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22.11.2007 · IWW-Abrufnummer 073564

Landgericht Dortmund: Urteil vom 12.07.2007 – 2 O 80/07

1. Der VR ist in der Haftpflichtversicherung von der Leistungspflicht frei, wenn der obliegenheitsgebundene VN weder das gegen ihn im Haftpflichtverhältnis eingeleitete Mahnverfahren anzeigt noch Widerspruch gegen den Mahnbescheid einlegt, so dass ein rechtskräftiger Vollstreckungsbescheid gegen ihn ergeht.



2. Der Gläubiger des Haftpflichtanspruchs muss die Leistungsfreiheit nach Pfändung und Überweisung des Versicherungsanspruchs gegen sich gelten lassen.


Landgericht Dortmund
Aktenzeichen: 2 O 80/07

Urteil

Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von 62.604,62 € der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
Der Kläger nimmt als angeblich Geschädigter aus einer behaupteten mangelhaften Werkleistung des Versicherungsnehmers der Beklagten letztere auf Zahlung der rechtskräftig titulierten Schadensersatzforderung in Anspruch, weil die Beklagte Haftpflichtversicherer des angeblich mangelhaft arbeitenden Werkunternehmers bis 2001 war.

Der Kläger will Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in S sein, welches 1998 modernisiert und umgebaut wurde. Das mit der Bauleitung beauftragte Ingenieurbüro betraute eine Dachdeckerei GmbH in B mit der Ausführung der Dachabdichtungs- und Zimmereiarbeiten. Die - inzwischen insolvente - GmbH beauftragte den SL Bauservice T als Subunternehmer. Dieser unterhielt seinerzeit bei der Beklagten eine Haftpflichtversicherung unter Geltung der AHB. Nach der Behauptung des Klägers soll der Versicherungsnehmer der Beklagten entgegen der' Beauftragung die Dachfläche des Hauses nicht in Etappen, sondern in einem Zug abgedeckt und mit Folie geschützt haben, so dass ein starker Wind die zum Schutz aufgebrachte Plane losreißen konnte und ein Wasserschaden durch Niederschlagswasser in Höhe von 62.604,62 € entstanden sein soll. Wegen dieses witterungsbedingten Schadens nahm der Kläger zunächst seine Gebäudeversicherung vor dem Landgericht K in Anspruch. Die Klage wurde abgewiesen, weil ein bedingungsgemäßer Sturm durch den Kläger nicht nachgewiesen werden konnte. Danach erwirkte der Kläger Mahn- und Vollstreckungsbescheid gegen den Versicherungsnehmer der Beklagten in Höhe der Klageforderung. Der Vollstreckungsbescheid ist rechtskräftig, da ein Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid oder ein Widerspruch gegen den Mahnbescheid nicht eingelegt wurde. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Bergen pfändete der Kläger sodann wegen des titulierten Anspruchs nebst Nebenforderungen die angebliche Forderung des Versicherungsnehmers der Beklagten gegen die Beklagte aus der Haftpflichtversicherung "auf Zahlung der Versicherungssumme" und ließ sich diesen Anspruch zur Einziehung überweisen.

Nunmehr nimmt er die Beklagte aus der gepfändeten Forderung auf Zahlung in Anspruch.

Der Kläger beantragt, die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, an ihn 62.604,62 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.01.2006 zuzüglich vorgerichtlicher und zwangsvollstreckungsbezogener Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 4.044,35 € sowie angefallene Gerichtsvollzieherkosten, Auskünfte sowie Gerichtskosten in Höhe von 896,00 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet den Haftpflichtanspruch nach Grund und Höhe und wendet dessen Verjährung ein. Als versicherungsrechtliche Einwändung nimmt sie Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung in Anspruch, weil ihr Versicherungsnehmer weder die Einleitung des Mahnverfahrens angezeigt noch Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid oder Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt hat. Diese Einwändungen hält der Kläger für unerheblich, weil sie nur das Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer beträfen, die ihm im Außenverhältnis nicht entgegen gehalten werden könnten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer des angeblich mangelhaft arbeitenden Werkunternehmers jedenfalls deswegen nicht zu, weil sich die Beklagte zu Recht auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung ihres Versicherungsnehmers berufen hat.

I.
Das Gericht geht aufgrund der von den Parteien vorprozessual getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung von seiner Zuständigkeit aus, obwohl aus den vom Landgericht Berlin aufgezeigten Gründen (NJW-RR 1997, 378) durchaus Rechtsmissbräuchlichkeit der getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung erwogen werden kann, weil der gewählte Gerichtsstand keinen örtlichen Bezug zu der ausgetragenen Rechtsstreitigkeit hat. Denn weder der Versicherungsnehmer, auf den abzustellen ist, weil der Kläger aus dessen gepfändeten Versicherungsanspruch vorgeht, noch die Beklagte haben ihren Sitz im Sprengel des angerufenen Gerichts.

II.
Bedenken gegen die Begründetheit der Klage bestehen bereits deswegen, weil der Kläger die angebliche Forderung des Versicherungsnehmers der Beklagten "auf Zahlung der Versicherungssumme" gepfändet und sich hat überweisen lassen. Ein solcher Zahlungsanspruch auf eine Versicherungssumme war aber gar nicht existent. Denn grundsätzlich steht es dem Versicherer in der Haftpflichtversicherung frei, ob er den geltend gemachten Haftpflichtanspruch erfüllen oder den Versuch einer Abwehr unternehmen will, § 4 " Nr. 1 AHB. Der Versicherungsanspruch des Versicherungsnehmers in der Haftpflichtversicherung geht deswegen auf Gewährung bedingungsgemäßen Versicherungsschutzes. Mit der Anerkennung oder rechtskräftigen Feststellung des Haftpflichtanspruches konkretisiert sich der Deckungsanspruch auf einen Freistellungsanspruch. Dieser Freistellungsanspruch bestand zum Zeitpunkt der Ausbringung der Pfändung durch den Kläger, da der Haftpflichtanspruch gegen den Versicherungsnehmer der Beklagten zuvor rechtskräftig durch Vollstreckungsbescheid tituliert worden war. Richtigerweise hätte der Kläger diesen Freistellungsanspruch pfänden müssen. Der angebliche Zahlungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer konnte in der Hand des Versicherungsnehmers erst entstehen, nachdem dieser die Haftpflichtforderung erfüllt hatte. Dazu ist es jedoch überhaupt nicht gekommen. Vielmehr hätte sich - wie der Kläger im Ansatz richtig erkennt - in seiner Hand durch Konfusion von Haftpflichtanspruch und wirksam gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers der Freistellungsanspruch in einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer verwandelt (BGH r+s 2007, 191; OLG Saarbrücken VersR 2005, 395; Langheid VersR 2007, 865).

Die Pfändung des nicht existierenden Anspruchs auf Zahlung der Versicherungssumme käme deshalb als Grundlage für die Konfusion und den daraus entstehenden Zahlungsanspruch gegen die Beklagte nur dann in Betracht, wenn die Pfändung der angeblichen Forderung des Versicherungsnehmers gegen die Beklagte ausgelegt werden könnte in die Pfändung des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Freistellungsanspruches gegen die Beklagte. Diese über den Wortsinn des Pfändungsbeschlusses hinaus gehende Auslegung erscheint allenfalls dann möglich, wenn mit den Angaben zum Deckungsverhältnis im , Pfändungsbeschluss die gepfändete Forderung hinreichend konkretisiert worden ist (vgl. Zöller/Stoiber, ZPO 26. Auf!. § 829 Rn. 9).

III.
Letztlich kann die Entscheidung der zu Ziffer II aufgeworfenen Frage offen bleiben, weil die Beklagte jedenfalls wegen Verletzung von Obliegenheiten durch den Versicherungsnehmer der Beklagten leistungsfrei geworden ist. Entgegen der Auffassung des Klägers muss er die Leistungsfreiheit, die sich aus dem Versicherungsverhältnis ergibt, gegen sich gelten lassen, weil er den Versicherungsanspruch gegen die Beklagte gepfändet hat und aus diesem gegen die Beklagte vorgeht.

Unstreitig hat der Versicherungsnehmer der Beklagten gegen die Obliegenheiten aus § 153 Abs. 4 Satz 1 VVG und § 5 Nr. 2 AHB verstoßen, weil er das gegen ihn eingeleitet Mahnverfahren der Beklagten nicht angezeigt hat. Ebenfalls ist unstreitig, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten gegen die Obliegenheit aus § 5 Nr. 4 AHB verstoßen hat, auch ohne Weisung des Versicherers Widerspruch gegen den Mahnbescheid oder jedenfalls Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zu erheben. Gemäß § 6 AHB ist die Beklagte deswegen von ihrer Leistungspflicht frei geworden. Die vorsätzliche Verletzung der genannten Obliegenheiten wird gemäß § 6 AHB vermutet (BGH v. 16.5.2007 -IV ZR 101/04-). Die so genannte Relevanzrechtssprechung des Bundesgerichtshofes greift nicht ein, da die Obliegenheitsverletzung nicht folgenlos geblieben ist. Durch die unterlassenen Anzeigen und Maßnahmen wurde es der Beklagten verwehrt, ihre Dispositionsbefugnis über das Haftpflichtverhältnis wahrzunehmen und auf den Haftpflichtprozess Einfluss zu nehmen.

Der Kläger hat nicht vorgetragen und solches ist auch aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten zum Zeitpunkt der Einleitung des Mahnverfahrens nicht mehr obliegenheitsgebunden gewesen wäre. Davon wäre auszugehen, wenn die Beklagte bereits zuvor Deckung gegenüber ihrem Versicherungsnehmer abgelehnt hätte, weil die Obliegenheiten dazu dienen, dem erfüllungsbereiten Versicherer die Prüfung seiner Leistungspflicht zu ermöglichen und zu erleichtern. Dessen bedarf er nach endgültiger Leistungsablehnung nicht mehr (BGH VersR 1992, 345). Einer Deckungsverweigerung stünde die Verweigerung der Erfüllung des Haftpflichtanspruches nicht gleich, weil der Versicherer damit seiner vertraglich übernommenen Verpflichtungen nachkommt, den Haftpflichtanspruch abzuwehren und insoweit seinem Versicherungsnehmer Deckung zu gewähren.

Nicht mehr obliegenheitsgebunden wäre der Versicherungsnehmer der Beklagten allerdings auch dann, wenn sich die Beklagte nach Anzeige des Versicherungsfalles nicht rechzeitig unmissverständlich erklärt hätte, ob sie den bedingungsgemäßen Rechtsschutz gewähren will (BGH r+s 2007, 191). Auch hierzu hat weder der Kläger etwas vorgetragen noch ist aus den Akten ersichtlich, dass sich die Beklagte in dieser Weise vertragswidrig gegenüber ihrem Versicherungsnehmer verhalten habe könnte.

Somit musste die Klage mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abgewiesen werden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

RechtsgebieteVersicherungsrecht, Haftpflichtversicherung Vorschriften§ 153 Abs. 4 VVG; § 5 Nr. 2 AHB

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