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28.04.2006 · IWW-Abrufnummer 061240

Landgericht Karlsruhe: Urteil vom 09.06.2005 – 5 S 151/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


LG Karlsruhe

Urteil vom 9.6.2005

5 S 151/04

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Pforzheim vom 23.07.2004 – 3 C 248/04 –, unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.881,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2004 zu bezahlen.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 13 %, die Beklagte 87 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Streitwert des Berufungsverfahrens: 2.159,44 EUR.

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO)

Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg. Der Klägerin ist ein Ersatz für Mietwagenkosten nicht in Höhe von 2.159,44 EUR, sondern nur in Höhe von 1.881,60 EUR (nebst Zinsen) zu zu sprechen.

1. Soweit das Amtsgericht den Mietwagenkostenersatz trotz der Nichtanschaffung eines Ersatzwagens zuerkannt hat, soweit es dabei die geltend gemachte Mietdauer von 19 Tagen als ersatzfähig angesehen hat und soweit es bei der anzusetzenden Eigenersparnis entsprechend der Berechnung der Klägerin von der ADAC-Kostentabelle ausgegangen ist, ist dem amtsgerichtlichen Urteil im Ergebnis und in der Begründung uneingeschränkt zuzustimmen. Die Beklagte hat dazu in der Berufungsinstanz nichts wesentlich Neues vorgebracht. Lediglich zur Frage des Mietwagenskostenersatzes trotz Nichtanschaffung eines Ersatzwagens ist im jetzigen Urteil noch folgendes auszuführen:

Grundsätzlich ist die entgehende Kfz-Nutzung, wenn das bisher genutzte Fahrzeug durch einen Unfall ausfällt, ein Schaden (Palandt, BGB, 64. Aufl., Vorb v § 249 Rn. 20), der, soweit die Schadensbeseitigungsaufwendungen nicht unverhältnismäßig sind, gemäß § 249 Abs. 2 BGB im Wege der Naturalrestitution durch Anmietung eines Ersatzfahrzeugs beseitigt werden kann und eine entsprechende Ersatzforderung auslöst (BGH, NJW 1974, 34; VersR 1985, 283, 284; NJW 1985, 2639). Der Schaden der entgangenen Kfz-Nutzung entfällt ausnahmsweise nur dann, wenn der Geschädigte auch ohne den Unfall das Fahrzeug in der Nachunfallzeit nicht genutzt hätte (BGHZ 45, 212, 219; Bamberger/Roth BGB, § 249 Rn. 61). Ein diesbezüglich fehlender hypothetischer Nutzungswille oder eine fehlende hypothetische Nutzungsmöglichkeit spielt praktisch aber nur eine Rolle, wenn der Geschädigte keinen Mietwagen genommen hat und für den Nutzungsausfall gemäß § 251 Abs. 1 BGB Wertersatz verlangt (die sog. Nutzungsentschädigung). In diesen Fällen kann die Nichtanschaffung eines Ersatzfahrzeugs im Einzelfall ein Indiz für den fehlenden Nutzungswillen oder die fehlende Nutzungsmöglichkeit sein. Wird dagegen ein Ersatzwagen gemietet, zeigt dies eindeutig, dass der Wille zur Kfz-Nutzung und die entsprechende Möglichkeit gegeben ist. Im Anmietungsfall ist lediglich zu beachten, falls nicht zeitnah ein Ersatzfahrzeug erworben wurde, dass die Ersatzwagenanmietung auf Kosten des Schadensersatzschuldners nicht für eine ungewöhnlich lange Zeitdauer - länger als bei einer alsbaldigen Ersatzwagenbeschaffung notwendig - erfolgen darf. Dies würde, soweit ein alsbaldiger Ersatzwagenerwerb möglich und zumutbar ist, gegen das schadensrechtliche Prinzip verstoßen, dass der Geschädigte den kostengünstigsten Weg der Schadensbeseitigung zu wählen hat (BGHZ 54, 82, 85; BGH, NJW 1985, 2639), d. h. hier: den alsbaldigen Erwerb eines Ersatzfahrzeugs statt der viel kostspieligeren Daueranmietung eines Ersatzwagens. Ist die alsbaldige Ersatzwagenbeschaffung nicht möglich und zumutbar, bedeutet die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs für längere Zeit, als dies bei einem alsbaldigen Ersatzwagenerwerb notwendig wäre, dass der Schadensbeseitigungsaufwand ab der Überschreitung des genannten Zeitraums im Regelfall unverhältnismäßig und daher gemäß § 251 Abs. 2 BGB nicht ersatzfähig ist. Soweit hingegen der beim alsbaldigen Ersatzwagenerwerb übliche Zeitraum des Nicht-zur-Verfügung-Habens eines eigenen Fahrzeugs nicht überschritten wird, sind die Kosten eines gemieteten Ersatzwagens zu ersetzen. Innerhalb dieses Zeitraums kann es keinen Unterschied machen, warum ein Eigenfahrzeug unfallbedingt nicht zur Verfügung steht und der Geschädigte deswegen einen Ersatzwagen gemietet hat: ob es so ist, dass ein Ersatzfahrzeug zwar unverzüglich angeschafft werden soll, dies aber nicht von heute auf morgen möglich ist, oder ob der Geschädigte sich entschlossen hat - in der Regel aus zwingenden oder zumindest nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen -, vom Kauf eines Ersatzwagens einstweilen oder auf Dauer abzusehen. In beiden Fällen ist der Schaden der Nichtnutzbarkeit des Unfallfahrzeugs in gleicher Weise gegeben, und beide Male ist die bei der Ersatzwagenanmietung zu beachtende Grenze der Unverhältnismäßigkeit nicht überschritten.

2. Keinen Bestand haben kann das Amtsgerichts-Urteil, soweit die Mietwagenkosten in voller Höhe zugesprochen sind, obwohl das Ersatzfahrzeug zu einem sog. Unfallersatztarif und nicht zu einem wesentlich günstigeren Normaltarif angemietet worden ist. In diesem Punkt hat sich während des Berufungsverfahrens die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geändert.

a) Nach der Entscheidung BGHZ 132, 373 galt bisher, dass, wenn der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem Unfallersatztarif gemietet hat, vom Schadensersatzpflichtigen grundsätzlich die Mietwagenkosten in Höhe des Unfallersatztarifs zu ersetzen sind. Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof in zwei neuen Urteilen vom 12.10.2004 (Az: VI ZR 151/03), NJW 2005, 51 und vom 26.10.2004 (Az: VI ZR 300/03), NJW 2005, 135 entschieden, dass die Differenz zwischen Unfallersatztarif und Normaltarif nur insoweit zu ersetzen ist, als der Autovermieter bei der Vermietung zum Unfallersatztarif, verglichen mit der Vermietung zum Normaltarif, eine höherwertige, vom Geschädigten zu beanspruchende Leistung erbringt.

Die Besonderheit der Vermietung zum Unfallersatztarif, der bei der unfallbedingten Anmietung eines Ersatzfahrzeugs angewendet wird, liegt darin, dass, während der Normal kunde die Mietwagenvergütung vorzufinanzieren und eine Sicherheit wegen etwaiger Mietwagenschäden zu leisten hat (dies entweder durch Vorlage einer Kreditkarte, über die die Mietsumme abgebucht und der Kautionsbetrag reserviert wird, oder durch Barzahlung der Mietsumme und Barhinterlegung des Kautionsbetrages), dem Unfall kunden die Mietvergütung kreditiert wird, wobei sich der Vermieter die die Mietwagenkosten betreffende Ersatzforderung des Kunden gegen den Unfallgegner sicherheitshalber abtreten lässt und im Regelfall auch, statt in erster Linie den Kunden in Anspruch zu nehmen, die Ersatzforderung gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend macht. Den Wert dieser Sonderleistung beim Unfallersatzgeschäft schätzt das Gericht auf 20 % der Normaltarifleistung. Von der Einholung eines Sachverständigengutachtens, das wahrscheinlich verhältnismäßig unsichere Ergebnisse bringen würde und dessen Kosten in keinem Verhältnis zum Streitwert stehen, sieht das Gericht in Ausübung des durch § 287 Abs. 1 ZPO eingeräumten Schätzungsermessens ab. Bei der Bewertung der Sonderleistungen des Unfallersatztarifs werden nur die Kostenpositionen berücksichtigt: 1. Zinsverlust des Autovermieters wegen des im Regelfall späteren Eingangs, 2. Risiko des Ausfalls mit der Forderung, wenn der Unfallgegner nicht oder nicht voll haftet und das Geld beim Mietwagenkunden nicht betreibbar ist und 3. Aufwand der Geltendmachung des Ersatzanspruchs gegenüber dem Unfallgegner.

Nicht berücksichtigungsfähig sind bzw. nicht ins Gewicht fallen, wie das Gericht meint, die von Autovermieterseite häufig genannten Kostenfaktoren, a) dass im Hinblick auf das Unfallersatzgeschäft eine größere Vielfalt der Fahrzeugtypen bereit zu halten ist und b) dass eine von vornherein kalkulierbare Mietdauer beim Unfallkunden in geringerem Maße gegeben ist als beim Normalkunden. Die Vorhaltung einer größeren Typenvielfalt mag zwar gerade im Hinblick auf das Unfallkundengeschäft notwendig sein. Da aber die meisten Mietwagen-Unternehmen Unfallkunden und Normalkunden bedienen, ist dieser Kostenfaktor bei ein und demselben Vermieter ein einheitlicher. Die Leistung ist dann beim einzelnen Mietgeschäft keine wertvollere oder weniger wertvolle, je nachdem ob ein Normalkunde oder ein Unfallkunde ein bestimmtes Fahrzeug mietet. Was die von vornherein mehr oder weniger feststehende Mietdauer betrifft, so ist diese auch bei den Unfallkunden verhältnismäßig voraussehbar; insbesondere gibt es für die Reparaturdauer der beschädigten Fahrzeuge relativ verlässliche Erfahrungswerte. Andererseits steht beim Unfallersatzgeschäft dem Kostennachteil der weniger sicheren Mietdauer der Kostenvorteil gegenüber, dass bei den Unfallkunden eine durchschnittlich längere Mietdauer anfällt, die zu einer besseren Kapazitätsauslastung führt (Albrecht, NZV 1996, 49, 51 unter II 2 e).

b) Die Kosten des Unfallersatztarifs, zu dem die Klägerin das Ersatzfahrzeug gemietet hat, wären im vorliegenden Fall nur dann voll zu ersetzen, wenn die Klägerin nicht in der Lage gewesen wäre, ein Fahrzeug zu einem Normaltarif zu mieten. Eine solche Unmöglichkeit hat die Klägerin jedoch nicht substantiiert dargelegt. Insbesondere hat sie nicht vorgetragen, dass sie weder eine Kreditkarte vorlegen konnte, über die die Mietsumme hätte abgebucht werden und der Kautionsbetrag hätte reserviert werden können, noch, dass sie keine Barzahlung leisten konnte, eventuell nach Aufnahme eines entsprechenden Kredits.

c) Bei der Berechnung des für den Schadensersatz zu Grunde zu legenden Normaltarifs geht das Gericht von den Beträgen des Schwacke-Mietpreisspiegels 2003 aus (vgl. Amtsgerichts-Akten AS. 254/255). Danach errechnen sich für das PLZ-Gebiet 751 (Raum Pforzheim) für ein Fahrzeug der Mietwagenpreisklasse 6 ein durchschnittlicher Normaltarif für eine 19-tägige Mietdauer von

2 x 525 EUR (zweimal Wochentarif)
294 EUR + (Drei-Tage-Tarif)
2 x 112 EUR (zweimal Tages-Tarif) = 1.568 EUR.

Wie unter a) ausgeführt sind bei Berücksichtigung des Mehrwerts der Vermieterleistung bei Vermietung zum Unfallersatztarif statt zum Normaltarif 120 % des vorgenannten Betrages zu ersetzen. Das ergibt 1.568 EUR x 120 % = 1.881,60 EUR .

d) Hinzuzurechnen wäre an sich noch eine Zusatzgebühr für Haftungsausschluss im Falle der Beschädigung des Mietfahrzeugs, die in dem von der Autovermietungsfirma berechneten Pauschaltarif mit enthalten war. Diese Zusatzgebühr ist nach der Rechtssprechung der Kammer auch dann zu ersetzen, wenn das Unfallfahrzeug nicht kaskoversichert war (LG Karlsruhe, Urteil vom 5.4.2004, Az. 5 S 27/03, S. 12 ff). Zur Darlegung des Betrages dieses Aufschlags hat das Gericht der Klägerin mit Verfügung vom 15.3.2005 aufgegeben, die entsprechende Seite des Schwacke-Mietpreisspiegels vorzulegen, in dem die Durchschnittsbeträge dieser Zusatzgebühr angegeben sind. Dieser Auflage ist die Klägerin jedoch nicht nachgekommen, so dass die Zusatzgebühr nicht anzusetzen ist.

e) Nicht begründet ist die Rüge der Klägerin, die Frage, ob der von der Autovermietung in Rechnung gestellte Unfallersatztarif in voller Höhe ersatzfähig ist, habe in der Berufungsinstanz nicht mehr geprüft werden dürfen, da die Beklagte zu diesem Punkt im erstinstanzlichen Verfahren keine Einwendungen erhoben habe. Die Klägerin berücksichtigt nicht, dass die Höhe der im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB notwendigen Mietwagenkosten vom Schadensersatz gläubiger darzulegen ist und dass die Klage, soweit diesbezügliche schlüssige Darlegungen nicht vorliegen, vom Gericht ohne weiteres abzuweisen ist, ohne dass es eines dahingehenden Bestreitens des verklagten Schadensersatzschuldners bedarf. Vorliegend wurde eine solche teilweise Klagabweisung vom Amtsgericht nur deswegen nicht ausgesprochen, weil die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Erlass des erstinstanzlichen Urteils noch dahin ging, dass bei Anmietung zu einem Unfallersatztarif die Mietwagenkosten voll zu ersetzen sind. Diese Rechtsprechung hat sich aber, wie ausgeführt, inzwischen geändert, was in allen noch nicht abgeschlossenen Haftpflichtprozessen, auch in der Berufungsinstanz, zu beachten ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

4. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

RechtsgebietSchadensersatz bei Verkehrsunfall: Ersatzfähigkeit der Mietwagenkosten bei unterbliebener Ersatzbeschaffung

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