Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

23.02.2007 · IWW-Abrufnummer 070640

Oberlandesgericht Zweibrücken: Urteil vom 03.08.2006 – 4 U 114/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil

Aktenzeichen:
4 U 114/05

Verkündet am: 3. August 2006

In dem Rechtsstreit

wegen Nießbrauchs,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab, den Richter am Oberlandesgericht Friemel und die Richterin am Oberlandesgericht Bastian-Holler auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 21. Juli 2005 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin an dem Hausanwesen in ..., ..., eingetragen im Grundbuch von K... Bl. ..., Fl.St.Nr. ... Abt. II, das lebenslängliche unentgeltliche und sicherungsfreie Nießbrauchsrecht durch Eintragung in das Grundbuch zu bewilligen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.

III.Die Gerichtskosten tragen die Klägerin und Beklagte zu 1) je zur Hälfte; die Klägerin trägt die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten zu 2), die Beklagte zu 1) die Hälfte der außergerichtlichen Auslagen der Klägerin; im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Auslagen selbst.

IV. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 000,-- ¤, für die Beklagten in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagten sind die Kinder des am 20. Januar 2003 verstorbenen Erblassers A... Sch... aus erster Ehe. Die Klägerin war seine (zweite) Ehefrau.

Durch notariellen Erbvertrag vom 4. März 1983 hatten der Erblasser und die Klägerin die Beklagten als Erben je zur Hälfte eingesetzt und der Klägerin u. a. einen Nießbrauch an einem Teil des Wohnhauses ..., ...- der ehelichen Wohnung - eingeräumt; die Beklagte zu 1) erhielt das Recht, das Haus gegen Auszahlung der Beklagten zu 2) zu veräußern. Die Mieteinnahmen sollten den Beklagten zustehen, die davon die Erhaltungs- und Unterhaltungskosten des Hauses tragen sollte.

Durch notariellen Erbvertrag vom 25. Juni 1991 änderten der Erblasser und die Klägerin den Vertrag dahin, dass die Klägerin ein lebenslängliches, unentgeltliches "sicherungsfreies Nießbrauchsrecht" sowie die Nutzungen erhalten und die Pflicht zur Unterhaltung des Hauses tragen sollte. Am 27. Dezember 2002 räumte der Erblasser darüber hinaus der Klägerin eine notarielle Vollmacht zur Wahrnehmung seiner Angelegenheiten ein, welche auch über seinen Tod hinaus nicht erlöschen sollte.

Nach dem Tod des Erblassers teilte das Amtsgericht - Nachlassgericht - Rockenhausen im Februar 2003 den Parteien den Inhalt der beiden Erbverträge mit. Daraufhin kam es zwischen ihnen zum Streit.

Die Beklagte zu 2) schlug durch notarielle Erklärung vom 18. Juli 2003 die Erbschaft aus und focht hilfsweise deren Annahme an. Die Klägerin begehrt die Bewilligung der Eintragung eines Nießbrauchsrechts an dem Grundstück ..., .... Sie hat ferner im Wege der einstweiligen Verfügung die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch zur Sicherung des vorgenannten Nießbrauchsrechts begehrt. Die Beklagten sind durch Urteil des Senats vom 17. März 2004 (Az. 4 U 6/05) verurteilt worden, die begehrte Vormerkung zu bewilligen.

Durch das angefochtene Urteil hat die Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern die Beklagten nach Beweisaufnahme verurteilt, die Eintragung des begehrten Nießbrauchsrechts zu bewilligen.

Mit ihren Berufungen bekämpfen beide Beklagten das Urteil in vollem Umfang. Sie rügen die Rechtsauffassung der Einzelrichterin sowie dass diese ihren Sachvortrag teilweise übergangen haben.

Sie beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung ihres dortigen Vorbringens.

Auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden sowie das angefochtene Urteil wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen.

II.

Die Berufungen sind zulässig. Die Berufung der Beklagten zu 2) führt zum Erfolg, wohingegen das Rechtsmittel der Beklagten zu 1) unbegründet ist.

A. Berufung der Beklagten zu 2):

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) aus dem zwischen ihr und dem Erblasser am 25. Juni 1991 geschlossenen notariellen Erbvertrag keinen Anspruch auf Einräumung eines Nießbrauchsrechts, weil die Beklagte zu 2) die Erbschaft rechtzeitig ausgeschlagen hat (§§ 1944 Abs. 1, 2306 Abs. 2 2. Hs BGB).

Nach § 1944 Abs. 1 BGB beträgt die Frist für die Ausschlagung einer Erbschaft grundsätzlich sechs Wochen. Sie beginnt in dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund seiner Berufung Kenntnis erlangt. Im Falle der - wie hier - gewillkürten Erbfolge beginnt die Frist nach § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB mit der Verkündung der Verfügung, welche hier mit der Kenntnis der Beklagten zu 2) von der Eröffnung der Erbvertrags gleichzusetzen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1990 - IV ZR 131/89 - bei juris). Das war nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils spätestens am 21. Februar 2003 der Fall.

Abweichend von seiner noch im einstweiligen Verfügungsverfahren (4 U 6/05) vertretenen Auffassung geht der Senat nach dem Vortrag der Beklagten zu 2) im vorliegenden Hauptsacheverfahren davon aus, dass diese die Erbschaft rechtzeitig ausgeschlagen hat.

Nach § 2306 Abs. 1 Satz 2 2. Hs BGB beginnt die Ausschlagungsfrist, wenn die Voraussetzungen des § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegen, also erst, wenn ein Pflichtteilsberechtigter von einer Beschränkung oder Beschwerung i. S. v. § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB Kenntnis erlangt.

Die Vorschrift ist vorliegend anwendbar.

Die Beklagte zu 2) ist als Tochter des Erblassers Pflichtteilsberechtigte i. S. v. § 2303 Abs. 1 BGB. Durch das im Erbvertrag vom 25. Juni 1991 zwischen der Klägerin und dem Erblasser vereinbarte Vermächtnis ist die Erbschaft der Beklagten zu 2) beschwert i. S. v. § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Nach der genannten Vorschrift hat ein Erbe, dessen Erbeinsetzung durch ein Vermächtnis beschwert wird, das Recht, die Erbschaft auszuschlagen, wenn der ihm hinterlassene Erbteil größer als sein Pflichtteil ist, jedoch durch das Vermächtnis unter den Wert des Pflichtteils gedrückt wird. Entspricht der Erbteil dem Pflichtteil oder ist der Erbteil sogar geringer als der Pflichtteil, gilt die Beschränkung nach § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB als nicht erfolgt.

Die Frage, ob der dem Erbe hinterlassene Erbteil kleiner (bzw. gleichgroß) oder größer als der Pflichtteil ist, entscheidet sich nach der Quote des Erb- bzw. Pflichtteils am Gesamtnachlass (sog. Quotentheorie). Zu vergleichen ist die halbe gesetzliche Erbquote mit dem quotenmäßigen Anteil des hinterlassenen Erbteils am Gesamtnachlass, wobei die Belastungen unberücksichtigt bleiben (BGH NJW 1983, 2378; Lange in MüKo, BGB 4. Aufl., § 2306, Rdnr. 3; Palandt/Edenhofer, BGB 65. Aufl, § 2306 Rdnr. 4). Hingegen kommt es nicht auf den (wirtschaftlichen) Wert von Zuwendung und Pflichtteil an (Palandt/Edenhofer aaO; Lange aaO).

Das der Beklagten zu 2) [und der Beklagten zu 1)] hinterlassene Erbteil übersteigt deren Pflichtteil quotenmäßig deutlich. Da der Erblasser und die Klägerin - wie sich aus dem notariellen Erbvertrag vom 25. Juni 1991 ergibt - im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten, betrug der gesetzliche Erbteil der Beklagten als Kinder des Erblassers gemäß §§ 1931 Abs. 1, Abs. 2, 1371, 1924 BGB jeweils 1/4, das der Klägerin 1/2. Die Pflichtteilsquote der Beklagten hätte nach § 2303 Abs. 1 BGB 1/8, also deutlich weniger als die im notariellen Erbvertrag vom 25. Juni 1991 eingeräumte Alleinerbenstellung zu je 1/2 betragen.

Das Landgericht hat angenommen, die Beklagte zu 2) habe um diese Umstände seit Übersendung des Erbvertrags im Februar 2003 gewusst, so dass in diesem Zeitpunkt die Ausschlagungsfrist begonnen habe zu laufen. Die Frist beginne grundsätzlich mit der Kenntnis des Inhalts der beeinträchtigenden Verfügung.

Dem kann nicht gefolgt werden, weil bei der Berechnung des der Beklagten zu 2) zustehenden Pflichtteils auch noch eine ihr vom Erblasser auferlegte Ausgleichspflicht i. S. der §§ 2316 Abs. 1, 2050 Abs. 3 BGB zu berücksichtigen war, so dass vorliegend die sog. Werttheorie Anwendung findet.

Der Erblasser hatte der Beklagten zu 2) durch notariellen Übergabevertrag vom 29. Mai 1981 ein weiteres Grundstück in B... zu Eigentum übertragen; den Wert des Grundstücks hatten die damaligen Vertragsparteien auf 40 000,-- DM geschätzt. Die Übertragung erfolgte laut Vertrag "in vorweggenommener Erbfolgeregelung"; die Beklagte zu 2) sollte als Ausgleich für den Empfang die Hälfte des Grundstückswertes (20 000,-- DM) an ihre Schwester, die Beklagte zu 1), bezahlen.

Diese Verpflichtung beinhaltete eine echte Ausgleichspflicht i. S. v. §§ 2316, 2050 Abs. 3 BGB, weil der Erblasser sie in den Übergabevertrag ausdrücklich im Rahmen einer "vorweggenommenen Erbfolgeregelung" angeordnet hatte (vgl. BGH NJW-RR 1989, 259; Palandt/Edenhofer, § 2050 Rdnr. 11).

Eine solche Ausgleichspflicht ist bei der Berechnung des Pflichtteils nach § 2316 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen, indem sie mit ihrem Wert, den sie zur Leistungszeit hatte, dem Nachlass hinzuzurechen ist, § 2055 Abs. 1 Satz 2, 2055 Abs. 2 BGB (vgl. Lange aaO, § 2316 Rdnr. 9 ff; Staudinger/Haas (1998), § 2316 Rdnr. 18 ff).

Eine solche Ausgleichspflicht bewirkt, dass sich die Berechnung der Verhältnisse von Pflichtteil und gesetzlichem Erbteil nicht nach deren Quote, sondern nach der sog. Werttheorie bemisst; d. h. es findet ein Vergleich zwischen den beiden Werten statt. Es entscheidet das Verhältnis des rechnerischen Betrages des Pflichtteils zu dem - ohne Abzug der Beschränkungen und Beschwerungen des § 2306 BGB zu berechnenden - Betrag (Rohwert) des hinterlassenen Erbteils, ob eine Beschränkung oder Beschwerung (Vermächtnis) gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB als nicht angeordnet gilt oder der Erbe die Erbschaft ausschlagen muss, wenn er sie nicht annehmen will (vgl. BayObLGZ 1968, 112; Lange aaO, § 2306 Rdnr. 21 m. w. N.; Palandt/Edenhofer aaO, § 2306 Rdnr. 10). Wegen der Schwierigkeit dieser Berechnung beginnt in solchen Fällen die Ausschlagungsfrist erst dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte weiß, ob der Wert seines Erbteils den ihm unter Berücksichtigung der gesetzlichen Ausgleichspflicht zukommenden Pflichtteil übersteigt oder nicht (RGZ 113, 45; BayObLG 1959, 77; Staudinger/Haas aaO, § 2306 Rdnr. 64; Lange aaO; Palandt/Edenhofer aaO).

Diese Werte waren im Zeitpunkt der Ausschlagung der Erbschaft nicht bekannt. Der Wert des Grundstücks (als wesentlicher Teil des Nachlasses) und der Wert des vermachten Nießbrauchs wurden erst durch das vom Landgericht zu Beweiszwecken eingeholte Wertgutachten des Katasteramts Kaiserslautern im Oktober 2004 bekannt.

Hatte die Ausschlagungsfrist somit noch nicht zu laufen begonnen, war die Ausschlagungserklärung der Beklagten zu 2) vom 18. Juli 2003 rechtzeitig erfolgt.

Einer wirksamen Ausschlagung steht auch nicht entgegen, dass das Amtsgericht Rockenhausen beiden Beklagten am 29. Juli 2005 einen Erbschein als Miterben zu je 1/2 erteilt und durch Beschluss vom 22. September 2005 den Antrag der Beklagten zu 2) wegen der erfolgten Ausschlagung der Erbschaft den Erbschein einzuziehen, zurückgewiesen hat (Az. VI 36/03, Bl. 363 ff). Die Entscheidungen über die Erteilung des Erbscheins sind nicht konstitutiv; der Senat ist deshalb nicht gehindert, von den Feststellungen des Nachlassgerichts abzuweichen (allg. M., vgl. BGHZ 47, 58, 66; Lange in MüKo aaO, § 2353 Rdnr. 3 m. w. N.).

Ähnliches gilt für den Umstand, dass die Beklagte zu 2) mittlerweile als Miteigentümerin zu 1/2 im Grundbuch eingetragen ist.

Die Eintragung ist unstreitig gemäß § 35 GBO auf Betreiben der Klägerin erfolgt, die dem Grundbuchamt den - ebenfalls auf ihren Antrag - erteilten Erbschein vorlegte, welcher die Beklagten als Miterben zu 1/2 auswies. Die Klägerin benötigte die Voreintragung der Beklagten zur Eintragung der ihr im einstweiligen Verfügungsverfahren (4 U 6/05) zuerkannten Vormerkung. Die Eintragung der Beklagten bewirkt lediglich eine widerlegbare Rechtsvermutung zu ihren Gunsten (Wacke in MüKo aaO, § 1891 Nr. 1, 15). Im Falle ihrer Unrichtigkeit kann eine Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO erfolgen oder Klage auf Grundbuchberichtigung nach § 894 BGB erhoben werden.

Im Übrigen konnte die Beklagte zu 2) dadurch nicht nachträglich die Erbschaft wieder annehmen, wenn sie diese zuvor wirksam ausgeschlagen hatte. Denn nach § 1953 Abs. 1 BGB gilt der Anfall der Erbschaft an den Ausschlagenden als nicht erfolgt. Durch die Ausschlagung war das Rechtsverhältnis der Beklagte zu 2) zum Erblasser erloschen (vgl. Palandt/Edenhofer aaO, § 1953 Rdnr. 2) und die Erbfolge so zu beurteilen, als wäre die Beklagte zu 2) im Zeitpunkt des Erbfalls vorverstorben gewesen (vgl. Leipold in MüKo. aaO, § 1953 Rdnr. 1).

Das Rechtsmittel der Beklagte zu 2) ist deshalb begründet.

B. Berufung der Beklagten zu 1):

Das Rechtsmittel der Beklagte zu 1) führt nicht zum Erfolg.

Zwar bewirkt die wirksame Ausschlagung der Erbschaft durch die Beklagte zu 2), dass sie gegen die Beklagte zu 1) einen Pflichtteilsanspruch (§ 2306 Abs. 1 S. 2 BGB) geltend machen kann. Auch kann in einem solchen Fall nach § 2318 Abs. 1 BGB ein Erbe die Erfüllung des Vermächtnisses insoweit verweigern, dass die Pflichtteilslast von ihm und dem Vermächtnisnehmer verhältnismäßig getragen wird. Die Vorschrift enthält ein Kürzungsrecht des Erben, wodurch sichergestellt werden soll, dass ihn belastende Vermächtnisse verhältnismäßig reduziert werden, was auch im Falle eines Vermächtnisses über einen Nießbrauch möglich ist. In diesem Fall erfolgt die Kürzung in der Weise, dass der Erbe beim Vollzug des (ungekürzten) Vermächtnisses einen entsprechenden Betrag fordert, welchen der Vermächtnisnehmer zahlen muss (vgl. zu allem: Lange in MüKo. aaO, § 2318 Rdnr. 3).

Das Kürzungsrecht setzt aber voraus, dass der Erbe von dem Pflichtteilsberechtigten in Anspruch genommen wird, was eine wirtschaftlich den Erben treffende Inanspruchnahme erfordert. Denn § 2318 BGB will verhindern, dass der Erbe nicht gleichzeitig ein Vermächtnis und einen Pflichtteil erfüllen muss und so am Ende selbst mit weniger als seinem Pflichtteil dasteht (OLG Frankfurt am Main, FamRZ 1991, 238, 240; Lange aaO § 2318 Rdnr. 5; Staudinger/Haas aaO § 2318 Rdnr. 6).

Die Einzelrichterin hat zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte zu 2) bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils keine ernsthaften Anstalten gemacht hat, die Beklagte zu 1) wegen des Pflichtteils in Anspruch zu nehmen. Die Berufung stellt das auch nicht in Frage.

Soweit die Beklagte zu 1) nunmehr auf ein Anschreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2) vom 25. Oktober 2005 hinweist, vermag der Senat auch darin noch keine die Beklagte zu 1) wirtschaftlich belastende Inanspruchnahme zu erkennen. Die Beklagte zu 2) beziffert darin lediglich "vorläufig" ihr Pflichtteil in Höhe von 44 882,75 ¤ und fordert die Beklagte zu 1) unter Fristsetzung auf, den Betrag anzuerkennen sowie auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, weil diese "Anfang nächsten Jahres" bevorstehe; ferner wird die Beklagte zu 1) aufgefordert, den ihr "als Erbin zustehenden Auskunftsanspruch gegenüber der Vermächtnisnehmerin entsprechend durchzusetzen". Dem Schreiben kann allenfalls die Bedeutung zugemessen werden, dass die Beklagte zu 2) damit gegenüber der Beklagten zu 1) zu erkennen gegeben hat, dass sie einen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen gedenkt. Die bloße Ankündigung eines solchen Anspruchs beinhaltet aber noch keine die Beklagte zu 1) wirtschaftlich treffende Inanspruchnahme.
Die Beklagte zu 1) kann nicht damit gehört werden, dass der der Klägerin zugewandte Vermächtnisanspruch nicht bestehe, weil die im Erbvertrag vom 25. Juni 1999 niedergelegte Formulierung, dass der Klägerin "das lebenslängliche, unentgeltliche und sicherungsfreie Nießbrauchsrecht" zugewandt werden solle, offen lasse, ob es sich um einen schuldrechtlichen oder dinglichen Nießbrauch handeln solle. Die Beklagte zu 1) will diese Ungewissheit aus der Formulierung "sicherungsfreies Nießbrauchsrecht" herleiten.

Der Senat hat dazu in seinem Urteil vom 17. März 2005 (4 U 6/05) Folgendes ausgeführt:

"Diese Formulierung kann nicht dahin ausgelegt werden, dass der Erblasser der Verfügungsklägerin nur ein schuldrechtliches Nutzungsrecht an dem Grundstück habe zusprechen wollen. Die Bestimmung in A Nr. 1. c, bb der notariellen Urkunde vom 25. Juni 1991 sieht vor, dass die Verfügungsklägerin ein Nießbrauchsrecht "nach den Bestimmungen des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs" erhalten sollte. Gemäß § 873 Abs. 1 BGB erfordert die Einräumung eines Nießbrauchs an einem Grundstück die Eintragung in das Grundbuch (vgl. auch Palandt/Bassenge, BGB 64. Aufl., vor § 1030 Rdnr. 5). Hinzu kommt, dass die Verfügungsklägerin ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht erhalten, mithin das Grundstück über eine geraume Zeit nutzen können sollte. Damit ist die Gefahr verbunden, dass ihr Recht durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anderer Gläubiger vereitelt werden könnte. Das spricht ebenfalls dafür, dass ihr ein dinglicher Nießbrauch habe zugewendet werden sollen (vgl. auch BGH NJW NJW 2001, 2883), welcher der Eintragung in das Grundbuch bedarf."

Diese Ausführungen gelten weiterhin.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz der Klägerin zu 1) vom 20. Juli 2006 bietet keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).

RechtsgebieteBGB, GBOVorschriftenBGB § 873 Abs. 1 BGB § 894 BGB § 1371 BGB § 1924 BGB § 1931 Abs. 1 BGB § 1931 Abs. 2 BGB § 1944 Abs. 1 BGB § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB § 1953 Abs. 1 BGB § 2050 Abs. 3 BGB § 2055 Abs. 1 Satz 2 BGB § 2055 Abs. 2 BGB § 2303 Abs. 1 BGB § 2306 BGB § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB § 2306 Abs. 1 Satz 2 2. Hs BGB § 2316 BGB § 2316 Abs. 1 BGB § 2318 BGB § 2318 Abs. 1 GBO § 22 GBO § 35

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr