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02.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052418

Finanzgericht München: Urteil vom 09.06.2005 – 14 K 5374/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Az.: 14 K 5374/04
Finanzgericht München

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In der Streitsache XXX

wegen Umsatzsteuer 2003 (Sprungklage)

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung XXX
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2005
für Recht erkannt:

1. Unter Änderung des Steueränderungsbescheids vom 6. Dezember 2004 wird die Umsatzsteuer 2003 auf ?,21 ? festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Bei der Einlegung und Begründung der Revision sowie in dem weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089 / 92 31-201.

Gründe:

I.
Streitig ist die Besteuerung der privaten Verwendung eines betrieblichen und von der ehemaligen Vorsteuerkappung betroffenen Pkw.

Der Kläger, ein ?., erwarb im August 2000 einen Pkw zur sowohl beruflichen wie auch privaten Nutzung. Den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten und den laufenden Betriebskosten des Pkw nahm der Kläger für die Jahre 2000 bis 2002 gemäß § 15 Abs. 1b des Umsatzsteuergesetzes in der bis zum 31. Dezember 2003 gültigen Fassung (UStG) nur zu 50 v.H. vor.

Für das Streitjahr 2003 machte der Kläger in seiner Umsatzsteuererklärung aus den laufenden Betriebskosten für den Pkw den vollen Vorsteuerabzug geltend und nahm in Bezug auf die Anschaffungskosten eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG vor.

Zugleich unterwarf er die private Verwendung des Pkw zunächst der Besteuerung. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2004 beantragte der Kläger jedoch u.a., die Besteuerung seiner privaten Verwendung des Pkw (Bemessungsgrundlage 2.587 ?) rückgängig zu machen und die Umsatzsteuer dementsprechend um 413,92 ? herabzusetzen.

Der Beklagte (das Finanzamt) lehnte den Änderungsantrag insoweit ab (s. Bescheid vom 29. Oktober 2004 sowie Einspruchsentscheidung vom 8. Dezember 2004) und setzte dementsprechend die Umsatzsteuer 2003 schließlich mit Steueränderungsbescheid vom 6. Dezember 2004 auf ?..,13 ? fest.

Gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 6. Dezember 2004 erhob der Kläger mit Zustimmung des Finanzamts Sprungklage.

Seine Klage begründet der Kläger damit, dass bei sog. Kappungsfahrzeugen, die während der Zeit vom 1. April 1999 bis 31. Dezember 2002 angeschafft worden seien und für die der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1b UStG vorgenommen worden sei, gemäß § 27 Abs. 5 Satz 1 UStG der § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG weiterhin anzuwenden sei und daher eine Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe ausscheide. Das dazu ergangene BMF-Schreiben vom 27. Oktober 2004 (BStBl I 2004, 864) widerspreche dem nationalen Recht.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Steueränderungsbescheids vom 6. Dezember 2004 die Umsatzsteuer 2003 auf ?.,21 ? herab festzusetzen und für den Fall der Klageabweisung die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen und für den Fall der Klagestattgabe die Revision zuzulassen.
Klageerwidernd führt das Finanzamt noch aus, dass der Kläger zulässigerweise den Vorsteuerabzug aus den laufenden Kosten in voller Höhe vorgenommen und die Vorsteuer aus den Anschaffungskosten nach § 15a UStG berichtigt habe. Im Gegenzug sei jedoch die unentgeltliche Wertabgabe aus der Privatnutzung des Pkw zu versteuern. Dies ergebe sich aus dem Gesetz. Wenn der Kläger zwar die Vorsteuerberichtigung vornehme, den Eigenverbrauch aber nicht besteuere, vermische er in unzulässiger Weise europäisches und nationales Recht. Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 27. August 2004 seien bei der Umsatzsteuerveranlagung des Klägers zutreffend angewendet worden.

Aufgrund der Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG sei in Höhe des Berichtigungsbetrags der Vorsteuerabzug im Ergebnis nicht nach § 15 Abs. 1b UStG vorgenommen worden, so dass insoweit § 27 Abs. 5 UStG nicht einschlägig sei und die Voraussetzungen des § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG nicht mehr erfüllt seien. In der Konsequenz bedeute dies, dass die laufenden Betriebskosten und der Berichtigungsbetrag in die Bemessung der unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG einzubeziehen seien. Im Gegenzug zum Vorsteuerabzug sei der Eigenverbrauch der Besteuerung zu unterwerfen. Dies ergebe sich aus der Systematik sowohl des nationalen als auch des europäischen Umsatzsteuerrechts. Das BMF vertrete in seinem Schreiben vom 27. August 2004 ebenfalls diese Auffassung. Wenn der Kläger auf der einen Seite den vollen Vorsteuerabzug vornehme, auf der anderen Seite jedoch beantrage, den Eigenverbrauch nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen, widerspreche dieses Vorgehen der Systematik des Umsatzsteuerrechtes.

II.

Die Klage ist begründet.

1. a) Die Nichtsteuerbarkeit der hier zwischen den Beteiligten streitigen privaten Verwendung des betrieblichen Pkw ergibt sich für das Streitjahr 2003 unmittelbar aus dem Gesetz selbst.

Denn nach § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG in der bis zum 31. Dezember 2003 gültigen Fassung wird zwar die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer, für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt.

Jedoch gilt dies nach § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG nicht bei der Verwendung eines Fahrzeugs, bei dessen Anschaffung oder Herstellung Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 1b UStG nur zu 50 v.H. abziehbar waren.

Diese Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG sind vorliegend gegeben.
Die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger mit Billigung der Finanzverwaltung (s. dazu Tz. 6.2 des BMF-Schreibens vom 27. August 2004, BStBl I 2004, 864) eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus den Anschaffungskosten seines betrieblichen Pkw wegen Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen rechtlichen Verhältnisse durchgeführt hat.

Denn die Regelung des § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG (sowie die des § 15 Abs. 1b UStG) ist erst durch das Steueränderungsgesetz - StÄndG - 2003 (vom 15. Dezember 2003, BGBl I, 2645) mit Wirkung zum 1. Januar 2004 aufgehoben worden (s. Art. 25 Abs. 4 StÄndG 2003). Eine anderweitige Regelung für die sog. Vorsteuerkappungsfahrzeuge schon für den Veranlagungszeitraum 2003 hat der Gesetzgeber trotz Kenntnis vom Auslaufen der der Vorsteuerkappungs-Regelung des § 15 Abs. 1b UStG zugrunde liegenden Ermächtigung des Rates der Europäischen Union vom 28. Februar 2000 (Amtsblatt EG 2000 Nr. 259/12) zum 31. Dezember 2002 offensichtlich nicht vorgesehen.

Dennoch hat der Senat erwogen, den § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG einengend nicht für solche Fahrzeuge anzuwenden, für die ? wie vorliegend ? mit dem Wegfall der gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung ab dem 1. Januar 2003 eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus den Anschaffungskosten nach § 15a Abs. 1 UStG vorgenommen worden ist (so im Ergebnis die Auffassung der Finanzverwaltung, s. Tz. 6.2 des BMF-Schreibens vom 27. August 2004, BStBl I 2004, 864). Gegen eine solche Auslegung spricht jedoch neben dem eindeutigen Wortlaut des Gesetztes und dem zu beachtenden Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, dass der Gesetzgeber auch für die Besteuerungszeiträume ab 2004 mit der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 5 UStG die weitere Anwendung des § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG auf Fahrzeuge, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1b UStG vorgenommen worden ist, nicht vom Verzicht auf eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG abhängig gemacht hat.

Im übrigen sind aber die von den Beteiligten aufgeworfenen Fragen zur Anwendung und Auslegung der durch das Steueränderungsgesetz 2003 neu gefassten Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 5 UStG (s. Art. 5 Nr. 34 StÄndG 2003) im Streitfall nicht zu erörtern, da diese Regelung erst zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist (s. Art. 25 Abs. 4 StÄndG 2003).

b) Eine Verpflichtung zur (teilweisen; s. dazu Tz. 6.2 des BMF-Schreibens in BStBl I 2004, 864) Besteuerung des Verwendungseigenverbrauchs ergibt sich auch nicht aus dem Gemeinschaftsrecht. Der Kläger darf zwar nach Wegfall der gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung für die Vorsteuerkappungs-Regelung des § 15 Abs. 1b UStG unter Berufung auf Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG und damit abweichend von dem für das Streitjahr noch wirksamen § 15 Abs. 1b UStG aus den laufenden Betriebskosten des Pkw den vollen Vorsteuerabzug vornehmen. Jedoch ist der Kläger nicht gehalten, entgegen der ebenfalls noch für das Streitjahr gültigen und günstigeren nationalen Regelung des § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG eine Besteuerung der privaten Verwendung des betrieblichen Pkw gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vorzunehmen. Denn der Kläger kann sich zwar auf das ihm günstigere Gemeinschaftsrecht (hier Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG) gegenüber dem ungünstigen richtlinienwidrigen nationalen Steuerrecht (hier § 15 Abs. 1b UStG) berufen (vgl. BFH Urteil vom 11. Dezember 2003 V R 48/02, BFH/NV 2004, 595 m.w.N.). Er kann sich umgekehrt aber auch auf das für ihn günstige richtlinienwidrige nationale Steuerrecht (hier § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG) gegenüber dem ungünstigeren Gemeinschaftsrecht berufen (vgl. BFH Urteil vom 18. Oktober 2001 V R 106/98, unter II. 5. b), BFH/NV 2002, 298).

2. Der beantragten Herabsetzung der Umsatzsteuer für das Streitjahr steht schließlich auch nicht die ? zwischen den Beteiligten unstreitige ? Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus den Anschaffungskosten des betrieblichen Pkw entgegen. Denn die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG liegen für das Streitjahr vor, da die der Vorsteuerkappungs-Regelung des § 15 Abs. 1b UStG zugrunde liegende gemeinschaftsrechtliche Ermächtigung zum 31. Dezember 2002 ausgelaufen ist.

Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen.

Der Zweck des § 15a UStG erfasst entsprechend seinem weit gefassten Wortlaut nicht nur Änderungen der Verwendungsverhältnisse, sondern sämtliche Änderungen der Verhältnisse, die für den Vorsteuerabzug maßgebend waren (BFH-Urteil vom 17. Juni 2004 V R 31/02, BFH/NV 2004, 1487). Diese weite Auslegung des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG entspricht auch den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts in Art. 20 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 77/388/EWG, wonach der ursprüngliche Vorsteuerabzug berichtigt wird, wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugs berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben.

Eine Berichtigung des (unterbliebenen) Vorsteuerabzugs kann deshalb ? wie vorliegend ? auch vorgenommen werden, wenn der Anspruch auf vollständigen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG zunächst durch § 15 Abs. 1b UStG teilweise ausgeschlossen war, nunmehr aber wieder gegeben ist, weil die gemeinschaftsrechtliche Ermächtigung für die Vorsteuerkappung wegen Zeitablaufs nicht mehr eingreift.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.

4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 1 Nr. 1 FGO).

RechtsgebietUmsatzsteuerVorschriften§ 15 I b UStG a.F., § 15a UStG

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