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09.06.2006 · IWW-Abrufnummer 061657

Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 12.12.2005 – I-1 U 91/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 31. März 2005 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung des Klägers betrifft allein die durch das Landgericht ausgesprochene Abweisung seiner Klageforderung, die er mit seinem Rechtsmittel nur noch zu einer Quote von 25 %, also im Umfang von 1.508,67 ?, weiterverfolgt.

Das Berufungsvorbringen gibt indes keinen Anlass zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Der Kläger dringt nicht mit seinen Angriffen gegen die durch das Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung durch. Ebenso wenig beruft er sich mit Erfolg darauf, das Landgericht habe es unterlassen, die von dem Fahrzeug der Beklagten zu 1. ausgegangene Betriebsgefahr in Verbindung mit einem unfallursächlichen Mitverschulden des Beklagten zu 2. zu seinen Gunsten als haftungsbegründende Umstände zu berücksichtigen.

In zutreffender Würdigung der erstinstanzlich erhobenen Beweise ist das Landgericht zu der Feststellung gelangt, dass der Beklagte zu 2. als derjenige Unfallbeteiligte, der mit dem Ford Transit der Beklagten zu 1. auf den Pkw Mercedes Benz des Klägers aufgefahren ist, den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis schuldhafter Unfallverursachung widerlegt hat. Auch der Senat ist nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme in Verbindung mit dem Inhalt der beigezogenen Strafakte 35 Js 15/04 StA Krefeld davon überzeugt, dass der Kläger plötzlich ohne verkehrsbedingten Grund seinen Wagen absichtlich scharf abgebremst hat, um den nachfolgenden Beklagten zu 2. zu disziplinieren. Auf diese Weise hat er den klagegegenständlichen Auffahrunfall provoziert. Für die Schadensfolgen des vorsätzlich herbeigeführten Kollisionsereignisses hat der Kläger in vollem Umfang selbst einzustehen.

II.

1.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst voll inhaltlich Bezug auf die zutreffende Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil (Bl. 6-8 UA; Bl. 114 R. - 115 R. d.A.). Überdies ist zu berücksichtigen, dass der Kläger rechtskräftig durch Strafbefehl des Amtsgerichts Krefeld vom 10. März 2004 aufgrund des hier in Rede stehenden Vorfalls wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 2 in der Tatbestandsalternative des Hindernisbereitens zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist (Az.: 22 Cs 35 Js 15/04). Nach einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Krefeld, in der der Zeuge G. das Verteidigungsvorbringen der Beklagten im wesentlichen bestätigt hatte, hat der Kläger den Einspruch gegen den Strafbefehl zurückgenommen.

2.

Teilweise spekulativ sind die Einwendungen, die der Kläger in seiner Rechtsmittelbegründung gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts vorbringt. Der durch ihn geäußerte Verdacht, der mit der polizeilichen Unfallaufnahme befasst gewesene Zeuge Polizeihauptmeister B. sei mit dem Zeugen G. und dem Beklagten zu 2. bekannt gewesen und habe sich in seinem Dienst- und Aussageverhalten von dieser Bekanntschaft zum Nachteil des Klägers leiten lassen, entbehrt jeder Tatsachengrundlage. Die durch den Zeugen B. vorgenommenen weiteren Ermittlungen nach der Unfallaufnahme, die der Kläger als ungewöhnlich bezeichnen zu müssen vermeint, hat der Zeuge bei seiner Vernehmung durch das Landgericht plausibel begründet: Ihm kam die Einlassung des Klägers, dieser habe wegen eines auf der Kölner Straße aufgetretenen Rückstaus plötzlich bremsen müssen, "komisch" vor. Deshalb ist der Zeuge nochmals zur Unfallstelle gefahren, um die Plausibilität einer Rückstaubildung zu überprüfen. Diese Plausibilitätskontrolle fiel zum Nachteil des Klägers aus. Darüber verhält sich der Vermerk des Zeugen vom 13. November 2003 (Bl. 6 Beiakte).

3.

Konstruiert wirkte das Berufungsvorbringen insoweit, als der Kläger versucht, eine Widersprüchlichkeit in den Aussagen des Zeugen G. aufzuzeigen. Zwar hat sich bei der Ortsbesichtigung durch den beauftragten Richter des Landgerichts herausgestellt, dass der Zeuge von seinem Standort aus einen ungehinderten Blick auf die Unfallstelle hatte (Bl. 92, 93 d.A.). Demgegenüber hatte der Zeuge G. bei seiner früheren Vernehmung im Termin am 19. Juli 2004 eine Sichtbeeinträchtigung wegen einer Hecke angegeben (Bl. 75 d.A.). Damit wollte der Zeuge indes nicht zum Ausdruck bringen, von seinem Standort auf dem Feld sei sein Blick auf das fragliche Geschehen wegen einer in seinem Sichtfeld gelegenen Hecke beeinträchtigt gewesen. Denn er hatte auch ausgesagt, sein "Sichtfeld ... bezüglich des Bereichs vor dem vorne fahrenden Fahrzeug" sei "durch eine Hecke allenfalls begrenzt" gewesen. Damit steht außer Zweifel, dass der Zeuge bekunden wollte, er habe einen freien Blick auf das Kollisionsgeschehen gehabt und die Einsehbarkeit des Streckenverlaufs vor dem klägerischen Fahrzeug sei nicht durch die Hecke aufgehoben, sondern nur begrenzt gewesen. Plausibel hat der Zeuge in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, wegen der herbstlichen Jahreszeit habe er ohnehin durch die Hecke blicken und auch auf dem dahinter liegenden Bereich der Kölner Straße kein anderes Fahrzeug sehen können, welches dem Kläger Veranlassung zu einer Vollbremsung hätte geben können.

4.

Ebenso wenig wie das Landgericht hat der Senat irgendeinen Anlass, die Glaubhaftigkeit der erstinstanzlich vernommenen Zeugen oder deren Glaubwürdigkeit schlechthin in Zweifel zu ziehen.

III.

Entgegen dem Berufungsvorbringen ist dem Beklagten zu 2. kein Aufmerksamkeits- oder Reaktionsverschulden bei der Entstehung der Auffahrkollision anzulasten. Vielmehr hat der Kläger die zu dessen Maßregelung vorgenommene Vollbremsung so plötzlich eingeleitet, dass der Beklagte zu 2. keine Chance zur Abwendung des Unfalles mehr hatte.

1.

a)

Zwar hat der Beklagte zu 2. bei seiner Befragung durch das Landgericht im Termin am 4. Oktober 2004 angegeben, seiner Meinung nach habe der Abstand zwischen dem durch ihn gesteuerten Ford Transit und dem Pkw Mercedes Benz des Klägers vor dem Unfall bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von ungefähr 60 km/h zwischen 40 und 50 m betragen (Bl. 90 d.A.). Dazu passt jedoch nicht die auch auf den Angaben des Beklagten zu 2. gestützte Darstellung in der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige, er habe nicht mehr reagieren können und sei aufgefahren, weil das sehr starke Abbremsen des Klägers auf gerader Strecke ohne erkennbaren Grund für ihn so überraschend gekommen sei (Bl. 1 Beiakte).

b)

Einerseits weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass es dem Beklagten zu 1. bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 60 km/h möglich gewesen wäre, den Ford Transit auf einer Entfernung zwischen 40 und 50 m zum Stillstand zu bringen, wenn er sogleich auf den Anblick des abbremsenden Pkw Mercedes Benz ebenfalls mit einer Vollbremsung reagiert hätte. Jedoch vermag der Senat der Abstandsangabe des Beklagten zu 2. wegen einer offenbaren Fehleinschätzung der Distanz nicht zu folgen.

c)

Denn der Zeuge G. hat bei seiner Befragung durch das Landgericht zweifelsfrei bekundet, das Annäherungsverhalten der Unfallbeteiligten bereits vor der Kollision wahrgenommen zu haben. Danach hatte die beiden Fahrzeuge nur eine Entfernung von 3 bis 3 1/2 Wagenlängen - bezogen auf den Pkw Mercedes Benz - getrennt. Dieser Abstand war für den Beklagten zu 2. viel zu knapp, um den durch ihn gesteuerten Ford Transit noch rechtzeitig hinter dem plötzlich abbremsenden Pkw des Klägers zum Stillstand zu bringen.

Die durch den Zeugen G. angegebene Distanz entspricht bei Zugrundelegung einer Wagenlänge von 4,80 m einer Gesamtentfernung von maximal 16,80 m. Bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 60 km/h und einer - für den Kläger günstig - unterstellten mittleren Bremsverzögerung von 6 m/sec2 entfiel allein auf den Reaktions- und Bremsschwellweg des Beklagten zu 2. eine Strecke von 16,60 m. Folglich war die Entfernung zwischen beiden Fahrzeugen im Moment der Einleitung der Vollbremsung durch den Kläger so gering, dass eine sofort durch den Beklagten zu 2. vorgenommene Abbremsung nur einen sehr geringen Verzögerungseffekt bewirken konnte.

d)

Auf diesem Hintergrund ist die für das Strafverfahren gemachte schriftliche Darstellung des Zeugen G. vom 20. November 2003 zu verstehen, es sei "der hintere Wagen nahezu ungebremst aufgefahren" (Bl. 13 d.A.). Dem entspricht die Aussage des Zeugen vor dem Landgericht im Termin am 19. Juli 2004, der Weg, den der hintere Fahrer gebremst habe, sei nicht lang gewesen; kurz nach der Abbremsung sei er auch schon aufgefahren (Bl. 76 d.A.).

2.

Dem Beklagten zu 2. kann auch nicht angelastet werden, zu dem vorausfahrenden klägerischen Pkw nicht den nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO erforderlichen Sicherheitsabstand eingehalten zu haben. Denn dem Vorbringen der Beklagten gemäß hatte der Kläger den Beklagten zu 2. kurz vor dem Unfallgeschehen überholt und sich mit seinem Pkw Mercedes Benz unmittelbar vor den Ford Transit "gesetzt" (Bl. 43 d.A.). Zwar hatte der Zeuge G. nicht früh genug zur Kölner Straße geblickt, um schon einen Überholvorgang des Klägers wahrnehmen zu können. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Kläger keinen schuldhaften Verstoß des Beklagten zu 2. gegen die Abstandsvorschrift des § 4 Abs. 1 StVO nachzuweisen vermag.

3.

Unabhängig von den obigen Ausführungen ist folgendes zu berücksichtigen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können Akte der Selbstjustiz im Straßenverkehr nicht hingenommen werden. Wer absichtlich nur deshalb scharf abbremst, um den nachfolgenden Verkehrsteilnehmer zu disziplinieren oder zu maßregeln, haftet für die Folgen eines Auffahrunfalls selbst dann zu 100 %, wenn der Nachfolgende den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis dafür, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet hat, nicht entkräften kann (zuletzt Urteil vom 30. Juni 2003, Az. 1 U 226/02 mit Hinweis auf LG Mönchengladbach NJW 2002, 2186; im Ergebnis ebenso LG Frankfurt NJW-RR 1988, 1436).

Da im vorliegenden Fall der Beklagte zu 2. den gegen ihn sprechenden Anschein schuldhafter Unfallverursachung sogar widerlegt hat, ist es unter keinen Umständen gerechtfertigt, zu Lasten der Beklagten irgendeinen Haftungstatbestand - auch nicht die von dem Fahrzeug der Beklagten zu 1. ausgegangene Betriebsgefahr - als Grundlage einer Schadensersatzverpflichtung in Ansatz zu bringen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 1.508,67 ?. Dieser Betrag macht auch die Beschwer des Klägers aus.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

RechtsgebietStVOVorschriftenStVO § 4 Abs. 1 StVO § 4 Abs. 1 Satz 1

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