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04.04.2006 · IWW-Abrufnummer 060966

Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 16.03.2006 – 2 Ss OWi 96/06

Auswirkungen des Fahrverbots auf nahe stehende dritte Personen können u.a. dann für die Entscheidung über das Absehen von Belang sein, wenn deren verstärkte Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit feststeht und außerdem keine sonstigen unentgeltlichen Betreuungspersonen aus der Familie vorhanden sind und die Einstellung einer professionellen Hilfe nicht zumutbar ist.


2 Ss OWi 96/06

OLG Hamm

Bußgeldsache
gegen M.T.
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 3. November 2005 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 16. 03. 2006 durch die Richterin am Oberlandesgericht (als Einzelrichterin gem. § 80 a Abs. 1 OWiG) auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen

Die Kosten des Rechtsmittels fallen dem Betroffenen zur Last.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen "wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit nach §§ 41 II, 49 StVO in Verbindung mit § 24 StVG?zu einem Bußgeld in Höhe von 100,-- Euro verurteilt und unter Beachtung des § 25 Abs. 2a StVG ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 2. April 2005 mit einem PKW Fiat gegen 15.12 Uhr in Herne die Bundesautobahn 42, Fahrtrichtung Duisburg, wobei er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 49 km/h überschritt.

Zwischen der Messstelle und der letzten Autobahnauffahrt vor der Messstelle befinden sich zwei Verkehrszeichen 274 zur angeordneten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auf jeder der beiden Fahrbahnseiten. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mit einem Radarmessgerät MU VR 6F der Firma Robot. Das Amtsgericht ist unter Berücksichtigung eines Toleranzwertes von 5 km/h von einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 44 km/h ausgegangen.

Mit seiner Rechtsbeschwerde macht der Betroffene unter näheren Ausführungen u.a. geltend, er sei dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen, da er sich regelmäßig um seine 86- jährige Großmutter kümmern müsse, die u.a. aufgrund von Demenz ein Pflegefall sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat - entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft - keinen Erfolg.

1. Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß den §§ 3 Abs. 3, 41 (Zeichen 274), 49 StVO, 24 StVG. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das angefochtene Urteil sich hinsichtlich der Feststellungen zur Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung darauf beschränkt, dass die Messung mit dem Radarmessgerät MU VR 6F der Firma Robot vorgenommen worden sei und der Tatrichter - ersichtlich zum Ausgleich von Messungenauigkeiten - einen Toleranzwert von 5 km/h von der gemessenen Geschwindigkeit abgezogen hat. Dies ist, wenn - wie hier - keine Besonderheiten vorliegen, nach der ständigen Rechtsprechung aller Obergerichte ausreichend, zumal der Betroffene weder die Geschwindigkeitsüberschreitung an sich noch deren Höhe bestritten hat.

2. Auch die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs lässt - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - Rechtsfehler, die zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit führen könnten, nicht erkennen.

Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen ist, dass ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Verhängung des nach der BußgeldkatalogVO vorgesehenen Regelfahrverbots rechtfertigen würde (vgl. dazu Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Auflage, § 25 StVG Rn. 19 ff. m.w.N.; sowie insbesondere BGHSt 38, 231 = NZV 1992, 286), nicht vorliegt. Dazu reichen die Tatumstände und die sich aus der Person des Betroffenen ergebenden Umstände weder allein noch gemeinsam aus.

Umstände, die die Tat des Betroffenen aus der Mehrzahl der sonstigen Fälle, die dem Regelfall unterliegen, herausheben könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Tatsache, dass durch den Verkehrsverstoß niemand beeinträchtigt worden ist, vermag weder allein noch im Zusammenhang mit anderen Umständen einen Ausnahmefall zu begründen. Unerheblich ist insoweit auch, ob der Verkehrsverstoß zu verkehrsarmer Zeit geschehen ist. In objektiver Hinsicht beschreiben nämlich die Tatbestände, für die § 4 Abs. 1 BKatV i.V.m. der Anlage und der Tabelle das Fahrverbot als Regelsanktion vorsieht, ausnahmslos Verhaltensweisen, die besonders gravierend und gefahrtragend sind. Bei ihrem Vorliegen kommt es auf die weiteren Einzelheiten der Verkehrssituation regelmäßig nicht an. Insbesondere kann es den Betroffenen im allgemeinen nicht entlasten, wenn die Verkehrsdichte zur Tatzeit gering war (vgl. BGH NJW 1997, 3252 f).

Auch die Ausführungen und die Feststellungen des Amtsgerichts zu der Frage, ob persönliche Umstände des Betroffenen ausnahmsweise das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots rechtfertigen würden, halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Zwar kann auch die Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit naher Angehöriger einen solchen Ausnahmefall begründen. So hat der Betroffene darauf hingewiesen, dass er auf den Führerschein angewiesen sei, da er sich um seine pflegebedürftige Großmutter kümmern müsse. Es ist vorliegend aber nicht ersichtlich, dass deren Betreuung und Versorgung im Falle der Verhängung des einmonatigen Regelfahrverbotes ernsthaft gefährdet wäre. Es ist nämlich nicht ausreichend vorgetragen, inwieweit die Großmutter des Betroffenen gerade auf die Fahr- und Versorgungsdienste des Betroffenen angewiesen ist (vgl. hierzu auch Beschluss des hiesigen 4. Senats für Bußgeldsachen vom 30. Oktober 2004 in 4 Ss OWi 697/03; Beschluss des hiesigen 5. Senats für Bußgeldsachen vom 30. Oktober 2004 in 5 Ss OWi 837/00, www.burhoff.de; vgl. aber auch AG Mannheim, ZfS 2004, 236). Zwar hat der Betroffene eingewandt, seine Eltern könnten wegen eigener gesundheitlicher Probleme nur eingeschränkt die Pflege der Großmutter sicherstellen. Er hat aber nicht genügend dargelegt, welche Hilfsdienste er im Einzelnen in welcher Häufigkeit für seine Großmutter leisten muss. Es ist auch nicht nachvollziehbar dargetan, warum der Betroffene keine Versorgungsleistungen für seine Großmutter nur dann erbringen können soll, wenn er nicht mit einem Fahrverbot belegt wird. Notfalls muss er nämlich auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen oder aber das Fahrrad benutzen, um zu seiner Großmutter zu gelangen, zumal die Entfernung zu deren Wohnung lediglich fünf Kilometer beträgt. Beschwerlichkeiten, die regelmäßig mit einem Fahrverbot verbunden sind, muss der Betroffene auf sich nehmen. Es ist ferner auch nicht dargetan, ob die Großmutter nicht möglicherweise die Kosten für erforderliche Taxifahrten des Betroffenen zu ihrer Wohnung übernehmen kann oder ob diese Kosten sie wirtschaftlich in unzumutbarer Weise belasten. Schließlich fehlen Angaben dazu, oder ob ihr nicht für die Zeit des Fahrverbots ihres Enkels die Einstellung einer professionellen Hilfe zumutbar ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 46, 79 Abs. 3 OWiG.

RechtsgebieteStVG, BKatVVorschriften§ 25 Abs. 2a StVG § 4 Abs. 1 BKatV

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