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09.01.2007 · IWW-Abrufnummer 070070

Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 16.12.2006 – 1 UF 54/05

Zum Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 2 BGB.


1 UF 54/05

Gründe:

Der Beklagte ist der geschiedene Ehemann der Klägerin zu 1) und der Vater der Klägerin zu 2) und des Klägers zu 3). Die Kläger haben den Beklagten im Wege der Abänderungsklage auf Zahlung höheren Unterhalts als mit Scheidungsverbundurteil des AG Usingen vom 9.7.1999 tituliert in Anspruch genommen. Der Beklagte hat widerklagend die Abänderung des aus diesem Scheidungsverbundurteil titulierten nachehelichen Unterhalts der Klägerin zu 1) mit dem Ziel der Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts auf null begehrt.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil in Abänderung des bisherigen Unterhaltstitels für die Kläger zu 2) und 3) für den Unterhaltszeitraum vom 1.12.2001 bis 31.3.2003 jeweils 354 ¤ monatlich, für den Unterhaltszeitraum 1.4.2003 bis 30.6.2003 jeweils 327 ¤ monatlich und für den Zeitraum ab 1.7.2003 jeweils monatlich 349 ¤ Unterhalt zugesprochen. In Abänderung des bisherigen Unterhaltstitels hat das Amtsgericht ferner der Klägerin zu 1) für den Unterhaltszeitraum vom 1.5.2002 bis 31.3.2003 nachehelichen Unterhalt in Höhe von 864 ¤ zugesprochen und für den Zeitraum ab 1.4.2003 auf die Widerklage des Beklagten in Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels festgestellt, dass der Beklagte für den Zeitraum vom 1.4.2003 bis 30.6.2003 nur noch monatlich 436,50 ¤ und ab 1.7.2003 nur noch monatlich 418 ¤ nachehelichen Unterhalt an die Klägerin zu 1) zu zahlen hat.

Dabei hat das Amtsgericht das durchschnittliches Nettoeinkommen des Beklagten, der Polizeibeamter ist und bis in das Jahr 2003 hinein in einem Sonderkommando Dienst tat, mit 2.700,29 ¤ zzgl. einer anteiligen Steuererstattung von 267,31 ¤ bemessen und hiervon Aufwendungen in Höhe von insgesamt 206,73 ¤ in Abzug gebracht. Ferner hat es dem Beklagten einen Nettowohnvorteil von 116,68 ¤ zugerechnet. Bezüglich der Einkünfte der Klägerin zu 1) lag dem Urteil zugrunde, dass diese bis März 2003 nicht erwerbstätig war und ab dann Einkünfte aus einer Halbtagstätigkeit als Beamtin der Besoldungsgruppe A 8 bezog, die das Amtsgericht mit 1.447,54 ¤ abzüglich 321,75 ¤ Fahrtkosten bei einer Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz von 35 km und abzüglich 226,58 ¤ Kranken- und Pflegeversicherung bemessen hat. Einen Wohnvorteil für die Klägerin zu 1), die ein in ihrem Alleineigentum stehendes Haus bewohnt, hat das Amtsgericht nicht zugerechnet, da die Klägerin zu 1) zur Finanzierung des Hauseigentums ein bei ihrer Mutter aufgenommenes Darlehen mit monatlich 400 ¤ zurückführte und die Parteien im Hinblick hierauf Einvernehmen darüber erzielt hatten, dass der Wohnvorteil der Klägerin zu 1) die Belastungen nicht übersteigt.

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Abweisung seiner Widerklage zum Ehegattenunterhalt, soweit für 2004 ein monatlicher Unterhalt in Höhe von mehr als 309 ¤ und ab 1.1.2005 überhaupt noch ein Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 1) festgestellt wurde. Die Berufung richtete sich zunächst auch gegen den Urteilsausspruch über den für die Klägerin zu 2) und für den Kläger zu 3) ab Januar 2004 zu zahlenden Kindesunterhalt. Die Berufung gegen die Klägerin zu 2) und den Kläger zu 3) hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 28.10.2005 zurückgenommen.

Mit der Berufung gegen die Klägerin zu 1) verfolgt der Beklagte seinen erstinstanzlichen Vortrag weiter, dass sich infolge seines Wechsels vom Sonderkommando in eine andere Dienstart sein Einkommen reduziert habe und im Übrigen die Klägerin zu 1) jedenfalls ab Januar 2005 nicht mehr unterhaltsbedürftig sei, weil ihr die Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zumutbar sei. Nachdem sich im Laufe des Berufungsverfahrens herausgestellt hat, dass die Klägerin zu 1) bereits im Laufe des Jahres 2004 ihre Erwerbstätigkeit von einer halben Stelle auf eine 2/3-Stelle aufgestockt hat, ohne dies zu offenbaren, stützt der Beklagte seine Berufung gegen die Klägerin zu 1) auch auf den Verwirkungseinwand. Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 1) hält er auch deshalb für verwirkt, weil diese nicht offenbart hatte, dass ihre Mutter im November 2003 bereits verstorben ist und sie in Erbengemeinschaft Miterbin geworden ist, wobei zu dem Nachlass ein Hausanwesen gehört, aus dem jedoch derzeit keine Einkünfte fließen.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass auf die Widerklage festgestellt wird, dass der Beklagte in Abänderung der Ziffer 4 des Teilanerkenntnis- und Endurteils vom 9.7.1999 (Az. 4 F 101/98) für die Zeit ab 1.1.2004 nur noch einen monatlichen Ehegattenunterhalt von 309,00 ¤ zu zahlen hat und der Ehegattenunterhalt ab 1.1.2005 völlig entfällt.

Nachdem der Berufungskläger in der Berufungsinstanz Widerklage erhoben hat mit dem Antrag, die Klägerin zu 1) zu verurteilen, dem Beklagten Auskunft über den zwischenzeitlich eingetretenen Erbfall nach ihrer Mutter zu erteilen und hierzu eine Aufstellung über den vorhandenen Nachlass vorzulegen, hat er im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, dass dieser Widerklageantrag nur hilfsweise für den Fall, dass die Berufung nicht bereits aus den Gründen der Berufungsbegründung und des Verwirkungseinwands erfolgreich ist, gestellt wird.

Die Klägerin zu 1) und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil auch hinsichtlich der Feststellungen zu den Einkünften der Beklagten. Sie ist der Ansicht, die höheren Einkünfte habe sie deshalb nicht offenbaren müssen, weil sie zu der Ausweitung der Erwerbstätigkeit nicht verpflichtet gewesen sei. Eine vollschichtige Erwerbstätigkeit obliege ihr nicht, da sie die Kinder mangels geeigneter Busverbindungen an manchen Tagen von der Schule abholen müsse. Ferner macht sie geltend, dass sie bei vollschichtiger Erwerbstätigkeit höhere Krankenversicherungskosten haben würde und deshalb weiterhin ein Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten bestehe.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Die zulässige Berufung des Beklagten gegen die Klägerin zu 1) hat Erfolg und führt in dem beantragten Umfang zur Abänderung des angefochtenen Urteils.

Die Klägerin zu 1) hat gegen den Beklagten keinen über den mit der Berufung nicht angegriffenen Betrag und Zeitraum hinausgehenden Unterhaltsanspruch.

Für das Kalenderjahr 2004 ergibt sich schon nach den tatsächlichen Einkünften der Klägerin zu 1) kein höherer Unterhaltsanspruch, als er von dem Beklagten durch die Beschränkung seiner Berufung auf den über 309 ¤ monatlich hinausgehenden Betrag akzeptiert wird.

Abweichend von der amtsgerichtlichen Feststellung ist das Einkommen des Beklagten für das Kalenderjahr 2004 mit monatlich 2.550,44 ¤ zuzüglich der monatlichen anteiligen Steuererstattung zu bemessen.

Die Gehaltsbescheinigung des Beklagten für Dezember 2004 weist ein Jahresbruttoeinkommen von 39.444,62 ¤ auf, wovon Lohnsteuer in Höhe von 8.384 ¤ und Solidaritätszuschlag in Höhe von 375,54 in Abzug zu bringen sind, so dass sich ein Gesamtjahresnettobetrag von 30.685,08 ¤ ergibt, aus dem sich ein durchschnittlicher monatlicher Nettobetrag von 2.557,09 ¤ errechnet. Der hierin enthaltene Zuschuss des Arbeitgebers für die vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von monatlich 6,65 ¤ ist herauszurechnen, so dass ein durchschnittlicher monatlicher Betrag von 2.550,44 ¤ verbleibt.

Dem Beklagten ist nicht deshalb ein höheres Nettoeinkommen zuzurechnen, weil er mit Beginn des Jahres 2004 im 50. Lebensjahr nach nahezu 30-jähriger Tätigkeit in einem Sonderkommando in eine andere Dienstart gewechselt hat, wodurch es zu einer Verringerung seines durchschnittlichen Nettoeinkommens um etwa 150 ¤ monatlich gekommen ist. Einkommensminderungen, die sich im Rahmen eines in der Ehe angelegten beruflichen Werdeganges halten, sind ebenso wie entsprechende Einkommenssteigerungen bedarfsprägend. Es ist gerichtsbekannt durchaus berufstypisch, dass Polizeibeamte nach langjähriger Tätigkeit in einem Sonderkommando die Dienstart wechseln. Die damit einhergehende Minderung der Einkünfte ist ebenso bereits in der Ehe angelegt gewesen wie die mit der Polizeidiensttätigkeit einhergehenden Einkommenserhöhungen durch Regelbeförderungen und übliche Gehaltssteigerungen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt der Wechsel der Dienstart keine unterhaltsbezogene Obliegenheitsverletzung dar. Die Obliegenheit des Unterhaltsschuldner geht dahin, einer Erwerbstätigkeit im normalen Umfang nachzugehen. Diese Obliegenheit erfüllt der Beklagte durch die Ausübung seiner Polizeidiensttätigkeit in seiner derzeitigen Dienstart. Es gibt keine generelle unterhaltsrechtliche Verpflichtung, jede Verringerung der Erwerbseinkünfte zu unterlassen, jedenfalls dann nicht, wenn - was hier der Fall ist - der notwendige Unterhalt der Unterhaltsberechtigten auch mit dem reduzierten Einkommen gesichert ist.

Der diesbezügliche Vortrag des Beklagten ist auch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht als verspätet zurückzuweisen (§ 621d ZPO). Der Beklagte hat bereits in erster Instanz den Wechsel der Dienstart vorgetragen, auf die damit einhergehende Einkommensverringerung hingewiesen und entsprechende Besoldungsabrechnungen vorgelegt. Dass der Beklagte nicht bereits in erster Instanz im einzelnen erläutert hat, dass es sich hierbei um eine im Polizeidienst übliche berufliche Entwicklung gehandelt hat, beruht nicht auf grober Nachlässigkeit des Beklagten. Ohne einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis musste der Beklagte nicht davon ausgehen, dass entsprechender Vortrag für erforderlich erachtet wird.

Das Amtsgericht hat festgestellt, dass sich das monatliche Einkommen des Beklagten durch Steuererstattungen in einer Höhe von - auf den Monat umgerechnet - 267,31 ¤ erhöht. Diese Tatsachenfeststellung ist mit der Berufung nicht angegriffen worden und ist auch vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§ 529 ZPO), zumal der Beklagte auch nicht dargelegt hat, dass sich die Steuererstattungen in den Folgejahren reduziert hätte.

Damit ergibt sich ein Gesamteinkommen von 2.817,75 ¤, wovon der Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 125 ¤, der Gewerkschaftsbeitrag von 13,25 ¤ und die vom Beklagten mit 88 ¤ bemessenen berufsbedingten Aufwendungen abzuziehen sind, so dass ein Betrag von 2.591,50 ¤ verbleibt.

Bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts sind die Kindesunterhaltsleistungen in Vorwegabzug zu bringen. Der Zahlbetrag wurde für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom Amtsgericht nach Abzug eines Kindergeldanteils von 77 ¤ mit 349 ¤ je Kind festgestellt. Bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts ist der Zahlbetrag zuzüglich des Kindergeldanteils in Vorwegabzug zu bringen, so dass sich je Kind ein Abzugsbetrag von 426 ¤ ergibt.

Der so ermittelte Betrag ist um den Erwerbstätigenbonus von 1/7 zu reduzieren und um den vom Amtsgericht mit 116,68 ¤ festgestellten Nettowohnvorteil zu erhöhen. Damit ergibt sich folgende Berechnung:

|2.591,50 ¤
./. Kindesunterhalt| 426,00 ¤
./. Kindesunterhalt| 426,00 ¤
|= 1.739,50 ¤
./. 1/7 Bonus| 248,50 ¤
|= 1.491,00 ¤
+ Nettowohnvorteil| 116,68 ¤
|= 1.607,68 ¤

Dem stehen die Eigeneinkünfte der Beklagten gegenüber, die sich ausweislich der Gehaltsbescheinigung für Dezember 2004 im Kalenderjahr 2004 auf brutto 21.394,25 ¤ bemessen haben. Hiervon ist die gezahlte Lohnsteuer von 2.353,00 ¤ und die Kirchensteuer mit 79,74 ¤ in Abzug zu bringen, so dass sich ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 18.961,51 ¤ errechnet, was einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 1.580,13 ¤ entspricht.

Nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherung von 227 ¤ und der berufsbedingten Fahrtkosten, die das Amtsgericht mit 321 ¤ bemessen hat und die ab 1.7.2004 entsprechend Nr. 10.2.2 der Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main bei 35 km Entfernung mit 357,50 ¤ zu berücksichtigen sind ((30 km x 2 x 0,30 x 220 : 12) + (5 x 2 x 0,15 x 220 : 12)), verbleibt ein Einkommen von 1.032,13 bzw. ab 1.7.2004 von 995,63. Hiervon ist jeweils der Erwerbstätigenbonus von 1/7 in Abzug zu bringen, so dass ein Betrag von 884,68 ¤ bzw. ab 1.7.2004 von 853,40 ¤ verbleibt.

Hinzuzurechnen ist der Wohnvorteil der Klägerin zu 1). Diesen hatte das Amtsgericht unberücksichtigt lassen können, weil die Parteien im Hinblick darauf, dass die Klägerin zu 1) monatlich 400 ¤ Schuldenabtrag leistet, Einvernehmen darüber erzielt hatten, dass damit dem Wohnvorteil Aufwendungen in gleicher Höhe gegenüberstehen. Nachdem sich die Belastungen der Klägerin zu 1) jedoch um 200 ¤ reduziert haben, ist auf Seiten der Klägerin zu 1) nunmehr ein Wohnvorteil in Höhe von 200 ¤ auf ihren Unterhaltsbedarf anzurechnen.

Damit steht dem Einkommen des Beklagten von 1.607,68 ¤ ein Eigeneinkommen der Klägerin zu 1) von 1.084,68 ¤ bzw. ab 1.7.2004 von 1.053,40 ¤ gegenüber, so dass eine Einkommensdifferenz von 523 ¤ bzw. 554,28 ¤ besteht. Der sich auf die Hälfte dieser Beträge bemessende Unterhaltsbedarf liegt unter dem vom Beklagten zugestandenen Betrag von 309 ¤ monatlich.

Weitergehende Unterhaltsansprüche hat die Klägerin zu 1) gemäß § 1579 Nr. 2 BGB verwirkt.

Die Klägerin hatte bereits im Laufe des Jahres 2004 - mithin bereits vor der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht - ihre Erwerbstätigkeit von einer Halbtagsstelle auf eine 2/3-Stelle ausgeweitet und dies dem Beklagten verschwiegen, obwohl ihr bekannt war, dass für die Frage ihres Unterhaltsanspruchs ihre Eigeneinkünfte von Bedeutung sind.

Wenn eine Partei einen Unterhaltsanspruch geltend macht, hat sie die der Begründung des Anspruchs dienenden tatsächlichen Umstände wahrheitsgemäß anzugeben und darf nichts verschweigen, was ihre Unterhaltsbedürftigkeit in Frage stellen könnte (BGH, FamRZ 2000, 153, 154). Dies gilt im Hinblick auf die nach § 138 Abs. 1 ZPO bestehende prozessuale Wahrheitspflicht erst recht während eines laufenden Rechtsstreits. Ändern sich während des Rechtsstreits die maßgeblichen Verhältnisse, so sind diese Umstände, die sich auf den geltend gemachten Anspruch auswirken können, auch ungefragt anzuzeigen (BGH, a.a.O.).

Dabei ist es unerheblich, dass die Klägerin der Ansicht war, die Einkommenserhöhung beeinflusse ihren Unterhaltsanspruch deshalb nicht, weil die Ausweitung der Erwerbstätigkeit überobligatorisch sei. Die Klägerin wäre ungeachtet dessen verpflichtet gewesen, ihr tatsächliches Einkommen wahrheitsgemäß anzugeben. Sie hätte die Offenbarung ihres Einkommens mit der Darlegung ihrer Ansicht über die unterhaltsrechtliche Unbeachtlichkeit des Mehrverdiensts verbinden können. Die Entscheidung darüber, ob und inwieweit ihre Rechtsauffassung berechtigt ist, hätte sie dem Gericht überlassen müssen (BGH a.a.O.) und nicht durch Verschweigen der veränderten Umstände den Anschein aufrechterhalten dürfen, dass sie nach wie vor nur halbschichtig berufstätig sei.

Die Rechtsfolge des damit erfüllten Verwirkungstatbestands des § 1579 Nr. 2 BGB kann hier nur sein, dass Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 1) ab 1.1.2005 gänzlich entfallen.

Spätestens im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 8.12.2004 hätte die Klägerin ihr verändertes Einkommen offenbaren müssen. Sie hat nicht nur dies unterlassen, sondern in der Berufungserwiderung mit Schriftsatz vom 6.7.2005 ausdrücklich die Feststellung des Amtsgerichts über ihr Einkommen verteidigt und weiterhin verschwiegen, dass sie bereits seit vielen Monaten ein höheres Einkommen erzielt. Darüber hinaus hat sie verschwiegen, dass sich der Schuldendienst, der ihrem Wohnvorteil gegengerechnet wurde, bereits seit über einem Jahr halbiert hatte und dass sie bereits im November 2003 Miterbin hinter ihrer Mutter - der ursprünglichen Gläubigerin der dem Wohnvorteil gegengerechneten Darlehensverbindlichkeit - geworden ist.

Das Verhalten der Klägerin zu 1) stellt - zumindest im Hinblick auf die verschwiegene Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit und der damit verbundenen Mehreinkünfte - einen versuchten Prozessbetrug dar, der nur deshalb nicht zur Vollendung gelangte, weil der Beklagte gegen das amtsgerichtliche Urteil Berufung eingelegt hat und eher beiläufig in der Berufungsinstanz die tatsächlichen Umstände bekannt wurden. Dies ist in der Gesamtschau als so gravierend zu bewerten, dass es grob unbillig wäre, den Beklagten weitergehend auf Unterhaltszahlungen für die Klägerin zu 1) in Anspruch zu nehmen.

Die Kindesbelange stehen dieser Verwirkungsfolge nicht entgegen, zumal deren Unterhalt durch die Kindesunterhaltsleistungen des Beklagten gesichert ist.

Im Übrigen halten sich für die Klägerin zu 1) die wirtschaftlichen Folgen des Unterhaltsausschlusses in Grenzen. Sie war und ist für den Unterhaltszeitraum ab 1.1.2005 ohnehin gehalten, ihre Erwerbstätigkeit auf eine vollschichtige Tätigkeit zu erweitern. Die Betreuung und Erziehung der zum damaligen Zeitpunkt nahezu 18 Jahre alten Tochter und des 15 Jahre alten Sohnes stand der Aufnahme einer Vollerwerbstätigkeit nicht entgegen. Bei diesem Alter der Kinder ist die Ausübung einer Vollerwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils in der Regel ohne weiteres zumutbar, wenn nicht ausnahmsweise besondere Gründe der vollen Erwerbstätigkeit entgegenstehen. Solche ergeben sich für den Zeitraum ab 1.1.2005 aus dem vom Amtsgericht eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dipl. Psych. A nicht. Diese hatte empfohlen, die Erwerbstätigkeit nicht vor Ablauf des Jahres 2004 auszuweiten - eine Empfehlung, der die Klägerin zu 1) ohnehin nicht gefolgt ist. Eine Aussage darüber, dass nach dem 1.1.2005 keine Vollerwerbstätigkeit ausgeübt werden sollte, enthält das Gutachten nicht. Auch die von der Klägerin zu 1) aufgeführten Erschwernisse, die für die Kinder im Hinblick auf die öffentliche Verkehrsanbindung eintreten würden, wenn sie nicht mehr nach Schulschluss Fahrdienste leisten könne, sind nicht von einem solchen Gewicht, dass sie dem Grundsatz des § 1569 BGB, wonach ein geschiedener Ehegatte vorrangig für seinen Unterhalt selbst zu sorgen hat, entgegengehalten werden können. Wenn man die von der Klägerin zu 1) unter Herausrechnung des Kindergeldes mit 2.298,72 ¤ mitgeteilten - fiktiven - Einkünfte aus einer Vollerwerbstätigkeit zugrunde legt und hiervon die von ihr mit 451,69 ¤ mitgeteilten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abzieht, liegt unter Berücksichtigung des Wohnvorteils eine Einkommensdifferenz nur noch in einem geringen Umfang vor. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass sich die Einkommensdifferenz noch dadurch schmälert, dass unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 der Hessischen Beihilfeverordnung die Krankenversicherungsbeiträge beihilfefähig sind und die Klägerin zu 1) im Umfang ihrer Beihilfeberechtigung vom Dienstherr die Krankenkassenbeiträge zum Teil erstattet verlangen kann und sie im Hinblick auf ihre Fahrtkosten mit einer Steuerrückerstattung zu rechnen hat.

Da somit die Berufung gegen die Klägerin zu 1) erfolgreich ist, muss dem nur noch hilfsweise gestellten Widerklageantrag zur Auskunftserteilung nicht mehr nachgegangen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 91, 92 Abs. 2, 516 Abs. 3 ZPO. Sie berücksichtigt die Rücknahme der gegen die Klägerin zu 2) und den Kläger zu 3) gerichteten Berufung und den Erfolg der gegen die Klägerin zu 1) gerichteten Berufung. Der Umstand, dass der Widerklageantrag nur noch hilfsweise gestellt wurde, stellt eine Teilrücknahme des Widerklageantrags dar. Diese hat jedoch entsprechend § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO keine Kostenquotelung im Verhältnis der Klägerin zu 1) und des Beklagten zur Folge, da der Streitwert für die auf Auskunftserteilung gerichteten Widerklage so gering ist, dass er keine höheren Kosten verursacht hat. Eine Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Da die Unterhaltszeiträume, für welche die amtsgerichtliche Entscheidung abgeändert wird, den Streitwert erster Instanz nicht berührt haben, hat die Abänderung des Urteils auf die erstinstanzliche Kostenverteilung keine Auswirkungen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.

RechtsgebieteBGB, ZPOVorschriftenBGB § 1579 ZPO § 138 I

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