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10.11.2005 · IWW-Abrufnummer 052742

Finanzgericht München: Urteil vom 28.04.2005 – 14 K 1519/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Az.: 14 K 1519/03

Stichwort: Innergemeinschaftliche Lieferung von PKW

Finanzgericht München

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache XXX

wegen Umsatzsteuer 1998, 1999

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ,
des Richters am Finanzgericht und des Richters am Finanzgericht
sowie der ehrenamtlichen Richter und
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2005
für Recht erkannt:

1. Die Umsatzsteuerbescheide für 1998 und 1999 vom 11. Juni 2002 und die Einspruchsentscheidung werden aufgehoben.

2. Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

4. Die Revision wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung XXX

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Kläger zu Recht den Verkauf von vier PKW`s umsatzsteuerfrei beließ.

Im Einzelnen handelte es sich um Verkäufe von PKW`s der Marke Audi A 4 bzw. A 8 und einen VW Golf mit folgenden Belegdaten:

Rechnung vom 14. Dezember 1998 an die Fa. G , Abholung am 21. Dezember 1998 (Nr. 1) bzw. Rechnung vom 4. Februar 1999 ebenfalls an die Fa. G, Abholung am 15. Februar 1999 (Nr. 2) sowie Rechnung vom 17. November 1999 an die Fa. A, Abholung 18. November 1999 (Nr. 3) und Rechnung am 23. Dezember 1999 an die Fa. A, Abholung am 21. Januar 2000 (Nr. 4).

Bei den vom Kläger vorgefertigten Empfangsbestätigungen (vgl. 80 ff. Betriebsprüfungs-Akte) sind in der Zeile ?Fahrer für Abnehmer? folgende Namen mit Anschrift vermerkt: A K (Nr. 1, 2 und 4) bzw. S (Nr. 3), die beide den Empfang des Fahrzeugs und die beabsichtigte Beförderung nach Portugal bestätigten. Eine Bestätigung der Leistungsempfänger G und A, dass die beiden Personen zur Abholung des Fahrzeugs berechtigt waren, ist auf der Empfangsbestätigung nicht vermerkt.

Da es sich nach der Auffassung des Bundesamtes für Finanzen (vgl. Schreiben des Bundesamts für Finanzen vom 14. Mai 2001, Bl. 32 BP-Akte) bei den beiden Firmen G und A um Scheinfirmen handelte und nach der Auffassung des FA weitere Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der PKW-Verkäufe nicht vorlagen, setzte das Finanzamt (FA) mit den Änderungsbescheiden vom 11. Juni 2002 für 1998 eine negative Umsatzsteuer von 67.984,44 ? und für 1999 eine negative Umsatzsteuer von 3.826,51 ? fest.

Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 7. März 2003).

Mit seiner nunmehr erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen folgendes geltend:

Alle in Rede stehenden Fahrzeuge seien seiner Meinung nach in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert worden. Es werde insbesondere bestritten, dass die Fahrzeuge nach Frankreich geliefert worden seien. Die beiden Gesellschaften G und A seien tatsächlich am Markt tätig gewesen, hätten mit Fahrzeugen gehandelt und auch über Telefon und Faxanschlüsse verfügt.

Zu dem buchmäßigen Nachweis gehöre nicht, dass auch der Abholer eine schriftliche Vertretungsvollmacht des Leistungsempfängers vorweisen müsse. In den Streitfällen bestünden wirksame Kaufverträge, die durch gültige Angebote und wirksame Annahme zu Stande gekommen seien, wobei die Vertretungsmacht des Abholers zivilrechtlich keine Rolle spielen würde.

Entgegen der Auffassung des FA sei es auch unbedeutend, dass das Fahrzeug Nr. 1 mit einem französischen Überführungskennzeichen versehen und von einem französischen Staatsangehörigen abgeholt worden sei, da das erworbene Fahrzeug ohnehin quer durch Frankreich hätte gefahren werden müssen. Dies sei im Gegenteil ein Indiz für den Kläger gewesen, dass das Fahrzeug tatsächlich ins Ausland überführt werden sollte.

Außerdem habe der Kläger schriftlich und mündlich mit den beiden Firmen in Kontakt gestanden. Es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass die Telefonate bzw. Fax-Schreiben eine Vorwahl von Spanien und nicht von Portugal gehabt hätten.

Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich bei den Firmen um Scheinfirmen gehandelt habe, könne sich der Kläger jedenfalls auf die Vertrauensschutzregelung nach § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) berufen, denn vorliegend habe der Kläger auf die Angaben seiner Abnehmer vertrauen dürfen, zumal er das vorgesehene Bestätigungsverfahren nach § 18a UStG durchgeführt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 7. April 2003 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, die Umsatzsteuerbescheide für 1998 und 1999 vom 18. Juni 2002 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt bleibt bei seiner Auffassung, dass der Kläger die buchmäßigen und belegmäßigen Nachweise für die streitigen Lieferungen nicht erbracht habe. Zur Abholung des Fahrzeugs Nr. 3 bleibe festzustellen, dass auch nach dem Sachvortrag vom 20. Juni 2003 der Abholer das Fahrzeug nicht selbst nach Portugal verbracht habe.

II.

Die Klage ist begründet.

1. Hinsichtlich des am 23. Dezember 1999 in Rechnung gestellten Fahrzeugs hat das FA zu Unrecht einen in 1999 zu versteuernden Umsatz angenommen, weil das Fahrzeug unstreitig erst im Jahr 2000 geliefert worden ist.

2. Im Übrigen hat der Kläger die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der drei weiteren streitgegenständlichen Pkw-Lieferungen buchmäßig nachgewiesen bzw. konnte auf die Angaben der Firmen G und A nach § 6a Abs. 4 UStG vertrauen.

a) Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b und § 6a Abs. 1 UStG steuerfrei, wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG), wenn der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst a UStG) und wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung bei dem Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Diese Voraussetzungen müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein (§ 6a Abs. 3 Satz UStG).

Die Einzelheiten der Nachweispflicht ergeben sich aus § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG i.V.m. § 17a ff der UStDV. Danach hat der Lieferer den Nachweis durch Belege (§ 17a UStDV) und durch Bücher (§ 17c UStDV) zu führen. Dieser miteinander verzahnte Beleg- und Buchnachweis ist, wie beim Nachweis der Steuerfreiheit von Ausfuhrlieferungen, materiellrechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung (vg. BFH-Beschluss vom 02. April 1997 V B 159/96, BFH/NV 1997, 629).

b) Nach § 17a Abs. 1 UStDV muss der Unternehmer durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert hat. Dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (§ 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV).

In Fällen, in denen der Unternehmer oder Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, soll der Unternehmer den Nachweis u.a. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt (insbesondere durch Lieferschein), durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten und in den Fällen der Beförderung des Gegenstandes durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragen, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern, führen (§ 17a Abs. 2 Nr. 2, 3 und 4 UStDV).

c) Nach § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV muss der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich USt-IDNr. des Abnehmers buchmäßig nachweisen. Die Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV). Nach Abs. 2 dieser Regelung soll der Unternehmer u.a. regelmäßig folgendes aufzeichnen: Name und Anschrift des Abnehmers und des Beauftragten des Abnehmers, die Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet, den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet (§ 17c Abs. 2 Nr. 1, 2, 8, 9 UStDV).

In Ausnahmefällen kann der buchmäßige Nachweis in diesem Sinne auch dann erbracht sein, wenn eine der in § 17c Abs. 2 UStDV genannten Angaben nicht aufgezeichnet worden ist. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich die Aufzeichnung als reine Formsache darstellt, etwa weil sich die Angabe durch die Bezugnahme auf einen korrespondierenden und der Buchführung beigehefteten Beleg leicht und eindeutig ermitteln lässt. Der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 17c Abs. 1 UStDV ist aber nur dann als geführt anzusehen, wenn sich aus der Gesamtheit der Buchführungsvorgänge die jeweilige innergemeinschaftliche Lieferung eindeutig und leicht nachprüfbar ergibt.

3. Diese Voraussetzungen der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen sind in Bezug auf die hier streitigen Fahrzeuglieferungen erfüllt. Insoweit hat der Kläger den erforderlichen Beleg- und Buchnachweis ordnungsgemäß erbracht.

a) Zwar fehlt hinsichtlich der streitgegenständlichen Lieferungen die ausdrückliche Angabe über den Bestimmungsort (s. § 17a Abs. 2 Nr. 2 und § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV). Denn aus den vorgelegten Bestätigungen ergibt sich nur, dass das jeweilige Fahrzeug aus Deutschland nach Portugal verbracht werden soll (vgl. Bl. 56 ff BP-Akte). Der Senat erachtet es jedoch für den buchmäßigen Nachweis des Bestimmungsortes für ausreichend, dass sich aufgrund der in den vorgelegten Rechnungen genannten Anschrift der beiden Firmen G und A leicht und zumindest mit hinreichender Sicherheit erschließen lässt, dass die Lieferungen nach Funchal in Portugal gehen sollten.

b) Außerdem hat der Kläger in allen vier Liefervorgängen Name und Anschrift der Person aufgezeichnet, die die Fahrzeuge abgeholt hat. Zuzüglich hat er die Pässe der abholenden Personen fotokopiert. Einen über den Wortlaut des § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV hinausgehenden buchmäßigen Nachweis der Beauftragung selbst hält der Senat zumindest im vorliegenden Fall nicht für erforderlich. Die abholenden Personen waren nicht beauftragt zu Kaufverhandlungen, Kaufabschlüssen oder zur Zahlung des Kaufpreises, sondern waren nur ? wie in den buchmäßigen Aufzeichnungen festgehalten ? ?Fahrer für Abnehmer?.

Der Senat hat keine Zweifel, dass diese Personen von dem Abnehmer legitimiert waren, die Fahrzeuge für den Abnehmer in Empfang zu nehmen. Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass der Abholer des Fahrzeugs auch die dazugehörigen Rechnungen, Unterlagen und die Identifikationsmerkmale jeweils bei sich hatte und vom Abnehmer vorher avisiert wurde. Bei der Geschäftsanbahnung wurde dem Kläger der Abholer A K (Abholung in drei von vier Fällen) vom Abnehmer persönlich vorgestellt.

c) Die insoweit nachgewiesenen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit bei der Lieferung der genannten Fahrzeuge sind nicht deshalb unbeachtlich, weil die beiden Firmen nach den Ermittlungen der portugiesischen Steuerbehörden als Scheinfirmen (missing trader) betrachtet werden, da sie am angegebenen Sitz weder ein Büro angemietet noch Angestellte beschäftigten und die Geschäfte von Spanien aus abgewickelt haben. Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass aufgrund der Feststellungen des Bundesamts für Finanzen den Firmen G und A die Unternehmereigenschaft fehlt, konnte der Kläger auf die Angaben der Firmen nach § 6a Abs. 4 UStG vertrauen.

Nach § 6a Abs. 4 UStG ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Im Streitfall konnte der Kläger (die mangelnde Unternehmereigenschaft von G und A unterstellt) nicht erkennen, dass die Firmen G und A nicht in Portugal sondern ausschließlich in Spanien ihre Geschäfte betrieben haben. Der Kläger hat seine Sorgfaltspflichten durch die Überprüfung der jeweils angegebenen USt- IdNr. in ausreichendem Maße erfüllt; insbesondere hatte er keinen durchgreifenden Anhaltspunkt dafür, dass die Firmen tatsächlich ihre Geschäfte nur in Spanien betrieben haben, was sich auch nicht allein auf den Umstand gründen ließ, dass die Firmen eine spanische Telefax-Nr. verwendet haben.

Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats erklärt, dass er über die beiden Abnehmer zusätzlich Auskünfte bei dem Autohaus H in R, das in Geschäftsverbindung mit den Abnehmern stand, eingeholt habe. Auch aus der Abwicklung der Kaufgeschäfte konnte der Kläger keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorgelegen hätten. Bei der Anbahnung der Geschäftsbeziehungen hatte sich der (u.U. vermeintliche) Geschäftsführer der Fa. G persönlich vorgestellt, die Vertragsbedingungen ausgehandelt und den Kläger mit einem der späteren Abholer, A K, bekannt gemacht. Zum vereinbarten Abholtermin ist K bzw. der andere Abholer mit den Vertragsunterlagen (u.a. Mängelliste) erschienen, hat das Fahrzeug identifiziert, abgenommen und abgeholt. Die Bezahlung erfolgte nicht durch den Abholer oder in bar, sondern jeweils per Überweisung durch den Abnehmer. Auch die folgenden drei Lieferungen sind entsprechend abgewickelt worden. Der dabei einmal als Abholer aufgetretene S wurde vorher vom Abnehmer telefonisch angekündigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

RechtsgebietUmsatzsteuerVorschriften§ 4 Nr.1b UStG; § 6a UStG, § 17a ff. UStDV

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