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23.11.2007 · IWW-Abrufnummer 073587

Amtsgericht Essen: Beschluss vom 11.10.2007 – 44 Gs 4677/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


AMTSGERICHT ESSEN

BESCHLUSS

In der Ermittlungssache XXX

wegen Verdachts des Diebstahls pp.

wird gem. § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO festgestellt, dass die am 20.07.2007 durchgeführte Durchsuchung rechtswidrig war Es wird weiter festgestellt, dass die Anordnung der Blutentnahme rechtswidrig war.

Es wird angeordnet, sichergestellte Gegenstände an den Beschuldigten herauszugeben und die Blutprobe zu vernichten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe

Der Polizei in Essen wurde am 20.07.2007 durch die Anzeigenerstatterin mitgeteilt, der Beschuldigte nehme bereits seit längerer Zeit Medikamente - konkret handele es sich um opiathaltige Medikamente - aus der urologischen Station mit nach Hause. Es wurde der Verdacht geäußert, dass der Beschuldigte diese Medikamente zur Befriedigung seiner Sucht selbst konsumiere. Zunächst war am 19.07.2007 der Verdacht ausgesprochen worden, der Beschuldigte habe eine Angestellte der Klinik sexuell belästigt. Die Polizei begab sich zunächst zur Klinik, wo das weitere Vorgehen besprochen werden sollte. Dabei wurde erstmals auch die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten erwogen. Die Zeugin M bestellte den Beschuldigten daraufhin fernmündlich zur Klinik, wo ihm im Beisein der Polizei der Tatvorwurf eröffnet wurde. Ihm wurde ferner mitgeteilt, dass eine Durchsuchung seiner Wohnung beabsichtigt sei. Hiergegen erhob er zunächst keine direkten Einwände, äußerte aber auf dem Weg seine Verwunderung, dass kein Beschluss für eine solche Durchsuchung notwendig sei. Durch die Staatsanwaltschaft wurde daraufhin die Durchsuchung der Wohnung angeordnet. Nach Abschluss der Durchsuchung wurde die Entnahme einer Blutprobe angeordnet, um festzustellen, ob der Beschuldigte opiumhaltige Substanzen zu sich genommen habe, deren Spuren noch im Blut vorhanden waren.

Die Staatsanwaltschaft hat die Anordnung der Durchsuchung sowie der Blutentnahme damit gerechtfertigt, dass Gefahr im Verzug gegeben sei. Es sei nicht mehr möglich gewesen, eine richterliche Anordnung einzuholen, da keine Möglichkeit bestanden habe, zu verhindern, dass der Beschuldigte zu Hause Beweismittel beseitige schaffen würde. Es sei insoweit nicht möglich gewesen, den Beschuldigten durch Festhalten seiner Person daran zu hindern. Zur Begründung der Anordnung der Blutprobe wurde angeführt, die aktuellen Blutwerte seien von Bedeutung gewesen und deren Messergebnis hätte durch Verzögerung beeinflusst werden können.

Eine Wohnungsdurchsuchung stellt die Verletzung eines der höchsten Rechtsgüter unseres Rechtsstaates, die Unverletzlichkeit der Wohnung, dar. Sie kann nur angeordnet werden, wenn nachvollziehbare Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat durch den Beschuldigten gegeben und andere Ermittlungen nicht oder nur unter sehr erschwerten Umständen möglich sind. Sie hat grundsätzlich durch den Richter zu erfolgen, nur in Ausnahmefällen kann die Staatsanwaltschaft oder nachrangig die Polizei eine Durchsuchung anordnen, wenn Gefahr im Verzug vorliegt. Dabei ist der Begriff der Gefahr im Verzug sehr eng auszulegen.

Gefahr im Verzug lag weder bei der Anordnung der Durchsuchung vor noch bei der Entnahme der Blutprobe.

Die Durchsuchung wurde an einem Werktag und dabei zur Mittagszeit erstmals erwogen. Unabhängig davon, ob die Durchsuchung direkt nach der Äußerung des Tatverdachtes gegen den Beschuldigten hätte durchgeführt werden können, hätte am 20.07.2007 bei Feststellung des Sachverhaltes durch die Polizei ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss eingeholt werden können. Ein Durchsuchungsbeschluss bedarf nicht der Schriftform, die Mitteilung des Sachverhaltes durch die Staatsanwaltschaft oder ggf. auch durch die Polizei hätte keine wesentliche zeitliche Verzögerung bedeutet. Die zu normalen Arbeitszeiten durchgeführte Maßnahme hätte ohne weiteres mit dem Ermittlungsrichter besprochen werden können. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Klinik in der Hubertstraße liegt, die Wohnung des Beschuldigten aber in der Windmühlenstraße wäre alleine durch die notwendige Fahrtzeit ausreichend Gelegenheit gewesen, einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken. Jedenfalls aber das Zuwarten auf das Eintreffen des Beschuldigten in der Klinik bot hinreichend Möglichkeiten, den Sachverhalt mit dem Ermittlungsrichter zu erörtern und einen Durchsuchungsbeschluss einzuholen.

Gleichsam liegt der Sachverhalt, soweit die Anordnung einer Blutentnahme betroffen ist. Auch diese Maßnahme, die einen gravierenden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Beschuldigten darstellt, bedarf der richterlichen Anordnung. Da bereits durch die Anzeigenerstatterin der Verdacht geäußert wurde, der Beschuldigte habe opiumhaltige Substanzen auch konsumiert, wäre es zeitgleich zu der Durchsuchung möglich gewesen, auch hierfür einen richterlichen Beschluss einzuholen. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die ermittelnden Beamten erst durch die im Papierkorb des Wohnzimmers aufgefundenen verbrauchten Einwegnadeln in der Blutentnahme eine den Ermittlungserfolg begünstigende Maßnahme gesehen hätten, wäre hinreichend Zeit gewesen telefonisch die richterliche Anordnung einzuholen.

Soweit die Staatsanwaltschaft darauf abstellt, dass es keine Möglichkeit gegeben habe zu verhindern, dass der Beschuldigte Beweismittel beiseite schaffen würde, wird dies bereits dadurch widerlegt, dass der Beschuldigte - ohne Beweismittel beiseite zu schaffen - von zu Hause aus in die Klinik gefahren ist. Soweit darauf abgestellt wird, dass kein verfälschtes Messergebnis bzgl. der Blutentnahme riskiert werden sollte, ist anzuführen, dass die Zeit zwischen Verbringung des Beschuldigten von seinem Wohnort zum Präsidium, während der auch keine Blutentnahme stattfand, ausgereicht hätte, einen Beschluss des zuständigen Richters herbeizuführen. Auswirkungen auf das Messergebnis wären schon von daher nicht gegeben.

Unter diesen Voraussetzungen waren die angeordneten Maßnahmen als rechtswidrig einzustufen und die aus den Maßnahmen erlangten Beweismittel an den Beschuldigten herauszugeben.

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