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26.07.2006 · IWW-Abrufnummer 062162

Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 13.12.2005 – 1 K 354/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT BADEN-WÜRTTEMBERG

Urteil

Az.: 1 K 354/03

In dem Finanzrechtsstreit XXX

wegen Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1987 bis 1996

hat der 1. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2005 durch XXX

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung XXX

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beginn der Festsetzungsfrist für Hinterziehungszinsen durch ein eingeleitetes Strafverfahren gehemmt wurde.

Der Kläger (KI) hatte beim beklagten Finanzamt (FA) am 14. September 1998 Selbstanzeige wegen hinterzogener Einkommensteuer für die Jahre 1987 bis 1996 erstattet, indem er berichtigte und mit Anlagen versehenen Einkommensteuersteuererklärungen einreichte, die Einkünfte aus Kapitalvermögen bei einer Schweizer Bank betrafen. Die Selbstanzeige wurde vom FA an die Steuerfahndung (Steufa) und von dieser an die zuständige Straf- und BußgeldsachensteIle (Strabu) weitergeleitet. Mit Ermittlungsauftrag vom 30. September 1998 begann die Steufa, die steuerlichen Verhältnisse des KI im Rahmen seiner Selbstanzeige zu prüfen. Die Strabu verfügte am 13. Oktober 1998 die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den KI wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung ab 1987. Die Ermittlungen der Steufa führten für die Jahre 1989 bis 1992 zu geringen Erhöhungen gegenüber der nacherklärten Einkommensteuer. Im übrigen wurden die Kapitaleinkünfte wie vom KI erklärt übernommen. Die Steufa stellte in einem Aktenvermerk vom 5. Januar 1999 fest, dass ihrerseits kein Strafverfahren eingeleitet worden sei, und erklärte mit Schreiben an die Strabu vom gleichen Tag, dass nach ihrer Auffassung die Selbstanzeige - vorbehaltlich einer fristgerechten Bezahlung der restlichen Steuern - wirksam sei. Aufgrund der Materiallieferung und der gemachten Angaben des KI sei die Steufa ohne langwierige Nachforschungen in der Lage gewesen, den Sachverhalt aufzuklären und die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln. Die Strabu stellte am 24. März 1999 das Verfahren wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung 1989 bis 1992 ein, weil ein wirksame Selbstanzeige vorliege und die Beträge entrichtet worden seien.

Noch während der Prüfung durch die Steufa hatte das FA mit Bescheiden vom 12. Oktober 1998 die Einkommensteuerfestsetzungen 1987 bis 1996 auf der Grundlage der Angaben des KI geändert, der daraufhin die hinterzogenen Steuern bezahlte. Die korrigierenden Feststellungen der Steufa für die Einkommensteuer 1989 bis 1992 wurden mit Bescheiden vom 10. Februar 1999 berücksichtigt. Die geänderten Einkommensteuerbescheide blieben unangefochten.

Mit Bescheid vom 31. März 2000 setzte das FA gegen den KI Hinterziehungszinsen i.H.v. 33.332 DM fest. Berechnungsgrundlage der Hinterziehungszinsen waren die geänderten Einkommensteuerfestsetzungen vom 12. Oktober 1998. Der KI erhob gegen den Zinsbescheid Einspruch, weil die Festsetzungsfrist abgelaufen sei. Die einjährige Festsetzungsfrist nach § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO beginne mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden sei, hier mit Ablauf des Jahres 1998. Der Zinsbescheid hätte daher noch im Jahr 1999 ergehen müssen. Eine Anlaufhemmung durch ein eingeleitetes Strafverfahren sei nicht eingetreten, weil die Einleitung eines Strafverfahrens weder für den KI noch seinen steuerlichen Berater erkennbar gewesen sei.

Das FA wies mit Bescheid vom 7. Juli 2000 den Einspruch als unbegründet zurück, weil die Festsetzungsfrist erst mit Abschluss des Strafverfahrens, d.h. mit Ablauf des Jahres 1999 zu laufen begonnen habe. Die Strabu habe mit Verfügung vom 13. Oktober 1998 ein Strafverfahren förmlich eingeleitet. Die Einleitung des Strafverfahrens müsse für den Täter nicht erkennbar sein. Im übrigen sei bereits die Weiterleitung der Selbstanzeige durch die Steufa an die Strabu eine objektiv erkennbare Strafverfolgungsmaßnahme gewesen.

Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, die förmliche Einleitungsverfügung der Strabu sei ebenso wie die Weiterleitung der Selbstanzeige nicht geeignet, den regulären Fristanlauf zu hemmen. Hierbei habe es sich um eine bloße Scheinermittlung gehandelt, weil aufgrund der zweifelsfrei wirksamen Selbstanzeige des KI die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ausgeschlossen gewesen sei. Im übrigen seien auch keine konkreten Ermittlungsmaßnahmen angeordnet worden, die auf ein tatsächlich geführtes Ermittlungsverfahren hätten hindeuten können. Hierfür habe auch kein Anlass bestanden, weil der KI bereits mit seiner Selbstanzeige alle Tatsachen für eine berichtigte Veranlagung geliefert habe. Der zuständige Fahndungsprüfer habe lediglich zweimal mit dem steuerlichen Berater des KI telefoniert, um geringfügige Unklarheiten zu beseitigen.

Der KI beantragt,

den Hinterziehungszinsbescheid vom 31. März 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2003 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Es führt ergänzend aus, der Verdacht einer Steuerstraftat habe sich bereits aus der Selbstanzeige des KI ergeben, so dass weitere Maßnahmen zur Verdachtsprüfung entbehrlich gewesen seien. Vor diesem Hintergrund sei die förmliche Einleitung eines Strafverfahrens durch die Strabu eine erkennbar strafrechtlichen Schritten dienende Maßnahme. Eine Mitteilung über das eingeleitete Strafverfahren an den Beschuldigten sei nicht erforderlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, die dem Senat vorliegenden Behördenakten und die Niederschrift über den Erörterungstermin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässig Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Zinsbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Die Frist für die Festsetzung der Hinterziehungszinsen nach § 235 AO war bei Erlass des Zinsbescheids am 31. März 2000 noch nicht abgelaufen. Nach § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO beginnt die einjährige Zinsfestsetzungsfrist in den Fällen des § 235 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist. § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Halbsatz AO betrifft nur Strafverfahren, die bis zum Ablauf des Jahres eingeleitet werden, in dem die hinterzogenen Steuern unanfechtbar festgesetzt wurden (BFH-Urteil vom 24. August 2001 VI R 42/94, BStBl1I 2001, 782). Das ist hier der Fall. Gegen den KI wurde nach seiner Selbstanzeige vom September 1998 ein Strafverfahren eingeleitet und im gleichen Jahr die hinterzogenen Steuern bestandskräftig festgesetzt. Das eingeleitete Strafverfahren hemmte den Anlauf der Festsetzungsfrist bis zu dessen rechtskräftigen Abschluss mit Einstellungsbeschluss vom 24. März 1999 (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Juli 2000 VIII B 102/99, juris). Die einjährige Festsetzungsfrist lief daher erst zum 31. Dezember 2000 ab.

a) Der Anlaufhemmung durch ein eingeleitetes Strafverfahren steht nicht entgegen, dass die Einleitung auf der Selbstanzeige des KI beruhte. Die förmliche Verfügung über die Einleitung eines Strafverfahrens durch die Strabu vom 13. Oktober 1998 war ebenso eine das Strafverfahren einleitende Maßnahme wie die mit Ermittlungsauftrag vom 30. September 1998 begonnen Prüfungshandlungen der Steufa, auch wenn das eingeleitete Strafverfahren auf die Prüfung der Wirksamkeit der Selbstanzeige beschränkt blieb (a.A. wohl FG Düsseldorf, Urteil vom 24. Februar 1994 10 K 468/89, juris; Krieger, Verjährung von Hinterziehungszinsen, DStR 2002, 750; offen gelassen im BFH-Urteil vom 24. August 2001 VI R 42/94, BStBl II 2001, 782).

Das Tatbestandsmerkmal des eingeleiteten Strafverfahrens setzt gem. § 397 Abs. 1 AO voraus, dass die Finanzbehörde eine Maßnahme trifft, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen. Soweit § 397 Abs.1 AO eine erkennbare Maßnahme verlangt, bedeutet dies nicht, dass die Strafverfolgung für den Täter erkennbar sein muss. Dies ergibt sich bereits aus § 397 Abs. 3 AO sowie § 371 Abs. 2 Nr.1 b AO. Es genügt eine objektiv erkennbare Maßnahme; auch verdeckte Ermittlungen leiten das Strafverfahren ein. Die Ermittlungen der Steufa waren verfah
renseinleitende Maßnahmen, weil sie auf die Vollständigkeit und Plausibilität der Selbstanzeige des KI gerichtet waren und damit einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt zum Gegenstand hatten. Die Steufa handelte im Rahmen ihres steuerstrafrechtlichen Aufgabenbereichs nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, weil sie die ihr durch die Selbstanzeige bekannt gewordene Steuerstraftat erforschte. Soweit sie zugleich die mit der Steuerstrattat unmittelbar zusammenhängenden Besteuerungsgrundlagen ermittelte (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO), handelte sie aus Anlass und im Rahmen ihrer Primäraufgabe der steuerstrafrechtlichen Sachverhaltsaufklärung. Ist gegen die Person, gegen die sich die Maßnahme der Steufa richtet oder richten soll, ein steuerstrafrechtliches oder bußgeldrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet und noch nicht abgeschlossen, wird die Steufa im Straf- oder Bußgeldverfahren tätig (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO), auch wenn sie im Zusammenhang mit dem eingeleiteten Ermittlungsverfahren gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO Besteuerungsgrundlagen ermittelt (BFH- Beschluss vom 6. Februar 2001 VII B 277/00, BStBl I 2001, 306). Die Prüfungshandlungen der Steufa waren auch keine bloßen Scheinermittlungen. Sie hat die Wirksamkeit der Selbstanzeige tatsächlich geprüft. Die Ermittlungen der Steufa waren final auf die materielle Prüfung der Wirksamkeit der Selbstanzeige gerichtet und daher Maßnahmen, die geeignet und notwendig waren, gegen den KI strafrechtlich vorzugehen.

Der Bewertung als verfahrenseinleitende Maßnahme steht nicht entgegen, dass die Steufa in ihrem abschließenden Aktenvermerk erklärte, kein Strafverfahren eingeleitet zu haben. Entscheidend ist die objektive Bedeutung der von der Steufa getroffenen Maßnahmen. Im übrigen wurde wegen der Selbstanzeige durch die Strabu mit Verfügung vom 13. Oktober 1998 ein Strafverfahren förmlich eingeleitet. Damit war klargestellt, dass gegen den KI ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt wurde (vgl. § 397 Abs. 2 AO). Die förmliche Einleitung des Verfahrens ist der Regelfall einer einleitenden Maßnahme (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Dezember 1995 X B 50/95, BFH/NV 1996,451), die zur Anlaufhemmung für die Festsetzung der Hinterziehungszinsen führt. Damit wird es dem Finanzamt ermöglicht, zunächst die strafrechtlichen Ermittlungen abzuwarten, bevor es die Zinsen festsetzt.

b) Die Anlaufhemmung des § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Halbsatz AO wird im vorliegenden Fall nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Finanzbehörde ein Strafverfahren nicht hätte einleiten dürfen. Die Einleitung eines Strafverfahrens im Anschluss eine Selbstanzeige ist nicht von vornherein wegen eines Verfahrenshindernisses rechtswidrig. Die Selbstanzeige nach § 371 AO ist zwar ein persönlicher Strafaufhebungsgrund. Der zu einem Verfahrenshindernis führende Strafaufhebungsgrund tritt aber erst ein, wenn die Selbstanzeige wirksam ist und die hinterzogenen Steuern binnen einer angemessenen Frist nachgezahlt werden. Diese Voraussetzungen lagen im Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens noch nicht vor.

Mit der Selbstanzeige soll dem Täter selbst nach einer vollendeten Steuerhinterziehung noch die Möglichkeit gegeben werden, seinen steuerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und eventuelle Verfehlungen nachträglich zu berichtigen. Dem Staat. soll dadurch der Zugriff auf bisher unbekannte Steuerquellen ermöglicht werden. Eine wirksame Selbstanzeige im Sinne des § 371 Abs. 1 AO setzt daher voraus, dass die bisher unrichtigen, unvollständigen oder ganz unterbliebenen Angaben wahrheitsgemäß nachgeholt werden. Der Steuerpflichtige muss einen wesentlichen Beitrag zur Ermöglichung einer zutreffenden nachträglichen Steuerfestsetzung leisten. Durch die Berichtigung und Ergänzung der bisherigen oder die Nachholung von bisher unterbliebenen Angaben durch den Steuerpflichtigen muss die Finanzbehörde in der Lage sein, ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt vollends aufzuklären (vgl. Bundesgerichtshof BGH, Beschluss vom 16. Juni 2005 5 StR 118/05, BFH/NV 2005, Beilage 4, 380 m.w.N.). Während dieser Nachforschungen steht die Wirksamkeit der Selbstanzeige regelmäßig noch nicht fest.

Straffreiheit tritt auch nicht ein, wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige einer der Ausschlussgründe des § 371 Abs. 2 AO vorliegt oder wenn bei eingetretener Steuerverkürzung der Täter die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten Frist nicht entrichtet (§ 371 Abs. 3 AO). Selbst durch eine wirksame Selbstanzeige tritt daher nur ein Schwebezustand hinsichtlich der Strafbarkeit des Täters ein. Der staatliche Strafanspruch ist auflösend bedingt durch die Nachzahlung der Steuer innerhalb der gesetzten Frist (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 19543 StR 302/53, BGHSt 7, 336; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 3. November 1989 RReg 4 St 135/89, wistra 1990, 159).

Besteht während des Schwebezustands bis zur Klärung der Frage, ob eine wirksame Selbstanzeige vorliegt und die hinterzogenen Steuern fristgerecht entrichtet werden, kein Strafaufhebungsgrund und damit auch kein Verfahrenshindernis, ist die Finanzbehörde auch bei Selbstanzeigen grundsätzlich berechtigt und nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet, ein Strafverfahren einzuleiten (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rdnr. 253; Dumke, in: Schwarz, AO, § 371 Rdnr. 11). Allgemeine Voraussetzung für ein Ermittlungsverfahren ist das Bestehen eines Anfangsverdachts (§ 152 Abs. 2 StPO). Zum Ermittlungsverfahren kommt es auf Grund amtlicher Wahrnehmung durch die Strafverfolgungsbehörden, durch Strafanzeigen oder durch Strafantrag (vgl. § 158 StPO). Die Selbstanzeige begründet daher grundsätzlich die Pflicht, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, weil mit ihr im Regelfall zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat vorliegen. In der Praxis werden daher Selbstanzeigen der BuStra zugeleitet und ziehen demnach häufig die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung nach sich (vgl. Nr. 115 der Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) vom 18. Dezember 2003, BGBI I 2003, 654). Der für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens notwendige Anfangsverdacht einer verfolgbaren Straftat mag zwar ausscheiden, wenn von vornherein und ohne Zweifel eine Strafverfolgung wegen eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO ausscheidet (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rdnr. 254; Dumke, in: Schwarz, AO, § 371 Rdnr. 15). Es ist aber zuvörderst Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden zu entscheiden, ob ein Anfangsverdacht besteht, weshalb der Sachverhalt zu erforschen ist und mit welchen Mitteln dies geschehen soll.

Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte, dass die für die Strafverfolgung zuständige Finanzbehörde ihren insoweit bestehenden Beurteilungsspielraum überschritten haben könnte. Der KI hatte mit seiner Selbstanzeige zahlreiche Anlagen mitgeliefert, die von der Steufa auf ihre Vollständigkeit und Schlüssigkeit geprüft wurden. Weder die Steufa noch die BuStra hatten bei Eingang der Selbstanzeige festgestellt, dass diese offensichtlich wirksam sei. Vielmehr führten die Ermittlungen der Steufa zu erhöhten Steuerfestsetzungen für die Jahre 1989 bis 1992. Wegen ihres geringen Umfangs berührte dies nach Auffassung der Finanzbehörde die Wirksamkeit der Selbstanzeige im Ergebnis zwar nicht. Die Wirksamkeit der Selbstanzeige bedurfte nach Einschätzung der Finanzbehörde jedoch der Prüfung, die von der Steufa erst mit ihrem Aktenvermerk vom 5. Januar 1999 abgeschlossen wurde. Bei dieser Sachlage kann nicht festgestellt werden, dass die Selbstanzeige von vornherein und offensichtlich wirksam war. Des weiteren bestand im Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens auch deshalb kein Verfahrenshindernis, weil die hinterzogenen Steuern erst nach Bekanntgabe der geänderten Einkommensteuerbescheide und damit nach dem zeitgleich eingeleiteten Strafverfahren entrichtet wurden (§ 371 Abs. 3 AO).

c) Ist die Einleitung eines Strafverfahrens wegen des durch eine Selbstanzeige begründeten Anfangsverdacht zulässig, ist die Finanzbehörde nicht verpflichtet, die Wirksamkeit der Selbstanzeige im Rahmen eines gesonderten Verfahrensabschnitts vor dem regulären Ermittlungsverfahren durchführen oder abzuwarten, bis die Frist für die Steuernachzahlung abgelaufen ist. In der Literatur wird zwar teilweise die Auffassung vertreten, die Finanzbehörde habe bei einer Selbstanzeige keinen Anlass, vor einer fristgemäßen Nachzahlung ein Ermittlungsverfahren einzuleiten (vgl. Rüping, in: HHSp, § 371 AO Rdnr. 114). Die Selbstanzeige sei zunächst im Rahmen einer "Vorprüfung" zu mustern (vgl. Wannemacher/Seipl, in: Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 397 AO Rdnr. 15.1), weshalb die Prüfung der Straffreiheit im Anschluss an eine Selbstanzeige sowie die Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO nicht zur Einleitung eines Strafverfahrens führen würde (Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, AO § 239 Rdnr. 10).

Eine derartige "Vorprüfung" ist weder gesetzlich vorgesehen noch notwendig. Entschließt sich die zur Strafverfolgung zuständige Finanzbehörde nach einer Selbstanzeige wegen des begründeten Anfangsverdachts ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, liegt nicht eine bloße "Vorprüfung" vor. Die in der Praxis üblichen und rechtlich anerkannten Vorfeld- oder Initiativermittlungen sind typischerweise auf die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten gerichtet oder beziehen sich auf Sachverhalte unterhalb der Verdachtsschwelle (vgl. Pfeiffer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Auflage 2003, Einleitung Rdnr. 33 m.w.N.) . Bei Selbstanzeigen besteht für derartige Vorermittlungen kein Bedarf. Tat und Täter sind mit der Selbstanzeige in der Regel für einen Anfangsverdacht hinreichend gekennzeichnet. Die Steufa handelt dann nicht im Besteuerungsverfahren zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, sog. Vorfeldermittlungen), sondern im Strafverfahren.

d) Im vorliegenden Fall bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einleitung des Strafverfahrens durch die Strabu willkürlich dem Ziel diente, den Beginn der Festsetzungsfrist hinauszuschieben. Die Strabu hat in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der an sie weitergeleiteten Selbstanzeige das Strafverfahren eingeleitet. Sie ist nicht zuerst in eine Prüfung der Wirksamkeit der Selbstanzeige eingetreten oder hat abgewartet, bis die Prüfung durch die Steufa abgeschlossen war. Sie hat sich vielmehr dafür entschieden, diese Prüfung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens durchzuführen. Das Verfahren zur Prüfung der Wirksamkeit der Selbstanzeige wurde ebenso wie die Verfahrenseinstellung auch nicht verschleppt. Nachdem die Strabu von dem Ergebnis der Prüfung durch die Steufa im Januar 1999 Kenntnis erlangt hatte, stellte sie das Verfahren im März 1999 nach § 170 Abs. 2 StPO ein.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

3. Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Die entscheidende Rechtsfrage ist klärungsbedürftig, klärungsfähig, berührt das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts und ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.

RechtsgebietAOVorschriften§ 239 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO, § 371 Abs. 1 AO

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