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08.11.2005 · IWW-Abrufnummer 053070

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Beschluss vom 11.05.2005 – 3 Wx 70/04

Eine Erbausschlagung kann auch dann nicht wegen Irrtums über den Inhalt der Erklärung angefochten werden, wenn der Erklärende angenommen hat, seine Erklärung führe zum unmittelbaren Übergang seines Erbteils auf bestimmte Miterben, diese Vorstellung in der Erklärung selbst aber keinen Ausdruck gefunden hat.


3 Wx 70/04

Beschluss

In dem Nachlassverfahren

hat der 3. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am 11.05.2005 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. bis 4. gegen den Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 22.09.2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten zu 1. bis 4. als Gesamtschuldner.

Der Wert des weiteren Beschwerdeverfahrens beträgt 3000,00 ¤.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1. ist die Ehefrau, die Beteiligten zu 2. und 3. sind die einzigen Kinder des am 23.07.2003 verstorbenen Erblassers. Der Erblasser lebte im gesetzlichen Güterstand und hinterließ keine Verfügung von Todes wegen.

Am 22.08.2003 erklärten die Beteiligten zu 2. und 3. zu Protokoll des Beteiligten zu 4. (UR-Nr. 359/2003) die Ausschlagung ihrer Erbschaft nach dem Erblasser aus allen Berufungsgründen. Eine über diese Erklärung hinausgehende Begründung enthält die Urkunde nicht. Am selben Tag liess die Beteiligte zu 1. einen Erbscheinsantrag zu Protokoll des Beteiligten zu 4. beurkunden (UR.-Nr. 360/2003), wonach sie als Alleinerbin des Erblassers ausgewiesen werden wollte. Beide Urkunden gingen am 26.08.2003 beim Nachlassgericht ein.

Auf Anfrage des Nachlassgerichts nach weiteren gesetzlichen Erben erster bzw. zweiter Ordnung kündigte der Beteiligte zu 4. zunächst weitere Ausschlagungserklärungen an. Der Beteiligte zu 2. hat zwei am 21.6.1987 und am 19.6.1993 geborene Söhne, der Beteiligte zu 3. eine am 18.2.1990 geborene Tochter. Der Beteiligte zu 4. übersandte dann jedoch die am 12.09.2003 von den Beteiligten zu 2. und 3. zu seinem Protokoll (UR.- Nr. 382/2003) erklärten Anfechtungserklärungen betreffend die Erbausschlagung vom 22.08.2003. Darin heißt es zur Begründung:

"Bei Abgabe der Ausschlagungserklärung sind wir irrig davon ausgegangen, dass unsere Erklärung zum unmittelbaren Übergang unserer Erbteile auf unsere Mutter ... führe. ... Wir werden jetzt darüber informiert, dass unsere Ausschlagungserklärung entgegen unserem Willen zu einem Übergang unserer Erbteile auf unsere Kinder ... führt."

Am 19.09.2003 gab die Beteiligte zu 1. einen weiteren Erbscheinsantrag zu Protokoll des Beteiligten zu 4. (UR-Nr. 389/2003), wonach sie als Erbin zu 1/2 und die Beteiligten zu 2. und 3. als Erben zu je 1/4 ausgewiesen werden sollten.

Auf Hinweis des Nachlassgerichts, dass es die Anfechtung für unwirksam halte, und auf Nachfrage, ob es bei den Erbscheinsanträgen bleibe, teilte der Beteiligte zu 4. unter dem 16.03.2004 mit, der Erbscheinsantrag vom 19.09.2003 werde aufrecht erhalten.

Mit Beschluss vom 12.07.2004 hat das Nachlassgericht die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 1. vom 22.08.2003 und 19.09.2003 zurückgewiesen. Die dagegen am 23.07.2004 eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1. hat das Landgericht mit Beschluss vom 22.09.2004 ebenfalls zurückgewiesen. Die Anfechtung sei nicht wirksam, weil die Beteiligten zu 2. und 3. wegen ihrer Annahme, durch die Ausschlagung werde der Erbteil der Beteiligten zu 1. zugute kommen, nicht einem Inhaltsirrtum, sondern lediglich einem unbeachtlichen Motivirrtum unterlegen seien.

Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.

II.

Die gemäß § 27 FGG zulässige weitere Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit das Amtsgericht Ahrensburg in dem Beschluss vom 12.07.2004 den Erbscheinsantrag vom 22.08.2003 zurückgewiesen hat, ist allerdings übersehen worden, dass der Beteiligte zu 4. diesen Antrag bereits durch das als Antragsrücknahme zu wertende Schreiben vom 16.03.2004 wirksam zurückgenommen hatte. Daraus ist den Beteiligten aber kein Nachteil entstanden. Die Zurückweisung des verbleibenden Erbscheinsantrags vom 19.09.2003 ist fehlerfrei erfolgt. Die Beteiligten zu 2. und 3. sind nicht Miterben nach dem Erblasser geworden. Sie haben die Erbschaft wirksam ausgeschlagen. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Anfechtung der Ausschlagungserklärung mangels Anfechtungsgrundes unwirksam ist, weil die Beteiligten zu 2. und 3. bei Abgabe der Erklärung keinem beachtlichen Inhaltsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 BGB sondern lediglich einem unbeachtlichen Motivirrtum unterlegen waren.

Es ist allgemein anerkannt, dass der Irrtum des die Erbschaft ausschlagenden Miterben, sein Erbteil falle durch die Ausschlagung einem anderen Miterben an, keinen Irrtum über den Inhalt der Ausschlagungserklärung im Sinne von § 119 Abs. 1 BGB darstellt (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 905; OLG Hamm FamRZ 1998, 771f; Staudinger/Otte, BGB, Neubearb. 2000, § 1954, Rn. 6; MünchKomm/Leipold, BGB, 3. Aufl., § 1954, Rn. 6; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1954, Rn. 2; AK/Derleder, BGB, 1990, § 1954, Rn. 2; Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 1954, Rn. 3).

Eine Mindermeinung nimmt allerdings an, eine Erbausschlagung könne wegen Irrtums über den Inhalt der Erklärung angefochten werden, wenn der Erklärende angenommen habe, seine Erklärung führe zum unmittelbaren Übergang seines Erbteils auf bestimmte Miterben (KG JW 1938,858; Palandt/Edenhofer,a.a.O.; Pohl AcP 177, 52, 73 f.; vgl. auch OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 150, 151). Dem folgt der Senat jedenfalls für den Fall nicht, dass eine solche Vorstellung in der Erklärung selbst keinen Ausdruck gefunden hat. Denn auch ohne juristische Vorbildung beinhaltet der für den Laien verständliche Sinngehalt des Wortes "ausschlagen", dass der Ausschlagende nicht mehr Erbe sein will und durch die Ausschlagung die Erbenstellung verliert. Demgegenüber ist auch nicht sinngemäß Inhalt der Erklärung: "Ich schlage die Erbschaft nach dem X aus", dass an Stelle des Ausschlagenden bestimmte Dritte Erben werden sollen. Insoweit geht es vielmehr um eine (weitere) Rechtsfolge der erklärten Ausschlagung der eigenen Erbenstellung, über die der Ausschlagende sicherlich im Zeitpunkt der Erklärung fehlerhafte Vorstellungen etwa dahin haben kann, dass mit dem Verlust der eigenen Erbenstellung der Erbteil unmittelbar auf bestimmte Miterben übergeht, die aber tatsächlich nach der gesetzlichen Erbfolge nicht berufen sind. Ein Irrtum über derartige weitere gesetzliche Folgen einer Erklärung ist jedoch regelmäßig bloßer Motivirrtum, der nicht zur Anfechtung berechtigt. Das kann auch im Fall der Ausschlagungserklärung nicht anders bewertet werden. Ein maßgeblicher Unterschied zu jenem durchweg als bloßen Motivirrtum behandelten Fall, wo der Ausschlagende weiß, dass der nächste gesetzliche Erbe unabhängig von seinem Willen eintritt, er sich aber in der Person des nunmehr berufenen gesetzlichen Erben irrt, liegt nicht vor (im Ergebnis ebenso MünchKomm/Leipold, a.a.O.; RGRK-Johannsen, BGB, 12. A. 1974, § 1954 Rn. 1; Staudinger/Otte, a.a.O.; AK-BGB/Derleder, a.a.O.; Soergel/Stein, a.a.O.).

Soweit im übrigen teilweise vertreten wird, ein Inhaltsirrtum könne dann vorliegen, wenn der Erklärende angenommen hat, dass die Ausschlagungserklärung gerade die Form für die Übertragung des Erbteils auf bestimmte Miterben sei (KG a.a.O; RGRK-Johannsen, a.a.O.), braucht nicht entschieden zu werden, ob dieser dem Senat angesichts des Widerspruchs zu Wortlaut und Sinngehalt des Begriffes "Ausschlagung" nicht zweifelsfrei erscheinenden Ansicht zu folgen ist (ablehnend Staudinger/Otte, a.a.O., AK-BGB/Derleder, a.a.O., Soergel/Stein a.a.O. ; differenzierend MünchKomm/Leipold a.a.O.), weil diese Konstellation hier nicht vorliegt.

Die Beteiligten zu 2. und 3. haben tatsächlich am 22.08.2003 lediglich die Ausschlagung der Erbschaft erklärt. Der Wortlaut der Urkunde ist insoweit eindeutig. Sie enthält nämlich keinerlei Hinweise darauf, dass nach Vorstellung der Beteiligten zu 2. und 3. zum Inhalt ihrer Erklärung neben dem bloßen eigenen Ausscheiden aus der gesetzlichen Erbfolge zugleich die Übertragung der Erbteile auf die Beteiligte zu 1. gehören sollte. Als unmittelbare Rechtsfolge der Ausschlagung haben die Beteiligten zu 2. und 3. ihre Erbenstellung verloren, wie sich aus § 1953 Abs. 1 BGB ergibt. Das entspricht dem Wortsinn des Begriffes "Ausschlagung", wie er auch juristischen Laien erkennbar ist. Nach ihrem eigenen Vortrag haben die Beteiligten zu 2. und 3. diesen Inhalt ihrer Erklärung auch nicht verkannt und sind insoweit keinem Irrtum unterlegen.

Die Beteiligten sind bei Abgabe der Ausschlagungserklärung lediglich "irrig davon ausgegangen, dass unsere Erklärung zum unmittelbaren Übergang unserer Erbteile auf unsere Mutter...führe". Daraus ergibt sich mittelbar, dass sich die Beteiligten über den Verlust ihrer Erbenstellung als Folge der erklärten Ausschlagung im klaren waren und mithin der äußere Tatbestand der Erklärung auch ihrem inneren Willen entsprach. Sie haben sich nur über die weiteren Rechtsfolgen des Verlustes ihrer eigenen Erbenstellung in Bezug auf den nächst berufenen Erben geirrt. Das aber ist ein bloßer Motivirrtum. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem Vorbringen der Beteiligten zu 2. und 3. vor dem Amtsgericht und im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht, wo sie ausgeführt haben, sie hätten sehr wohl die Vorstellung gehabt " dass ihr jeweiliger Erbanteil aufgrund der Erbausschlagungserklärung ihrer Mutter anwachsen würde" (Schriftsatz vom 17.11.2003, S. 3).

Soweit die Beteiligte zu 1. in ihrem Erbscheinsantrag vom 22.08.2003 auf die unmittelbar zuvor erklärte Erbausschlagung ihrer Söhne Bezug genommen hat, kann dies nicht als Indiz für eine andere Auslegung der Ausschlagung herangezogen werden, da beide Urkunden von unterschiedlichen Personen stammen und rechtlich auf verschiedene Ergebnisse abzielen.

Soweit der Beteiligte zu 4. erstmals im weiteren Beschwerdeverfahren vorbringt, die Beteiligten zu 1. bis 3. hätten ihn ausdrücklich beauftragt, alles Erforderliche zu veranlassen, damit nicht sie selbst neben der Beteiligten zu 1. gesetzliche Erben, sondern abweichend von der gesetzlichen Erbfolge die Beteiligte zu 1. Alleinerbin nach dem Erblasser werde, er daraufhin die Urkunden vom 22.08.2003 vorbereitet und anschließend beurkundet habe, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das im Verfahren über die weitere Beschwerde gemäß §§ 27 Abs. 1 FGG, 559 Abs. 1 ZPO unbeachtlich ist. Im übrigen ergibt sich auch aus diesem Vorbringen nicht, dass die Beteiligten zu 2. und 3. die primäre Folge ihrer Ausschlagungserklärung, nämlich den Verlust der eigenen Erbenstellung, verkannt haben könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

Die Festsetzung des Geschäftswerts von 3000,00 ¤ ergibt sich aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 S.1 KostO. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Beschluss verwiesen.

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 119 BGB § 1953

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