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11.03.2008 · IWW-Abrufnummer 080772

Bundesgerichtshof: Urteil vom 24.01.2008 – VII ZR 46/07

Die Rechtskraft einer Entscheidung über Schadensersatzansprüche gegen den Architekten wegen Nichtausführung einer Ausführungsplanung steht einer Klage auf Ersatz desselben Schadens wegen Fehlern des Architekten bei der gesondert zu beurteilenden Entwurfsplanung, Bauüberwachung und der Abnahme des Bauwerks dann nicht entgegen, wenn aus dem Vortrag im ersten Prozess eindeutig hervorgeht, dass ausschließlich die fehlende Ausführungsplanung Gegenstand des Rechtsstreits war.


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

VII ZR 46/07

Verkündet am:
24. Januar 2008

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Kuffer und Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari und den Richter Dr. Eick

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 7. Februar 2007 und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 20. Juni 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landgericht Bochum zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen mangelhafter Architektenleistungen im Rahmen der Planung und Erstellung einer Regenwasserversickerungsanlage.

Der Kläger war Bauherr der M.-Schule in B. und beauftragte mit Generalplanervertrag vom 14./21. April 1997 die Beklagte zu 3, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter die Beklagten zu 1 und 2 sind, hinsichtlich des zweiten Bauabschnittes dieses Bauvorhabens mit den Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 9 nach § 15 Abs. 2 HOAI.

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen eines Überschwemmungsschadens in Höhe von 260.851,78 ¤ in Anspruch, der auf Mängel der Regenwasserversickerungsanlage zurückzuführen ist.

Der Schaden war bereits in dem Rechtsstreit 2 O 540/03 beim Landgericht B. vom Kläger gegen die jetzige Beklagte zu 3 geltend gemacht worden. In der Klageschrift vom 12. September 2003 war zur Begründung des Zahlungsanspruchs ausgeführt worden:

"...In der Folgezeit haben die Parteien sowie weitere am Bau beteiligte Firmen im Rahmen eines außergerichtlichen Beweissicherungsverfahrens die Ursache für die Überschwemmung erforscht. Zu diesem Zwecke wurde im Einverständnis aller Parteien beauftragt der Sachverständige Dr. Ing. O. aus B. Im Rahmen der Schadensuntersuchung wurde festgestellt, dass die insgesamt auf dem Grundstück befindlichen Versickerungsanlagen I bis III aus verschiedenen Gründen nicht funktionsfähig und ausreichend dimensioniert sind.

Beweis: Sachverständigengutachten des Dr. O. für das Gericht in Ablichtung als Anlage 2 K anbei.

Aus dem Gutachten geht unbestritten hervor, dass die maßgebliche Ursache für den Überschwemmungsschaden eine fehlende Ausführungsplanung für die Versickerungsanlagen war. Diese Planung zu erstellen war Aufgabe der Beklagten, die diese Leistung überhaupt nicht erbracht haben...."

Im Gutachten des Sachverständigen O. waren Mängel der Entwurfsplanung, die fehlende Ausführungsplanung, fehlerhafte Bauausführung und fehlerhafte Objektüberwachung für diverse Beanstandungen an den Versickerungsanlagen I bis III als Fehlerquelle aufgelistet und Bauunternehmer und Architekt als Verantwortlichen zugeschrieben worden.

Auf den Einwand der damaligen Beklagten, die Anlage sei bereits im Rahmen des ersten Bauabschnittes errichtet worden und ausweislich des Abnahmeprotokolls vom 28. April 1997 bei Vertragsschluss der Parteien schon fertig gestellt gewesen, trug der Kläger vor, der entsprechende Auftrag zur Erstellung der Ausführungsplanung an die Beklagte sei bereits im Jahr 1996 mündlich vergeben worden.

Diese Klage wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts B. vom 6. Januar 2004 mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe trotz entsprechenden Hinweises des Gerichts die Beauftragung der Beklagten mit der Erstellung der Ausführungsplanung für die Versickerungsanlagen nicht substantiiert dargelegt.

Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger geltend, die Versickerungsanlage sei aufgrund einer fehlerhaften Entwurfsplanung der Beklagten zu 3 mangelhaft ausgeführt worden. Die Beklagten hätten diese der ausführenden Baufirma zugänglich gemacht. Weiter habe die Beklagte zu 3 ihre vertraglich übernommene Bauaufsicht nicht ordnungsgemäß durchgeführt und im Rahmen der Abnahme bestehende Mängel der Anlage nicht beanstandet.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil über den geltend gemachten Anspruch bereits rechtskräftig entschieden worden sei. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren im gleichen Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

I.

Das Berufungsgericht ist mit dem Landgericht der Auffassung, die erneute Klage sei unzulässig, weil das Landgericht B. über den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens bereits im Verfahren 2 O 540/03 rechtskräftig entschieden habe.

II.

Das Berufungsurteil sowie das Urteil des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht haben die Vorinstanzen die Zulässigkeit der vorliegenden Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft verneint.

1. Die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung verbietet - als negative Prozessvoraussetzung - eine neue Verhandlung über denselben Streitgegenstand (ne bis in idem; BGH, Urteil vom 19. November 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 50 f.; Urteil vom 18. Januar 1985 - V ZR 233/83, BGHZ 93, 287, 289). Unzulässig ist deshalb eine erneute Klage, deren Streitgegenstand mit dem eines rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits identisch ist (BGH, Urteil vom 17. März 1995 - V ZR 178/93, NJW 1995, 1757).

2. Der Streitgegenstand der vorliegenden Klage ist mit dem des Vorprozesses nicht identisch.

a) Zum Streitgegenstand sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt "seinem Wesen nach" erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/96, BB 1997, 121; Urteil vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 5). Ob die einzelnen Tatsachen dieses Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht und ob die Parteien die im Vorprozess nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs damals bereits kannten oder hätten vortragen können, ist nicht erheblich. Infolgedessen gehört zur Rechtskraftwirkung nicht nur die Präklusion der im Vorprozess vorgetragenen Tatsachen, sondern auch die der nicht vorgetragenen Tatsachen, sofern diese nicht erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Prozess entstanden sind, sondern bei natürlicher Anschauung zu dem im Vorprozess vorgetragenen Lebenssachverhalt gehören (BGH, Urteil vom 19. November 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 50 f. m.w.N.).

b) Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, dass ein Kläger, der Schadensersatz wegen Mängeln eines Architektenwerkes einklagt, die er auf ein vorprozessual eingeholtes Gutachten eines Sachverständigen stützt, regelmäßig alle in diesem Gutachten aufgelisteten Mängel des Architektenwerks zum Gegenstand des Rechtsstreits macht. Um diese Wirkung herbeizuführen, ist es nicht erforderlich, dass er alle im Gutachten einzeln aufgeführten Fehler des Architekten, die nach dem Ergebnis des Gutachtens für den geltend gemachten Schaden ursächlich geworden sind, gesondert aufführt. Es genügt grundsätzlich, den Schaden zu beschreiben, ihn dem Werk des Architekten zuzuordnen und sich auf die vorgerichtliche Begutachtung durch den Sachverständigen und die dort aufgelisteten Mängel zu berufen.

Anders kann es jedoch sein, wenn der Kläger sich entschließt, ausdrücklich nur einen bestimmten Fehler des Architektenwerks zu rügen und zur alleinigen Grundlage seines Schadensersatzbegehrens zu machen. Es ist dem Anspruchsteller unbenommen, einzelne abgrenzbare Mängel des Architektenwerks gesondert gerichtlich geltend zu machen. Allerdings muss diese Beschränkung aus seinem Prozessvortrag für alle am Rechtsstreit Beteiligten eindeutig sein.

c) Letzteres ist hier der Fall. Im Vorprozess vor dem Landgericht B. hat der Kläger ausweislich seiner Klagebegründung seinen Schadensersatzanspruch ausschließlich mit der fehlenden Ausführungsplanung begründet. Nur so hat auch die Beklagte den Prozessvortrag seinerzeit verstanden und sich daher ausschließlich mit dem Argument verteidigt, nicht mit der Ausführungsplanung beauftragt worden zu sein. Auch das Gericht hat sich auf die alleinige Prüfung dieser Frage beschränkt. Die anderen Mängel des Architektenwerks, die das Gutachten des Sachverständigen O. erwähnt hat, haben im Rechtsstreit keine Beachtung gefunden, weil nach dem Verständnis aller Prozessbeteiligten der Kläger sich ausdrücklich auf den Mangel fehlender Ausführungsplanung beschränkt hat.

Unter diesem Blickwinkel stellt sich die im Vorprozess geltend gemachte Schadensersatzforderung wegen Nichterbringung der Ausführungsplanung als eine andere Forderung dar als die im Mittelpunkt des vorliegenden Tatsachenvorbringens stehende Schadensersatzforderung wegen fehlerhafter Entwurfsplanung, mangelhafter Bauüberwachung und Pflichtverletzung bei der Abnahme. Alle Forderungen haben zwar ihre gemeinsame Grundlage in dem Architektenvertrag vom 14./21. April 1997, gründen sich jedoch nicht auf dieselbe Pflichtverletzung (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1997 - IX ZR 247/96, BauR 1998, 332 = ZfBR 1998, 144; Urteil vom 7. Dezember 1995 - VII ZR 112/95, BauR 1996, 427 = ZfBR 1996, 137). Vielmehr hat der Kläger verschiedene für den eingetretenen Schaden ursächliche Pflichtverletzungen geltend gemacht, die auf selbständigen, voneinander unabhängigen Tatsachen, also mehreren Lebenssachverhalten beruhen, die unterschiedlichen Sachvortrag des Klägers erfordern und die auch jeweils eine andere Verteidigung der Beklagten bedingen. Die in der vorliegenden Klage vorgetragenen Pflichtverletzungen der fehlerhaften Entwurfsplanung, der mangelhaften Bauüberwachung und der unzureichenden Mängelüberprüfung bei Abnahme gehören bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt "seinem Wesen nach" erfassenden Betrachtungsweise (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 5) nicht zu dem Tatsachenkomplex der fehlenden Ausführungsplanung, den der Kläger im Vorprozess dem Gericht ausschließlich unterbreitet hatte. Unterscheidet sich der Streitgegenstand des neuen Rechtsstreits aber von dem des Vorprozesses, weil ein anderer Sachverhalt vorgetragen wird, der im früheren Verfahren eindeutig nicht Gegenstand war, so steht die Rechtskraft des früheren Urteils der neuen Klage nicht entgegen. Das gilt auch dann, wenn das Klageziel äußerlich unverändert geblieben ist und die Tatsachen, die der neuen Klage zugrunde gelegt sind, schon im Vorprozess hätten geltend gemacht werden können (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1989 - IVb ZR 19/89, BauR 1990, 249; Urteil vom 19. September 1985 - VII ZR 15/85, BauR 1986, 117 = ZfBR 1985, 284; Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 111/80, NJW 1981, 2306).

III.

Da beide Vorinstanzen danach die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen haben, verweist der Senat die Sache unter Aufhebung beider angefochtenen Urteile an das Landgericht zurück (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2003 - VIII ZR 321/02, NJW 2003, 3418; Urteil vom 18. November 1998 - VIII ZR 344/97, NJW 1999, 647, jeweils m.w.N.).

RechtsgebietZPOVorschriftenZPO § 322 Abs. 1

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