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01.03.2007 · IWW-Abrufnummer 070716

Amtsgericht Hamburg-Altona: Urteil vom 07.12.2006 – 319C C 113/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Amtsgericht Hamburg-Altona

Urteil

Im Namen des Volkes

Geschäfts-Nr. 319C C 113/06

In dem Rechtsstreit XXX

erkennt das Amtsgericht Hamburg-Altona, Abteilung 319C, durch den Richter am Amtsgericht Dr. XXX aufgrund der am 16.11.2006 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu Händen ihres Bevollmächtigten Rechtsanwalt XXX EUR 235,11 nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.9.2005 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagtenseite bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung durch die Klägerseite gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des für diese vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung auf der Grundlage der ARB 94 (Blatt 60 ff der Akten). Versichert war auch die Leistungsart "Arbeits-Rechtsschutz", welche nach § 2b) der ARB die "Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen hinsichtlich dienst- und versorgungsrechtlicher Ansprüche" umfasst. In § 17 (4) der ARB heißt es:

"...Ergreift der Versicherungsnehmer Maßnahmen zur Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen, bevor der Versicherer den Umfang des Versicherungsschutzes bestätigt, und entstehen durch solche Maßnahmen Kosten, trägt der Versicherer nur die Kosten, die er bei einer Rechtsschutzbestätigung vor Einleitung dieser Maßnahmen zu tragen hätte."

Am 1.8.2005 suchte die Klägerin ihren Bevollmächtigten mit einem Kündigungsschreiben ihres Arbeitgebers vom 25.7.2005 (Anlage K 1) auf, um sich gegen die Kündigung zu wehren. In dem Schreiben werden von ihrem Arbeitgeber, einer Steuerberatergesellschaft mit weniger als 10 Mitarbeitern, Vorwürfe gegen die Klägerin bezüglich ihres Verhaltens gegenüber ihren Vorgesetzten und Mitarbeitern erhoben. Die Klägerin beauftragte ihren Bevollmächtigten, welcher auch als Mediator tätig ist, zunächst mit ihrer außergerichtlichen Vertretung. Dieser wandte sich mit Schreiben vom 2.8.2005 (Anlage K 3) an die Arbeitgeberin der Klägerin. In diesem Schreiben setzte er sich mit den Vorwürfen auseinander, führte aus, dass die Kündigung nicht durchsetzbar sei, drohte mit einer Kündigungsschutzklage und bot ein persönliches Gespräch mit dem Ziel einer Einigung über eine Entschädigung der Klägerin an. Nachdem diese Bemühungen keinen Erfolg hatten, erhob der Bevollmächtigte im Namen der Klägerin Kündigungsschutzklage, welche zu einem Vergleich führte.

Der Bevollmächtigten rechnete seine Tätigkeit wie folgt ab:

1,2 Geschäftsgebühr auf 5.600: 405,36
1,2 Termingebühr auf 5.600: 405,60
1,3 Verfahrensgebühr auf 5.600: 439,40
Auslagenpauschale: 20,00
Zwischensumme: 1.270,36
Anzurechen: 0,5 Geschgeb.: -169,00
Netto-Rechnungsbetrag: 1.101,36
MwSt: 176,22
Brutto-Rechnungsbetrag: 1.277,58

Die Beklagte zahlte darauf lediglich ? 1.003,40 sowie die separat abgerechnete Einigungsgebühr.

Mit der Klage verlangte die Klägerin ursprünglich den sich aus der Differenz ergebenden Restbetrag von ? 274,46. Nach einer Neuberechnung der Forderung unter Erhöhung des anrechenbaren Teils der Geschäftsgebühr auf einen Anteil 0,6 statt 0,5 hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beauftragung ihres Bevollmächtigten mit einer zunächst außergerichtlichen Vertretung sei sachgerecht gewesen. Die dadurch entstandenen zusätzlichen Kosten gehörten zu den versicherten Kosten. Sie habe ihren Bevollmächtigten extra vor dem Hintergrund ausgesucht, dass er aufgrund seiner Ausbildung als Mediator zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung besonders befähigt sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu Händen ihres Bevollmächtigten Rechtsanwalt XXX EUR 274,46 nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.9.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf § 17 (4) ARB. Die Beauftragung des Anwalts mit einer zunächst nur außergerichtlichen Interessenvertretung habe überflüssige Kosten verursacht, welche die Beklagte nicht zu erstatten brauche. Die Klägerin habe damit ihre Obliegenheiten verletzt. In Kündigungsschutzverfahren sei aufgrund der kurzen Klagefrist stets sofort Klagauftrag zu erteilen. Das schließe nicht aus, dass sich der jeweilige Anwalt auch um eine außergerichtliche Einigung bemühe. Eine zusätzliche Vergütung für diese Bemühungen erhielte er dann aber nicht. Hier liege auch eine Fehlberatung durch den Anwalt vor, da dieser die Klägerin auf den günstigeren Weg des sofortigen Klagauftrags hätte hinweisen müssen.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die verbleibende Klage ist begründet. Nach den §§ 1, 2b), 5 (1) a, 17 (4) ARB 94 in Verbindung mit § 1 (1) VVG ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin auch die Kosten zu erstatten, welche der Klägerin durch die Beauftragung ihres Anwalts zur außergerichtlichen Interessenvertretung gegenüber ihrem Arbeitgeber entstanden sind.

Es war sachgerecht, dass die Klägerin sich zunächst um eine außergerichtliche Einigung bemühen wollte, auch wenn die zur Verfügung stehende frist aufgrund der kurzen Klagefrist von drei Wochen nur sehr kurz war. Außergerichtliche Einigungen sind kostengünstiger als Einigungen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens, sie können schneller erfolgen und sie vermeiden eine Belastung der Justiz. Dass Einigungen gegenüber streitigen Entscheidungen einen besonderen Stellenwert genießen, hat der Gesetzgeber darin zum Ausdruck gebracht, dass die anwaltliche Einigungsgebühr mit dem 1,5-fachen Satz bemessen ist und dass Gerichtsgebühren in vielen Vergleichsfällen um 2/3 reduziert werden. Das Anliegen, die Gerichte zu entlasten, kommt auch darin zum Ausdruck, dass die anwaltliche Geschäftsgebühr für außergerichtliche Tätigkeiten nur noch in Höhe der Hälfte auf eine in einem späteren Rechtsstreit entstehende Verfahrensgebühr angerechnet wird, während die nach § 118 II BRAGO anfallende Geschäftsgebühr gemäß § 118 II BRAGO auf die in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren entstehenden Gebühren voll anzurechnen war.

Demgemäß lässt sich keine Obliegenheitsverletzung der Klägerin nach § 17 (5)c) cc) ARB und keine Verletzung von Beratungspflichten durch ihren Anwalt erkennen, wenn die Klägerin dem Anwalt zunächst den Auftrag erteilt hat, eine außergerichtliche Einigung anzustreben. Dem Risiko, dass dies am Ende teurer wird als die sofortige Einreichung einer Klage steht die Chance gegenüber, die Angelegenheit schneller und billiger abzuschließen.

Die kurze Klagfrist nach § 3 KSchG steht der Hoffnung auf eine Einigung nicht entgegen. Der durch diese Frist erzeugte Druck kann bei einem Vergleichsschluss hilfreich sein. Die drohende Klage als solche kann sich als Argument für eine Einigung erweisen. Laut Presseberichten, z.B. in der Welt am Sonntag vom 24.9.2006, S. 28 Überschrift "Bloß nicht vor das Arbeitsgericht", sind Prozesse vor den Arbeitsgerichten bei Arbeitgebern in hohem Maße unpopulär. Das gelte besonders für kleine und mittlere Unternehmen.

Die Argumentation der Beklagten richtet sich dementsprechend auch gar nicht so sehr dagegen, dass hier eine außergerichtliche Einigung angestrebt wurde, als vielmehr dagegen, dass dies nicht im Rahmen eines bereits vorab erteilten Klagauftrags erfolgt ist. Denn, so zitiert die Beklagte einen namhaften Kommentar zum RVG (Gerold/Schmidt, RVG, 16. Auflage, VV 2400, RN 22)( ergäbe sich nach einem erteilten Klagauftrag außergerichtlich ein Vergleichsschluss, bestände für eine nachträgliche Anwendung von VV 2400 kein Raum, vielmehr verbliebe es bei den im Verfahren nach VV 3100 zu bestimmenden Gebühren. Das ist zweifellos richtig. Daraus in Verbindung mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit lässt sich aber nicht die Pflicht des Anwalts ableiten, außergerichtliche Vergleichsbemühungen stets en passant auf dem Weg zur Klage zu unternehmen und sich ein ausdrückliches Mandat zur außergerichtlichen Rechtsverfolgung gar nicht mehr erteilen zu lassen. Damit wäre dem Zweck der reduzierten Anrechnung, nämlich dem Anwalt einen finanziellen Anreiz für außergerichtliche Bemühungen zu geben, entgegen gehandelt. Ein Anwalt, der dann das täte, wofür er bezahlt würde, bräuchte sich nur darauf zu konzentrieren, eine Klage abzufassen und etwaige Einigungen dem Gerichtsverfahren vorzubehalten. Das aber wäre weder im Sinn der Beteiligten noch des Gesetzgebers. Die wirtschaftlichen Erwägungen der Beklagten sind nur dann schlüssig, wenn vom Anwalt nach Erhalt des Klagauftrags erwartet wird, dass er zusätzlich unbezahlt außergerichtlich tätig wird. Es mag sein, dass manche Anwälte dazu bereit sind. Dieses Gericht vermag aber kein Beratungsverschulden eines Anwalts darin zu erkennen, wenn die Beauftragung so gefasst wird, dass er für die von ihm gewünschten Tätigkeiten auch das gesetzlich vorgesehene Honorar erhält. Es liegt danach auch keine Obliegenheitsverletzung der Klägerin vor, wenn sie einen entsprechenden Auftrag erteilt hat.

Diese Erwägungen sind im vorliegenden Fall von umso größerer Bedeutung, als sich der Konflikt, der zur Kündigung der Klägerin führte, ausweislich der dazu vorgelegten umfangreichen Korrespondenz und schriftlichen Äußerungen des Arbeitgebers auf einer rein persönlichen Ebene begründet war, ohne dass zwingende wirtschaftliche Notwendigkeiten die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich gemacht hätten. Dementsprechend war die Bandbreite möglicher Lösungen groß. Die Einschaltung eines zunächst außergerichtlich tätigen Anwalts mit einer Ausbildung als Mediator war sinnvoll, um sie auszuloten und zu erschließen.

Die zuerkannte Klagforderung berechnet sich danach wie folgt:

1.2 Geschäftsgebühr auf 5.600: 405,36
1,2 Termingebühr auf 5.600: 405,60
1,3 Verfahrensgebühr auf 5.600: 439,40
Auslagenpauschale: 20,00
Zwischensumme: 1.270,36
Anzurechenden GeschGeb 0,6: -202,68
Netto-Rechnungsbetrag: 1.067,68
MwSt: 170,83
Brutto-Rechnungsbetrag: 1.238,51
Gezahlt: -1003.4
Rest: 235,11

Die Einholung eines Gutachtens der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer bedurfte es nicht, weil die Höhe der Geschäftsgebühr bzw. die Bestimmung der Gebühr innerhalb des vorgegebenen Rahmens nicht angegriffen worden ist und auch "von Amts wegen" nicht zu beanstanden ist.

Die Zinsentscheidung beruht auf den §§ 286, 288, 291 BGB.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 I, 269 III ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und Sicherheitsleistung beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Das Gericht hat die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen, weil die Beklagte eine größere Zahl von Urteilen vorgelegt hat, u.a. eine Einzelrichterentscheidung des Landgerichts Hamburg, in denen es als Obliegenheitsverletzung des Versicherten betrachtet wurde, nach der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses einen Anwalt zunächst mit außergerichtlicher Interessenvertretung zu beauftragen. Vor diesem Hintergrund sind die Voraussetzungen des § 511 IV ZPO hier zu bejahen.

RechtsgebieteVersicherungsrecht, RechtsschutzversicherungVorschriften§ 5 Abs. 1 ARB 94

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