Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

15.04.2005 · IWW-Abrufnummer 051074

Amtsgericht Bergisch-Gladbach: Urteil vom 05.08.2004 – 61 C 122/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


AMTSGERICHT BERGISCH GLADBACH

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Im dem Rechtsstreit XXX

hat das Amtsgericht Bergisch Gladbach, Abt. 61
im schriftlichen Verfahren gemäß § 495a ZPO am 05.08.2003
durch den Richter am Amtsgericht Mischke
für Recht erkannt.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 210,69 nebst fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz heraus seit dem 27.02.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten, einem bundesweit tätigen Versicherungsunternehmen, die Zahlung des Mehrwertsteueranteils in Höhe von 16 % im Rahmen der Schadensregulierung aus einem Verkehrsunfall. Der Kläger war Eigentümer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen GL-VV 314. Die Erstzulassung des PKW zum Verkehr war am 11.06.1987. Ein Versicherungsnehmer der Beklagten beschädigte das Fahrzeug am 06.12.2002 vor dem Haus des Klägers mit der Folge eines wirtschaftlichen Totalschadens. Mit Gutachten vom 10.12.2002 ermittelte ein Sachverständigenbüro den entstandenen Schaden und setzte die Reparaturkosten auf ca. EUR 4.000,00 inkl. MwSt. und den Wiederbeschaffungswert auf EUR 1.600,00 inkl. MwSt. fest. Die Beklagte regulierte den Schaden des Klägers in Höhe des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des MwSt.-Anteils von 16 % in Höhe von EUR 210,69.

Laut Rechnung vom 16.01.2003 erwarb der Kläger als Ersatzfahrzeug einen Gebrauchtwagen in Höhe von EUR 6.060,00 bei einem Autohaus. Die Rechnungsstellung erfolgte ohne Berechnung von Mehrwertsteuer und mit dem Hinweis darauf, dass die ?Lieferung nach § 25a UStG (Differenzbesteuerung)? erfolge.

Mit Schreiben vom 27.02.2003 lehnte die Beklagte die Zahlung des MwSt.-Anteils in Höhe von EUR 210,69 an den Kläger ab wegen des nicht konkret ausgewiesenen Mehrwertsteuerbetrages der Rechnung des Autohauses.

Der Kläger behauptet, der vom Sachverständigen festgestellte Wiederbeschaffungswert stelle einen Nettowert dar. Im Gutachten vom 10.12.2002 habe der Sachverständige die Auswirkung der Gesetzesänderung noch nicht berücksichtigt und daher den Wiederbeschaffungswert irrtümlich inklusive Mehrwertsteuer angegeben. In einem neuen vergleichbaren Gutachten desselben Sachverständigen vom Februar 2003 sei die neue Rechtslage mittlerweile berücksichtigt und der Wiederbeschaffungswert als Nettobetrag angegeben worden. Ein vergleichbares fünfzehn Jahre altes Fahrzeug sei nicht mehr bei einem seriösen Gebrauchtwagenhändler, sondern nur auf dem Privatmarkt zu finden. Dort sei das Fahrzeug nicht mit einer ausweisbaren Mehrwertsteuer von 16 % zu erwerben. Der Kläger ist der Ansicht, den Abzug von 16 % Mehrwertsteuer durch die Beklagte sei nicht berechtigt. Selbst beim Erwerb eines vergleichbaren Fahrzeugs bei einem Händler sei in dem Wiederbeschaffungswert von EUR 1.600,00 kein Betrag von 16 % MwSt. enthalten. Der Händler unterliege einer Differenzbesteuerung und seine Gewinnspanne betrage maximal 10 %. Daher sei allenfalls auf einen Betrag von ca. EUR 150,00 MwSt. zu zahlen, was einem Betrag von EUR 24,00 entspreche. Diese EUR 24,00 seien durch den Nachweis der Ersatzbeschaffung eines PKW zu einem Kaufpreis von EUR 6.060,00 und der darin enthaltenen Differenzbesteuerung mehr als enthalten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 210,69 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Sachverständige weise in seinem Gutachten vom 10.12.2002 ausdrücklich darauf hin, dass es sich um Bruttobeträge handele. Der Beklagte ist der Ansicht, bei der Beschädigung einer Sache schließt der erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen sei. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, den Nachweis zu erbringen, dass tatsächlich MwSt. angefallen sei. Diesen Nachweis habe des Kläger nicht erbringen können.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet,

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von restlichem Schadensersatz in Höhe von EUR 210,69 aus §§ 7 I StVG, 3 Nr. 1 PflVG.

Die Voraussetzungen des § 7 I StVG liegen vor, da bei dem Betrieb des PKW deren Halter der Versicherungsnehmer der Beklagten ist, der PKW des Klägers beschädigt wurde. Die Ersatzpflicht ist nicht gemäß § 7 II StVG ausgeschlossen, da der Unfall nicht durch höhere Gewalt verursacht worden ist. Gemäß § 3 Nr. 1 PflVG kann der Anspruch unmittelbar im Direktdurchgriff gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherin gerichtet werden.

Die Rechtsfolge der Haftung aus § 7I StVG ist grundsätzlich ein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 249 ff. BGB. Vorliegend richten sich Art und Umfang des Schadensersatzes nach § 249 I, II 2 BGB.

Der Kläger hat danach einen Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungswertes.

Gemäß § 249 I BGB ist der Schaden grundsätzlich im Wege der Naturalrestitution auszugleichen, d. h. Herstellung des gleichen wirtschaftlichen Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Bei der Beschädigung einer Sache kann der Geschädigte statt der Naturalrestitution Geldersatz verlangen gemäß § 249 II BGB. Zu ersetzen ist dabei das Integritätsinteresse, d. h. der Geldbetrag der zur Herstellung des Zustandes erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei der Beschädigung eines PKW. die Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Autos neben der Reparatur die zweite Art der Naturalrestitution (vgl. Palandt, § 249, Rn. 15 u. 20; BGHZ 115, 364). Nach § 249 BGB muss der Schädiger nicht einen identischen, sondern nur einen gleichwertigen Zustand schaffen. Grundsätzlich hat der Geschädigte danach die Wahl zwischen beiden Arten, nur sind bei der Naturalrestitution nur solche Reparaturaufwendungen ?erforderlich? i. S. v. § 249 II, die nicht unverhältnismäßig sind. Insoweit ist § 251 II 1 BGB entsprechend heranzuziehen. Der Ersatz von Reparaturkosten ist dann ausgeschlossen, wenn die Reparaturkosten Wiederbeschaffungswert um 30 % übersteigen.

Der PKW des Klägers wurde beschädigt. Diese Beschädigung steht in diesem Fall rechtlich einer Zerstörung gleich, da der Kläger durch den Verkehrsunfall einen sog. wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hat (vgl. Palandt, 62 Aufl., 249 Rn. 23). Die Reparatur des PKW war unwirtschaftlich, da ihre Höhe mit ca. EUR 4.000,00 bemessen war und somit mehr als 30 % über dem Wert des PKW vor dem Unfall lag. Da eine Reparatur insofern ausscheidet, kann der Kläger im Sachverständigengutachten angegebenen Wiederbeschaffungswert ersetzt verlangen.

Die Beklagte kann sich dabei nicht auf § 249 II 2 BGB berufen und ist nicht berechtigt, den Mehrwertsteueranteil von zu ersetzenden Wiederbeschaffungswert in Höhe von EUR 1.600,00 abzuziehen. Der erforderliche Geldbetrag schließt die Umsatzsteuer hier ein, da sie tatsächlich durch den Erwerb des Gebrauchtwagen angefallen ist.

Eine Ersatzpflicht der Mehrwertsteuer besteht dann, soweit sie bei der Restitution angefallen ist. Dies gilt auch, wenn der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug beim Gebrauchtwagenhändler erwirbt und im Preis die gemäß § 25a UStG nach der Differenz zwischen Händlereinkaufs- und -verkaufspreis zu berechnende MwSt. enthalten ist. Wird die MwSt. in der Rechnung nicht besonders ausgewiesen, kann sie vom Gericht gemäß § 287 ZPO geschätzt werden (vgl. Palandt § 249 Rn. 18; Jaeger/Luckey, Das neue Schadensersatzrecht, Rn. 247).

Zunächst ist auf die für den Wiederbeschaffungswert des Alt- PKW zu ermittelnde MwSt. abzustellen. Fahrzeuge mit einem derart hohen Lebensalter wie der beschädigte des Klägers, sind aber bei einem seriösen gewerblichen Händler nicht mehr zu erwerben. Im abstrakten Wiederbeschaffungswert ist daher rein tatsächlich überhaupt keine Umsatzsteuer mehr enthalten, so dass dieser brutto gleich netto anzusehen ist (vgl. Riedmeyer, DAR 2003, 159 ff.).

Selbst auf Basis der Differenzbesteuerung wäre allenfalls eine Berechnung der MwSt. auf den Betrag der fiktiven Händlergewinnspanne durchzuführen. Ginge man von einem Wiederbeschaffungswert von EUR 1600,00 inkl. MWSt. und einer Händlerspanne von maximal 20 % aus, läge der Einkaufspreis für einen vergleichbaren PKW bei 1333,33 ? und der enthaltene Händlergewinn bei 266,66 inkl. MWSt. Die dabei anfallende im Preis enthaltene MwSt. würde EUR 36,78 betragen.

Der Kläger hat ausweislich der Rechnung vom 16.01.2003 bei einem Autohaus einen Gebrauchtwagen für EUR 6.060,00 erworben, welcher der Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG unterliegt und deshalb auf der Rechnung keine Angabe der MwSt. enthielt. In diesem Kaufpreis sind die fiktiv ermittelten EUR 36,78 jedoch mehr als enthalten, weil sich bereits bei einer angenommenen Händlerspanne von nur 10 % ein Händlergewinn von 550,91 ? inkl. MWSt. und eine darin enthaltene MWSt. von 75,99 ? ergibt.

Demgegenüber kann die Beklagte nicht verlangen, dass der Kläger eine Rechnung über die genau gezahlten MWSt. vorlegt. Der Geschädigte könne dies nur, wenn er einen entsprechenden Anspruch gegenüber dem Verkäufer hätte. Genau dies aber ist für die Differenzbesteuerung in § 25 VI UStG bewusst nicht vorgesehen weil der Verkäufer sonst gezwungen wäre, über den MWSt.-Ausweis seine eigene Gewinnspanne offen zulegen.

Der Zinsanspruch ergibt sich in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus den §§ 286 I, II, 288 BGB. Die Beklagte befindet sich seit dem 27.02.2003 im Verzug. Einer Mahnung seitens des Klägers bedurfte es nicht, da die Beklagten mit Schreiben vom 27.02.2003 die Leistung endgültig verweigert hat, § 286 II Nr. 3 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Streitwert: EUR 210,69

Rechtsgebiet§ 249 Abs. 2 BGBVorschriftenVerkehrsrecht, Schadenersatz, Wiederbeschaffungswert

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr