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07.02.2006 · IWW-Abrufnummer 060345

Amtsgericht Lüdinghausen: Urteil vom 31.10.2005 – 10 Owi 400 Js 144/05 ? 190/05

1. Bei einem Monatsnettoeinkommen von 4000 bis 5000 Euro ist es dem Betroffenen zumutbar für die Dauer eines einmonatigen Fahrverbotes einen Fahrer anzustellen.



2. Ein Sozius einer großen Anwaltssozietät hat durch ein mit ?Schonfrist? versehenes einmonatiges Fahrverbot keine unverhältnismäßigen beruflichen Härten im Sinne einer Existenzgefährdung zu befürchten. Er ist ihm insbesondere zumutbar, selbst durch Umorganisation innerhalb seiner Kanzlei vorübergehend einen von zahlreichen Mitarbeitern zu Fahrzwecken einsetzen.


10 OWi 400 Js 144/05 -190/05

AMTSGERICHT LÜDINGHAUSEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Bußgeldsache

g e g e n Verteidiger: Rechtsanwälte in M.

w e g e n Verkehrsordnungswidrigkeit

hat das Amtsgericht Lüdinghausen
in der Sitzung vom 31.10.2005, an der teilgenommen haben:

Richter am Amtsgericht
als Richter,

für R e c h t erkannt:

Der Betroffenen wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 100 ? verurteilt.

Dem Betroffenen wird für die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene. (§§ 41 II, 49 StVO 24,25 I, II a StVG)

G R Ü N D E :

Der Betroffene ist verheiratet und Vater dreier Kinder im Alter von 16, 19 und 23 Jahren. Von Beruf ist er als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Familienrechts in einer Rechtsanwaltskanzlei in M tätig. Nach eigenen Angaben verdient er hier 4.000 ? bis 5.000 ? netto im Monat. Die Anwaltskanzlei des Angeklagten, in der er Sozius ist besteht aus 6 Rechtsanwälten. Der Angeklagte ist der einzige familienrechtlich orientierte Rechtsanwalt der Kanzlei. Er hat in der Regel täglich Auswärtstermine wahrzunehmen und zwar über den gesamten Tag verteilt. In jeder Arbeitswoche dürften diese Termine auf 15 bis 20 zu beziffern sein. Der Betroffene hat keine eigens ausgewiesenen Urlaubsansprüche. Er hat jedoch in den letzten 3 bis 4 Jahren nie länger als 10 Tagen Urlaub am Stück genommen. Seine Ehefrau ist nicht berufstätig. Die Kanzlei des Betroffenen hat nach dessen glaubhaften Auskünften 8 festangestellte Mitarbeiter und weitere 5 Auszubildende, von denen eine schwanger ist und derzeit keinen Dienst versieht. Nach Auskunft des Betroffenen dürften alle diese Mitarbeiterinnen und Auszubildenden über eine Fahrerlaubnis verfügen. Zu Gewinnentnahmen erklärte der Betroffene, dass diese faktisch nicht stattfinden. Sollte am Jahresende nach den Entnahmen der Sozien noch Geld auf den Konten der Kanzlei übrig bleiben, so ?bleibe dies einfach stehen?.

Der Betroffene ist straßenverkehrsrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.

Am 20.04.2005 um 10:24 Uhr befuhr er die Autobahn A1 in Ascheberg als Führer eines Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen MS XXXXX. In Höhe des Kilometers 290,950 fuhr er trotz einer einzuhaltenden zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h mit einer Geschwindigkeit von zugunsten des Betroffenen anzunehmender 141 km/h. Im Rahmen einer Messung der Autobahnpolizei Münster konnte eine Geschwindigkeit von 146 km/h durch das polizeiliche Messgerät festgestellt werden. Der Betroffene war zuvor an der Anschlussstelle Ascheberg auf die Autobahn 1 aufgefahren und hatte hier unmittelbar nach dem Einfahren auf die Autobahn zwei Zeichen 274 ?100 km/h? bei Kilometer 293,008 (beidseitig aufgestellt) und zwei in der selben Art und Weise aufgestellte Verkehrszeichen in Höhe Kilometer 291,750 übersehen. Die vorgenommene Geschwindigkeitsbeschränkung hatte ihre Ursache in Fahrbahnschäden, die in den der Tat folgenden Wochen behoben wurden.

Der Betroffene hat den Vorwurf zugestanden. Er hat geschildert, dass er wie so oft auf die Autobahn 1 gefahren sei und nicht weiter auf die Beschilderung geachtet habe. Er konnte sich auch nicht erklären, aus welchem Grunde er die geschwindigkeitsbegrenzenden Verkehrsschilder nicht gesehen hat, zumal sie wiederholt aufgestellt waren. Die Richtigkeit der Messung wurde durch den Betroffenen nicht in Abrede gestellt. Der gleichwohl vernommene Zeuge H von der Autobahnpolizei Münster konnte zunächst die Beschilderungssituation an Hand einer Fotodokumentation der Messstelle, welche in Augenschein genommen wurde erklären. Auf den in Augenschein genommenen Bildern ergab sich eine ordnungsgemäße Beschilderung durch Zeichen 274 ?100 km/h? und zwar jeweils beidseitig. Diese Schilder waren wiederholt aufgestellt und zwar 5 mal, wobei aus Sicht des Betroffenen, der sich unwiderlegbar eingelassen hat, er sei in Ascheberg auf die Autobahn 1 aufgefahren nur die letzten beiden Beschilderungen wahrgenommen werden konnten. Der Zeuge H schilderte, dass Ursache der Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Autobahn 1 zur Tatzeit Schäden an der Fahrbahn gewesen seien. Weiterhin konnte der Zeuge H anhand der Fotodokumentation auf 2 der Fotos den Einsatzpunkt des Messgerätes bei Kilometer 290,950 in Fahrtrichtung Bremen zeigen. Es handelte sich hier um die Bilder 6 und 7 der Fotodokumentation, auf die verwiesen wird. An dem markierten Kreuz auf dem Foto ist der Standort des Radargerätes zu sehen. Die Fotos 4 und 5 der Bilddokumentation (auf diese wird ebenfalls verwiesen) zeigen die jeweiligen Verkehrsschilder 274, die die Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h herabsenken. Des Weiteren schilderte der Zeuge H, dass er das Messergebnis 146 km/h, von denen ein Toleranzabschlag von 5 km vorgenommen wurde durch Messung mit einem Verkehrsradargerät Multanova Typ MUVR6F der Firma Robot durchgeführt hat. Der Zeuge schilderte nachvollziehbar die Einrichtung des Messgerätes an der Messstelle und konnte auch Schulungsnachweise vorlegen. Er bestätigte die gültige Eichung des Messgerätes, welche durch Verlesung des Eichscheins des Landesbetriebsmess- und Eichwesen Nordrheinwestfalen vom 15.02.2005 bestätigt werden konnte. Des weiteren legte der Zeuge H da, dass er ein Radar- Messprotokoll am Tattage gefertigt hat. Auch dieses Protokoll konnte verlesen werden. Aus den Protokollen ergibt sich, dass am 20.04.2005 von 10:11 Uhr bis 13:03 Uhr gemessen wurde und die Beschilderung vor und nach der Messung überprüft wurde. Das Protokoll gibt keinerlei Hinweise darauf, dass es zu irgendwelchen Problemen im Rahmen der Messung gekommen sein könnte.

Dementsprechend war der Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 StV0, 24 StVG zu verurteilen. Der Bußgeldkatalog sieht hierfür eine Regelgeldbuße von 100 ? vor, welche auch festgesetzt wurde, da keine Gründe bekannt geworden sind, die es nahe gelegt hätten, die Geldbuße herab ? oder heraufzusetzen. Des Weiteren war ein Fahrverbot gemäß § 25 Abs. I Satz 1 StVG anzuordnen. Es handelte sich hier um ein Regelfahrverbot nach § 4 Abs. I Bußgeldkatalogverordnung. Es lagen keine besonderen Umstände vor, die dazu hätten führen können, dass auf Grund fehlender Voraussetzungen von der Verhängung eines Fahrverbotes hätte Abstand genommen werden müssen. Insbesondere konnte auf Grund der mehrfachen Doppelbeschilderung der Geschwindigkeitsbeschränkung und der Straßenschäden auf der fraglichen Strecke ein Augenblicksversagen ausgeschlossen werden.

Das Gericht hat auch keinen Anlass gesehen, auf Grund der dem Betroffenen bei Fahrverbotsanordnung treffenden Härten von einem Fahrverbot abzusehen. Der Betroffene hat hier insbesondere darauf verwiesen, dass er in seiner Kanzlei der einzige familienrechtlich orientierte Anwalt ist und auf Grund der besonderen Vertrauenssituation in Familiensachen es nicht möglich sei, die Wahrnehmung einzelner Termine durch andere Anwälte vorzunehmen. Die Tatsache, dass er auf seinen Führerschein angewiesen sei, lasse sich auch aus der Vielzahl seiner auswärtigen Termine ablesen. Das Gericht hat dies ohne weiteres geglaubt. Der Betroffene ist jedoch darauf zu verweisen, dass er als Sozius einer der führenden Rechtsanwaltskanzleien in Münster durchaus keine Gefährdung seiner persönlichen oder beruflichen Existenz in Folge eines Fahrverbotes befürchten muss. Was seine Urlaubsplanung anging, so hat der Betroffene erklärt, dass er längere Urlaube gemacht habe, als seine Kinder kleiner gewesen sein, er sich in den letzten Jahren jedoch nur noch Kurzurlaube genommen habe. Hieraus entnimmt das Gericht, dass der Betroffene durchaus längere Urlaubszeiten nehmen könnte. Zudem hält das Gericht auf Grund des hohen Einkommens des Betroffenen die Einstellung eines Fahrers durch den Betroffenen für durchaus zumutbar und zwar gegebenenfalls auch unter Inanspruchnahme eines Darlehens. Gegebenfalls könnte diese Kosten auch die Kanzlei des Betroffenen übernehmen. Jedenfalls wäre es dem Betroffenen durchaus zumutbar, innerhalb seiner Kanzlei durch eine Umorganisation seiner Mitarbeiter einen seiner zahlreichen Mitarbeiter für Fahrzwecke freizustellen. Jeder dieser Maßnahmen einzeln, insbesondere jedoch in einer Kombination wären durchaus geeignet, die Härten, die den Betroffenen auf Grund einer Fahrverbotsanordnung drohen sanft abzufedern. Dies gilt um so mehr, als der Betroffene hierfür einen langen Zeitvorlauf hat in Folge der ihm zugebilligten Abgabefrist des § 25 Abs. 2 a StVG.

Das Gericht hielt es insoweit auch nicht für ausreichend, von der Fahrverbotsanordnung abzusehen unter gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße und damit unter Anwendung des § 4 Abs. 4 Bußgeldkatalogverordnung.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 StPO , 46 Abs. I OWiG.

RechtsgebietStVGVorschriften§ 25 Abs. 1 Satz 1 StVG § 4 Abs. 1 Bußgeldkatalogverordnung

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