Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

22.12.2005 · IWW-Abrufnummer 053623

Landgericht Braunschweig: Urteil vom 30.11.2005 – 1 S 216/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Braunschweig
Geschäfts-Nr.: 1 S 216/05
4 C 363/04 Amtsgericht Goslar
Verkündet am 30.11.2005

Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

Hat die 1. Zivilkammer des Amtsgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 09.11.2005 durch

Den Vorsitzenden Richter am Landgericht Mielert, die Richterin Mustroph und die Richterin am Landgericht Klocke

Für Recht erkannt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin trägt die Kosten Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Hinsichtlich des Sachverhaltes wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 17.03.2005 verwiesen.

Ergänzend trägt die der Kläger in zweiter Instanz zur Angemessenheit der Abrechnung von Unfallersatztarifen vor und macht sich insoweit ein Gutachten des Bundesverbandes der deutschen Automobilvermieter von Herrn Prof. Dr. Klaus Neidhardt und Herrn Prof. Dr. Jürgen Kremer zu eigen. Hinsichtlich des Sachvortrages im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 03.06.2005 (BI. 186 f. d. A.) verwiesen. Der Kläger behauptet hierzu, die Autovermietung Herrmann entspreche aufgrund ihrer Betriebsstruktur den in diesem Gutachten aufgeführten Regelanbietern. Des Weiteren trägt die Klägerin zur Kostenstruktur der Autovermietung Herrmann vor. Insoweit wird auf den Schriftsatz vom 20.09.2001 verwiesen.

Die Beklagte greift das Gutachten des Bundesverbandes der deutschen Automobilvermieter an, sie bestreitet deren Grundlagen sowie die Richtigkeit der Schlussfolgerungen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Amtsgericht hat die Beklagte zurecht zur Zahlung von 813,67 Euro nebst Zinsen verurteilt, weil dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch in entsprechender Höhe zusteht.

Die Beklagte haftet dem Kläger dem Grunde nach gemäß §§ 3 Pflichtversicherungsgesetz, 7 StVG in voller Höhe auf Erstattung des Unfallschadens, zu dem auch die erforderlichen Kosten eines Unfallersatzwagens gehören. Die vom Autohaus Herrmann abgerechneten Mietwagenkosten, abzüglich der vom Amtsgericht abgezogenen ersparten Aufwendungen, stellen solche erforderlichen Kosten für einen Unfallersatzwagen dar. Dabei ist mit dem Amtsgericht davon auszugehen, dass gemäß § 249 Satz 2 BGB nicht nur eine Freistellungs-, sondern ein Zahlungsanspruch besteht.

Aufwendungen eines Unfallgeschädigten sind dann nach § 249 Satz 2 BGB erstattungsfähig, wenn ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der speziellen Lage des Geschädigten diese Aufwendungen getätigt hätte. Der Geschädigte braucht keine besonderen Anstrengungen zu unternehmen, um den Schaden möglichst gering zu halten. Er kann sich bei der Beauftragung eines Dritten mit der Schadensbeseitigung auf den ihm unmittelbar zugänglichen Markt beschränken (BGH NJW 1996, 1958). Im Zusammenhang mit der Erstattung von Mietwagenkosten wird der Geschädigte in der Regel als verpflichtet angesehen, nach der Einholung eines Angebotes zwei bis drei Vergleichsanrufe bei erreichbaren Händlern zu tätigen (vgl. BGH a. a. O.). Sofern ein Autovermieter neben einem Normaltarif einen speziellen Unfallersatztarif anbietet, wird dieser nur dann als erforderlicher Aufwand eingestuft, wenn der höhere Tarif aus betriebswirtschaftlicher Sicht durch die besondere Unfallsituation (hohes Ausfallrisiko wegen ungeklärter Haftungsfragen, Vorfinanzierung, Vorhaltekosten etc.) begründet ist und der Kläger ggf. Durch Sachverständigergutachten, die Berechtigung des höheren Tarifes nachweist (vgl. U. a. BGH NJW 2005, 135 f.).

Nach den vorstehend erörterten Kriterien sind die vom Autovermieter Herrmann abgerechneten Kosten als erforderliche Kosten einzustufen. Insbesondere bedarf es keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Angemessenheit des vom Autovermieter Herrmann abgerechneten Tarifes im Hinblick auf die besonderen Risiken des Verleihens von Unfallersatzwagen. Dabei geht die Kammer nach der Beweiswürdigung des Amtsgerichtes im erstinstanzlichen Urteil, die die Beklagte nicht angreift und die keinen Rechtsfehler erkennen lässt, davon aus, dass das Autohaus Herrmann nicht zwei verschiedene Tarife für Normalkunden sowie für unfallgeschädigte Kunden, sondern nur einen Tarif anbietet.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass bei Vorliegen zweier unterschiedlicher Tarife ein wirtschaftlich denkender, verständiger Mensch zu dem teueren Tarifen nur abschließen würde, falls dieser durch die besondere Vertragssituation betriebswirtschaftlich begründet ist, kann vorliegend mangels Auswahlmöglichkeit zwischen zwei Tarifen nicht eingreifen.

Auch der Umstand, dass dieser Tarif sehr hoch ist und erheblich über dem Niveau der Normaltarife anderer Autovermieter liegt, begründet für sich gesehen nicht die Notwendigkeit, über die Angemessenheit des Tarifes Beweis zu erheben. Es gehört nicht zu den üblichen Verhaltensweisen eines verständigen , wirtschaftlich denkenden Menschen, sich vor Abschluss eines Vertrages über eine Leistung, für den der potenzielle Vertragspartner nur einen Preis anbietet, zunächst die Kalkulation der angebotenen Preise vorlegen zu lassen und diese auf Ihre wirtschaftliche Berechtigung zu überprüfen.

Die Erforderlichkeit der vom Autohaus Herrmann abgerechneten Mietwagenkosten entfällt auch nicht deshalb, weil der Kläger keine Vergleichsanrufe getätigt hat.

Dahingestellt bleiben kann, ob dem Kläger, der in Vienenburg wohnt, überhaupt ein zumutbarer Markt gewerblicher Autovermieter zur Verfügung stand. Fraglich ist dies deshalb, weil nach dem erstinstanzlichen Urteil die nächsten gewerblichen Autovermieter in Goslar geschäftsansässig sind und zweifelhaft ist, o einem in Vienenburg wohnhaften Unfallgeschädigten der Aufwand zugemutet werden kann, zum Anmieten eines Ersatzfahrzeuges nach Goslar zu fahren. Diese Frage kann jedoch letztlich offen bleiben; denn das Unterlassen der Vergleichsanrufe hätte nicht zu geringeren Mietwagenkosten geführt. Nach den zur Akte gereichten Tarifen von in Goslar ansässigen Vergleichsanbietern wären dem Kläger als Unfallgeschädigtem Unfallersatztarife angeboten worden, die nicht wesentlich unter dem vom Autovermieter Herrmann angebotenen Tarif lagen.

Selbst wenn man der von der Beklagten vertretenen Rechtsansicht folgt, dass ein Autovermieter, der unterschiedliche Tarife anbietet, den unfallgeschädigten Kunden auf mögliche Probleme im Zusammenhang mit der Erstattung von Unfallersatztarifen hinweisen muss, findet diese Aufklärungspflicht auf den vorliegenden Fall keine Anwendung, da der Autovermieter Herrmann nur einen einzigen Tarif anbietet. Eine vorvertragliche Verpflichtung des Anbieters einer Leistung, seine potenziellen Kunden vor Vertragsschluss darauf hinzuweisen, dass seine Preise, gemessen an dem zugänglichen Markt, hoch sind, ist dem deutschen Rechtssystem sowie den Gesetzen der Marktwirtschaft fremd.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 709 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

RechtsgebietBGBVorschriften§ 249 S. 2 BGB

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr