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30.03.2006 · IWW-Abrufnummer 060947

Arbeitsgericht Kassel: Urteil vom 27.09.2005 – 6 Ca 315/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Arbeitsgericht Kassel

Verkündet am 27. September 2005
Aktenzeichen 6 Ca 315/05

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX

hat das Arbeitsgericht Kassel, Kammer 6,
auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2005
durch XXX
für Recht erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch den Widerspruch des Klägers vom 23.09.2005 gegen den mit Beklagten-Schreiben vom 25.8.2005 mitgeteilten Betriebsübergang rückwirkend zum 01.01.2005 entfallen ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 67 % und die Beklagte 33 % zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 22.500,00 ? festgesetzt.

I. Tatbestand:

Der 51-jährige Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 17 und 13 Jahren. Er arbeitet aufgrund mündlichen Arbeitsvertrags seit Januar 1990 für das von XXX geführte und Anfang 2005 von diesem und seinem Sohn nach Gründung der beklagten GbR übernommene Ingenieurbüro. Sein Bruttoentgelt betrug Ende 2004 3.750,00 ? brutto monatlich und wurde nach Übernahme des Büro durch die Beklagte Mitte Februar 2005 einvernehmlich auf 3.450,00 ? neu festgesetzt. Am 14.02.05 unterzeichnete der Kläger den ihm im Zuge der Büroübernahme vorgelegten Auflösungsvertrag seines mit dem Beklagten XXX mündlich geschlossenen Arbeitsvertrages (BI. 9 d. A.) und den neuen Arbeitsvertrag mit der Beklagten (BI. 10 d.A.). Am 28.06.2005 wurde dem Kläger die ordentliche Kündigung zum 31.12.05 übergeben (BI. 12 d. A.). Die Beklagte teilte erst mit Schreiben vom 25.08.05 (BI. 25 - 30 d. A.) den Betriebsübergang gemäß § 613a V BGB mit. Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 23.09.05 (BI. 48 d. A.).

Der Kläger ist der Ansicht, dass das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Er behauptet, im Betrieb der Beklagten würden, regelmäßig mindestens 5,25 Arbeitnehmer arbeiten; wegen Einzelheiten wird auf BI. 32 f d. A. Bezug genommen.
Zudem ist er der Auffassung, dass die Kündigung. wegen eines Betriebsübergangs von Herrn XXX auf die beklagte GbR, vertreten durch die Gesellschafter XXX und XXX stattgefunden habe.
Im Übrigen verstoße die Kündigung jedenfalls gegen § 242 BGB (BI. 7 f d. A.).

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.06.05 zum Ablauf des 31.12.05 aufgelöst wird;

2. hilfsweise,
für den Fall der Abweisung des Klageantrags zu 1,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten durch seinen Widerspruch vom 23.09.05 gegen den Betriebsübergang gemäß Mitteilung der Beklagten ihn vom 25.08.05 rückwirkend zum 01.01.05 entfallen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass das Kündigungsschutzgesetz aufgrund der fehlenden Mitarbeitergröße nicht anwendbar sei. Sie behauptet, sie beschäftige einschließlich des Klägers lediglich 3 Arbeitnehmer, wegen Einzelheiten wird auf BI. 20 d. A. Bezug genommen.
Sie meint, eine Unwirksamkeit der Kündigung wegen Betriebsübergangs liege nicht vor, da die Kündigung nicht wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen worden sei, sondern wegen rückläufiger Umsatzzahlen.
Zudem ist sie der Ansicht, dass die Kündigung auch nicht gegen Treu und Glauben verstoße, da sie dem Kläger die wirtschaftliche Situation im Vorgespräch erläutert und dabei keine Beschäftigungsgarantie abgegeben habe.

Die Kammer hat Beweis erhoben über die Arbeitnehmerzahl im Betrieb der Beklagten durch Zeugenvernehmung des Mitarbeiters XXX, wegen Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 27. September 2005 Bezug genommen.

II. Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nur hinsichtlich des Hilfsantrages begründet.

Es liegt ein Betriebsübergang gern. § 613a I BGB ,zwischen der Einzelperson Herrn XXX und der beklagten GbR, vertreten durch die Gesellschafter XXX und XX, vor.
Die XX-Ingenieure GbR hat unstreitig die wesentlichen materiellen und immateriellen Mittel des Ingenieurbüros von Herrn XXX Anfang 2005 übernommen.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Bekanntgabe an die Mitarbeiter erst mit Schreiben vom 25. August 2005 erfolgte.
Es liegt auch nicht nur ein Gesellschafterwechsel vor, der die Identität des alten Betriebes beibehalten hätte, auch wenn Herr XXX Mitgesellschafter der neuen GbR ist. Die GbR hat eine andere Rechtspersönlichkeit als das vorher bestehende Einzel-Büro des Herrn XXX (BGH NJW 2001, 1056ff).

Während vorher die Arbeitsverhältnisse zwischen Herrn XXX und den jeweiligen Arbeitnehmern abgeschlossen wurden, wurden nach dem Übergang die ursprünglichen Arbeitsverhältnisse aufgelöst und neue mit der GbR
abgeschlossen. Für Arbeitnehmer kann es entscheidend sein, nun einen weiteren bestimmenden Partner, nämlich Herrn XXX in der Betriebsführung zu haben. Im Wechsel von einer Einzelperson auf eine GbR liegt der Wechsel der Inhaberschaft bei Beibehaltung der Identität des Betriebes vor - mithin ein Betriebsübergang gem. § 613a I BGB.

Zudem wurde der Übergang auch praktisch vollzogen, indem die beklagte GbR sowohl die Räume und Geräte als auch die Arbeitnehmer übernommen und den Betrieb unter einer neuen Firmenbezeichnung weitergeführt hat. Dieses ist unter anderem auch dem Internetauftritt der Beklagten (BI. 37 f d. A.) zu entnehmen. Weiterhin hat der neue Mitgesellschafter insofern auch die Leitung der neuen GbR übernommen, als er den alten Arbeitsvertrag des Klägers aufgelöst und den neuen Arbeitsvertrag ausgehandelt und abgeschlossen hat.

Mit Betriebsübergang gingen gem. § 613 a I 1 BGB sämtliche bestehenden Arbeitsverhältnisse auf die beklagte GbR über. Diese wurden zwar nach Übergang am 01.01.2005 neu verhandelt und abgeschlossen; das hat aber auf den Übergang der Arbeitsverhältnisse als solches keinerlei Einfluss.
Dem Betriebsübergang hat der Kläger mit Schreiben vom 23.09.2005 fristgemäß widersprochen.

Rückwirkend auf den 01.01.05 besteht demnach das Arbeitsverhältnis zu den bis zum Übergang geltenden Vertragsbedingungen, insbesondere des höheren Gehaltes, mit dem bisherigen Arbeitgeber XXX fort. Das danach begründete Arbeitsverhältnis mit der beklagten GbR ist demnach rückwirkend entfallen.

Ein Arbeitsverhältnis, das gar nicht besteht, kann auch nicht durch eine Kündigung aufgelöst werden, so dass der Hauptantrag schon aus diesem Grunde abzuweisen war.
Ausführungen zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes bzw. zur Rechtmäßigkeit der Kündigung vom 28.07.05 sind daher nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 II 1 ArbGG, 92 I 2 ZPO entsprechend dem Grad des Obsiegens bzw. Unterliegens der jeweiligen Partei.

Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß § 42 Abs. 4 GKG mit der sechsfachen Höhe des monatlichen Bruttogehalt des alten Arbeitsverhältnisses zu bemessen; insoweit entfallen je 3 Gehälter auf die Klage-Anträge Ziffer 1 und Ziffer 2.

- Rechtsmittelbelehrung -

RechtsgebieteArbeitsrecht, BetriebsübergangVorschriften§ 613a BGB

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