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07.03.2008 · IWW-Abrufnummer 080739

Oberlandesgericht Stuttgart: Beschluss vom 15.01.2008 – 8 WF 5/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer: 8 WF 5/08
2 F 485/07Amtsgericht Tuttlingen

15. Januar 2008

Oberlandesgericht Stuttgart
8. Zivilsenat

Beschluss

In der Familiensache XXX

wegen Auskunft / Kindesunterhalt
hier: Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung gem. § 55 RVG; sofortige Beschwerde gem. §§ 56, 33 RVG

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von
XXX

beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Familienrichters des Amtsgerichts Tuttlingen - Familiengericht - vom 14. November 2007, Az. 2 F 485/07,

a b g e ä n d e r t :

Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Tuttlingen vom 11. Oktober 2007 dahin

a b g e ä n d e r t,

dass zusätzlich zu den festgesetzten 73,90 €

weitere 41,77 €, damit insgesamt 115,67 €

als Vergütung gegen die Staatskasse festgesetzt werden.

2. Die Verfahren über die Erinnerung und die Beschwerde sind gebührenfrei. Kosten werden in beiden Verfahren nicht erstattet.

G R Ü N D E :

I.

Im Hauptsacheverfahren wegen Auskunftserteilung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt erging am 3. September 2007 gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil, durch das ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden.
Für einen Streitwert von 500 € war den Klägern unter Beiordnung des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 2. August 2007 ab 23. Juni 2007 Prozesskostenhilfe ohne Zahlungspflichten bewilligt worden.

Mit Antrag vom 4. September 2007 hat der Beschwerdeführer die Festsetzung seiner Vergütung gemäß § 55 RVG in Höhe von insgesamt 115,67 € beantragt und bestätigt, dass er bislang keine Zahlungen auf seine Gebühren erhalten hat.

Die Urkundsbeamtin des Amtsgerichts hat die Vergütung des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 11. Oktober 2007 auf nur 73,90 € festgesetzt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund vorgerichtlicher Tätigkeit des Beschwerdeführers sei gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV die Hälfte der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr mit einem Satz von 0,65 auf die im gerichtlichen Verfahren entstandene 1,3-Verfahrensgebühr anzurechnen.

Die gegen diesen Festsetzungsbeschluss eingelegte Erinnerung des Beschwerdeführers hat der Richter des Amtsgerichts mit Beschluss vom 14. November 2007 zurückgewiesen. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Der Richter ist der Begründung der Kostenbeamtin gefolgt, wonach aus der Bestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV entsprechend der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. März 2007 (NJW 2007, 2049) folge, dass eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr mit der auf die spätere Verfahrensgebühr anzurechnenden Hälfte stets im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen sei, so dass dort nur noch die gekürzte Verfahrensgebühr festgesetzt werden könne.

Gegen den ihm am 6. Dezember 2007 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer per Telefax am 18. Dezember 2007 Beschwerde eingelegt, weil die Anrechnung nicht zu erfolgen habe.
Der Richter des Amtsgerichts hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 2 RVG aufgrund der Zulassung durch das Amtsgericht statthaft, obwohl eine Beschwer von über 200,-- € nicht vorliegt. Das Rechtsmittel ist auch sonst zulässig; insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

In der Sache hat die Beschwerde Erfolg.

Dem aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordneten Beschwerdeführer steht - unabhängig vom Ausgang des zugrunde liegenden Rechtsstreits (Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, § 55 RVG Rdnr. 1, § 59 RVG Rdnr. 1) - ein Anspruch auf Festsetzung einer 1,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 RVG-VV in ungekürzter Höhe zu, weil er von den Klägern keine Zahlung auf die vorgerichtlich entstandene 1,3-Geschäftsgebühr erhalten hat.

1.
Die Staatskasse kann sich gegenüber einem aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt im Vergütungsfestsetzungsverfahren gemäß § 55 RVG zwar grundsätzlich auf einen vorliegenden Anrechnungstatbestand gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV berufen, wenn im Verhältnis zwischen dem Beigeordneten und seinem Mandanten für eine vorgerichtliche Tätigkeit über denselben Gegenstand eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 RVG-VV entstanden ist. Diese Berufung ist der Staatskasse jedoch verwehrt, soweit eine Zahlung des Mandanten auf die anrechenbare zweite Hälfte der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nicht in einem Umfang vorliegt, durch den auch der von der Staatskasse gemäß § 49 RVG zu tragende Teil der Gebühren des beigeordneten Bevollmächtigten getilgt würde.

a) Eine grundsätzliche Unbeachtlichkeit einer für eine vorgerichtliche Tätigkeit im Verhältnis zwischen Mandant und Bevollmächtigtem entstandenen Geschäftsgebühr ergibt sich nicht aus einem Umkehrschluss aus der Regelung der Nr. 2503 Abs. 2 RVG-VV, wonach Beratungshilfegebühren für eine außergerichtliche Tätigkeit zur Hälfte auf die im späteren gerichtlichen Verfahren entstehende Verfahrensgebühr anzurechnen sind. § 58 Abs. 1 RVG bestimmt, dass vom Gegner tatsächlich gezahlte Beratungshilfegebühren zunächst vorrangig auf die Wahlanwaltsgebühr des Bevollmächtigten und danach auf die von der Staatskasse zu zahlende Beratungshilfegebühr anzurechnen sind. Eine entsprechende Bestimmung enthält § 58 Abs. 2 RVG für an den Bevollmächtigten bezahlte Gebühren des gerichtlichen Verfahrens.

b) Für Gebühren, die der Mandant selbst für eine vorgerichtliche Tätigkeit an seinen Bevollmächtigten gezahlt hat, für die Beratungshilfe nicht in Anspruch genommen wurde, gilt nichts anderes.

Die Tätigkeit des Bevollmächtigten im vorgerichtlichen Stadium und im gerichtlichen Verfahren stellen nach der Regelung durch das RVG zwar grundsätzlich jeweils eine besondere Gebührenangelegenheit dar. Die Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV trägt aber dem Umstand Rechnung, dass der Gegenstand dieser Tätigkeiten letztlich derselbe ist. Deshalb wird bei einer Tätigkeit des Bevollmächtigten in beiden Zeitabschnitten der Vergütungsanspruch für das gerichtliche Verfahren gekürzt, weil diese Tätigkeit bereits teilweise durch die im vorgerichtlichen Verfahren entstandene Gebühr mit abgegolten ist. Eine Nachrangigkeit der Tätigkeit des Bevollmächtigten im gerichtlichen Verfahren wird vom Gesetzgeber mit dieser Regelung jedoch nicht zum Ausdruck gebracht.

Die Staatskasse tritt im Umfang der Bewilligung von Prozesskostenhilfe an die Stelle des Mandanten als Gebührenschuldner, wobei die Staatskasse die Gebühren unbedingt allein im Umfang der Regelung gemäß § 49 RVG schuldet und die weitergehende gesetzliche Vergütung des Bevollmächtigten als Wahlanwalt nur im Rahmen einer tatsächlich erfolgenden Ratenzahlung durch den Mandanten gemäß § 50 RVG. In dieser Regelung kommt die grundsätzliche Deckungsgleichheit der Zahlungsverpflichtung der Staatskasse mit der des Mandanten zum Ausdruck.

c) Hat der Mandant eine von ihm selbst geschuldete Geschäftsgebühr für eine vorgerichtliche Tätigkeit an seinen Bevollmächtigten nicht gezahlt - sei es, weil sie ihm nicht in Rechnung gestellt wurde oder aus anderen Gründen -, so ist der Staatskasse eine Berufung auf die Zahlungsverpflichtung des Mandanten für die zweite Hälfte der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr im gerichtlichen Verfahren nach dem Sinn und Zweck der Bewilligung von Prozesskostenhilfe jedoch zu versagen.
Die Verweisung des beigeordneten Bevollmächtigten auf die Geltendmachung eines solchen Anspruches würde nämlich in aller Regel leer laufen, da der Mandant ausweislich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe über eine etwa angeordnete Ratenzahlung von Prozesskosten an die Staatskasse hinaus nicht leistungsfähig wäre und selbst eine Zwangsvollstreckung gegen ihn regelmäßig keine Aussicht auf Erfolg hätte.

Für die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung spricht auch die Regelung des Gesetzgebers in § 58 Abs. 1 und 2 RVG, nach der von dritter Seite geschuldete Gebühren auf den Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse nur in dem Umfang anzurechnen sind, in dem auch tatsächlich eine Zahlung an den Rechtsanwalt erfolgt ist.

d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Kostenbeamtin angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. März 2007 oder seiner weiteren Entscheidung vom 14. März 2007 (AGS 2007, 283 und 289). Diese betreffen Fälle, in denen die vorgerichtliche Geschäftsgebühr in vollem Umfang gegenüber dem Gegner als Nebenforderung zum Hauptsacheanspruch beziffert mit eingeklagt worden war. Ein solches Vorgehen hat der Bundesgerichtshof als zulässig beurteilt und lediglich als obiter dictum zum Ausdruck gebracht, dass eine dergestalt zuerkannte materiell-rechtliche Schadensersatzforderung im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren zu Gunsten des erstattungspflichtigen Gegners mit der anrechenbaren Hälfte berücksichtigt werden muss.
Soweit eine solche Titulierung gegenüber dem Gegner nicht erfolgt und die volle Begleichung einer vorgerichtlich zwischen Mandant und Prozessbevollmächtigtem entstandenen Geschäftsgebühr durch den Prozessgegner auch sonst nicht unstreitig ist, wird die Berücksichtigung der (zweiten Hälfte einer) vorgerichtlichen Geschäftsgebühr im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren zwischen den Prozessparteien gemäß § 103 ff. ZPO von der obergerichtlichen Rechtsprechung dagegen - soweit ersichtlich auch unter der Geltung des RVG - ganz überwiegend abgelehnt (KG AGS 2007, 439; OLG Koblenz RPfleger 2007, 433; OLG Karlsruhe AGS 2007, 494; OLG München AGS 2007, 495; s. auch Norbert Schneider, NJW 2007, 2001). Im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren ist grundsätzlich nur der prozessuale Kostenerstattungsanspruch zu berücksichtigen. Die Anrechnungsvorschrift gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV gilt nur im Verhältnis zwischen dem Auftraggeber und seinem Prozessbevollmächtigten. Im Verhältnis zum Prozessgegner ist die Verrechnung der zweiten Hälfte einer vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nur ausnahmsweise aus prozessökonomischen Gründen dann zu berücksichtigen, wenn die Zahlung auch der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr durch den Gegner entweder unstreitig ist oder die Titulierung einer solchen Zahlungspflicht im Verhältnis zwischen dem Gegner und der erstattungsberechtigten Prozesspartei feststeht (Fall des BGH). Gegen entsprechende Entscheidungen des Senats ist allerdings mehrfach Rechtsbeschwerde eingelegt worden, über die der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden hat.

Selbst wenn der Bundesgerichtshof - entgegen der Rechtsauffassung des Senats - einem erstattungspflichtigen Gegner im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren jedoch stets die Berufung darauf zubilligen sollte, dass der Erstattungsberechtigte seinem Prozessbevollmächtigten schon eine volle vorgerichtliche Geschäftsgebühr schuldet, so würde dies nichts an der vom Senat für die vorliegende Fallgestaltung vertretenen Rechtsauffassung ändern. Ist eine Zahlung des anrechenbaren Teils der vorgerichtlichen Gebühr durch den Mandanten nicht erfolgt, so kann sich die Staatskasse wegen der spezifischen Gegebenheiten des Prozesskostenhilfeverfahrens auf das grundsätzliche Bestehen einer Gebührenschuld nicht berufen.

2.
Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Kläger ihrem Bevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit keine Geschäftsgebühr gezahlt haben.

Die Differenz zu der von der Kostenbeamtin des Amtsgerichts bislang nur berücksichtigten Verfahrensgebühr von 29,25 € zuzüglich Umsatzsteuer und verringerter Auslagen-pauschale - mithin weitere 41,77 € - war auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers deshalb ergänzend zur Zahlung aus der Staatskasse festzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

RechtsgebieteRVG, RVG-VVVorschriftenRVG § 49 RVG § 55 RVG-VV Nr. 2300 RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4

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