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08.03.2006 · IWW-Abrufnummer 060724

Landgericht Karlsruhe: Urteil vom 14.10.2005 – 9 S 177/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Aktenzeichen 9 S 177/05

Landgericht Karlsruhe
IX. Zivilkammer

Teilversäumnis- und Endurteil

In dem Rechtsstreit XXX

w e g e n Räumung und Forderung,

hat die IX. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2006 unter Mitwirkung von XXX

für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Ettlingen vom 08.03.2005 ? Aktenzeichen 1 C 40/05 ? in der Kostenentscheidung sowie soweit im Umfang der Klageabweisung aufgehoben und wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger - über den im Urteil des Amtsgerichts Ettlingen vom 08.03.2005 bereits zuerkannten Betrag von EUR 114,00 nebst Zinsen - von den auf Grund des Kündigungsschreibens seines Rechtsanwalt .......... vom 14,01.2005 entstandenen Anwaltskosten in Höhe von weiteren EUR 214,28 freizustellen,

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben der Kläger zu 9%, der Beklagte zu 91 % zu tragen. Die Kosten der Berufung haben der Kläger zu 70%, der Beklagte zu 30% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar,
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung In Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache nur teilweise Erfolg.

Der Kläger begehrt vom Beklagten Räumung und Ersatz von Anwaltskosten nach fristloser Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses.

Der Kläger vermietete mit unbefristetem Mietvertrag vom 29.05.2004 an den Beklagten eine Wohnung ab dem 01.08.2004 für einen monatlichen Mietzins in Höhe von EUR 360,00 zuzüglich Vorauszahlung auf die Betriebskosten in Höhe von EUR 80,00 (Anlage K 1). Nachdem der Beklagte in den Monaten Dezember 2004 und Januar 2006 keinerlei Zahlungen geleistet hatte, beauftragte der Kläger seinen nunmehrige Prozessbevollmächtigten zunächst, ihn über die Möglichkeiten einer Beendigung des Mietverhältnisses zu beraten und dann mit der Erklärung einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Mit Anwaltsschriftsatz vom 14.01.2005 - der dem Beklagten am gleichen Tag in den Briefkasten geworfen wurde ? sprach der nunmehrige Prozessbevollmächtigte des Klägers die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses gegenüber dem Beklagten aus (Anlage K 2). Der nunmehrige Prozessbevollmächtigte des Klägern stellte für seine diesbezügliche vorgerichtliche Tätigkeit eine Geschäftsgebühr von 1,3 aus einem Gegenstandswert von EUR 12.960,00 zuzüglich der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen und Umsatzsteuer, insgesamt somit Gebühren und Auslegen in Höhe von EUR 816,41 in Rechnung.

Der Kläger hat daher in erster Instanz beantragt, den Beklagten zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung sowie zur Zahlung von EUR 816,41 nebst gesetzlicher Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verurteilen. Nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens hat das Amtsgericht den Beklagten, der keine Verteidigungsanzeige abgegeben hat, durch Versäumnisurteil. zur Räumung sowie zur Zahlung von EUR 114,00 nebst gesetzlicher Zinsen ab 15.02.2005 verurteilt, den weitergehenden Zahlungsantrag des Klägers aber abgewiesen und insoweit die Berufung zugelassen.

Der Kläger begehrt mit seiner Berufung zuletzt, nachdem er zunächst den vom Amtsgericht abgewiesenen Zahlungsantrag weiterverfolgt hatte, Freistellung von den vom Amtsgericht abgewiesenen Anwaltskosten durch den Beklagten. Der Beklagte ist auch in der Berufung säumig geblieben.

II.

Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten - über die vom Amtsgericht Ettlingen bereits zuerkannten EUR 114,00 nebst Zinsen - lediglich ein Freistellungsanspruch hinsichtlich der für das Kündigungsschreiben seines nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 14.01.2005 angefallenen Anwaltskosten in Höhe von weiteren EUR 214,28 zu.

1.

Der Beklage hat infolge des eine Schlechterfüllung des zwischen den Parteien vormals bestehenden Mietvertrages darstellenden Verzuges mit der Zahlung des Mietzinses in den Monaten Dezember 2004 und Januar 2006 dem Kläger den hieraus entstandenen Schaden zu ersetzen (§§ 280 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 BGB). Hierzu zählen auch die für die Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten, insbesondere die durch die Kündigung des Mietverhältnisses anfallenden Anwaltskosten (vgl. Bank/Börstinghaus - Blank, Miete, 2.A., § 542, Rn 80 und 91 m.w.N.). Da der Kläger allerdings - wie er in der Verhandlung vor der Kammer klar gestellt hat - Zahlungen auf die streitgegenständlichen Anwaltskosten an seinen nunmehrigen Prozessbevollmächtigten noch nicht erbracht hat, steht ihm im Wege der Naturalrestitution bislang lediglich ein Anspruch auf Freistellung von der entsprechenden Verbindlichkeit zu (§ 249 Abs. 1 BGB, vgl. Bamberger/Roth - Grüneberg, BGB, 9.A., §249, Rn 5). Über diesen Anspruch konnte indessen trotz Säumnislage entschieden werden, da der Übergang vom Zahlungs- auf das Freistellungsbegehren eine bloße Beschränkung des Klageantrags darstellt (§ 264 Nr, 2 ZPO, vgl. BGH NJW 1994, 944, 945 m.w.N. sowie Zöller - Herget, ZPO, 25.A., § 335, Rn 4).
Mangels Verzuges mit einem Zahlungsanspruch stehen dem Kläger jedoch keine Zinsen auf den geltend gemachten Betrag zu.

2.

Die Tätigkeit des Rechtsanwaltes des Klägers bei der Erstellung der Kündigung vom 14.01.2005 fällt auch in den Anwendungsbereich der Geschäftsgebühr (Nr. 2400 W - RVG) und wird nicht durch die 'Gebühr für ein Schreiben einfacher Art (Nr. 2402 W - RVG) abgegolten. Der Kläger hat - was als zugestanden anzunehmen war (§§ 331 Abs. 1 Satz 1, 539 Abs. 2 Satz 1 ZPO) - vorgetragen, dass der von ihm an seinen Rechtsanwalt erteilte Auftrag sich nicht darin erschöpft habe, das streitgegenständliche Kündigungsschreiben an den Beklagten zu richten, sondern vielmehr auch darauf ihn über die Kündigungsmöglichkeiten zu beraten. Damit Ist hinreichend substantiiert ein auf eine anwaltliche Beratung und somit über die Fertigung eines Schreibens einfacher,. Art hinaus gehender Auftrag dargetan. Allein dieser Inhalt des Auftrags und nicht der Umfang der ausgeführten Tätigkeit ist aber maßgeblich für die Abgrenzung der beiden, vorgenannten Gebührentatbestände (vgl. - noch zu § 118, 120 BRAGO - BGH NJW 1983, ' 2451. 2452 und - zu Nr. 2400, 2402 VV-RVG ? GeroId/Schmidt/v:Eicken/Madert/Müller'. Rabe - Madert, RVG, 16. Aufl., W 2400 - 2403, Rn 102 sowie Hartmann, Kostengesetze, 35.A., VV-RVG 2402, Rn 2).

3.

Die entstandene Geschäftsgebühr ist innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Gebührenrahmens von 0,5 bis 2,5 vorliegend allerdings lediglich mit einem Gebührensatz von 0,5 zu bemessen. Der jeweilige Gebührensatz ist unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem es Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommen- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die vorliegend vom nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Klägers mit 1,3 getroffene Bestimmung der vom Beklagten zu ersetzenden Geschäftsgebühr ist indessen nicht verbindlich, weil sie unter Berücksichtigung der genannten Kriterien unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Dazu, dass die Bedeutung der Angelegenheit oder seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse eine mehr als durchschnittliche Festlegung rechtfertigen, ist vom Kläger - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - nichts dargetan (vgl. hierzu auch Petzold/ von Seltmann, Das neue Kostenrecht, Rn 462). Die anwaltliche Prüfung und Fertigung der Kündigung eines Wohnraumverhältnisses wegen Zahlungsverzuges in zwei aufeinanderfolgenden Monaten (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a) BGB) ist aber sowohl rechtlich wie auch tatsächlich einfachster Natur, was eine Bestimmung des Gebührensatzes mit der Mindestgebühr rechtfertigt (vgl. Herrlein/Kandelhard - Schneider, Mietrecht, 2.A., § 542, Rn 34 a.E., derselbe MDR 2002, 1030, 1032 sowie GeroId/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller Rabe - Madert, a,a,0., Rn 184, wonach auch die Anfertigung einfacher Urkunden wie Bürgschaftserklärungen, Schuldanerkenntnissen und Abtretungserklärungen regelmäßig mit einem Gebührensatz von 0,5 ausreichend vergütet ist).

4.

Die Rechtsauffassung des Klägers, dass der Ausspruch einer Kündigung selbst nicht (Streit) Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein kann und sich deshalb der Gegenstandswert einer entsprechenden außergerichtlichen Anwaltstätigkeit nicht nach den Wertvorschriften des Gerichtskostengesetzes bemisst (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG, § 41 GKG), sondern den einschlägigen Regelungen der Kostenordnung (§ 23 Abs. 3 Satz 1 RVG, § 25 Abs. 1 KostO), teilt die Kammer dagegen. Auch Gegenstand einer Feststellungsklage kann - außerhalb des arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes - nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein (§ 256 Abs. 1 und 2 ZPO}, damit also das Fortbestehen oder Wegfall eines Mietverhältnisses, infolge einer Kündigung, nicht aber die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung selbst (vgl. BGH NJW 2000, 354, 356 m.w.N., Musielak - Foerste, ZPO, 4.A., § 256, Rn 27 sowie Zöller-Greger, a,a,0., § 256, Rn 1). Gegen eine Einbeziehung der vorgerichtlichen Kündigung eines Mietverhältnisses in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG spricht auch die vom Gesetzgeber in seiner Begründung zum Kostenrechtsänderungsgesetz angeführte, mit dem Wortlaut der Vorschrift übereinstimmende Intention, wonach die Beschreibung der außergerichtlichen Tätigkeiten, in denen die für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften anzuwenden sind, nicht ? wie zuvor - darauf abstellt, dass diese Tätigkeiten üblicherweise einem gerichtlichen Verfahren vorausgehen, sondern allein darauf, dass der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte (vgl. B7-Drucks. 12/6962 vom 04.03.1994, siehe auch Schneider MDR 2000, 885 f. sowie Enders JurBüro 1998, 1, 3). Der Gegenstandswert bestimmt sich folglich nach dem dreijährigen Betrag der Nettomiete (§ 25 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz KostO) von monatlich EUR 360,00 und beläuft sich somit auf EUR 12.980,00, Bei einem Gebührensatz von 0,5 ergibt sich damit eine Geschäftsgebühr von EUR 263,00 zuzüglich der Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV-RVG) in Höhe von EUR 20,00 und Umsatzsteuer von 16% (Nr. 7008 W-RVG), insgesamt ein Betrag von EUR 328,28. Über den vom Amtsgericht bereits zuerkannten Betrag von EUR 114,00 war dem Kläger demnach ein Freistellungsanspruch in Höhe von weiteren EUR 214,28 zuzusprechen.

5.

Schließlich findet auch keine Anrechnung der für die Kündigung vom 14.01.2005 angefallenen Geschäftsgebühr auf die im vorliegenden Räumungsrechtsstreit entstandene Verfahrensgebühr (Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG). da die ?Kündigung und die nachfolgende Räumungsklage verschiedene Angelegenheiten sind. Die Kündigung zielt auf die Gestaltung des Mietverhältnisses, nämlich seine Beendigung, ab. Mit dem Ausspruch der Kündigung ist die Beendigung des Mietverhältnisses herbeigeführt und die diesbezügliche Tätigkeit des Rechtsanwaltes beendet. Der Räumungsanspruch entsteht dagegen erst auf Grund der Beendigung des Mietvertrages, der Auftrag ihn durchzusetzen ist somit ein neuer Auftrag (vgl. OLG Köln MDR 2004, 178 sowie LG Köln NZM 1999, 1053).

6.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 92 Abs, 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10. 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Salz 1 Nr. 1 und 2 ZPO). Die in einer unbestimmten Anzahl von Rechtsstreitigkeiten auftauchende Frage des bei der Berechnung. der Anwaltsgebühren einer vorgerichtlichen Kündigung eines Mietverhältnisses zugrunde zu legenden Gegenstandswertes ist umstritten und obergerichtlich noch nicht geklärt (vgl, einerseits AG Köln MDR 2002, 1030 m.w.N., Hansens ZAP Fach 24, Seite 550 f. und Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe - Madert, a.a.O., § 23, Rn 29, andererseits Schneider MDR 2004,178, Monschau AGS 2003, 194, 195 sowie Enders JurBüro 1998, 1, 2 f.). Gleiches gilt für die Frage der Anrechnung der Geschäftsgebühr einer solchen Kündigung auf die Verfahrensgebühr des nachfolgen Räumungsprozesses (vgl. einerseits OLG Köln MDR 2004, 178, andererseits OLG Frankfurt NJW 2005, 1282 f.).

RechtsgebietRVGVorschriften§ 23 Abs. 3 RVG i.V. mit § 25 KostO

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