu entnehmen. Bei der Herausarbeitung dieses Rechtssatzes haben die Kläger die Einschränkungen übersehen, die der BFH in dem Urteil ausdrücklich vorgenommen hat. Der BFH führt nämlich unter II.1.b aus: "Bei nicht behebbaren Zweifeln ist die Feststellung einer Steuerhinterziehung mittels reduzierten Beweismaßes --mithin im Schätzungswege-- nicht zulässig. Hängt die Rechtmäßigkeit eines Bescheides davon ab, dass eine Steuerhinterziehung vorliegt, kann das Gericht eine Straftat nur feststellen, wenn es von ihrem Vorliegen überzeugt ist ... Daraus folgt, dass dem Steuerpflichtigen anders als bei einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO 1977 die Verletzung von Mitwirkungspflichten nicht zum Vorwurf gemacht werden darf. Dies gilt auch für die Verletzung sog. erweiterter Mitwirkungspflichten bei internationalen Steuerpflichten nach § 90 Abs. 2 AO 1977". Noch deutlicher wird der BFH, wenn er unter II.1.d mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung darlegt, dass eine Schätzung der hinterzogenen Steuern nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO 1977 "trotz Geltung des Grundsatzes 'in dubio pro reo' möglich bleibt".

Um eine solche Schätzung handelt es sich im vorliegenden Fall. Nach § 162 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) hat die Finanzbehörde nicht nur die Befugnis, sondern die Pflicht, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können, weil --wie im Streitfall-- nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit der Buchführung zu beanstanden (§ 158 AO). Die durchgeführte Geldverkehrsrechnung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) hat zu dem Ergebnis geführt, dass bei den Klägern im Streitjahr ein Überschuss der verwendeten Mittel über verfügbare Mittel in Höhe von 53 907 DM gegeben war. Da der Geldverkehrsrechnung --ebenso wie der damit verwandten Vermögenszuwachsrechnung-- die höchste Beweiskraft zur Widerlegung der Vermutung des § 158 AO zukommt (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 158 AO Rz 22), lag es an den Klägern, entweder die Herkunft der verwendeten Mittel zu erklären (unten aa) oder darzulegen, dass ihr Einzelhandel die angenommenen Betriebseinnahmen nicht in entsprechender Höhe abwerfen konnte (unten bb).

aa) Durch ihre Erklärung, von dem Cousin ... im Sommer 1999 in der Türkei ein Darlehn in Höhe von 50 000 DM in bar erhalten zu haben, beziehen die Kläger sich auf einen Sachverhalt, der außerhalb der deutschen Besteuerungshoheit verwirklicht wurde. Nach § 90 Abs. 2 AO haben die Beteiligten einen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen, wenn derselbe sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereiches der AO bezieht. Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Pflichten gemäß § 90 Abs. 2 AO und ist der Sachverhalt anderweitig nicht aufklärbar, so kann das FA --und ihm folgend das FG-- zum Nachteil des Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhaltes eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. BFH-Entscheidungen vom 17. März 1997 I B 123/95, BFH/NV 1997, 730; vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462). Insbesondere dann, wenn die Mitwirkungspflicht sich auf Tatsachen und Beweismittel aus dem alleinigen Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen bezieht, kann das FA aus der Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen für ihn nachteilige Schlussfolgerungen ziehen. Es ist der Sinn des § 90 Abs. 2 AO, dass der Steuerpflichtige den Nachteil des insoweit nicht aufgeklärten und durch das FG allein nicht aufklärbaren Sachverhaltes tragen soll.

Der Steuerpflichtige ist gemäß § 90 Abs. 2 AO verpflichtet, von Anfang an für die erforderlichen Beweismittel Sorge zu tragen. Welche Beweismittel zum Nachweis eines Sachverhaltes erforderlich sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Wenn das FG gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet, obliegt ihm als Tatsacheninstanz die Auswahl und Gewichtung der erforderlichen Beweismittel; es hat dabei die erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen nach § 90 Abs. 2 AO zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2004 III R 50/03, BFH/NV 2005, 1009). Die Erfüllung der Pflichten zur Aufklärung des Sachverhaltes sowie zur Vorsorge und Beschaffung von Beweismitteln muss allerdings erforderlich, möglich, zumutbar und verhältnismäßig sein (BFH-Urteile vom 3. Juni 1987 III R 205/81, BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675; vom 19. Juni 1985 I R 109/82, BFH/NV 1986, 249; vom 12. Juli 1974 III R 116/72, BFHE 113, 150, BStBl II 1975, 25; ausführlich Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 90 AO Rz 180, 166, 156 und 72 ff., m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 90 AO Rz 26 und 27). Die finanzrichterliche Überzeugungsbildung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt auf Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze überprüfbar. Die subjektive Gewissheit des Tatrichters vom Vorliegen eines entscheidungserheblichen Sachverhaltes ist dann ausreichend und für das Revisionsgericht bindend, wenn sie auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen Beweiswürdigung beruht, deren nachvollziehbare Folgerungen den Denkgesetzen entsprechen und von den festgestellten Tatsachen getragen werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 1009).

Diese Bindungswirkung ist für den erkennenden Senat im vorliegenden Fall gegeben. Das FG hat im Einzelnen dargelegt, warum es trotz der von den Klägern vorgelegten Unterlagen nicht von der Gewährung eines zinslosen Darlehns überzeugt ist. Es hat nachvollziehbar sowohl aufgezeigt, worin es die Verletzung der Mitwirkungspflicht der Kläger sieht --nämlich sich nicht ausreichend um den Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit des Darlehnsgebers bemüht zu haben--, als auch erläutert, warum den Klägern ein solcher Nachweis zumutbar und möglich war.

bb) Das Vorbringen der Kläger, dass es dem Grundsatz "in dubio pro reo" widerspreche, wenn Zweifel daran, dass der Gewerbebetrieb der Kläger die hinzugeschätzten Betriebseinnahmen nicht in entsprechender Höhe abwerfen konnte, von ihnen zu tragen seien, kann ebenfalls aus den eben dargestellten Gründen eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Die Geldverkehrsrechnung des FA hatte bei den Klägern eine Unterdeckung im Streitjahr in Höhe von 53 907 DM ergeben und damit Anlass gegeben, die Richtigkeit der Buchführung der Kläger anzuzweifeln. Die Kläger haben demgegenüber nicht dargelegt, dass ihr Einzelhandel nicht in der Lage gewesen sei, einen Mehrgewinn in entsprechender Höhe zu erwirtschaften. Dass sich die Höhe des geschätzten Mehrgewinns zudem im Rahmen der Erfahrungswerte hinsichtlich des Reingewinns laut amtlicher Richtsatzsammlung für Gewerbetreibende befunden hat, hat das FG in dem Urteil unter 4.b näher ausgeführt.

2. Der von den Klägern gerügte Verfahrensverstoß liegt ebenfalls nicht vor. Die Pflicht des FG zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) wird durch die Vorentscheidung nicht verletzt. Das FG hat dem Antrag der Kläger, ihnen eine Schriftsatzfrist zum Nachweis zu gewähren, dass tatsächlich eine Rückführung des Darlehns stattgefunden hat, zu Recht nicht stattgegeben.

Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Das Gericht ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Das gilt aber nur in dem Sinne, dass das FG von sich aus auch Beweise erheben kann, die von den Parteien nicht angeboten worden sind. Von den Verfahrensbeteiligten angebotene Beweise muss das FG grundsätzlich erheben, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will. Auf die beantragte Beweiserhebung kann es im Regelfall aber verzichten, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt, das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen zugunsten der betreffenden Partei unterstellt oder das Beweismittel völlig ungeeignet ist, den Beweis zu erbringen (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Juni 2002 VII B 268/01, BFH/NV 2002, 1595, m.w.N.).

Das FG musste dem Beweisantrag der Kläger nicht entsprechen, da es zugunsten der Kläger als wahr unterstellt hat, dass die Kläger auf ein Mahnschreiben eines türkischen Rechtsanwaltes im Jahr 2005 an den Geldgeber 2 x 5 000 ¤ und 1 x 15 000 ¤ mit internationaler Banküberweisung in die Türkei gezahlt haben und deshalb auch keine Zinsen zahlen mussten. Ein anderes für die Kläger günstigeres Ergebnis hätte sich auch nicht aufgrund einer weiteren Schriftsatzfrist erzielen lassen, da das, was die Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls erreichen wollten, nämlich nachzuweisen, dass eine Rückführung des Darlehns tatsächlich stattgefunden hat, bereits als wahr unterstellt wurde. Anhaltspunkte dafür, warum es --wie die Kläger vorbringen-- nicht auszuschließen sein soll, dass das FG bei Stattgabe des Beweisantrages zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können, haben die Kläger weder vorgetragen noch sind sie ersichtlich.

RechtsgebieteFGO, AOVorschriftenFGO § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 AO § 90 Abs. 2 AO § 158 AO § 162 AO § 162 Abs. 2 Satz 2

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