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01.12.2005 · IWW-Abrufnummer 053027

Landgericht Karlsruhe: Urteil vom 08.02.2005 – 5 S 136/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


5 S 136/04
9 C 87/04 Amtsgericht Pforzheim

verkündet am 8.2.2005

Landgericht Karlsruhe

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 25.1.2005 durch XXX für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Pforzheim vom 29.6.2004 - 9 C 87/04 -, unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 254,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit 18.3.2004 zu bezahlen.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 67 %, die Beklagte 33 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Streitwert: 780,39 EUR.

Entscheidungsgründe (abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO)

Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg. Die Klägerin kann nicht 780,39 EUR, sondern nur 254,95 EUR noch offene Mietwagenkosten (nebst Zinsen) ersetzt verlangen.

Streitig im vorliegenden Prozess sind die beiden Fragen, erstens, ob die Mietwagenkosten der Klägerin nur in Höhe des Normaltarifs zu ersetzen sind oder ob die Klägerin auch die Differenz zwischen Unfallersatztarif und Normaltarif fordern kann, und zweitens, wenn, wie hier, ein Fahrzeug beschädigt wurde, das in die Klasse 8 der Schwacke-Mietpreisliste fällt, die Klägerin sich aber mit der Anmietung eines Fahrzeugs der Klasse 6 begnügt hat,' die Mietwagenkosten der Klasse 8 oder der Klasse 6 zu ersetzen sind. Das erstinstanzliche Urteil hat der Klägerin in beiden Punkten Recht gegeben. Dies ist im zweiten Punkt (Mietwagenpreisklasse) zu bestätigen. Hingegen hat sich zu der ersten Frage (Unfallersatztarif) während des Berufungsverfahrens eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergeben, die zur Abänderung des Urteils des Amtsgerichts führt.

1. Unfallersatztarif:

Nach der Entscheidung BGHZ 132, 373 galt bisher, dass, wenn der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem Unfallersatztarif gemietet hat, vom Schadensersatzpflichtigen grundsätzlich die Mietwagenkosten in Höhe des Unfallersatztarifs zu ersetzen sind. Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof in zwei neuen Urteilen vom 12.10.2004 (Az. VI ZR 151/03), NJW 2005,51 und vom 26.10.2004 (Az. VI ZR 300/03), NJW 2005, 135 entschieden, dass die Differenz zwischen Unfallersatztarif und Normaltarif grundsätzlich nur insoweit zu ersetzen ist, als der Autovermieter bei der Vermietung zum Unfallersatztarif, verglichen mit der Vermietung zum Normaltarif, eine höherwertige, vom Geschädigten zu beanspruchende Leistung erbringt.

Die Besonderheit der Vermietung zum Unfallersatztarif, der bei der unfallbedingten Anmietung eines Ersatzfahrzeugs angewendet wird, liegt darin, dass, während der Normalkunde die Mietwagenvergütung vorzufinanzieren und eine Sicherheit wegen etwaiger Mietwagenschäden zu leisten hat (dies entweder durch Vorlage einer Kreditkarte, über die die Mietsumme abgebucht und der Kautionsbetrag reserviert wird, oder durch Barzahlung der Mietsumme und Barhinterlegung des -Kautionsbetrages-), dem -Unfallkunden die Mietvergütung kreditiert wird, wobei sich der Vermieter die die Mietwagenkosten betreffende Ersatzforderung des Kunden gegen den Unfallgegner sicherheitshalber abtreten lässt und im Regelfall auch, statt in erster Linie den Kunden in Anspruch zu nehmen, die Ersatzforderung gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend macht. Den Wert dieser Sonderleistung beim Unfallersatzgeschäft schätzt das Gericht auf 20 % der Normaltarifleistung. Von der Einholung eines Sachverständigengutachtens, das wahrscheinlich verhältnismäßig unsichere Ergebnisse bringen würde und dessen Kosten in keinem Verhältnis zum Streitwert stehen, sieht das Gericht in Ausübung des durch § 287 Abs. 1 ZPO eingeräumten Schätzungsermessens ab. Bei der Bewertung der Sonderleistungen des Unfallersatztarifs werden nur die Kostenpositionen berücksichtigt: 1. Zinsverlust des Autovermieters wegen des im Regelfall späteren Geldeingangs, - 2. Risiko des Ausfalls mit der Forderung, wenn der Unfallgegner nicht oder nicht voll haftet und das Geld beim Mietwagenkunden nicht beitreibbar ist und 3. Aufwand der Geltendmachung des Ersatzanspruchs gegenüber dem Unfallgegner.

Nicht berücksichtigungsfähig sind bzw. nicht ins Gewicht fallen, wie das Gericht meint, die von Autovermieterseite häufig genannten Kostenfaktoren, 1. dass im Hinblick auf das Unfallersatzgeschäft eine größere Vielfalt der Fahrzeugtypen bereitzuhalten und anzubieten ist und 2. dass eine von vornherein kalkulierbare Mietdauer beim Unfallkunden in geringerem Maße gegeben ist als beim Normalkunden. Die Vorhaltung einer größeren Typenvielfalt mag zwar gerade im Hinblick auf das Unfallkundengeschäft notwendig sein. Da aber die meisten Mietwagenunternehmen Unfallkunden und Normalkunden bedienen, ist dieser Kostenfaktor bei ein und demselben Vermieter ein einheitlicher. Die Leistung wird beim einzelnen Mietgeschäft, je nachdem ob ein Unfallkunde oder ein Normalkunde mietet, keine wertvollere oder weniger wertvolle, wenn im einen Fall der Kunde, falls ihm weniger Fahrzeugtypen angeboten würden, nicht kontrahieren würde, während dies beim Normalkunden keine Rolle spielt und er auch bei einem nicht so differenzierten Angebot bei dem betreffenden Autovermieter mieten würde. Was die von vornherein mehr oder weniger feststehende Mietdauer betrifft, so ist diese auch bei den Unfallkunden verhältnismäßig voraussehbar; insbesondere gibt es für die Reparaturdauer der beschädigten Fahrzeuge relativ verlässliche Erfahrungswerte. Andererseits steht beim Unfallersatzgeschäft dem Kostennachteil der weniger sicheren Mietdauer der Kostenvorteil gegenüber, dass bei den Unfallkunden eine durchschnittlich längere Mietdauer anfällt, die zu einer besseren Kapazitätsauslastung führt (AIbrecht, NZV 1996, 49, 51 unter II 2e).

2. Mietwagenklasse

Dass, wenn, wie hier, ein Fahrzeug der Klasse 8 beschädigt und ein Ersatzwagen nur der Klasse 6 gemietet wird, die Mietwagenkosten der Klasse 8 zu ersetzen sind, hat das Amtsgericht zutreffend entschieden. Mietet der Geschädigte für die Dauer des Ausfalls seines Fahrzeugs einen Ersatzwagen, so fallen die Mietwagenkosten unter § 249 Abs. 2 BGB (BGH, NJW 1974, 34; VersR 1985, 283, 284; NJW 1985,2639). Nach dieser Vorschrift kann, wenn wegen Beschädigung einer Sache Ersatz zu leisten ist, der dazu erforderliche Geldbetrag verlangt werden. Darauf, ob dieser Geldbetrag tatsächlich aufgewendet wird, kommt es nicht an. Es kommt dem Schadensersatzschuldner nicht zugute, wenn sich der Geschädigte mit einem unzureichenden oder aus sonstigen Gründen billigeren Ersatz begnügt.

Der gegenteiligen Auffassung, die im Urteil BGH, NJW 1967, 552 und in den sonstigen, von der Beklagten im nachgereichten Schriftsatz vom 1.2.2005 zitierten Entscheidungen vertreten wird, kann nicht gefolgt werden (wie hier, soweit es um die Verrechnung der Eigenersparnis mit der Differenz zwischen den Mietwagenkosten eines Mietwagens der Klasse des beschädigten Fahrzeugs und den tatsächlich angefallenen Kosten einer niedrigeren Mietwagenpreisklasse geht: Palandt, BGB, 64. Aufl., § 249 Rn. 32 a.E.; Bamberger/Roth, 8GB, § 249 Rn. 54 a.E.; jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen). Der Bundesgerichtshof meint, der Verkehr sehe es nicht als Vermögensbenachteiligung an, dass jemand während der Wagenreparatur ein leistungsschwächeres oder im Komfort geringeres Fahrzeug benutzt. Das ist nicht zutreffend und bei der Anwendung des § 249 Abs. 2 BGB außerdem unerheblich. Wenn ein leistungsstärkeres oder komfortableres Fahrzeug mehr kostet als ein insoweit geringerwertiger Wagen, dann ist nicht nur der Marktwert des Fahrzeugs insgesamt, sondern auch der Marktwert pro Nutzungseinheit ein höherer; denn der Wert einer Sache ist nichts anderes als die Summe der Werte der einzelnen Nutzungseinheiten. Außerdem spielt bei der Anwendung des § 249 Abs. 2 BGB der Wert der beschädigten Sache oder des entzogenen Guts keine Rolle; es geht insoweit um die Kosten der geschuldeten Naturalrestitution, und diese sind, wenn im Rahmen des Naturalrestitution ein Ersatzfahrzeug einer höheren Mietwagenpreisklasse anzumieten ist, höher als die Kosten bei der Anmietung eines Fahrzeugs einer niedrigeren Preisklasse. Im übrigen: Selbst wenn man der genannten Rechtsprechung grundsätzlich folgen würde, könnte sich doch keinesfalls in einem Fall wie hier gelten dass der Geschädigte bei der Schadensbeseitigung in einer Hinsicht - hier: bei der Anmietung zum Unfallersatztarif statt zum Normaltarif - das Maß der objektiv erforderlichen und damit ersatzfähigen Kosten überschreitet, er aber in anderer Hinsicht - bei der Wahl der Preisklasse des gemieteten Fahrzeugs - die erforderlichen Kosten unterschreitet. In einem solchen Fall dem Schadensersatzgläubiger die Kostenüberschreitung zum Nachteil gereichen zu lassen, während ihm die Unterschreitung nicht zugute kommen soll, wäre ein unbilliges Messen mit zweierlei Maß, für das sich im geltenden Schadensersatzrecht keine Stütze findet.

3. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen sowie unter Berücksichtigung der unstreitigen Abzugs wegen ersparter Eigenaufwendungen in Höhe von fünf Prozent der Mietwagenkosten sowie der ebenfalls unstreitigen Positionen Vergütung für die Zubringung und Abholung des Ersatzfahrzeugs und Zuschlag für die Befreiung von der Haftung wegen etwaiger Mietwagenschäden ergibt sich für den Streitfall folgende Schadensberechnung :

Durchschnittliche Normaltarifvergütung für einen Mietwagen der Klasse 8 für die Dauer von elf Tagen im Raum Pforzheim (Unfallort) (PLZ-Bezirk 750) nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel 2003 (Anlage B 1, AS. 59 der Amtsgerichtsakten): 623 EUR Wochenpreis + 399 EUR 3-Tage-Preis + 160 EUR Preis für einen Tag = 1.182 EUR x 120 % [= 100 % +20 % Zuschlag für den Mehrwert des Unfallersatztarifleistung] = 1.418,40 EUR
abzüglich Eigenersparnis: 1.418,40 EUR x 5 % = - 70,92 EUR

Zuschlag für Befreiung von der Haftung für etwaige Mietwagenschäden: Durchschnittswert nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel 2003 (Anlage B 3, Anlagenheft Beklagte AS. 1): 217 EUR Wochenpreis + 93 EUR 3-Tage-Preis + 31 EUR Preis für einen Tag = + 341,00 EUR
Zuschlag für Zuführung und Abholen des Mietwagens gemäß Rechnung der Klägerin:
57,30 EUR + 16 % Mehrwertsteuer = + 66.47 EUR
zusammen 1.754,95 EUR
von der Beklagten bezahlt 1.500.00 EUR
Restforderung 254,95 EUR.

4. Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 254,95 EUR (nebst Zinsen) erfolgt uneingeschränkt, ohne Rücksicht auf den Einwand der Beklagten, sie könne von der Klägerin gemäß § 255 BGB die Abtretung eines möglichen Anspruchs gegen das Mietwagenunternehmen wegen Verletzung der eventuellen Verpflichtung zur Aufklärung über das Nebeneinander von Unfallersatz- und Normaltarifen oder wegen einer sittenwidrig überhöhten Mietwagenvergütung verlangen. Ein solcher Abtretungsanspruch gemäß § 255 BGB ergab sich nur auf der Grundlage der früheren Entscheidung BGHZ 132, 373 = NJW 1996, 1958. Nach dieser Entscheidung konnte der Geschädigte, der das Nebeneinander von Unfallersatz- und Normaltarifen nicht kannte und der zum Unfallersatztarif angemietet hatte, wie eingangs ausgeführt, die Mietwagenkosten in voller Höhe, d. h. in Höhe des Unfallersatztarifs, ersetzt verlangen. Die genannte Rechtsprechung war so zu verstehen, wie die Kammer im Urteil vom 5.4.2004 - 5 S 27/03 - ausgeführt hat, dass ein doppelter Schaden zu ersetzen war: zum einen die Normaltarifvergütung als objektiv erforderlicher Geldbetrag zur Schadensbeseitigung (Beseitigung des Nutzungsausfalls) gemäß § 249 Abs. 2 BGB und, zweitens, die Differenz zwischen Unfallersatztarif und Normaltarif als Folgeschaden des Unfallereignisses dergestalt, dass der Geschädigte, der das Nebeneinander von Unfallersatz- und Normaltarifen nicht kannte, aufgrund dieser Unkenntnis einen zu hohen Aufwand verursacht hatte, der über den objektiv erforderlichen Aufwand gemäß § 249 Abs. 2 BGB hinausging. Beim Ersatz dieses zweiten, unkenntnisbedingten Schadens war Ursache auch das möglicherweise unzulässige Verhalten des Autovermieters (Nichtaufklärung über die Normaltarife und Verstoß gegen § 138 BGB), was einen gemäß § 255 BGB abzutretenden Ersatzanspruch gegen den Autovermieter auslösen konnte. Wenn hingegen nach der neuen, nunmehr zu beachtenden BGH-Rechtsprechung nur noch der gemäß § 249 Abs. 2 BGB zur Schadensbeseitigung objektiv erforderliche Aufwand zu ersetzen ist (Normaltarif-Vergütung + Mehrwert der Vermietung zum Unfallersatztarif), spielen im Rahmen dieses Schadensersatzes die Ansprüche des Geschädigten gegen den Autovermieter im Zusammenhang mit einer zu hoch vereinbarten Mietvergütung keine Rolle mehr, und eine Verpflichtung gemäß § 255 BGB zur Abtretung des insoweit eventuell gegebenen Ersatz- oder Rückzahlungsanspruchsentfällt.

5. Das zuletzt Ausgeführte gilt entsprechend auch für den Hinweis in Ziff. 2 der gerichtlichen Verfügung vom 26.10.2004 (AS. 53/55), dass die Differenz zwischen Unfallersatztarif und Normaltarif als Unkenntnis-Folgeschaden nur dann zu einer Zahlungsverpflichtung des Schadenseratzschuldners führt - statt einer bloßen Verpflichtung zur Befreiung des Geschädigten von der Vergütungsverpflichtung gegenüber dem Autovermieter -, wenn der Kunde in Höhe der Differenz zwischen Unfallersatztarif und Normaltarif bereits Zahlung an den Vermieter geleistet hat. Die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen einem Anspruch auf Zahlung und auf Schuldbefreiung, die nur beim normalen Vermögensschadensersatz, nicht aber beim Ersatz gemäß § 249 Abs. 2 BGB gilt, entfällt, wenn, wie der Bundesgerichtshof nunmehr entschieden hat, für die Mietwagenkosten nur noch in Höhe der objektiv erforderlichen Kosten gemäß § 249 Abs. 2 BGB Ersatz zu leisten ist. Bei den objektiv erforderlichen Kosten gemäß § 249 Abs. 2 BGB spielt es keine Rolle, ob der Geschädigte mit einem Dritten einen Vertrag zur Schadensbeseitigung geschlossen und ob er im Rahmen dieses Vertrages die an den Dritten zu leistende Zahlung erbracht hat.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

7. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

RechtsgebietSchadenrechtVorschriften§ 249 II BGB

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