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22.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052682

Finanzgericht Münster: Urteil vom 27.09.2005 – 12 K 6263/03 E

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Münster
12. Senat

Urteil

Aktenzeichen: 12 K 6263/03 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Kalenderjahr 2002 (Streitjahr) verfassungsgemäß ist. Die Kläger (Kl.) sind Ehegatten, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.

Mit zusammengefassten Bescheiden über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 12.09.2003 setzte der Beklagte (Bekl.) unter anderem den Solidaritätszuschlag für die Kl. für das Streitjahr auf EUR fest.

Die Kl. legten gegen die Festsetzungen des Solidaritätszuschlags am 26.09.2003 Einsprüche ein, die der Bekl. mit Einspruchsentscheidung vom 03.11.2003 als unbegründet zurückwies.

Die KI. haben am 27.11.2003 Klage erhoben.

Sie sind der Auffassung, der Solidaritätszuschlag, der seit dem Kalenderjahr 1991 fortlaufend erhoben werde, stelle spätestens ab dem Streitjahr eine verfassungswidrige Sondersteuer dar. Zwar sei der Staat berechtigt, zur Bewältigung von Notständen Sonderabgaben von kurzer Dauer zu erheben. Der Solidaritätszuschlag erfülle aber im Streitjahr nicht mehr den Tatbestand einer kurzfristigen Abgabe, weil er bezogen auf das Streitjahr bereits seit elf Jahren erhoben werde.

Die Kl. beantragen,
den Bescheid des beklagten Finanzamts für das Jahr 2002 vom 12.09.2003 in der Form der Einspruchsentscheidung des beklagten Finanzamts vom 03.11.2003 aufzuheben, Soweit er den Solidaritätszuschlag für das Jahr 2002 betrifft.

Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Streitjahr sei verfassungsgemäß. Sie beruhe auf dem Solidaritätszuschlaggesetz (SoIZG) vom 23.06.1993 in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung. Dieses Gesetz sei - anders als die Rechtsgrundlage für den in den Kalenderjahren 1991 und 1992 erhobenen Solidaritätszuschlag zeitlich nicht befristet. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mehrere Verfassungsbeschwerden zur Verfassungsmäßigkeit des SolZG für die Veranlagungszeiträume 1991 und 1992 nicht zur Entscheidung angenommen.
Zudem teile kein Vertreter im Schrifttum die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kl. De~ Gesetzgeber habe zwar in der Gesetzesbegründung (vgl. Bundestags-Drucksache 12/4401, Seite 51) angekündigt, das weitere Erfordernis des Solidaritätszuschlags mittelfristig zu überprüfen. Angesichts des Zustands der öffentlichen Haushalte sei jedoch bereits damals absehbar gewesen, dass der Solidaritätszuschlag bis in das nächste Jahrzehnt hineinreichen werde.

E n t s c h e i d u n g r ü n de:

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Klage ist nicht begründet.

Der Bekl. hat in den angefochtenen zusammengefassten Bescheiden in nicht zu beanstandender Weise für die Kl. einen Solidaritätszuschlag für das Streitjahr von XXX EUR festgesetzt.

Nach §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 1 SolZG wird von natürlichen Personen, die nach § 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einkommensteuerpflichtig sind, zur Einkommensteuer ein Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe erhoben. Dieser beträgt in den Fällen, in denen eine Veranlagung zur Einkommensteuer vorzunehmen ist), gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 in Verbindung mit § 4 Satz 1 SolZG 5,5 v. H. von der Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 EStG unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre.

Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschriften sind im Streitfall erfüllt. Der Bekl. hat die Einkommensteuer der unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Kl. für das Streitjahr unter Berücksichtigung von zwei Kinderfreibeträgen gemäß § 32 Abs. 6 EStG von jeweils 5.808 EUR zu Recht auf EUR festgesetzt. Unter Außerachtlassung des gezahlten Kindergeldes hat der Bekl. für die Festsetzung des Solidaritvätszuschlags zutreffend eine Bemessungsgrundlage von EUR ermittelt und unter Anwendung des Zuschlagssatzes von 5,5 v. H. einen Solidaritätszuschlag für das Streitjahr von XXX EUR errechnet. Im Übrigen haben die Kl. keine Einwendungen gegen die konkrete Höhe des in den angefochtenen zusammengefassten Bescheiden festgesetzten' Solidaritätszuschlags erhoben. Der Senat setzt das Verfahren nicht nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) aus. Er ist davon überzeugt, dass das SolZG vom 23.06.1993 in der für das Streitjahr geltenden Fassung verfassungsgemäß ist.

Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG hat ein Gericht ein Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, aufgrund einer Verletzung des GG für verfassungswidrig hält. Dabei muss das Gericht nicht nur Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der entscheidungserheblichen Norm haben, sondern von ihrer Verfassungswidrigkeit überzeugt sein (BVerfG, Beschluss vom 07.04.19921 BvL 19/91, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG (BVerfGE) 86,1'52; Kammerbeschluss vom 09.07.2003, 2 BvL 2/03, 2 BvL 4/03, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2003, 3264).

Dies ist hier nicht der Fall.
Nach Auffassung des Senats ist das SolZG vom 23.06.1993 in der für das Streitjahr geltenden Fassung formell und materiell verfassungsgemäß.

Für den Senat sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die Zweifel an der formellen Verfassungswidrigkeit des SolZG in der für das Streitjahr geltenden Fassung begründen.

Der Bund hat dieses Gesetz im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 105 Abs. 2 Fall 1 , 106 Abs. 1 Nr. 6 GG erlassen.

Die Gesetzgebungskompetenz für Steuern bestimmt sich nach Art. 105 ff. GG. Diese Redelungen finden auf den Solidaritätszuschlag Anwendung, weil er alle Merkmale des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs erfüllt. Mangels Legaldefinition im GG bestimmt sich der verfassungsrechtliche Begriff einer Steuer unter Rückgriff auf die einfachgesetzliche Vorschrift des § 3 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 02.10.1973 1 BvR 345/73, BVerfGE 36, 66 und vom 06.11.1984 2 BvL 19, 20/83, 3 BvR 363, 491/83, BVerfGE 67, 257; Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Auflage 2005, § 3 Rdnr. 10). Der Solidaritätszuschlag ist eine von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen mit dem Zweck der Einnahmeerzielung auferlegte Geldleistung, zu der nach § 2 SolZG alle unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen und erweitert beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen sowie alle körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen abgabepflichtig sind. Des Weiteren stellt der Solidaritätszuschlag keine Gegenleistung für eine besondere Leistung dar. Unerheblich ist zudem, dass der Gesetzgeber die Erhebung des Solidaritätszuschlags mit dem politischen Ziel der Finanzierung der Kosten für die Wiedervereinigung Deutschlands verknüpft hat (vgl. Bundestags-Drucksache 12/440t). Die politische Zweckbindung des Aufkommens einer Abgabe steht ihrer Einordnung als Steuer nicht entgegen, wenn das Aufkommen haushaltsrechtlich der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs dient (Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Auflage 2005, § 3 Rdnr. 14). Selbst rechtliche Zweckbindungen von Einnahmen, die stets eine Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers bedeuten, sind verfassungsrechtlich erst bedenklich, wenn die Zweckbindungen ein vertretbares Ausmaß übersteigen (BVerfG, Urteil vom 20.04.2004 1 BvR 1748/99, 1 BvR 905/00, BVertGE 110,274).

Da der Solidaritätszuschlag grundsätzlich von allen einkommensteuer- und körperschaftsteuerpflichtigen Steuersubjekten erhoben wird und sein Aufkommen in den allgemeinen Haushalt des Bundes fließt, stellt er keine Sonderabgabe dar (vgl. zu den Sonderabgaben: Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Auflage 2005, § 3 Rdnr. 21 ff.).

Der Bund hat gemäß Art. 105 Abs. 2 Fall 1 ,106 Abs. 1 Nr. 6 GG die konkurrierende Gesetzgebung über die Steuern mit Ausnahme von Zöllen und Finanzmonopolen, wenn ihm das gesamte Aufkommen dieser Steuern zusteht. Dies ist bei dem als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und zur Körperschaftsteuer ausgestalteten Solidaritätszuschlag der Fall (vgl. § 1 Abs. 1 SoIZG), weil der Ertrag dieser Abgabe gemäß Art. 106 Abs. 1 Nr.6 GG ausschließlich dem Bund zufließt.

Umstände für beachtliche Fehler im Gesetzgebungsverfahren haben weder die KI. vorgetragen noch sind diesbezügliche Anhaltspunkte für den Senat erkennbar. Da der Bundesrat dem Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms, das in Art. 31 das SolZG normiert, in der Sitzung vom 28.05.'[1993 zugestimmt hat (vgl. Bundesrats-Drucksache 350/93), kann offen bleiben, ob dieses Gesetz zustimmungspflichtig war. Jedenfalls begründet eine tatsächlich erteilte, jedoch nicht erforderliche Zustimmung des Bundesrates zu einem Einspruchsgesetz keinen beachtlichen Fehler im Gesetzgebungsverfahren (Maunz in Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Art. 78 Rdnr. 2).

Der Senat hat keine Bedenken hinsichtlich der materiellen Verfassungsmäßigkeit des SolZG in der für das Streitjahr geltenden Fassung.

Das SolZG verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser auf dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip beruhende Grundsatz begründet für jede staatliche Maßnahme ein Obermaßverbot. Ein in die freiheitlich geschützte Sphäre eingreifendes Gesetz genügt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn es das gewählte Mittel in ein vernünftiges Verhältnis zum angestrebten Zweck setzt (Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Auflage 2005, § 4 Rdnr. 209 ff.). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des SolZG hat der Senat zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen ein weit reichender Gestaltungsspielraum zusteht (BVerfG, Beschluss vom 22.06.1995 3 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121; Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 28.02.1996 XI R 83, 84/94, Sammlung der nicht veröffentlichen Entscheidungen des BFH (BFH/NV) 1996, 712 mit weiteren Nachweisen). Die Entscheidungen des Gesetzgebers, welche staatlichen Zwecke er verfolgen will und wie er dies finanziert, sind grundsätzlich nicht justiziabel (BVerfG, Entscheidung vom 09.02.1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, Bundessteuerblatt (BStBI.) 111972, 408).

Hiernach hat der Gesetzgeber nach Auffassung des Senats durch den Erlass des SolZG die Grenzen des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums nicht überschritten. Die Verfassung sieht keine spezifischen Voraussetzungen für eine Ergänzungsabgabe vor. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms, dessen Bestandteil unter anderem das SolZG ist, mehrere Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Erblasten im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands, zur langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte zusammengefasst (vgl. Bundestags-Drucksache 12/4401). Die damalige Bundesregierung, die den Gesetzesentwurf eingebracht hat (Bundesrat-Drucksache 121/93), hat den Zweck dieser Maßnahmen nachvollziehbar dargestellt. Nach ihren - gerichtlich nicht überprüfbaren - Vorstellungen sollte der Solidaritätszuschlag der allgemeinen Einnahmeverbesserung für die Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Belastungen dienen (Bundestags-Drucksache 12/4401, 4 ff.).

Die Ausgestaltung des SolZG als unbefristetes Gesetz begründet keine Zweifel an dessen materieller Verfassungsmäßigkeit.

Anders als das SolZG 1991, das Bestandteil des am 28.06.1991 in Kraft getretenen Gesetzes zur Einführung eines befristeten Solidaritätszuschlags und zur Änderung von Verbrauchsteuern und anderen Gesetzen (Bundesgesetzblatt I 1991, 1318) war, enthält das SolZG vom 23.06.1993 in der für das Streitjahr geltenden Fassung keine Vorschrift, die den Anwendungszeitraum dieses Gesetzes befristet. Dies ist jedoch nicht zu beanstanden. Der Senat kann weder tatsächliche noch rechtliche Umstände erkennen, die dem Gesetzgeber nur die befristete Erhebung eines als Ergänzungsabgabe ausgestalteten Solidaritätszuschlags erlauben (gleiche Auffassung: Wagner in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuer, Kommentar, Anhang 1 zu § 51 a Anm. 3). Vor allem enthält die Verfassung kein Gebot, nur befristete Ergänzungsabgaben zu erheben (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.11.19992 BvR 1167/96, NJW 2000,797; Entscheidung vom 09.02.1972 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333; BStBI. 11 1972,408; BFH, Urteil vom 28.02.1996 XI R 83,84/94, BFH/NV 1996, 712)

Der Senat hat auch keine Zweifel daran, dass der Solidaritätszuschlag im Hinblick auf die Länge seiner Erhebungsdauer im Streitjahr noch verfassungsgemäß war.

Die Ansicht der KI., die Erhebung des Solidaritätszuschlags über einen Zeitraum von 11 Jahren sei verfassungswidrig, weil es sich nicht mehr um eine kurzfristige Abgabe handele, findet in der Verfassung keine Stütze. Dabei kann der Senat offen lassen, ob der in den Veranlagungszeiträumen 1991 und 1992 erhobene Solidaritätszuschlag in diese Betrachtung überhaupt einzubeziehen ist, weil er auf einer anderen rechtlichen Grundlage beruhte. Jedenfalls lässt sich weder aus dem Begriff der Ergänzungsabgabe in Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG noch aus eine~ systematischen Betrachtung der Vorschriften der Finanzverfassung ableiten, dass Ergänzungsabgaben nur kurzfristig erhoben werden dürfen. Vielmehr darf nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Ergänzungsabgabe nicht nur für einen ganz kurzen Zeitraum erhoben werden (BVerfG, Beschluss vom 19.11.19992 BvR 1167/96, NJW 2000, 797; Entscheidung vom 09.02.1972 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, BStBI. 111972,408).

Der Senat kann keine veränderten tatsächlichen Umstände erkennen, die darauf hindeuten, dass der Gesetzgeber durch das Festhalten an dem am 01.01.1995 in Kraft getretenen SolZG im Streitjahr, d. h. im zwölften Jahr nach der Wiedervereinigung Deutschlands, die Grenzen seines Gestaltungsspielraums überschritt4n hat. Insbesondere hat sich die Finanzlage des Haushaltes des Bundes in dem Zeitraum zwischen der Wiedervereinigung und dem Streitjahr nicht verbessert. Zum Ende des Kalenderjahres 1990, dem Jahr der Wiedervereinigung Deutschlands, beliefen sich die Schulden des Bundes auf 277.217.000.000 EUR (Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2003 für die Bundesrepublik Deutschland, 20.4.1). Sie stiegen in den Folgejahren stetig an und erreichten am Ende des Streitjahres (31.12.2002) einen Betrag von 719.397.000.000 EUR (Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2003 für die Bundesrepublik Deutschland, 20.4.1 und 20.4.2). Diese gewichtige Verschlechterung der Finanzlage des Bundes verdeutlicht, dass der Bundesgesetzgeber gezwungen war, Maßnahmen zur Stabilisierung seines Haushaltes zu treffen. Bei dieser Betrachtung ist zudem - wie bereits oben ausgeführt - zu berücksichtigen, dass die Entscheidungen des Gesetzgebers, welche Zwecke er für erforderlich hält und wie er diese finanziert, gerichtli6h nur sehr eingeschränkt überprüfbar sind (BVerfG, Entscheidung vom 09.02.1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333,1!IBStBI. 11 1972, 408; BVerfG,
Kammerbeschluss vom 26.08.1992 2 BvR 478/92, NJW 1993, 455; BFH, Urteil vom 28.02.1996 XI R 83, 84/94, BFH/NV 1996, 712). Angesichts dessen darf der Senat nicht beurteilen, ob die mit der Wiedervereinigung Deutschlands in Zusammenhang stehenden Kosten im Streitjahr auch ohne einen als Ergänzungsabgabe ausgestalteten Solidaritätszuschlag hätten finanziert werden können.

Das SolZG verletzt keine Grundrechte der Abgabenpflichtigen.

Es berührt nicht den Schutzbereich der Grundrechte der Abgabenpflichtigen aus Art. 14 Abs. 1 GG.

Art. 14 Abs. 1 GG schützt das Eigentum, jedoch nicht vor der Auferlegung von Geldleistu~9spflichten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.07.1991 1 BvR 313/88 mit weiteren Nachweisen; BFH, Urteil Vom 11.08.1999 XI R 77/97, Sammlung der Entscheidungen des BFH (BFHE) 189,413, BStBI. 111999, 771 mit weiteren Nachweisen; Papier in Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Art. 14 Rdnr. 165 ff.). Die in Art. 14 Abs. 1 GG verankerte Eigentumsgarantie tangiert ein Steuergesetz nur ausnahmsweise dann, wenn es die Steuerpflichtigen durch eine erdrosselnde bzw. konfiskatorische Wirkung übermäßig belastet und dadurch deren Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.07.1991 1 BvR 313/88 mit weiteren Nachweisen; BFH, Urteil vom 11.08.1999 XI R 77/97, BFHE 189,413, BStBl. 111999,771 mit weiteren Nachweisen). Dies trifft auf den Solidaritätszuschlag im Streitjahr nicht zu. Eine - verfassungsrechtlich bedenkliche - erdrosselnde Wirkung des Solidaritätszuschlags haben die KI. nicht dargelegt. Zudem kann der Senat nicht erkennen, dass der als Zuschlag von 5,5 v, H. zur Einkommen- und Körperschaftsteuer ausgestaltete Solidaritätszuschlag eine derartige Wirkung entfaltet.

Das SolZG verletzt die Abgabepflichtigen nicht in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG.

Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG schützt die allgemeine Handlungsfreiheit. Da jeder Besteuerung ein Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts immanent ist, muss sie stets verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein (BVerfG, Beschluss vom 05.02.2002 2 BvR 305/93,2 BvR 348/03, BVerfGE 105, 17; Di Fabio in Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 93 mit weiteren Nachweisen). Dies ist der Fall, wenn die Besteuerung den Anforderungen der in Art. 2 Abs. 1 GG normierten Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung genügt. So liegt es hier. Der Senat ist - wie bereits oben ausgeführt - der Auffassung, dass das SolZG vom 23.06.1993 in der für das Streitjahr geltenden Fassung als formell und materiell verfassungsgemäßes Gesetz ein wirksamer Bestandteil der verfassungsgemäßen Ordnung ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen eines Revisionsgrundes gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind.

Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Regel begründen vernünftige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschrift die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 115 FGO Tz. 57; Ruban in Gräber, FGO, Kommentar, 5. Auflag~ 2002, § 115 Rdnr. 36). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Der Senat hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des SolZG in der für das Streitjahr geltenden Fassung. Bisher sind auch weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des SolZG vom 23.06.1993 geäußert worden.

Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist die Revision auch zuzulassen, wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert. Dieser Zulassungsgrund soll vor allem eine unterschiedliche Rechtsprechung beseitigen bzw. verhindern (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 115 FGO Tz. 63 ff.; Ruban in Gräber, FGO, Kommentar, 5. Auflage 2002, § 115 Rdnr. 36). Dieses Bedürfnis besteht im Streitfall nicht, weil zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit des SolZG vom 23.06.1993 noch keine gerichtliche Entscheidung ergangen ist.

RechtsgebieteSolZG, GGVorschriften§ 2 Abs. 1 GG

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